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ED 04/13 Zählertausch: Großbritannien wird smart (S.23)

Anreizregulierung

Netzentgelte als Blackbox

Von Aribert Peters

(27. November 2020) Die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzentgelte für Strom und Gas werden von der Bundesnetzagentur festgelegt und überprüft. Zwar hat die Bundesregierung in § 31 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) vorgeschrieben, dass wichtige Daten dieser Genehmigung auch öffentlich gemacht werden müssen, aber mehrere Netzbetreiber haben gegen diese Veröffentlichung geklagt. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin entschieden, dass es sich bei diesen Daten um schützenswerte Geschäftsgeheimnisse handelt (Az. EnVR 21/18). In der Folge hat die Bundesnetzagentur die Daten in einer Tabelle für alle Netzbetreiber geschwärzt veröffentlicht. Nun gab der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung auch die Veröffentlichung des Regulierungskontos frei (Az. EnVR 12/18).

2056 Gasleitung / Foto: Srdjan / stock.adobe.com

Es wäre wünschenswert, dass der Gesetzgeber auch die Veröffentlichung der übrigen Daten der Netzentgeltgenehmigungen verfügt. Denn auch Daten, an denen seitens der Netzbetreiber ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse besteht, dürfen veröffentlicht werden, wenn dies im Rahmen eines Bundesgesetzes vorgeschrieben ist. Eine lediglich von der Regierung erlassene Verordnung reicht dafür jedoch nicht aus. Für eine gesetzliche Regelung zur Veröffentlichungspflicht spricht sich auch die energierechtliche Literatur aus. So beispielsweise Prof. Dr. Ulrich Büdenbender in seinem in der Fachzeitschrift „Recht der Energiewirtschaft“, Ausgabe 6/2020, publizierten Aufsatz „Die Veröffentlichung unternehmerischer regulatorischer Daten durch die Bundesnetzagentur“.

Bundesnetzagentur

Überhöhte Netzentgelte

Bundesnetzagentur: Überhöhte Netzentgelte

Von Louis-F. Stahl

(26. Juni 2018) Die Bundesnetzagentur hat Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil die Kürzung der Renditen für Netzbetreiber durch die Bundesnetzagentur für ungültig erklärt hat. Sollte die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 22. März 2018 (Az. VI-3 Kart 143/16) Bestand haben, wird dies für Verbraucher teure Folgen haben. Bei dem Streit zwischen der Bundesnetzagentur und Netzbetreibern geht es um die Höhe der Eigenkapitalzinssätze.

2056 Schiri zeigt Rote Karte / Foto bradcalkins / stock.adobe.com

Die Bundesnetzagentur hatte zuvor im Rahmen ihrer regulierungsbehördlichen Kompetenzen die Eigenkapitalzinssätze von 9,05 Prozent auf 6,91 Prozent für Neuanlagen und von 7,14 Prozent auf 5,12 Prozent für Altanlagen gekürzt. Für die vergleichsweise sehr sichere Geldanlage in deutsche Netze sind diese Renditen auch weiterhin ein lukratives Angebot für Investoren, sollte man meinen. Doch rund 1.100 Netzbetreiber haben beim OLG Düsseldorf Beschwerde gegen die Regulierungsentscheidung der Bundesnetzagentur eingelegt.

Das Gericht argumentierte in seiner Entscheidung, dass die Bundesnetzagentur keine „wissenschaftlich vertretbaren“ Maßstäbe zur Anwendung gebracht habe. Bei der Bewertung, insbesondere der Marktrisikoprämie, wäre es zudem nicht ausreichend, wenn die Bundesnetzagentur ihrer Entscheidung eine wissenschaftliche Auffassung zugrunde legt, es müssten gleich mehrere Studien angestrengt werden, so der vorsitzende Richter. Die Bundesnetzagentur möchte die Entscheidung des OLG Düsseldorf jetzt durch den Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Bundesnetzagentur-Präsident Homann betont: „Die von uns festgelegten Zinssätze sind sachgerecht.“

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Bürgerdividende für Netzausbau zu gering

(8. Juli 2013) Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat die Bürgerdividende für den Netzausbau kritisiert: "Die Bundesnetzagentur gesteht den Netzeigentümern eine garantierte Eigenkapitalrendite von über neun Prozent für Netzinvestitionen zu. Die Bürger, die ihr Geld dafür investieren, will man dagegen mit höchstens fünf Prozent abspeisen. Und selbst darüber jammern die Netzgesellschaften auch noch" kommentiert Dr. Aribert Peters, der Vereinsvorsitzende.

Das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium hatten sich mit den vier Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW auf Eckpunkte für die direkte Beteiligung der Bürger am Netzausbau geeinigt. Vom Netzausbau betroffene Bürger sollen sich finanziell am Leitungsbau auf der gesamten Übertragungsnetzebene beteiligen können und für ihre Einlagen bis zu fünf Prozent Zinsen erhalten. Die Bürgerbeteiligung soll bis zu 15 Prozent der Investitionssumme für den Leitungsausbau umfassen. Die Mindesteinlage wird bei rund 1.000 Euro liegen. Anwohner in unmittelbarer Nähe neuer Leitungen sollen bei der Zeichnung bevorzugt werden.

Netzvergleich vereinbart

Die Bundesnetzagentur hat sich mit den 38 betroffenen Netzbetreibern in einer Vergleichsvereinbarung

Netzvergleich vereinbart

(22. März 2012) Die Bundesnetzagentur hat sich mit den 38 betroffenen Netzbetreibern in einer Vergleichsvereinbarung auf eine Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zur Genehmigung von Investitionsbudgets verständigt. Beide Seiten verzichten darauf, beim Bundesgerichtshof gegen bisherige Entscheidungen des Oberlandesgericht Düsseldorf vorzugehen. Damit sei ein Höchstmaß an Investitionssicherheit geschaffen, so Behördenchef Matthias Kurth. Das OLG Düsseldorf hatte im letzten Jahr mit seinen Entscheidungen eine Reihe von strittigen Detailfragen zu Investitionsbudgets geklärt. Diese Entscheidungen bilden die Grundlage für die Einigung, die sich auf die künftige Genehmigungspraxis auswirkt.

Hintergrund: Netzbetreiber können sich bei der Bundesnetzagentur für besondere Erweiterungs- und Umstrukturierungsvorhaben Investitionsbudgets genehmigen lassen. Sie dürfen die entsprechenden Investitionskosten über eine Anpassung der Netzentgelte refinanzieren. Dabei geht es vor allem um Netzinvestitionen, die notwendig sind, um Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Offshore-Windparks und aus neuen konventionellen Kraftwerken in die Übertragungsnetze zu integrieren. Bislang wurden bei der Bundesnetzagentur 700 Anträge mit einem Volumen von über 30 Mrd Euro gestellt und ein Investitionsvolumen von fast 14 Mrd Euro genehmigt.

Der BDEW begrüßt die neue Vereinbarung: Mit den festgeschriebenen Grundsätzen könnten die anhängigen Gerichtsverfahren beigelegt und die Anträge rechtssicher abgearbeitet werden. Auch die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, EnBW TNG und TenneT begrüßten die Einigung, insbesondere die Regelungen zur Anerkennung der tatsächlichen Fremdkapitalkosten für die Projekte.

Bundestag repariert Anreizregulierung

Anstieg der Netzentgelte gestoppt

Bundestag repariert Anreizregulierung

Anstieg der Netzentgelte gestoppt

(20. Dezember 2011) Der Bundestag beschloss am 24.11.2011 einen schärferenallgemeinen Produktivitätspfad für Netzbetreiber. Diese müssenkünftignicht nur unternehmensindividuelle Effizienzvorgaben erfüllen,sondern zusätzlichnoch die im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft realisierten Produktivitätsfortschritte.

Die Bundesnetzagentur begrüßte das: Ohne das neue Gesetz wären zusätzliche Belastungen bis zu 2 Mrd Euro auf die Verbraucher zugekommen, nun könnten die Netzbetreiber höchstens einen Restbetrag aus der Vergangenheit von 500 Mio Euro auf die Kunden abwälzen, so Präsident Matthias Kurth.

Bei all den Stromanbietern, die jetzt höhere Kosten für den Stromtransport als Grund für ihre Preiserhöhungen angeben würden, entfalle dieser Grund teilweise wieder.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. begrüsste die gesetzliche Neuregelung. Die Versorgungswirtschaft wird absehbar auch gegen diese Neuregelung gerichtlich vorgehen.

Absenkung der Kapitalverzinsung richtig

Die Bundesnetzagentur will die Eigenkapitalverzinsung für Neuinvestitionen in Netzanlagen um etwa einen Prozentpunkt absenken.

Absenkung der Kapitalverzinsung richtig

(14. September 2011) Die Bundesnetzagentur will die Eigenkapitalverzinsung für Neuinvestitionen in Netzanlagen um etwa einen Prozentpunkt absenken.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. begrüßt die beabsichtigte Anpassung der Eigenkapitalverzinsung an die Marktentwicklung als folgerichtigen Schritt in die richtige Richtung.

Kein Unternehmen, welches sich im Wettbewerb behaupten muss, kann sich von den Entwicklung an den Kapitalmärkten abkoppeln, insofern ist nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet Unternehmen in einem vor dem Wettbewerb geschützten natürlichen Monopolbereich mit vergleichsweise risikolosem Geschäft hier eine Sonderstellung zukommen sollte.

Zudem trifft die Bundesnetzagentur nicht einfach eine Entscheidung, sondern stellt diese vorab zur Konsultation der Marktteilnehmer, ein Verfahren welches an Transparenz und Nachvollziehbarkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Insbesondere vor diesem Hintergrund sowie der auch nur minimalen Korrektur der Zinssätze um ca. 1% ist die harsche Reaktion sowohl des BDEW als auch der Netzbetreiber unverständlich und unangemessen. Sie lässt einmal mehr deren Anspruchshaltung, sich - wie in der Vergangenheit - Marktentwicklungen nach Belieben entziehen zu können, deutlich werden.

Die bisher gewährte Verzinsung von mehr als 9% ist in Anbetracht des risikoarmen Geschäfts bereits als sehr üppig anzusehen, was durch das große Interesse institutioneller Finanzinvestoren an Beteiligungen im Netzbereich ja auch eindrucksvoll bestätigt wird. Ein vergleichbares Chance-Risiko-Verhältnis ist anderswo kaum zu finden.

Zu betonen ist weiterhin, dass die Bundesnetzagentur hier nicht nur einerseits im wohlverstandenen Interesse der Netznutzer an marktgerechten Konditionen, sondern ebenso insbesondere auch nur entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages handelt, der ihr auferlegt, die Eigenkapitalverzinsung entsprechend der Marktentwicklung im Auge zu behalten und ggf. anzupassen.

Wohin eine unbegrenzte Entwicklung von Renditen marktbeherrschender Unternehmen führt, ist gerade derzeit an der Entwicklung der großen vier Stromkonzerne eindrucksvoll zu beobachten. Über Jahrzehnte, insbesondere aber in der letzten Dekade haben diese aufgrund der Ausnutzung ihrer Marktstellung weit überdurchschnittliche Gewinne eingefahren, die sie und deren Eigentümer verwöhnt haben - und sind dabei unflexibel und unverschämt arrogant geworden, so dass die notwendigen Anpassungsprozesse über viele Jahre versäumt worden sind - und nunmehr die Belegschaften die Zeche für die nunmehr ach so plötzlich wegbrechenden Gewinne zahlen sollen.

Die Erfahrung bestätigt immer wieder, dass nachhaltig über dem Marktniveau liegende Renditen die mit den notwendigen Anpassungs- und Effizienzsteigerungsprozessen in den Unternehmen verbundenen, zwar zuweilen schmerzhaften, aber dennoch notwendigen Veränderungen hinauszögern und unterdrücken, so dass deren Kunden, hier die Netznutzer, unter den dadurch bedingten höheren Kosten zu leiden haben.

Deutschland gehört immer noch zu den Ländern mit den höchsten Netzentgelten, insofern ist der Schritt der BNetzA nur überfällig und konsequent.

Netzbetreiber bekommen mehr

Der BGH in 2 Grundsatzbeschlüssen zur Ermittlung von Netzentgelten bzw. Garantierendite

Netzbetreiber bekommen mehr

(13. Juli 2011) Der Bundesgerichtshof (BGH) gab zwei Grundsatzbeschlüsse (vom 28.6.2011 - Az: EnVR 34/10 und EnVR 48/10) zur Ermittlung von Netzentgelten bzw. der Garantierendite von Netzbetreibern bekannt.

Einzelne Bestimmungen über die Kostenprüfung zur Ermittlung der Entgelte werden dabei anders ausgelegt als von der Regulierungsbehörden.

Netzrenditen überhöht

Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze als überhöht kritisiert.

Netzrenditen überhöht

(8. Juli 2008) Die Bundesnetzagentur hat die Eigenkapitalzinssätze für Neuinvestitionen in Strom- und Gasnetze einheitlich auf 9,29% vor Steuern festgelegt und damit bei Stromnetzen eine Erhöhung um 1,38 Prozentpunkte vorgenommen. Altanlagen werden mit 7,56% vor Steuern verzinst.

Damit würden Infrastrukturinvestitionen in Energienetze noch attraktiver, so Agentur-Präsident Matthias Kurth. Die Zinssätze gelten ab 1. Januar 2009. Anschlüsse der Offshore-Windparks mit höheren Renditeaussichten werden über einzelfallbezogene Prüfungen genehmigt.

Insgesamt sei ein Investitionsvolumen von 8,6 Mrd Euro beantragt worden, so die Netzagentur, rund 6,2 Mrd Euro davon entfielen auf die vier Übertragungsnetzbetreiber. Die Anträge von Gasnetzbetreibern summierten sich auf 850 Mio Euro. Zusammen seien Anträge für rund 300 Einzelprojekte eingegangen, davon etwa 150 von den vier großen Übertragungsnetzbetreibern.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze als überhöht kritisiert. Damit werde die Anreizregulierung entgültig zur Lachnummer, so der Verein. Das eigentlich richtige Konzept sei löchrig wie ein Schweizer Käse, eine Senkung der Netzentgelte und damit eine Verbesserung der Wettbewerbssituation sei nicht zu erwarten. Vielmehr liessen sich jetzt die Stromkonzerne die aufgestauten Investitionen von den Kunden bezahlen, nachdem sie in den vergangenen Jahren die Netzentgelte kassiert hätten, ohne zu investieren. Die Netzagentur sei vor den Versorgern eingeknickt, so der Vereinsvorsitzende Aribert Peters. Die überhöhten Netzentgelte hätten jetzt den amtlichen Stempel.

Anreiz zum Scheinwettbewerb

Dank der Anreizregulierung sollen ab 2009 die Netzentgelte bei Strom und Gas kräftig purzeln.

Anreiz zum Scheinwettbewerb

Dank der Anreizregulierung sollen ab 2009 die Netzentgelte bei Strom und Gas kräftig purzeln. Hans Forster erklärt die Grundzüge dieses neuen Systems.

2056 Hans Forster

Hans Forster

(20. Dezember 2007) - Mehr Staat ist nicht immer gleich weniger Markt: Wenn die Bundesnetzagentur (BNA) im Januar 2009 ihre sogenannte Anreizregulierung aufnimmt, sehen sich die Betreiber von Strom- und Gasnetzen zum ersten Mal mit Wettbewerb konfrontiert. Ihre Kosten für Leitungen und Trafos, für Betrieb und Steuerung, für Wartung und Instandhaltung münden dann nicht mehr automatisch in Preise, die Nutzer ihnen für das Netz bezahlen. Ab dann diktiert die BNA die Obergrenzen für die Erlöse. Diese orientieren sich auf Grundlage eines bundesweiten Vergleichs am effizientesten Unternehmen.

Die Messlatte liegt beim Klassenbesten

Wenn sich die Branche ab Januar 2009 nach dem Klassenbesten richtet, sollten die Netzgebühren stärker unter Druck geraten als im bisher lediglich kostenbasierten Regulierungssystem. Der Verbraucher profitiert direkt: Immerhin entfällt ein gutes Drittel des Strom- und etwa ein Viertel des Gaspreises privater Haushalte auf die Netzentgelte. Gleichzeitig sollten faire Tarife für die Nutzung der Leitungsinfrastruktur den Wettbewerb unter den Energieanbietern beflügeln, was sich zumindest langfristig schmälernd auf die übrigen Preiskomponenten auswirken dürfte, also auf den Einkauf und Vertrieb von Strom und Gas.

Auch der Netzbetreiber kann vom neuen System profitieren: Wem es gelingt, seine Kosten stärker abzusenken als nötig, um die Preis- und Erlösobergrenzen des Regulierers einzuhalten, kann zusätzliche Gewinne erwirtschaften und diese für die laufende Regulierungsperiode auch behalten. Ein Anreiz, die Produktivität zu steigern, der zeitversetzt auch dem Verbraucher zugute kommt.

Die Monopolkommission bezweifelt jedoch, dass die Anreizregulierung zu sinkenden Netzkosten führt. Es gebe zu viele Ausnahmen, keine Qualitätskontrolle und überdies würden nicht alle Kosten einbezogen (siehe Kasten).

Bundesrat schlägt sich auf Verbraucherseite

Die nunmehr in Berlin beschlossene Lösung war im Detail bis zuletzt heftig umstritten. Nachdem der Gesetzgeber die Verordnung bereits in vielen Punkten zugunsten der Netzbetreiber abgeschwächt hatte, hat der Bundesrat - quasi letztinstanzlich - eine weitere Verwässerung des Regelwerks verweigert.

Regulierung zurechtgestutzt

Strittig war die Frage, welchen Produktivitätsfortschritt die Branche in den fünf Jahren einer Regulierungsperiode voraussichtlich erreichen wird. Dieser Wert ist wichtig, um die im Voraus festgelegten Erlösobergrenzen um die Preisentwicklung in der Energiebranche bereinigen zu können. Konkret ermittelt wird die Größe anhand historischer Daten aus der Branche - allerdings erst in der dritten Regulierungsperiode. Für den Anfang ist man auf Schätzungen angewiesen. Die Vorschläge der Netzagentur, 2,54 Prozent, hatte das Bundeskabinett bereits entschärft. Ergebnis: 1,25 Prozent für die erste und 1,5 Prozent für die zweite Regulierungsperiode. Eine weitere Absenkung hat der Bundesrat verhindert.

Grafik Kostenarten Anreizregulierung

Auf dem Weg vom Entwurf zur Verordnung ist der Kostenblock, den die Netzbetreiber tatsächlich beeinflussen können, stetig zusammengeschrumpft und damit auch die möglichen finanziellen Anreize, auf die der Regulierer mit seinen Vorgaben zielt.

Rechnerisch zum Klassenprimus

Für die Bestabrechnung müssen sich die Kosten in Bezug auf verschiedene gebietsstrukturelle Gegebenheiten wie die Anzahl der Strom- und Gasanschlüsse, Versorgungsfläche oder Leitungslänge sowie die Jahreshöchstlast im Netz vergleichen lassen. Dazu ist eine mehrdimensionale Betrachtung nötig, denn die Kosten pro Leitungskilometer können beträchtlich variieren. So spielt es zum Beispiel eine Rolle, ob man das Netz auf eine hohe oder niedrige Höchstlast dimensionieren muss, oder, ob ein Versorgungsgebiet wie beim Gas nur lückenhaft mit Kundenanschlüssen versehen ist.

Ausgleich schaffen zwei unterschiedliche Vergleichsmethoden. Nach jeder Methode erhält jeder Netzbetreiber einen prozentualen Effizienzwert. Weichen die beiden Ergebnisse voneinander ab, gilt der günstigere Wert. Für Unternehmen, die gegenüber dem Klassenbesten sogar eine Mindesteffizienz von 60 Prozent verfehlen, werden die 60 Prozent anerkannt. Der Wert von 60 Prozent ist ein Entgegenkommen des Gesetzgebers, denn der ursprüngliche Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums sah noch eine Deckelung von 50 Prozent vor.

Keine Regel ohne Ausnahme

Zunächst haben die Netzbetreiber zehn Jahre Zeit, um Ineffizienzen, sprich die Differenz zum effizientesten Unternehmen, abzubauen. Jedes Unternehmen erhält dazu von der BNA einen individuellen "Erlöspfad". Am Ende des Zeitraums müssen alle Unternehmen so sparsam kalkulieren wie der Klassenprimus. Ab 2019 verkürzt sich der Zeitraum für diese Anpassung auf fünf Jahre.

Netzbetreiber, denen die Effizienzvorgaben unzumutbar erscheinen, etwa weil sie sich dadurch außerstande sehen, die üblichen Tariflöhne zu zahlen, können in einer Einzelfallprüfung Abschläge erwirken. Zudem gibt es für kleinere Unternehmen auf Wunsch Entlastung von der Bürokratie. Wer weniger als 15.000 Gas- beziehungsweise 30.000 Stromkunden versorgt, kann ein vereinfachtes Verfahren wählen, in dem für die erste Periode ein pauschaler Effizienzwert von 87,5 Prozent gilt. 45 Prozent der genehmigten Kosten gelten als dauerhaft nicht beeinflussbar. Über drei Viertel der Netzbesitzer könnten von dieser Option Gebrauch machen. Damit verbleiben aber auch 75 Prozent der Verbraucher im normal regulierten System.

Über Jahre am Netz gespart

Die Branche befürchtet, dass die Anreizregulierung die Unternehmen davon abhält, in ihre Infrastruktur zu investieren. Tatsächlich hat die Branche nach eigenen Angaben schon in den vergangenen Jahren kräftig am Netz gespart. Trotzdem zählt es, gemessen an den störungsbedingten Ausfallzeiten, noch immer zu den weitaus Zuverlässigsten in Europa. Eine Bonus-/Malus-Regelung im Anreizregelwerk soll dafür sorgen, dass die Versorgung so zuverlässig bleibt. Verbraucherschützer bezweifeln jedoch, dass dieses stark technisch orientierte Element ausreicht, um die Servicequalität zu garantieren. Jedenfalls finden sich die Vorschläge der Netzagentur zu einer minimalen Servicequalität im Gesetz nicht mehr wieder.

Kunden profitieren nicht

Die Monopolkommission schreibt in ihrem Sondergutachten 2007:

"Nach Auffassung der Monopolkommission wäre es sachgerecht, das Kriterium "Servicequalität" explizit als Qualitätskriterium aufzunehmen, etwa anhand der Vorgaben der "Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität (GPKE)". Das würde den Dienstleistungscharakter eines Netzbetreibers betonen und verbraucherfreundliche Energieversorger im Sinne § 1 Abs. 1 EnWG belohnen."

"Die vorgesehenen Ausnahmeregelungen betrachtet die Monopolkommission mit Sorge. Da drei Viertel aller Elektrizitäts- und Gasnetzbetreiber diese geltend machen können, wird der Sinn der Härtefallklausel konterkariert."

"Kritisch zu sehen ist auch, dass die erste Regulierungsperiode keinen Effizienzvergleich vorsieht. Das birgt die Gefahr, dass kleine und vermeintlich ineffiziente Energieversorger wie Stadtwerke ihr Potenzial zur Effizienzsteigerung nicht ausschöpfen. Zudem würden mehrere hundert Stadtwerke keinem Qualitätsmanagement unterliegen."

"Gegenüber dem Referentenentwurf vom 4. April 2007 wurde der vorliegende Verordnungsentwurf vom 13. Juni 2007 zwar "nachgebessert". Aus Sicht der Monopolkommission weist das vom Bundeswirtschaftsministerium verfolgte Konzept zur "Anreizregulierung dennoch erhebliche Mängel auf, die beseitigt werden müssen." So seien die gegebenen Anreize für eine effiziente Bewirtschaftung des Leitungsnetzes zu gering.

"Weiterhin fällt die allgemeine Produktivitätskennziffer mit 1,25 bzw. 1,5 Prozent zu gering aus und bewegt sich unterhalb bzw. nur am unteren Rand der von der Bundesnetzagentur vorgeschlagenen und international üblichen Bandbreite."

"Nach Ansicht der Monopolkommission wird mit der Anreizregulierung keine wesentliche Senkung der Energiepreise für Hauhaltskunden einhergehen: Zum einen beträgt der Anteil der Netzentgelte am Endverbraucherpreis bei Elektrizität im Durchschnitt nur etwa ein Drittel und bei Gas nur etwa ein Fünftel. Zum anderen beziehen sich die (individuellen) Effizienzvorgaben nicht auf den gesamten Kostenblock eines Netzbetreibers, sondern nur auf die von ihm beeinflussbaren, ineffizienten Kostenanteile."

Ländern scheitern mit Verwässerung

Verbraucher begrüßen die Niederlage

Ländern scheitern mit Verwässerung

(21. September 2007) Die wesentlichen Änderungsanträge zur Anreizregulierungsverordnung haben bei der Abstimmung im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Sowohl der Antrag Nordrhein-Westfalens zu einer Absenkung der generellen, sektoralen Produktivitätsvorgabe als auch der Antrag Baden-Württembergs, die Orientierung am Klassenbesten durch eine Gruppe der Besten zu ersetzen, scheiterten am Votum der Länderkammer. Demnach bleibt es in der ersten Regulierungsperiode bei einem generell vorgegebenen Produktivitätsfortschritt von 1,25 Prozent. In der zweiten Regulierungsperiode beträgt der Wert 1,5 Prozent. Nordrhein-Westfalen hatte gefordert, diese Werte auf 0,5 bzw. 1,0 Prozent abzusenken. Zudem werden sich die Unternehmen im Zuge der Anreizregulierung ab dem 1. Januar 2009 an dem jeweils effizientesten Netzbetreiber in ihrer Klasse messen lassen müssen. Das Land Baden-Württemberg hatte vorgeschlagen, eine Gruppe der besten zehn Prozent aller Unternehmen als Effizienzmaßstab anzulegen.

Beide Anträge hätten eine Aufweichung des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung zur Folge gehabt. Hartmut Schauerte, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, warb aus diesem Grund vor der Abstimmung im Bundesrat noch einmal eindringlich um die Unterstützung der Länder für den Regierungsentwurf. Die von den Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eingebrachten Änderungsanträge hätten eine Mehrbelastung der Verbraucher in einer Größenordnung von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr bedeutet, betonte Schauerte.

Der Abstimmung über die Anreizregulierungsverordnung gingen in der Länderkammer erhebliche Turbulenzen voraus. Zum Zeitpunkt der Abstimmung waren die zuständigen Minister mehrerer Länder nicht im Plenum vertreten. Die Vorsitzende der Sitzung wollte die Abstimmung zunächst trotzdem durchführen, unterbrach die Sitzung dann aber auf Antrag Hessens. Aus einer beantragten Pause von zwei Minuten wurden erst fünf Minuten, dann mehr als eine Viertelstunde. Nach viel Ratlosigkeit und weitverbreitetem Kopfschütteln unter den Ländervertretern fand die Abstimmung dann ohne ein Votum von Rheinland-Pfalz statt, da der zuständige Minister nicht auffindbar war. Rheinland-Pfalz wurde dem Kreis der Befürworter der Änderungsanträge zugerechnet.

Der Bund der Energieverbraucher hat das Scheitern des Länderantrags begrüßt. Denn nach Berechnung der Bundesnetzagentur liegt der jährliche Produktivitätsfortschritt über zwei Prozent.

Diagramm Dynamische Anreizregulierung

(online am 04. Oktober 2006)

Regulierungsbericht pünktlich übergeben

Über 300 Seiten starke Bericht zur Anreizregulierung der Strom- und Gasnetze

Anreizregulierung: Regulierungsbericht pünktlich übergeben

(3. Juli 2006) Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur, hat Bundeswirtschaftsminister Michael Glos den über 300 Seiten starken Bericht zur Anreizregulierung der Strom- und Gasnetze in Deutschland pünktlich übergeben. Die Anreizregulierung soll die Regulierung der Netzentgelte ersetzen, die sich bisher an den Kosten des Netzbetriebs orientiert. Gleichzeitig soll sie den Netzbetreibern zusätzliche Anreize geben, Kosten zu senken und die Effizienz ihres Betriebs zu steigern. Laut EnWG erarbeitet die Bundesregierung nun basierend auf dem Bericht den Entwurf einer Rechtsverordnung zur Anreizregulierung.

Die Verordnung muss vom Bundesrat abgesegnet werden. Eine zeitliche Vorgabe für den Start der Anreizregulierung enthält das Energiewirtschaftsgesetz nicht. Nach dem Konzept der Bundesnetzagentur sollen über sechs bis acht Jahre vorab Gleitpfade für die Gesamterlöse der Netzbetreiber festgelegt werden. Mit diesen sollten die Netzbetreiber auf ein möglichst einheitliches Effizienzniveau gebracht werden. Danach wird zu einem System übergegangen, in dem die Vorgaben zur Erlössenkung voll per Unternehmensvergleich ermittelt werden. Alle Netzbetreiber sollen über die allgemeine Produktivitätsentwicklung hinaus ihre Effizienz steigern können und müssen. Es wird ein allgemeiner Faktor zwischen 1,5% und 2% pro Jahr empfohlen.

Die Anreizregulierung soll zu Jahresbeginn 2008 starten. Um der Gefahr zu begegnen, dass Netzbetreiber die Instandhaltung vernachlässigen, gibt es Regelungen gegen Investitionshemmnisse und zur Sicherstellung der Versorgungsqualität. Für überdurchschnittlich gute Versorgungsqualität sollen den Netzbetreibern Aufschläge auf ihre Erlösobergrenze gewährt werden, bei unterdurchschnittlicher Qualität soll es Abschläge geben. Es gebe zahlreiche substanzielle Verbesserungen gegenüber dem ersten Entwurf, so Agenturchef Kurth. Angesichts der jahrelangen auskömmlichen Kalkulationsbasis der Netzbetreiber, den vorhandenen Rücklagen und der Tatsache, dass man in einer Monopolsituation starte, wäre eine Anreizregulierung in homöopathischen Dosen verfehlt.

letzte Änderung: 27.11.2020