ED 01/2022 Einspeisevergütung: Hoher „Marktwert Solar“ (S. 29)
ED 03/2023 Schritt für Schritt zur eigenen Photovoltaikanlage (S.20/21)

Wüstenstrom

Solare Fata Morgana?

In der afrikanischen Wüste günstig Solarstrom erzeugen und nach Deutschland transportieren: Für die einen ist das eine rentable Investition, für die anderen eine Fata Morgana.

(21. September 2009) 20 große Konzerne, darunter die Münchner Rück, Siemens, die Deutsche Bank und RWE, haben sich zum Konsortium "Desertec" zusammengeschlossen. Ihr ehrgeiziges Ziel: Solarstrom aus afrikanischen "politisch stabilen Ländern" nach Europa zu bringen. Federführend ist der Rückversicherer Münchner Rück. Mit am Tisch sitzen Vertreter von Bundesministerien und des Club of Rome. Mittelfristig sollen auch europäische und nordafrikanische Partner gewonnen werden.

35_Solar

Der Bau riesiger Parabolrinnenkraftwerke in den Wüsten soll 400 Milliarden Euro kosten. In zehn Jahren soll der erste Strom fließen. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollen die Experten an den konkreten Umsetzungsplänen arbeiten.

Die Technik

Technisch sei das Projekt realisierbar, urteilt die Münchner Rück, und verweist auf erste Anlagen in der kalifornischen Mojave-Wüste und in Spanien. Dort bündeln die Kraftwerke über Spiegel Sonnenlicht, erhitzen Spezialöl und wandeln dessen Wärme in Wasserdampf für den Antrieb von Turbinen um. Durch Gleichstromleitungen zwischen den Kontinenten soll der Strom dann ins Verbundnetz fließen und etwa 15 Prozent der europäischen Stromversorgung decken.

Die DLR-Studie

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in Studien die Chancen für Solarstrom aus Nordafrikas Wüsten durchgerechnet: In einer ersten Ausbaustufe bis 2020 könnten vier Solarkraftwerke mit je 2.500 Megawatt Leistung entstehen. Nach Investitionen von 47 Milliarden Euro brächten diese Kraftwerke einen Jahresumsatz von vier Milliarden Euro und würden sich darüber langsam refinanzieren. Europa könnte den Strom für rund 6,5 Cent pro Kilowattstundebeziehen -– inklusive Transportkosten.

Die Kritik

Herrmann Scheer, Präsident von Eurosolar, der Europäischen Vereinigung für erneuerbare Energien, kritisierte die "Desertec"-Pläne zum Import afrikanischen Solarstroms. Bis der Strom zu den versprochenen Preisen geliefert werden könne - frühestens 2020 - seien Solar- und Windstrom hierzulande preisgünstiger. "Desertec" könne so zu einer großen Subventionsruine werden, befürchtet der Experte, "Mit dem Projekt verfolgen die Stromkonzerne offenbar das Ziel, ihr Monopol zu erhalten und den Ausbau erneuerbarer Energien hierzulande zu stoppen".

In weniger als drei Jahren wird die Solarstromerzeugung in Deutschland die sogenannte "grid parity"-Schwelle erreicht haben - also Energie zu Kosten liefern können, die dem gegenwärtigen Strompreis entsprechen. Für Windkraft gilt im Verhältnis zu den Erzeugungskosten aus neuen fossilen Kraftwerken bereits jetzt eine ungefähre Kostengleichheit. Mit den neuen Stromspeichertechniken, die für die Informationstechnologie und für Elektroantriebe entwickelt und produziert werden, wird sich das Speicherproblem von Solar- und Windstrom effizient und kostengünstig von selbst lösen.

Experten bezweifeln zudem, dass Desertec tatsächlich die angegebenen Investitionskosten und Zeiträume einlösen kann. So ist  noch nicht absehbar, welche Kosten tatsächlich für die Wüstenkraftwerke fällig werden, etwa für den Schutz der Solarspiegel vor Sandstürmen, ebenso wied ie Kosten und die Umsetzungsschwierigkeiten des Baus der Übertragungsnetze. Damit droht das prestigeträchtige Projekt zu einer großen Subventionsruine zu werden - oder es erweist sich gar ganz als Fata Morgana.

Heimisches Potential unterschätzt

Es gäbe nur einen einzigen Grund für dieses Projekt: Wenn das Potential Erneuerbarer Energien hierzulande nicht ausreichen würde, um den hiesigen Strombedarf zu decken. Zwar musste dieses Argument schon herhalten, um die Laufzeiten der Atomenergie zu verlängern und um neue Kohle-Großkraftwerkezu bauen. Richtiger wird es durch die Wiederholung allerdings nicht. Im Gegenteil, es handelt sich um eine glatte Potentiallüge: Auf der Kasseler Konferenz "100 Prozent Erneuerbare-Energie-Regionen" haben 99 deutsche Kommunen und Landkreise ihre konkreten Konzepte vorgestellt, wie sie innerhalb von 20 Jahren zu einer Vollversorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien kommen können.

Vorteil Dezentralität

Die Desertec-Befürworter übersehen, dass die Investitionsdynamik für Erneuerbare Energien gerade darin liegt,  dass es bei dezentraler Anwendung Millionen Investoren und nicht nur wenige Stromkonzerne gibt. Übersehen wird auch, dass mit der Dezentralisierung der Stromerzeugung überall regionale Wertschöpfung stattfindet - statt nur in der Hand weniger Stromkonzerne, die ihr Anbietermonopol erhalten wollen.

Solarstromerzeugung in Nordafrika ist eine wichtige Option - und zwar für die nordafrikanischen Länder selbst. Aber auch für diese häufig sehr infrastrukturschwachen Länder gilt, dass die Vorteile klar auf der Seite einer dezentralen Stromerzeugung liegen. Mit Sicherheit sind kleine Solaranlagen auf den Dächern von Siedlungen und Städten schneller realisierbar als derartige Großprojekte.

Neue Strukturen schaffen

Es gibt viele - nicht zuletzt wirtschaftliche - Gründe, für Erneuerbare nicht die anachronistische Versorgungsstruktur  atomarer und fossiler Großkraftwerke zu kopieren. Diese Struktur war und ist das größte Hindernis gegenüber der Einführung Erneuerbarer Energien.

Übertragung von Solar- und Windstrom nach Europa

(17. September 2007) Im Jahr 2003 wurde die Initiative TREC (Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation) gegründet, die sich für die Übertragung von Solar- und Windstrom nach Europa einsetzt, der in Wüstenregionen erzeugt wird. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt untersuchte mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums das Konzept. Der Forschungsbericht ist veröffentlicht (MED-CSP und TRANSP-CSP).

Geplanter Ringschluss rund um das Mittelmeer

Danach würde der Bau einer ersten HGÜ-Leitung von Afrika nach Europa mit einer Kapazität von 10.000 Megawatt fünf Milliarden Euro kosten. Die Studie beziffert die Stromtransportkosten von Afrika nach Europa mit 1,4 Cent je Kilowattstunde und die Übertragungsverluste mit zehn bis 15 Prozent. In Relation zu Netznutzungsentgelten von sechs Cent je Kilowattstunde für den Stromtransport innerhalb von Deutschland und Stromerzeugungskosten von sechs Cent in neuen Kraftwerken ist die HGÜ durchaus eine Technik, die schon bald sehr große Bedeutung erlangen kann.

letzte Änderung: 02.10.2009