Wie groß muss die Heizung sein: Neue EU-Norm
Seit 1. Oktober 2004 muss die Größe von Heizkesseln nach einer neuen EU-Norm berechnet werden, der EN 12 831. Das führt zu Kesseln, die um 20 bis 40 Prozent größer sind, als sie nach der deutschen Vorgängernorm sein müssten.
(25. Juni 2005) - Wer eine Heizung neu errichtet oder erneuert, muss die notwendige Größe der Heizung vorher errechnen. Bisher gab es dafür die deutsche Norm DIN 4701, die seit 1. Oktober 2004 durch die europaweit gültige Norm EN 12 831 ersetzt wurde. Das Rechenverfahren soll hier kurz in seinen Grundzügen vorgestellt werden und auch die Abweichung der neuen von der alten Norm.
Die notwendige Heizleistung wird nach DIN 4701 für das Gebäude dadurch bestimmt, dass die Heizleistung für jeden einzelnen Raum des Hauses errechnet wird. Die Summe ergibt dann die für das Gebäude insgesamt notwendige Leistung. Die Heizleistung für jeden Raum errechnet sich aus der Wärmeleitungsgleichung für jede Wand: Die Wärmeverluste sind das Produkt aus Fläche mal Wärmedurchgangskoeffizient (früher: K-Wert, jetzt: U-Wert) mal Temperaturdifferenz. Hinzu addiert werden die Lüftungswärmeverluste.
Rechengang der neuen Norm
Die neue EU-Norm geht ebenso modular vor: Die Verlustwerte der Einzelbauteile werden zunächst raumweise addiert und dann zum Gebäudegesamtwert zusammengefasst. Im ersten Schritt werden die U-Werte mit den Flächen des Bauteils multipliziert. Man erhält den auf die Temperaturdifferenz bezogenen Norm-Wärmeverlust H des Bauteils in Watt pro Kelvin, der durch die Temperaturdifferenz dividierte Wärmeverlust. Addiert wird der Lüftungswärmeverlust. Dann wird H mit der Temperaturdifferenz zwischen außen und innen multipliziert. Daraus erhält man den Wärmeverlust in Watt. Für das Gesamtgebäude und die tiefste Außentemperatur entspricht dies der erforderlichen Heizleistung.
Neu in der EU-Norm ist ein Aufheizfaktor. Diese zusätzliche Leistung wird benötigt, wenn zum Beispiel nach einer Nachtabsenkung innerhalb einer kürzeren Zeit die Norminnentemperatur wieder erreicht werden soll.
Den Berechnungen liegen die Norm-Außentemperaturen am Gebäudeort zugrunde, die im Beiblatt für alle deutschen Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern aufgeführt sind. Das sind die Tiefsttemperaturen, auf die die Heizung auszulegen ist.
Die Unterschiede
Die neue EU-Norm kommt gegenüber der deutschen Vorgängernorm zu um 20 bis 40 Prozent höheren Gebäudeheizlasten und damit größeren Heizkesseln. Das hat folgende Ursachen:
- EN 12831 verwendet die Außenmaße des Gebäudes, die Vorgängernorm dagegen Innenmaße.
- EN 12831 macht einen Wärmebrückenzuschlag.
- Die Außentemperatur-Korrektur der deutschen Norm ist weggefallen.
- Der Mindestlüftungswärmeverlust wird nicht wie in der deutschen Norm mit dem Gleichzeitigkeitsfaktor um die Hälfte reduziert.
Die schon bisher deutlich zu großen Heizkessel werden unter Berufung auf die neue Norm noch größer werden und den Verbrauch anwachsen lassen. Die alte und auch die neue Norm gehen von der Forderung aus, dass auch an den wenigen extrem kalten Tagen des Jahres das ganze Haus gemütlich warm sein muss. Ob man dafür mit höheren Heizkosten bezahlen will ist jeweils individuell zu beantworten.
Methode "Daumen"
Die Heizlast beziehungsweise der bezogene Wärmeverlust H kann für Altbauten auch aus dem gemessenen Verbrauch ermittelt werden (mehr dazu). In der Praxis wird oft auch mit Überschlagszahlen gearbeitet (s. die Tabelle im Artikel "Time is on my side"). Für einen Neubau sind je nach Geometrie 40 bis 60 Watt je Quadratmeter Wohnfläche notwendig. Ein Einfamlienhaus mit 205 Quadratmetern braucht danach eine Heizung mit 8,2 bis 12,3 Kilowatt Leistung. In einem konkret raumweise durchgerechneten Beispiel ergibt sich für ein Beispielhaus dieser Größe nach DIN 4701 eine Leistung von 6,8 Kilowatt und nach EN 12831 9,6 Kilowatt.