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E.ON im Verdacht In einer ungewöhnlichen Pressekonferenz hat die ZNER der Öffentlichkeit weitreichende Überlegungen zu den Ursachen der Strompreissteigerungen und deren mögliche Konsequenzen vorgestellt.

E.ON im Verdacht

(6. März 2009) In einer ungewöhnlichen Pressekonferenz hat ein energierechtliches Fachblatt, die Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER), der Öffentlichkeit weitreichende Überlegungen zu den Ursachen der Strompreissteigerungen der letzten sechs Jahre und deren mögliche Konsequenzen vorgestellt.

Der Verdacht, dass die Strompreissteigerungen auf eine Manipulation der Energiebörse EEX in Leipzig zurückzuführen seien, erhärte sich mehr und mehr.

Dieser Verdacht war schon in dem Sondergutachten Strom und Gas 2007 der Monopolkommission, eines Beratungsorgans der Bundesregierung, geäußert worden, das sich insoweit auf ein Gutachten von London Economics berufen hatte, in Auftrag gegeben von der Europäischen Kommission. In diesem Gutachten hatte London Economics Berechnungen vorgestellt, aus denen sich ergab, dass die Strompreissteigerungen dadurch vorangetrieben worden sein könnten, dass Stromkonzerne ihre kostengünstig produzierenden Kraftwerke bewusst zurückgehalten und nur den Strom aus teuer produzierenden Kraftwerken an der EEX feilgeboten hätten.

Dieser Verdacht war durch einen Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 18.11.2006 bestärkt worden, den es im Fusionskontrollverfahren E.ON Mitte/Stadtwerke Eschwege geschrieben hatte. Dort wurden nicht nur Absprachen zwischen den Chefs der vier deutschen, aber auch unter den europäischen Großkonzernen dargestellt. Mit Blick auf die Börse war vielmehr besonders aufschlussreich eine Passage unter der Überschrift „Welchen Anteil haben wir an der Marktpreisentwicklung?“ für 2003: „Von März bis Juni 2003 hat ein intensiver Einsatz des EST-Eigenhandelsbuches zur Initiierung von Marktpreissprüngen und zur Absicherung von Marktpreiseinbrüchen beigetragen … EST (E.ON Sales and Trading) hat als Treiber des Marktes sehr großen Anteil am Durchstoßen eines Zielpreises.“ Für den Zeitraum Juli bis September 2003 konstatiert E.ON: „Wenig Eingriff durch EST notwendig, um Marktpreis auf hohem Niveau zu stabilisieren.“

Am 07. Mai 2008 gab die Kommission eine vorläufige Beurteilung ab, aus der sich für E.ON offensichtlich die Gefahr eines milliardenschweren Bußgeldes abzeichnete. Darauf ging der Konzern auf die Kommission zu und bot an, sein Höchstspannungsnetz und 5.000 MW seiner Kraftwerkskapazitäten zu verkaufen.

Diese Vorgänge nahm die ZNER zum Anlass, um nicht nur die wettbewerbsrechtliche, sondern auch denkbare strafrechtliche Implikationen des Verhaltens zu beleuchten. In der auf der Pressekonferenz vorgestellten Untersuchung sieht Prof. Jahn einen „Anfangsverdacht“ wegen Manipulation der Energiebörse EEX in Leipzig durch strategisches Bieten und Kaufen zum Zweck der Börsenpreisbeeinflussung. Dieses Verhalten ist nach dem Wertpapierhandelsgesetz verboten. Der Konzern könnte

  • unrichtige bzw. irreführende Angaben über die dem Handel zur Verfügung gestellte gesamte Strommenge auf der Homepage der EEX gemacht haben;
  • irreführende Signale durch gezielte Manipulation der „Merit Order“, der grenzkostenbasierten Strompreisfestsetzung, für den EEX-Spotmarkt (sogenanntes Marking the Close) gesetzt haben;
  • möglicherweise auch durch Rückkauf bereits verkauften Stroms mittels des Eigenhandelsbuches (sogenannte Wash-Sales);
  • den Markt durch gezielte Zurückhaltung eigentlich verfügbarer Strommengen getäuscht haben.

Dieser Verdacht lässt sich nun auch mit dem Abschlussbericht über die Untersuchung der Europäischen Kommission weiter erhärten, der am 13.02.2009 im Amtsblatt der Europäischen Union erschienen ist. Dort finden sich aber über die bereits bekannten Feststellungen hinaus Hinweise zu Umfang und Folgen der Kapazitätszurückhaltung:

  • Der Preis auf dem kurzfristigen Markt in Deutschland wird jeden Tag stündlich über Auktionen an der EEX festgelegt (Randziffer, Rz 33).
  • Der Preis ist das Ergebnis eines Auktionssystems, über das ein einziger Preis für den gesamten Markt festgelegt wird (Rz 35).
  • Der vorläufigen Beurteilung der Kommission zufolge hat E.ON die Strategie verfolgt, verfügbare Erzeugungskapazität kurzfristig zurückzuhalten, um die Preise in die Höhe zu treiben (Rz 36).
  • Nach Berechnungen der Kommission könnte E.ON zwischen 2002 und 2007 und insbesondere in den Jahren 2003 und 2004 einen erheblichen Teil seiner rentablen Kapazität zurückgehalten haben (Rz 37).
  • Es besteht „Grund zur Annahme, dass zwischen 2002 und 2007 verfügbare Erzeugungskapazität über Hunderte von Stunden, d. h. wiederholt und andauernd über mehrere Jahre, zurückgehalten worden sein könnte“ (Rz 82).
  • In ihrer vorläufigen Beurteilung habe die Kommission die Auffassung vertreten, „dass der kurzfristige Effekt – bei der Beeinflussung der Sportmarkt-Preise – sich zu einem langfristigen Effekt entwickeln könnte, weil die langfristigen Märkte von den Trends der kurzfristigen Preise abhingen, was bedeutet, dass ein anhaltender Anstieg der kurzfristigen Preise an der EEX in Deutschland in ein bis drei Jahren zu einem Preisanstieg bei Terminprodukten führen könnte“ (Rz 38).

Fazit: Die Kommission hat „Grund zur Annahme“, dass E.ON über sechs Jahre hinweg und über Hunderte von Stunden die Preise an der EEX in die Höhe getrieben hat. Gleichwohl wurde das Verfahren eingestellt, nachdem E.ON seine Verpflichtungszusagen abgegeben hatte. Der Kommission war offenbar der politische Erfolg, den weltgrößten Energiekonzern zu Änderungen seiner Unternehmensstrukturen gezwungen zu haben, wertvoller als ein – wenn auch ansehnliches – Bußgeld, das E.ON in jahrelangen Gerichtsverfahren attackiert hätte. Aber: Die Strukturänderungen wirken für die Zukunft. Was ist mit der Vergangenheit, in der sich die Strompreise – wie man es wohl unterstellen kann – durch Manipulation der Börse verdreifacht haben?

Das Wettbewerbsrecht kennt seit jeher das Instrument der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle. Marktbeherrschende Unternehmen – zu denen jedenfalls RWE und E.ON nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen – müssen ihre Preise einer kartellrechtlichen Angemessenheitskontrolle unterwerfen lassen.

Ein Kontrollparameter ist das Vergleichsmarktprinzip, nach Lage der Dinge in Deutschland insbesondere das zeitliche Vergleichsmarktprinzip: Hat es doch in der Zeit zwischen 1999 und 2002 einen Preiskrieg zwischen RWE und EnBW gegeben, der zu einem massiven Preisverfall führte. An den damals geltenden Preisen – nur ein Drittel so hoch wie die heutigen – müssen sich die Unternehmen messen lassen.

Das zweite Kontrollprinzip ist das sogenannte Gewinnbegrenzungskonzept: Danach darf das marktbeherrschende Unternehmen nur einen Preis verlangen, der den Produktionskosten zuzüglich eines angemessenen Gewinnzuschlags entspricht. Dieser darf sich, wendet man die Regeln über die Verzinsung des Eigenkapitals von Netzen aus dem Regulierungsrecht analog an, maximal knapp 10 % betragen.

Aus eigenen Zeugnissen der Energiewirtschaft ist bekannt, dass die Kosten der Stromerzeugung in abgeschriebenen Kernkraftwerken maximal 20 €/MWh und beim üblichen Erzeugungsmix maximal 28 €/MWh betragen. Rechnet man einen Gewinnaufschlag dazu, wie er bei der Verzinsung des eingesetzten Kapitals für Netze vom Regulierungsrecht zugelassen wird, käme man auf knapp 10 % Gewinnzuschlag. Danach dürfen Marktbeherrscher je MWh maximal 31 € verlangen – und nicht 60 € wie im Jahr 2007.

E.ON hat allein im Jahr 2007 ca. 3,6 Mrd. € zuviel verlangt. Die Überzahlung kann im Wege des kartellrechtlichen Schadenersatzes zurückverlangt werden. Das wäre die rückwirkende Kompensation, die die Kommission mit ihren strukturellen Maßnahmen nicht erreicht hat.

Das rechtliche Gefüge ist in einem Aufsatz im aktuellen Heft der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) dargestellt. E.ON-Kunden könnten für die Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht darauf zurückgreifen.

Weitere Informationen hier: ZNER-Presseinformation 06.03.2009 EON-Konzern

 

letzte Änderung: 30.05.2018