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Fernwärmekunden verschenken 608 Mio Euro jährlich

(22. Oktober 2024) Etwa 62 % aller Fernwärmeanschlüsse in Deutschland haben eine um 34% zu große Leistung, so eine aktuelle Studie. Dafür zahlen Verbraucher bundesweit 608 Mio. Euro jährlich, ohne Gegenleistung. Durch ein einfaches Schreiben an den Versorger lässt sich die Leistung vermindern und Geld sparen. Der Bund der Energieverbraucher zeigt, wie das geht. Eile ist geboten.

Fernwärmekunden zahlen einen Grundpreis für die Bereitstellung der Fernwärme und einen Arbeitspreis für die bezogene Wärmemenge. Basis für den Grundpreis ist die bereitgestellte Leistung, gemessen in Kilowatt. Sie ist vergleichbar mit der Heizleistung eines Gaskessels oder einer Wärmepumpe. In den meisten Fällen, so eine Stichprobenuntersuchung des Berliner Ingenieurbüros Senercon, ist diese Anschlussleistung um 34% zu hoch: Auch mit einer deutlich geringeren Anschlussleistung ließe sich das Gebäude selbst im Winter warmhalten. Die Verbraucher zahlen für etwas, was sie nie brauchen. Sie könnten durch eine Reduzierung ihrer Anschlussleistung ihre Fernwärmerechnung spürbar und völlig legal vermindern. Verbraucher haben ein Recht auf Leistungsreduzierung.

Verbraucher können seit 2022 ohne Begründung oder Gutachten ihre Anschlussleistung um bis zu 50% vermindern (§3 AVBFernwärmeV) lassen. Ein einfaches Schreiben genügt. Der Versorger muss dann innerhalb von vier Wochen die Reduzierung bestätigen. Eile ist geboten, denn die neue Verordnung will genau dieses Verbraucherrecht nicht mehr zulassen.

Wie viel Anschlussleistung genügt?

Viele Häuser haben ihre Wärmedämmung verbessert oder Verbraucher gehen sparsamer mit Energie um. Auch sind viele Anschlusswerte von vornherein zu hoch ausgelegt, zum Vorteil der Versorger. Welche Anschlussleistung ist für ein Haus oder eine Wohnung ausreichend? Es gibt dafür zwei einfache Verfahren: 

Leistungsbedarfs-Abschätzung über Benutzungsstunden

Teilt man die in den vergangenen Jahren im Schnitt verbrauchte Wärme (Einheit kWh) durch die vertraglich vereinbarte Grundleistung (Einheit kW), dann erhält man die Vollbenutzungsstunden (Einheit h = Stunden).

Beispiel: In drei Jahren wurden durchschnittlich jedes Jahr 9.937 kWh verbraucht. Dividiert man dies durch die vereinbarte Grundleistung von 14,84 kW ergeben sich 760 Vollbenutzungsstunden. 

Man rechnet für eine effiziente Anschlussnutzung mit 1.200 Benutzungsstunden. Das entspricht dem bundesweiten Mittelwert und berücksichtigt Nutzerverhalten, Gebäudesituation und Klimaeinflüsse. Um jetzt die tatsächlich ausreichende Grundleistung abzuschätzen, dividiert man die verbrauchte Wärme (Einheit kWh) durch 1.200 (Einheit Stunden) und erhält damit die benötigte Anschlussleistung. 

Beispiel: 9.937 / 1200 = 8,28 kW. 

Dann addiert man zur Sicherheit noch 10%. Daraus ergibt sich der neue Wert für die benötigte Grundleistung. Dieser Wert ist in der Regel höher, als hätte man den bisherigen Anschlusswert halbiert. 

Beispiel: 8,28 + 10% = 9,11 kW. Die Reduzierung um 50% hätte zu 7,42 kW Leistung geführt. Die Reduzierung um 5,73 kW führt im Beispiel zu einer jährlichen Ersparnis des Grundpreises von 221 Euro. 

Leistungsbedarfs-Abschätzung über Quadratmeter

Ein zweites ungenaueres Verfahren arbeitet mit den Anschlusswerten je Quadratmeter Wohnfläche. Ein überschlägiger Anschlusswert sind hier 70 Watt je Quadratmeter. Nimmt man 7% der Wohnfläche, dann erhält man die Anschlussleistung in kW (Qm x 70 W/Qm x 0,001). Dieser Wert ist schlechter als der Wert über Benutzungsstunden, denn der Wärmeschutz, die bauliche Situation und das Nutzerverhalten sind unberücksichtigt geblieben. Deshalb eignet sich dieses Verfahren zum groben Überschlag. 
Beispiel: 150 Qm Wohnfläche x 0,07 = 10,5 kW (150 x 70/ 1000). 

Ein formloses Schreiben an Versorger genügt („Bitte ich nach § 3 AVBFernwärmeV um Reduzierung meiner Anschlussleistung auf  xxx kW)“.

Vermieter müssen tätig werden

Viele Fernwärmekunden sind nicht selbst Vertragspartner, sondern tragen als Mieter nur die Kosten. Der Vermieter ist jedoch nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet, alle Einsparmöglichkeiten zu nutzen.

Weisen Sie deshalb Ihrer Vermieter auf die Kosteneinsparung durch Verminderung der Anschlussleistung hin und auch auf das enge Zeitfenster, in dem das noch möglich ist. 

Zwei Millionen neuer Anschlüsse möglich

Die Untersuchung der Überdimensionierung hat gezeigt, dass in den Fernwärmenetzen erhebliche Kapazitätsreserven vorhanden sind, mit denen sich zwei Millionen Haushalte zusätzlich mit Fernwärme versorgen ließen.

Fazit:

Durch eine Verminderung der vertraglich vereinbarten Anschlussleistung kann man mit minimalem Aufwand deutlich Geld einsparen, ohne dass es im Winter kalt wird. Das sollte man s o f o r t machen, weil die entsprechenden Verordnungen in den kommenden Tagen verschlechtert werden. 

Ein ausführliches Rechenblatt und ein Musterschreiben an den Versorger findet man nachfolgend:

 Download Vorlage Grundleistungsreduzierung und Ausfüllhilfe manuell und Excel 

 Download Ausfüllhilfe zur Grundleistungsreduzierung manuell 

 Download Schreiben zum Fernwärmeunternehmen zur Grundleistungsreduzierung 

 Download Beispiel zum Ausfüllen manuell und Excel 

 Download Vorgehen Einfamilienhäuser 

 Download Gutachten Senercon zur Überdimensionierung 

 Download Mainova Leitfaden zur Anschlussleistung 

letzte Änderung: 23.10.2024