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Wärmewende

Elektroheizung statt Wärmedämmung?

Gibt es eine Alternative zur Wärmedämmung auf dem Weg zur Energiewende? Klar ist: Elektroheizung und Wärmepumpen ­können Wärmedämmung nicht ersetzen. Kraft-Wärme-Kopplung ist jedoch ein wichtiger Zwischenschritt.

(13. Januar 2016) „Wärmedämmung ist problematisch und teuer. Da heizen wir lieber mit Strom, der ist auch umweltfreundlich, weil er aus regenerativen Energien kommt. Das wird zumindest in ein paar Jahren so sein. Solange heize ich noch guten Gewissens mit Gas, das kommt in ein paar Jahren auch aus erneuerbar erzeugtem Strom und ist somit erstens unendlich verfügbar und wird zweitens ohne Umweltschäden hergestellt. Denn grünen Strom wird es in ein paar Jahren im Überfluss geben“, schrieb ein Leser der Energiedepesche. Aber auch progressive und gut informierte Energiewende-Experten vertreten teil­weise diese Ansicht mit voller Überzeugung.

Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt jedoch, dass diese Ansicht ein frommes Wunschdenken ist und mit der Wirklichkeit der heutigen und künftigen Energieversorgung wenig zu tun hat. Eine solche Denk- und Handlungsweise ist unvereinbar mit der Energiewende und lässt sie scheitern. Es ist der Verdienst von Prof. Uwe ­Leprich, Energiewissenschaftler und Leiter des Saarbrücker Instituts für Zukunftsenergie­­fragen (IZES), wichtige Argumente zur Entkräftung ­fehlgeleiteter Zukunftsvisionen zusammengestellt zu haben.

3046 3187 Geld in die Steckdose / Foto Pixelio.de/Marc Boberach

Winterflaute und die Elektroheizungen

Das schwierigste Problem der Energiewende im Strombereich ist die Stromversorgung im Winter bei Dunkelflauten, wenn durch die Kälte und Dunkelheit der Strombedarf ansteigt, die PV-Anlagen wegen des niedrigen Sonnenstands keinen Strom liefern und der Wind diese Lücke nicht beständig schließen kann. Die sogenannte Residuallast, also der nicht durch Erneuerbare gedeckte Stromverbrauch, nimmt zu, wenn der Stromverbrauch insgesamt anwächst. Das Pro­blem könnte durch eine hohe Zahl von Elektroautos noch verschärft werden.

Der Energiewissenschaftler Dr. Rüdiger Paschotta kommt zur Einschätzung: Elektro­heizungen verursachen maßgeblich das Pro­blem, dass der Strombedarf im Winter deutlich höher ist und für begrenzte Zeit dann sehr hohe Erzeugungs- und Stromnetzkapazitäten benötigt werden.

Wie grün ist die Stromerzeugung?

Der erneuerbare Anteil an der Stromerzeugung beträgt 30 Prozent. Aber dieser Anteil wird kaum im bisherigen Tempo weiter ansteigen, weil der Zubau der PV und der Bioenergie politisch stark eingebremst, wenn nicht sogar praktisch gestoppt wurde. Und der Zuwachs der Erneuer­baren an der Stromerzeugung gleicht dem Wettlauf zwischen Hase und Igel, wenn der Gesamtstromverbrauch durch eine ungebremste Verbreitung von elektrischen Wärmepumpen und hoher Zuwachsraten im IT-Bereich immer weiter ansteigt.

Was können Verbraucher tun?

Wenn Verbraucher also zu Recht fragen: Was kann ich persönlich tun, damit die Energiewende gelingt? Dann ist die richtige Antwort für alle, denen das möglich ist: Den eigenen Heizenergieverbrauch um 80 Prozent reduzieren. Genau das ist das von der Bundesregierung verkündete Ziel. Was das allerdings bedeutet, das verdrängen Bundesregierung und die Bürger des Landes und mit ­ihnen auch die Energieexperten gleichermaßen.

Hier ist die Rede von Hauseigentümern. Aber natürlich können auch alle anderen Verbraucher etwas für die Energiewende tun: Energiesparen (Umstieg auf LED, siehe Fit durch Retrofit), Beteiligung an der Ökostromerzeugung oder als Mieter Umzug in ein gut gedämmtes Haus.

Die Wärmeenergie macht 78 Prozent der im Haushalt verbrauchten Endenergie aus, ist also der mit großem Abstand wichtigste Posten des privaten Energieverbrauchs. Mit der Entscheidung über diesen wichtigsten Posten entscheiden Gebäude- und Hauseigentümer über den Erfolg der Energiewende. Verweigern sich Wohnungsbaugesellschaften, sonstige Vermieter und private Hausbesitzer hier, muss die Energie­wende scheitern, will sagen: Dann ist der Abschied von fossilen und nuklearen Energien, der Umstieg auf Erneuerbare und die Emissionsreduktion nicht möglich. Die Konsequenzen sind bekannt.

Wenn alle privaten Heizungen auf Strom umgestellt würden, ließe das den Stromverbrauch Deutschlands um 563 Terawattstunden (TWh) ansteigen, der Stromverbrauch Deutschlands würde sich glatt verdoppeln. Und die Höchstlast, also die Kapazität der für die Stromerzeugung benötigten Stromerzeugung im Winter, würde sich ebenfalls etwa verdoppeln.

„Überflussstrom“ für die Heizung?

Wollte man die Menge an Heizöl und Gas, die jährlich für die Beheizung von Wohngebäuden eingesetzt wird, aus „Überflussstrom“ erzeugen, dann bräuchte man dafür jährlich mindestens eine zusätzliche Strommenge von 1.000 TWh, also fast das Doppelte des gesamten deutschen Stromverbrauchs. Wenn man statt Direktheizung auf Wärmepumpen setzt, dann braucht man statt der oben genannten zusätzlichen Strommengen nur ein Drittel dieser Menge, weil ja eine gute Wärmepumpe mindestens eine Arbeitszahl von Drei hat. Auch diese Mengen sind utopisch hoch und lassen die gesamte Stromerzeugung durch Erneuerbare (160 TWh 2014) gering erscheinen.  Hinzu kommt, dass gerade in besonders kalten Winterzeiträumen die Wärmepumpen außerhalb ihres optimalen Wirkungspunktes arbeiten und dann kaum effizienter als eine Stromdirektheizung sind.

Wie viel Überflussstrom gibt es?

Selbst an lastschwachen sommerlichen Samstagen bei gleichzeitig hoher Einspeisung von Wind und PV in den frühen Nachmittagsstunden erreichen die Erneuerbaren nicht die öffentliche Netzlast. In diesen Zeiträumen bestehen zudem meistens nur geringer Heizwärmebedarf.

Der vielzitierte „Überflussstrom“, also die Strommengen, die wegen Netzüberlastung nicht eingespeist und also nicht erzeugt wurden, machte im Jahr 2013 einen Anteil von 0,44 Prozent der gesamten Stromerzeugung aus (550 Gigawattstunden (GWh)), im Jahr 2011 waren es 420 GWh, in den Jahren davor deutlich weniger. Das Problem dieses „Überflussstroms“ ist zudem nur lokaler Natur, denn die Nutzung scheitert einzig an fehlenden Transportkapazitäten.

Weg der Energiewende

Die Energiewende hat noch einen langen Weg vor sich. Sie kann nur gelingen, wenn gleichzeitig die Energieeffizienz deutlich erhöht wird, also der Energieverbrauch gesenkt und der verbleibende Energiebedarf durch Erneuerbare gedeckt wird. Genau dies beschreibt das Wort „Energiewende“. Wenn wir in einem Diagramm auftragen, wohin der Weg führt und wo wir auf diesem Weg stehen, dann wird deutlich, welche Wegstrecke noch zu bewältigen ist. Wichtig ist, den richtigen Weg zum Ziel einzuschlagen. Wärmepumpen, Elektroheizung und Vergasung von Überflussstrom sind keine Lösungen.

3187 Zielkorridor erneuerbaren Energieen

Fazit

Das mit Bedacht formulierte Fazit von Prof. Uwe Leprich lautet:

  • Die Verwendung von Strom in Nachtspeicherheizungen ist nach wie vor klimapolitisch und energiewirtschaftlich unsinnig.
  • Die weitere Verbreitung von elektrischen Wärmepumpen ist im Hinblick auf ihre Lastwirksamkeit sorgfältig zu analysieren.
  • Regenerativer Überschussstrom ist aktuell noch ein Phantom, wird aber bei weiterem Ausbau der Erneuerbaren ein Faktor.
  • Die Verwendung von Strom im Niedertemperaturwärme-Bereich ist gleichwohl die ultima ratio und nur dann vertretbar, wenn dadurch keine Kapazitätseffekte im Stromsystem induziert werden.
  • Kraft-Wärme-Kopplung mit Gas und Biomasse sowie auch die Solarthermie sind aktuell die Königsoptionen für eine nachhaltige Wärmebereitstellung für den Heizungsbereich.
Aktuelle Studie

Eine taufrische Studie von vier Forschungsinstituten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat die Beziehung zwischen erneuerbarem Strom, Wärme sowie Verkehr unter die Lupe genommen und optimale strukturelle Entwicklungspfade daraus abgeleitet.

Für 2050 prognostizieren manche Studien eine Zunahme des Stromverbrauchs von derzeit 545 Terawattstunden (TWh) auf 788 TWh, andere eine Abnahme auf 462 TWh. Der Stromeinsatz im Wärmebereich und Elektromobilität werden den Stromverbrauch deutlich erhöhen. Die Studie kommt zur Schlussfolgerung, dass Effizienz im Wärmesektor eine zentrale Rolle spielt. Allerdings sieht die Studie dezentrale und zentrale Wärmepumpen als Schüsseltechnologie zur effizienten Erhöhung des Anteils Erneuerbarer im Wärmesektor. Winterliche Lastspitzen werden nicht als Problem thematisiert, da dies durch Neubau von Gaskraftwerken lösbar sei.

Effizienz

Wärmewende

Effizienz: Wärmewende

(18. Dezember 2015) Die im ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) organisierten deutschen Forscher haben unter www.fvee.de das Positionspapier „Erneuerbare Energie im Wärme­sektor“ veröffentlicht.

Die Energiewende werde nur mit einer Wärme­wende gelingen, heißt es. Wärme mache 58 Prozent des Endenergie­bedarfs aus, aber nur elf Prozent werde mit erneuerbaren Energien gedeckt. Es brauche eine entschiedenere Markteinführungspolitik und Effizienzmaßnahmen sowie mehr Forschungsförderung, um das Innovationspotenzial zu heben. Der derzeitige Trend zu Luftwärmepumpen weist in die falsche Richtung. Erd­gekoppelte Wärmepumpen sind nicht nur klimafreundlicher, sondern häufig auch wirtschaftlicher. Die Aus­wirkungen des Zubaus von Wärmepumpen auf den Kraftwerkspark sind noch zu untersuchen.

letzte Änderung: 13.01.2016