Monopolkommission, Sondergutachten Strom und Gas 2007
(07. November 2007) Die Monopolkommission hat am 6. November 2007 ein Sondergutachten (49) zum Strom- und Gasmarkt veröffentlicht. Die Monopolkommission stellt darin fest, dass auf den Märkten der leitungsgebundenen Energieversorgung kein funktionsfähiger Wettbewerb besteht. Die Netzentgelte sind insgesamt überhöht und die auch Erzeugerpreise sind aufgrund verfestigt-vermachteten Marktstrukturen überhöht. Es folgen Auszüge aus dem Text des Gutachtens. Auswahl, Hervorhebungen und Zwischenüberschriften von Aribert Peters
10.* Aus Sicht der Monopolkommission weist jedoch der momentane Entwurf einer Anreizregulierungsverordnung erhebliche Mängel auf, die es noch zu beseitigen gilt. Die Anreize, Effizienzgewinne an die Verbraucher weiterzugeben, sind als gering einzuschätzen.
26. Neben den staatlichen Steuern und Abgaben wird der Endkundenpreis maßgeblich von der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbes auf den der Netzebene vor- und nachgelagerten Märkten beeinflusst.
29. Den Folgen der vermachteten Marktstrukturen auf den Märkten, die der Netzebene vor- oder nachgelagert sind, versucht der Gesetzgeber mit einem eigens dafür geschaffenen Energieparagraphen in der Missbrauchsaufsicht (§ 29 GWB) im Rahmen der jüngsten GWB-Novelle zu begegnen.
(Stromerzeugungskosten)
71. So lagen die fixen Stromgestehungskosten eines durchschnittlichen Braunkohlekraftwerkes mit einer installierten Leistung von 1.100 MW und mit einer typischen Benutzungsdauer von 7.500 Stunden im Jahr 2005 bei 19,48 EUR/MWh. Die variablen Kosten betrugen 16,07 EUR/MWh.69
74. Die spezifischen Stromgestehungskosten eines bereits abgeschriebenen Kernkraftwerkes mit einer installierten Leistung von 1.316 MW und einer typischen Benutzungsdauer von 7.500 Stunden/Jahr lagen im Jahr 2005 bei etwa 20 EUR/MWh.
(Wettbewerb durch die Strombörse?)
135. Das Bundeskartellamt vertritt die Auffassung, dass der Distributionsstufe keine maßgebliche kompetitive Bedeutung zukommt. Sie erfülle vielmehr eine intermediäre Aufgabe. Diese Aufgabe ergebe sich aufgrund der Nichtspeicherbarkeit von Strom, wodurch die nachgefragte Menge immer exakt der angebotenen Menge an Elektrizität entsprechen müsse.
147. Die Monopolkommission misst der wettbewerblich organisierten Distributionsstufe im Gegensatz zum Bundeskartellamt durchaus eine beschränkte positive Wettbewerbswirkung auf den Endkundenmarkt bei.
218. Offensichtlich gelingt es z.B. den Händlern und unabhängigen Weiterverteilern auf den nachgelagerten Stufen sowie den Endverbrauchern nicht, den überhöhten Erzeugerpreisen entgegenzuwirken. Den Händlern und Weiterverteilern fehlt - aufgrund der Nichtspeicherbarkeit des Gutes Strom - die Möglichkeit, durch einen gezielten Kauf von überschüssigen Mengen in Niedrigpreisphasen und das Verbrauchen bzw. Weiterverteilen dieser überschüssigen Mengen in Hochpreisphasen disziplinierend auf die Erzeuger einzuwirken.
224. Die Monopolkommission vertritt die Auffassung, dass die Hauptursache der Marktmachtausübung nicht in den spezifischen Verhaltensweisen der Verbundunternehmen begründet ist, sondern in der verfestigt-vermachteten Marktstruktur auf der Erzeugerebene.
(Entflechtung unabdingbar)
245. Selbst wenn die Vorgaben formal weitgehend erfüllt sein sollten, bezweifelt die Monopolkommission, dass sich die Anreize zur Bevorzugung von Erzeugungs- und Vertriebsschwestern durch die Entflechtungsvorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes in ihrer Gänze beseitigen lassen, da unter anderem die Informationsweitergabe nie in vollem Umfang kontrolliert werden kann. Eine vollständige Beseitigung dieser Anreize ließe sich nur durch eine eigentumsrechtliche Entflechtung erreichen.
259. Generell bewertet die Monopolkommission es als positiv, dass die Haftungsbestimmungen zugunsten des Letztverbrauchers verschärft wurden. Hierdurch wird die privatrechtliche Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche gefördert.
268. In der Vergangenheit wurden von den Netzbetreibern vermehrt Netzanschlussbegehren mit der Begründung abgelehnt, es bestehe oder drohe ein Netzengpass. Hierdurch wurden insbesondere Wettbewerber von der Realisierung geplanter größerer Kraftwerksprojekte abgeschreckt, wodurch sich die enge oligopolistische Marktstruktur auf der Erzeugerstufe weiter verfestigte.
341. Die Kraftwerksbetreiber als Konzernschwestern können aber gleichzeitig durch hohe Regelenergiepreise beachtliche Gewinne erzielen, wodurch auch dem Ziel der Gesamtgewinnmaximierung der Konzernmutter Rechnung getragen wird. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass sich auf dem Regelenergiemarkt Preise einstellen, die deutlich über dem Wettbewerbspreisniveau liegen. Auch wenn diese Preise bisher nicht von der Regulierungsbehörde beanstandet werden, ist anzunehmen, dass das sich so ergebende Ausbeutungspotential von den Übertragungsnetzbetreibern auch tatsächlich genutzt wird.
(Kostenspreizung bei Stromnetzentgelten)
257. Besonders große Kostenunterschiede wiesen die Hochspannungsnetze der Strukturklasse West, Absatzdichte mittel auf. Hier lag der Minimalwert bei 7.040 EUR/km Leitungslänge, während der Maximalwert bei 233.830 EUR/km Leitungslänge lag.
(Volumen der Stromnetzentgelte)
362. Die Bundesnetzagentur hatte insgesamt über ein Kostenvolumen von etwa 18,2 Mrd. EUR zu entscheiden. Hinzu kamen etwa 6 Mrd. EUR, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz an zusätzlichen Netzkosten als durchlaufende Posten anfielen. Insgesamt hatte das Kostenvolumen, über das die Bundesnetzagentur zu befinden hatte, einen etwa 80 %igen Anteil an den gesamten Netzkosten aller Netzbetreiber in der Bundesrepublik Deutschland. Im Durchschnitt betrugen die Netzentgeltkürzungen der Bundesnetzagentur 13 % des beantragten Entgelts, was im Strombereich zu einer Kürzungssumme von etwa 2 Mrd. EUR führte.
(Steigende Strompreise trotz sinkender Netzentgelte)
365. Die Spalte 3 in Tabelle 3.12 macht deutlich, dass die Netzkosten bei den Haushaltskunden sowohl anteilig als auch absolut am höchsten sind. Innerhalb dieser Kategorie sind die Netzkosten von 7,3 ct/kWh auf 6,34 ct/kWh gesunken. Insgesamt ist der durchschnittliche mengengewichtete Stromeinzelhandelspreis jedoch von 18,89 ct/kWh auf 20,12 ct/kWh (allgemeiner Tarif) bzw. 19,94 ct/kWh gestiegen.
369. Abgesehen von den Gefahren ökonomischer Ineffizienzen, die eine Kostenregulierung mit sich bringt, sieht die Monopolkommission besonders kritisch, dass die Kalkulationsprinzipien der Entgeltbestimmung in der Stromnetzentgeltverordnung im Wesentlichen auf den Kalkulationsprinzipien der Verbändevereinbarung zur Elektrizität beruhen. So lehnt sich § 24 StromNEV an die Strukturklassen und das darauf aufbauende Vergleichsmarktkonzept an, das in der 3. Verbändevereinbarung (VV II plus) eingeführt wurde. Darüber hinaus wurde der Gleichzeitigkeitsgrad (§ 16 StromNEV) als Faktor der Netzentgeltermittlung bereits aus der ersten Verbändevereinbarung des Jahres 1998 übernommen. Da bei der Verbändevereinbarung keine Vertreter der Haushaltskunden anwesend waren, liegt die Vermutung nahe, dass neben den Interessen industrieller Verbraucher insbesondere die Interessen der Elektrizitätsversorger vertreten wurden. Diese Vermutung wird dadurch verstärkt, dass die Verbändevereinbarung auf die tatsächlichen Kosten des Netzbetreibers abstellte.
370. Zwar ist die Maßgabe des § 21 Abs. 2 EnWG generell zu begrüßen, durch den die Entgeltbildung auf Grundlage der Kosten der Betriebsführung eines effizienten und vergleichbaren Netzbetreibers zu erfolgen hat. Diesem Effizienzgedanken widerspricht jedoch die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze in der Stromnetzentgeltverordnung. Die Monopolkommission hatte bereits in ihrem letzten Hauptgutachten angemahnt, dass diese Festlegung mit der Setzung von Anreizen für eine effiziente Leistungserstellung nicht vereinbar ist.
293. Auch die Erfahrungen der ersten Entgeltregulierungsrunde machen deutlich, dass sich der angestrebte Effizienzmaßstab in der praktischen Regulierung nur schwer umsetzen lässt. So gelang es den Regulierungsbehörden aufgrund des Personalmangels und des damit in Verbindung stehenden Zeitdrucks bei der Kostenprüfung nicht einmal, alle Kostenstrukturparameter zu prüfen.
Vielmehr konzentrierten sich die Behörden auf bestimmte Prüfungsschwerpunkte wie die Abweichungen zwischen den geltend gemachten Plan- und Istwerten, die kalkulatorische Bewertung des Sachanlagevermögens, die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung und die kalkulatorische Gewerbesteuer.
Darüber hinaus bestand auch keine Möglichkeit, sich bei den jeweiligen Unternehmen vor Ort ein Bild von der angegebenen Kosten- und Erlöslage zu machen. Ökonomischen Ineffizienzen und der Gefahr der Ausbeutung kann mit der bisher praktizierten Entgeltgenehmigung nicht in hinreichendem Maße begegnet werden. Bei der bisherigen Kostenregulierung wurde ein Effizienzvergleich nur in rudimentären Ansätzen vorgenommen. Die Gefahr der Ausbeutung entsteht vor allem durch die Anerkennung der Kosten für Ausgleichsenergie im Rahmen der Netzentgelte, wie bereits in Abschnitt 3.5.4.4 diskutiert.
(Investitionen in Stromnetze)
387. Zusätzlich ist die Netzqualität davon abhängig, in welchem Ausmaß Investitionen für den Erhalt, die Erneuerung und den Ausbau der Netze getätigt werden. Die deutschen Netzbetreiber investierten im Jahr 2006 mehr als 2 Mrd. EUR für Netzausbau- und Netzerhaltungsmaßnahmen.303 Nach Angaben der Bundesnetzagentur wurden für Ausbau/Erweiterung, Erneuerung und Instandhaltung der Übertragungsnetze 922 Mio. EUR investiert. Dabei entfielen 203 Mio. EUR auf den Ausbau bzw. die Erweiterung und etwa 207 Mio. EUR auf die Erneuerung der Netze. Der größte Anteil der Investitionen - 512 Mio. EUR - entfiel auf die Instandhaltung der Netze.
(Wie die Stromversorger ihren gesetzlichen Berichtspflichten nachkamen)
391. Über 25 % der Verteilnetzbetreiber mit mehr als 10.000 angeschlossenen Kunden kamen ihren gesetzlichen Verpflichtungen zum Abfassen eines Netzausbau- und eines Netzzustandberichts nicht nach. Die geforderte Schwachstellenanalyse wurde von nur 40 % der betroffenen Verteilnetzbetreiber durchgeführt. Die Bundesnetzagentur weist zu Recht darauf hin, dass diese unzureichenden Analysen zu Fehleinschätzungen des Netzzustandes führen und somit eine Gefährdung der Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgungssysteme zur Folge haben können.
394. Der Einfluss auf eine Belebung des Wettbewerbs im gesamten Energiesektor, der von einer Erhöhung der Wechselbereitschaft der Haushaltskunden ausgeht, ist jedoch eingeschränkt. So hat die Vertriebsmarge der Grundversorger mit etwa 4 % einen vergleichsweise geringen Anteil an den Einzelhandelspreisen von Haushaltskunden der "Kundenkategorie Dc"
305. Neben den Netzkosten werden die Einzelhandelspreise maßgeblich von den Strombezugskosten beeinflusst. Deshalb kann aus dem Vorhandensein von unterschiedlichen Angeboten auf dem Endkundenmarkt nicht abgeleitet werden, dass die zur Wahl stehenden Strompreise nicht generell überhöht wären. Selbst bei einer hinreichenden Wettbewerbsintensität auf den Endkundenmärkten würde ein überhöhter Strombezugspreis, der sich auf dem Markt für den erstmaligen Stromabsatz bildet, an die Endverbraucher weitergegeben. Ähnliches gilt für überhöhte Regelenergiepreise, von denen ein großer Teil über die Netzentgelte auf die Endkunden überwälzt werden kann.
398. Obwohl sich die Tarifgenehmigung an den Kosten einer "betriebswirtschaftlich rationellen Betriebsführung" orientieren sollte, fand eine wirksame Effizienzkontrolle in der Praxis nicht statt.
(Zivilrechtliche Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB)
415. Auffällig ist, dass die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in den beiden Urteilen zu § 315 BGB aufgestellt hat, nicht mit der Marktabgrenzung übereinstimmen, die das Bundeskartellamt bei der Anwendung der GWB-Bestimmungen im Energiesektor nach wie vor zugrunde legt und die von der Rechtsprechung in der Vergangenheit bestätigt wurden.
416. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs weichen ferner von der sachlichen Marktabgrenzung ab, die bislang im Wärmesektor anwendet wird. Das Bundeskartellamt grenzt bisher den Gasmarkt als eigenständigen Markt im Wärmesektor ab.
417. Die Monopolkommission beurteilt es generell positiv, dass sich Endverbraucher gegen missbräuchlich überhöhte Preise im Energiesektor zivilrechtlich zur Wehr setzen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kartellbehörden bei Zuwiderhandlungen nicht zum Einschreiten verpflichtet sind, sondern vielmehr über ein Ermessen verfügen. Generell sollten Endverbraucher auf überhöhte Preise ihres gegenwärtigen Energieversorgers jedoch durch einen Wechsel zu einem günstigeren Anbieter reagieren.
418. Falls es keine echte Alternative zum Tarif des etablierten Anbieters geben sollte, ist die private Rechtsdurchsetzung die letzte Zuflucht. Sie stellt jedoch derzeit kein effektives Mittel gegen missbräuchlich überhöhte Energiepreise dar. Sie kann im Einzelfall zu einer Verbesserung des klagenden Endverbrauchers führen.
424. Nachdem Tariferhöhungen der Grundversorger in Deutschland Hunderte oder sogar Tausende von Zivilklagen der betroffenen Endkunden ausgelöst haben, zeigt sich, dass das vorhandene Instrumentarium des Zivilprozessrechts diesem Problem nicht gewachsen ist. Ähnlich wie im Bereich des Anlegerschutzes, aber auch des Verbraucherrechts empfiehlt sich ein Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes.
(Gasmarkt)
505. Die Mehrzahl der Speicheranlagen wird von weniger als drei Unternehmen genutzt.
520. Die Ergebnisse des Vergleichsverfahrens zeigen, dass innerhalb einer Strukturklasse große Kostenunterschiede zwischen den Betreibern von Gasversorgungsnetzen bestehen. So liegen z.B. in der Kategorie "Belegenheit West/Absatzdichte niedrig" die Kosten pro Kilometer Leitungslänge in einem Intervall von 1.773 bis 27.711 EUR, bei einem Median von 5.519 EUR. Die Spannbreite der erhobenen Kosten liegt hier bei 1.560 %.
528. Die Netznutzungsentgelte für Gas liegen auch aufgrund erheblicher Investitionen in eine hohe Versorgungsqualität über dem EU-Durchschnitt im oberen Drittel.
(Anreizregulierung)
595. Die Monopolkommission sieht die im Verordnungsentwurf enthaltene Qualitätsregulierung als ein sinnvolles, aber auch notwendiges Instrument an. Aufgrund der Bedeutung der Versorgungszuverlässigkeit für die Öffentlichkeit steht die Kommission den im Verordnungsentwurf getroffenen Regelungen zur Ausgestaltung und zum Zeitpunkt der Einführung des Qualitätselements in die Anreizregulierungsformel jedoch kritisch gegenüber. So wurde gegenüber dem Eckpunktepapier auf die Zahlung von Pönalen an Kunden bei Versorgungsstörungen und Servicemängeln verzichtet. Nach Auffassung der Monopolkommission wäre es nur sachgerecht, das Kriterium "Servicequalität" explizit als Qualitätskriterium, etwa anhand der Vorgaben der "Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE)", mit aufzunehmen, wie es auch international üblich ist. Hierdurch würde der Dienstleistungscharakter eines Netzbetreibers betont werden, womit einer verbraucherfreundlichen Energieversorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG Rechnung getragen würde. Die Monopolkommission sieht es zudem als geboten an, dass das vorgeschlagene Qualitätsicherungsystem entgegen dem derzeitigen Vorschlag bereits in der ersten Regulierungsperiode auf Elektrizitäts- und Gasnetzbetreiber Anwendung findet. Durch die verschobene Einführung der Anreizregulierung scheint dies auch angemessen. ....Zusätzlich ist ein kontinuierliches Monitoring des Qualitätsmanagementsystems der Netzbetreiber durch die Regulierungsbehörden angezeigt. Entgegen den Vorgaben des § 21 ARegV-E sollten die Netzbetreiber hierzu verpflichtend und bereits zur ersten Regulierungsperiode einen Bericht über ihr Investitionsverhalten erstellen.
598. Die Monopolkommission sieht die in dieser Form vorgeschlagene Ausnahmeregelung mit Sorge. Da drei Viertel aller Elektrizitäts- und Gasnetzbetreiber von der Ausnahmeregelung betroffen wären und davon auszugehen ist, dass auch diese Netzbetreiber in ihrem Versorgungsgebiet Erweiterungsinvestitionen zu tätigen haben, wird der Sinn der Härtefallklausel gleichsam konterkariert. Kritisch zu sehen ist auch, dass in der ersten Regulierungsperiode kein Effizienzvergleich durchgeführt wird. Bestehende Effizienzsteigerungspotentiale der vermeintlich ineffizient kleinen und in öffentlicher Trägerschaft stehenden Stadtwerke werden so nicht ausgeschöpft. Hinzu kommt der Umstand, dass durch die Ausnahmeregelung mehrere hundert Stadtwerke keinem Qualitätsmanagement unterliegen würden. Eine hinreichende Sicherstellung der Versorgungszuverlässigkeit auf Endverteilerebene kann damit nicht gewährleistet werden.
5.Abschließende Bemerkungen
599. Wie oben schon angesprochen wurde, müssen die individuellen und allgemeinen Effizienzvorgaben für die Netzbetreiber unter Nutzung möglicher und zumutbarer Maßnahmen erreichbar und übertreffbar sein. Im Entwurf der Verordnung wird dem Grundsatz der Anreizregulierung an mehreren Stellen durch zum Teil großzügige Regelungen Rechnung getragen. Gegenüber dem Referentenentwurf vom 4. April 2007 wurde der Verordnungsentwurf vom 13. Juni 2007 weiter "nachgebessert". Aus Sicht der Monopolkommission weist das vom Bundeswirtschaftsministerium verfolgte Konzept der Anreizregulierung erhebliche Mängel auf, die es noch vor Aufnahme der anreizorientierten Regulierung zu beseitigen gilt. Die gegebenen Anreize zu einer effizienten Bewirtschaftung des Leitungsnetzes sind als gering einzuschätzen. So ist der Abbau der Ineffizienzen über die individuellen Effizienzvorgaben zu Beginn der Anreizregulierung über die Dauer von zwei statt einer Regulierungsperiode zu erbringen. Daraus ergibt sich eine wesentlich geringere jährlich Effizienzvorgabe für die Netzbetreiber. Weiterhin fällt die allgemeine Produktivitätskennziffer mit 1,25 % bzw. 1,5 % gering aus und bewegt sich unterhalb bzw. nur am unteren Rand der von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen und international üblichen Bandbreite. Die individuelle Effizienzvorgabe erfolgt dagegen anhand einer Best-Abrechnung, wonach das aus Sicht eines Netzbetreibers günstigere Ergebnis aus den zwei Vergleichsmethoden gewählt wird. Hinzu kommt der Umstand, dass Netzbetreiber im Effizienzvergleich schlechtestenfalls einen Effizienzwert von 60 % (vormals 50 %) erhalten können.
590. Besonders ineffizient wirtschaftende Unternehmen sollen wohl durch die pauschale Anhebung des Effizienzwertes nicht überbelastet werden. Hinzu kommen die weitgehenden Regelungen zum vereinfachten Verfahren, an dem bis zu 75 % aller Netzbetreiber teilnehmen könnten. Das Ziel, die bestehenden Ineffizienzen zwischen den Netzbetreibern innerhalb von zwei Regulierungsperioden abzubauen, wird somit nicht erreicht werden können. Der Übergang zum reinen Vergleichswettbewerb wird sich daher aller Voraussicht nach weiter verzögern. Weiterhin soll das Qualitätselement erst in der zweiten Regulierungsperiode Eingang in die Regulierungsformel finden. Auch der pauschalierte Investitionszuschlag und das vereinfachte Verfahren kommt einem Zugeständnis an die Netzbetreiber gleich. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass die Effizienzvorgaben für die 2009 beginnende erste Regulierungsperiode auf Basis der für das Geschäftsjahr 2006 anrechbaren und geprüften Kosten festgelegt werden. Die Netznutzer erhalten somit die Gelegenheit bereits in den Jahren 2007 und 2008 eigene Effizienzmaßnahmen zu ergreifen. Die Vorteile der Kostenreduktion werden erst zu Beginn der zweiten Regulierungsperiode an die Netznutzer weitergegeben. Die erste Regulierungsperiode dauert daher faktisch nicht fünf, sondern sieben Jahre.
600. Unabhängig von den im Entwurf der Anreizregulierungsverordnung gemachten Effizienzvorgaben sind die Anreize der Unternehmen zur Weitergabe von Effizienzsteigerungen in Form niedrigerer Netzentgelte gering. Nach Meinung der Monopolkommission ist es auch aus anderen Gründen verfehlt zu glauben, dass mit der zukünftigen anreizorientierten Regulierung der Netzentgelte eine wesentliche Senkung der Energiepreise insbesondere für HuK-Kunden einhergehen wird. Zum einen beträgt der Anteil der Netzentgelte am Endverbraucherpreis bei Elektrizität im Durchschnitt nur etwa ein Drittel und bei Gas nur etwa ein Fünftel. Zum anderen beziehen sich die (individuellen) Effizienzvorgaben nicht auf den gesamten Kostenblock eines Netzbetreibers, sondern nur auf die von ihm beeinflussbaren, ineffizienten Kostenanteile.
Weiterhin fallen die im Entwurf gemachten Anreizeffekte für eine effiziente Leistungsbereitstellung moderat aus. Ein konzeptionelles Problem stellt das insgesamt überhöhte Niveau der Netzentgelte dar, welches sich mit der Anreizregulierung nur bedingt lösen lässt. Der große Teil der Endverbraucherpreise für Elektrizität und Gas wird auf den den Netzen vor- und nachgelagerten Märkten bestimmt. So sind die Erzeugungskapazitäten von Elektrizität immer noch in der Hand von wenigen großen Energieunternehmen, so dass die Großhandels- und Regelenergiemärkte anfällig für strategisches Verhalten der Anbieter sind. Im Gasmarkt ist die Preisbildung weiterhin geprägt durch die hohe Konzentration der langfristigen Bezugsverträge auf wenige Importgesellschaften und die mehrheitliche Bindung des Gaspreises an Öl.
Eine wesentliche Verbesserung der Preissituation ist daher nur durch eine erhebliche Wettbewerbsbelebung auf den den Netzen vor- und nachgelagerten Märkten möglich. Gleichwohl sind niedrige Netzentgelte und ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Leitungsnetzen unabdingbare Voraussetzungen für einen Wettbewerb auf diesen Wirtschaftsstufen. Das Konzept der Anreizregulierung ist in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Baustein anzusehen.
616. Auch wenn heute noch von keinem hinreichenden Durchleitungswettbewerb gesprochen werden kann, so wurden seit Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes im Juli 2005 nicht unerhebliche Fortschritte erzielt. So sind die mit der Netzregulierung bisher gemachten Erfahrungen durchaus als positiv zu bewerten. Es bleibt anzumerken, dass insbesondere der Endverbraucher, ob Industrie- oder HuK-Kunde, durch sein Informations- und Verbrauchsverhalten sowie seine Wechselbereitschaft maßgeblich dazu beitragen kann, wie sich der Wettbewerb auf dem Energiemarkt entwickelt. Der Verbraucher muss erst für die freie Anbieterwahl sensibilisiert werden.