Time is on my side
Es ist nicht nötig, beim Heizen mit PS oder kW zu protzen, wenn man die Zeit still und leise für sich arbeiten lassen kann. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Kilowatt und Minuten ins Gleichgewicht bringen und auf Dauer sparen. Denn Stop-and-Go verbraucht mehr Energie als stetiger Betrieb: auf der Autobahn und im Heizkeller. Berechnen Sie selbst in 60 Minuten, wieviel kW ihre Heizung wirklich braucht, passen Sie die Heizleistung an und sparen Sie Energie durch längere Laufzeiten.
Von Dietrich Beitzke und Martin Havenith.
(5. März 2004) Der Wärmebedarf eines Hauses oder Raumes ist eine sich stündlich verändernde Größe. Sie hängt ab von äußeren Klimabedingungen wie Außentemperatur, Bewölkung, Windstärke, Niederschlag, Sonneneinstrahlung und der im Haus erwünschten Temperatur. Um Ihren Raum bei niedriger Außentemperatur angenehm zu temperieren, muss Ihre Heizquelle stets so viel Wärme nachliefern, wie durch Wände, Ritzen und Fenster wieder abfließt: die Heizlast.
Stellen Sie sich das ruhig bildlich wie ein Küchensieb vor, in das Sie oben Wasser - also Wärme - hineingießen, das unten durch die Löcher wieder hinausläuft. Wer dauerhaft dämmt, verringert die Löcher im Sieb und braucht weniger nachgießen. Die maximale Heizlast, auf die Sie Ihre Heizung einstellen sollten, herrscht bei der kältesten Außentemperatur, die in den letzten 20 Jahren zehnmal andauernd über zwei Tage erreicht wurde. Diese "Auslegungstemperatur" können Sie aus unserer Karte ablesen.
Wenn die gewünschte Raumtemperatur gleich der Außentemperatur ist, dann wird keine Wärme mehr benötigt. Man spricht auch von der Heizgrenztemperatur. Auch die Menschen im Haus und der in Wärme umgewandelte Strom, der verbraucht wird, heizen das Haus mit und senken die Heizgrenztemperatur. Die Leistung des Heizkessels, gemessen in Kilowatt (kW), muss auch im Fall größter Kälte das Haus noch warm bekommen, also die größte Heizlast des Hauses abdecken. Der Kessel würde dann ohne Unterbrechung dauernd heizen.
Für den großen Rest des Jahres läuft die Heizung nur einen Bruchteil der Zeit, weil der Wärmebedarf viel geringer ist. Die Heizung läuft also die allermeiste Zeit im Stop-and-Go und verbraucht dadurch unnötig viel Energie. Je geringer die Kesselleistung, um so länger sind die Brennerlaufzeiten und um so effizienter arbeitet die Heizung.
Wenn Sie bei größter Kälte im Wohnzimmer statt mit 21 zum Beispiel mit 19 Grad Innentemperatur auskommen oder dann nicht das ganze Haus beheizen müssen, dann kommen Sie mit einer wesentlich geringeren Kesselleistung aus. Die Spreizung zwischen Auslegungstemperatur und Heizgrenze beziehungsweise gewünschter Innentemperatur ist die Spannweite TS, die Ihre Heizanlage abdecken muss. Bei einer Verringerung der Heizgrenze von 16 Grad auf zwölf Grad sinkt die Zahl der Heiztage um 76 Tage, von 320 auf 244 Tage.
Viessmann hat für jeden Wärmeschutzstandard Richtwerte zurKesseldimensionierung für Praktiker herausgegeben: Kälteste Außentemperaturen, die in den letzten 20 Jahren zehnmal zwei Tage lang erreicht wurden.
Wie wird der Wärmebedarf konventionell ermittelt?
Die herkömmliche Größenbestimmung des Wärmebedarfs geht davon aus, dass ein Haus neu zu bauen ist. Das Verfahren zur Berechnung des Wärmebedarfs ist in der DIN 4701 genormt, die jetzt von der DIN EN 12831 ersetzt wird. Die Berechnung erfolgt mit PC-Programmen. Schneller geht's mit einer Faustformel: Quadratmeterzahl des Hauses mal spezifischer Wärmebedarf = Wärmebedarf (nach DIN 12831:Heizlast) = Kesselleistung.Beispiel: 100 Quadratmeter Neubau, 100 x 60 = 6.000 Watt = 6 kW (vergleiche Tabelle).
Heizlast messen mit vorhandener Heizung
Da es heute fast kein Haus ohne Heizungsanlage gibt, kann man über die Laufzeiten der vorhandenen Heizung auch die individuelle Heizlast des Hauses bestimmen. Wir sind auf der Suche nach dem Faktor f, um den die eingestellte Brennerleistung W zu groß ist. Die passende Leistung P ist dann P = f x W. Die eingestellte Brennerleistung W Ihrer Heizung finden Sie auf dem Arbeitsbericht des Servicetechnikers. Notfalls nehmen Sie die mittlere bis obere Kesselleistung. Bei Gasbrennern kann man die Leistung ermitteln, indem man bei ständig laufendem Brenner (Schornsteinfeger-Einstellung) den Energieverbrauch über einen Zeitraum am Gaszähler abliest und durch die verflossene Zeit dividiert.
Beispiel: Kessel und Brenner liefern 30 kW, der Kessel ist um den Faktor f = 0,75 zu groß. Die richtige Leistung ist also 30 x 0,75 = 22,5 kW.
Der Faktor f lässt sich errechnen aus dem Verhältnis zwischen momentanen Leistungsbedarf q und der momentanen Brennerzeit-Auslastung s. Beide Größen können Sie rasch durch eine Messung ermitteln.
Zuerst bestimmen Sie den momentanen Leistungsbedarf q. Ein guter Messtag hat unter fünf Grad Celsius, einen bedeckten Himmel und wenig Wind.
Dazu misst man die Außentemperatur Ta. Die Differenz zur gewünschten Raumtemperatur Tr wird ins Verhältnis gesetzt zur oben bestimmten maximalen Temperaturspreizung TS. Daraus kann man errechnen, welchen Prozentsatz q der maximalen Wärmeleistung der Kessel gerade bereitstellen muss: q = (Tr-Ta)/TS
Beispiel: Ta = 0°, Tr = 20°, TS = 30° und damit q = 0,67.
Nun messen Sie die momentane Brennerzeit-Auslastung s. Benötigt werden die Lauf- und Stillstandszeiten des Brenners in etwa einer Stunde ohne Warmwasserbereitung und nach der Aufheizphase, wenn alle Räume schon auf Solltemperatur sind.
Man stellt sich für eine Zeit K mit der Stoppuhr neben die Heizung. Während dieser Zeit ist der Brenner L Minuten lang in Betrieb und M Minuten lang aus. Sie können mehrere Zyklen nehmen, um so genauer wird Ihr Ergebnis.
Messen Sie danach noch mal die Außentemperatur. Sollte sie sich geändert haben, nehmen Sie den Mittelwert beider Messungen.
Dann ist die momentane Brennerzeit-Auslastung s = L / K = L / (L + M).
Beispiel: K = 30 Minuten, L = 10 Minuten. s = 10 / 30 = 0,33
Daraus ergibt sich nun der Faktor f = s / q.
Beispiel: Der Brenner war bei Ihrer Messung nur zu einem Drittel ausgelastet und hat in dieser Zeit zwei Drittel des Leistungsbedarfs erbracht. Daraus ergibt sich f = 0,33 / 0,66 = 0,5. Der Kessel ist also um das Doppelte zu groß eingestellt. Statt 30 Kilowatt braucht der Kessel nur eine Leistung von P = 0,5 x 30 = 15 Kilowatt.
Excel-Tabelle erleichtert die Rechnung
- Download Exceltabelle Leistungsbedarf Brennerleistung
- Starten Sie die Datei.
- Tragen Sie Ihre sechs Werte im oberen Bereich der Tabelle "Leistung" ein und Sie erkennen sofort Ihre aktuelle Kessel-Dimensionierung. Das Rechenblatt ist anwendbar zur Optimierung von bestehenden Anlagen für einstufige Brenner und für Wohn- und Bürohäuser. Einschränkungen gibt es bei Steuerungen mit Aufheizoptimierung und modulierenden Brennern.
Grenzen der Leistungsminderung
- Kommen Sie berechnungsmäßig unter 14 Kilowatt, bekommen Sie bei Ölbrennern das Problem, dass Sie diese heute nur mit Tricks zwischen zehn und 14 Kilowatt betreiben können, weil es keine Düsen gibt, die weniger als ein Liter Öl pro Stunde versprühen können. Nur zwei Fabrikate schaffen mit einem zweistufigen Brenner Werte von acht bis 14 Kilowatt.
- Bei der Warmwasserbereitung brauchen Sie sich weniger Sorgen zu machen als immer behauptet wird. Denn auch unser zehn Kilowatt Brenner schafft es, einen 300 Liter Speicher in 60 bis 90 Minuten nachzuladen. Das macht man natürlich außerhalb der Heizzeit. Wenn man den Speicher mehr als einmal am Tag nachladen muss, ist es deshalb sinnvoll, parallel das Heizen und Warmwasserladen zu ermöglichen (zwei Pumpen, kein Umschaltventil). Elektrische Warmwasserbereiter arbeiten auch mit zwei, sechs oder neun Kilowatt.
- Kommen Sie unter elf Kilowatt, entfällt die Messung des Schornsteinfegers - sogar dann, wenn Sie fürs Warmwassser bis zu 28 Kilowatt benötigen (möglich bei Gasbrennern mit interner Umschaltung, auch als Durchlauferhitzer). Heizung drosseln und Energie sparen Ergibt die obige Abschätzung, dass die bereitgestellte Heizleistung wesentlich zu hoch ist, dann kann man folgendes tun:
- Neuanschaffung eines kleineren Kessels
- Bei entprechendem Fachwissen selbst die Brennerleistung anpassen.
- Den Heizungstechniker mit der Verringerung der Leistung beauftragen. Nicht bei allen Kesseln ist die Leistung verringerbar.