Anbieterwechsel wider Willen
Anbieterwechsel wider Willen
Durch Ausspähen von Zählernummer oder Kundenummer starten unseriöse Vertreter einen Wechsel des Energieanbieters, ohne Auftrag und ohne Unterschrift des Betroffenen. Dennoch muss man als betroffener Verbraucher diese Verträge, obwohl man sie gar nicht abgeschlossen hat, umgehend kündigen beziehungsweise widerrufen.
Von Leonora Holling
(14. September 2016) Wer kennt sie nicht, die Werbeanrufe über das Telefon oder auch den freundlichen Besucher an der Haustüre, der Ihnen eine Weltneuheit verkaufen möchte, die Sie ganz sicher nirgendwo anders und auch nicht so günstig kaufen können. Auch wenn spontane Werbeanrufe bei Verbrauchern seit 2009 gesetzlich verboten sind, hält sich diese unseriöse Akquise-Form hartnäckig. Und die auf diesem und anderen Wegen gewonnen Daten werden von unseriösen Vertretern in krimineller Weise missbraucht.
Verbraucher erhalten immer häufiger per Post eine Auftragsbestätigung von einem neuen Energieanbieter, den sie nicht kennen und auch niemals beauftragt haben. Dann erinnern sich die Betroffenen an Kontakt mit einem Vertreter am Telefon oder an der Haustür. Verbraucher berichten, sie seien zunächst gefragt worden, ob sie denn nicht Energie sparen wollten. Man könnte ihnen hierzu gute Tipps geben. Oder die Täter geben sich als Mitarbeiter des örtlichen Energieversorgers oder sogar des Bundes der Energieverbraucher aus. Unter einem solchen Vorwand lassen sich die Werber Zählernummer, Verbrauch und den bisherigen Energieanbieter nennen oder nehmen Einsicht in die letzte Verbrauchsabrechnung.
Obwohl im Laufe des Telefonats oder des Gespräches tatsächlich nur von Energieeinsparmaßnahmen die Rede war, erhielten Verbraucher dann einige Zeit später eine schriftliche Auftragsbestätigung eines neuen Energieversorgers und die Mitteilung über die Kündigung ihres Altvertrages. Die Vertreter behaupten dann später, der Kunde habe einem Wechsel zugestimmt und am Telefon oder an der Haustür einen neuen Vertrag abgeschlossen.
Reaktion erforderlich
Eine solche Auftragsbestätigung darf man auf keinen Fall einfach liegen lassen, wenn man keinen neuen Vertrag abschließen wollte. Denn für einen Lieferantenwechsel ist es nicht notwendig, dass der neue Versorger gegenüber dem alten Versorger die Berechtigung zur Kündigung des Altvertrages nachweist. Vielmehr laufen die Wechselprozesse vollautomatisch und ohne wirksame Überprüfung der Rechtmäßigkeit ab. Eine Rechtslage, der von Verbraucherschützern heftig kritisiert wird.
Verbraucher sollten im Fall eines untergeschobenen Energiebezugsvertrages daher von ihren gesetzlich garantierten Rechten Gebrauch machen. Formulierungshilfe:
„Es wurde nach meiner Kenntnis kein Vertrag zwischen Ihnen und mir geschlossen, da ich keine auf den Abschluss eines Vertrages mit Ihnen gerichtete Willenserklärung abgegeben habe. Hilfsweise widerrufe ich einen möglicherweise gegen meinen Willen zwischen Ihnen und mir zu Stande gekommenen Energieliefervertrag mit der Kundennummer 12345 für die Verbrauchsstelle mit der Zählernummer 54321 mit sofortiger Wirkung.“
Eine Begründung für den Widerruf ist ausdrücklich nicht erforderlich.
Informieren Sie Ihren bisherigen Versorger, dass Sie keinen Wechsel veranlasst haben und die Fortsetzung der Belieferung wünschen.
Der Umfang der unzulässigen Werbemaßnahmen in der Energiebranche hat inzwischen dazu geführt, dass die Verbraucherzentrale Niedersachsen im Rahmen eines Projektes dieses Phänomen gezielt untersucht. Sollten Sie selbst durch eine derartige Werbemaßnahme betroffen sein, helfen wir Ihnen als Bund der Energieverbraucher selbstverständlich ebenfalls gerne weiter.
Weitere Informationen: Vorsicht vor untergeschobenen Verträgen
Verbrauchertipp
Der beste Schutz gegen unseriöse Praktiken ist, nicht selbst angestoßene Gespräche zum Thema Energie gar nicht erst zu führen. Auf jeden Fall sollten keinerlei Daten der Verbrauchsstelle an Dritte herausgegeben werden. Wenn Sie sich beraten lassen wollen, dann durch anerkannte Beratungsstellen. Im Zweifel ist der untergeschobene Vertrag des Werbers nämlich nicht der Günstigste.
Datenaustausch wird missbraucht
Hintergrund ist der Datenaustausch, der bei jedem Anbieterwechsel stattfindet. Wenn ein Kunde den Energieversorger wechseln möchte, beauftragt er in der Regel den neuen Lieferanten, alle nötigen Schritte einzuleiten – inklusive der Kündigung beim alten Anbieter. Der neue Lieferant nimmt daraufhin sowohl mit dem alten Versorger als auch mit dem Netzbetreiber Kontakt auf und weist auf den Wechsel hin. Zur Identifizierung des Kunden muss er lediglich den Namen und die Adresse sowie eine weitere klar zuzuordnende Information angeben (Nummer des Strom- bzw. Gaszählers, Zählpunktbezeichnung oder die bisherige Kundennummer samt dem Namen des alten Versorgers).
Dieses Verfahren soll eigentlich dazu dienen, den Datenaustausch zu erleichtern und den Anbieterwechsel zu beschleunigen. Durch das gezielte Ausspähen von Daten ergeben sich jedoch die oben dargestellten Missbrauchsmöglichkeiten.