Versorger erhebt Zahlungsklage
Es häufen sich die Fälle, in denen Versorger auf Zahlung des vollen Preises bei Gericht klagen.
Das ist kein Grund zur Panik. Bitte die Ruhe bewahren!! In vielen Fällen unterliegen die Versorger vor Gericht oder ziehen ihre Klage zurück.
Bitte unbedingt die folgenden Punkte beachten:
- Unbedingt einen Rechtsanwalt beauftragen, der Erfahrung mit diesen Klagen hat. Einen Anwalt findet man z.B. in der Anwaltsliste oder Kontakt mit dem Bund der Energieverbraucher e.V. aufnehmen.
- Wer sich gegen eine Klage nicht wehrt, der hat schon verloren und wird schnell zur Zahlung verurteilt. Dann ist es schon zu spät.
- Bitte informieren Sie den Bund der Energieverbraucher, die örtliche Initiative und oder die Verbraucherzentrale.
- Viele Verbraucher sind geschützt durch eine Rechtsschutzversicherung oder durch den Prozesskostenfonds. Wenn eine Klage auf dem Tisch liegt, dann eine Kopie der Klageschrift und eine Kopie des Protestschreibens an den Versorger an den Bund der Energieverbraucher e.V. schicken.
Von der Mahnung bis zum Vollstreckungsbescheid
Juristisches 1x1 für Protestkunden. Von Leonora Holling und Aribert Peters
(10. März 2008) - In der Regel sind Verbraucher und Versorger unterschiedlicher Ansicht über die Höhe des zu zahlenden Preises und über die Zulässigkeit einer Zahlungskürzung. Will der Versorger den verlangten Preis vom Verbraucher bekommen, dann muss er dafür ein Gerichtsurteil erwirken. Jeder Protestkunde geht also das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein. Der Ausgang solcher Verfahren lässt sich nicht vorhersagen. In vielen Fällen unterliegen die Versorger, in anderen die Verbraucher. Sieht man einmal von Musterklagen ab, ist es nicht sinnvoll, dass der Verbraucher den Versorger verklagt. Protestkunden müssen sich dennoch im Klaren darüber sein, dass der Versorger sie auf Zahlung verklagen kann.
Versorgungseinstellung
Wenn der Verbraucher unter Berufung auf die fehlende Billigkeit nicht den verlangten Preis zahlt, dann darf der Versorger deshalb die Versorgung mit Strom oder Gas nicht einstellen und auch nicht damit drohen. Tut er es dennoch oder droht damit, dann sollte sich der Verbraucher sofort dagegen wehren : Versorgungssperre .
Mahnbescheid
Einer gerichtlichen Klage kann ein schriftliches Mahnverfahren vorangehen. Die Amtsgerichte übermitteln sie mit Postzustellungsurkunde. Wer einen solchen Mahnbescheid bekommt, der befindet sich deshalb schon im förmlichen Klageverfahren. Er muss daher binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Mahnbescheides mit dem als Anhang beigefügten Bogen Widerspruch beim Mahngericht (also nicht etwa beim EVU) gegen die Forderung einlegen. Dies kann der Verbraucher selbst und ohne Hilfe eines Rechtsanwaltes tun. Er sollte sich jedoch im Klaren sein, dass nun bereits Kosten anfallen, die er selber tragen muss, falls er unterliegt. Bei einem Streitwert von 300 Euro kostet zum Beispiel ein Mahnbescheid einschließlich aller Gebühren 91 Euro.
Legt der Verbraucher Widerspruch ein, reicht das Mahngericht den Fall an das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers weiter. Es fordert den Versorger dazu auf, innerhalb einer Frist seinen Anspruch zu begründen. Viele Mahnbescheide enden an dieser Stelle, weil der Versorger auf eine Klage verzichtet. Verfolgt er die Angelegenheit jedoch weiter, dann erhält der Verbraucher über das Gericht eine Klageschrift, in der der Versorger seinen Anspruch begründet. Der Verbraucher muss jetzt innerhalb von zwei Wochen dem Gericht mitteilen, dass er sich gegen die Klage verteidigt.
Legt der Verbraucher gegen den Mahnbescheid jedoch keinen Widerspruch ein, erhält er später, nach drei bis fünf Wochen, den sogenannten Vollstreckungsbescheid zugestellt. Ein derartiger Vollstreckungsbescheid steht einem Urteil gleich und kann nur binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung mit einem "Einspruch" angefochten werden. Hierzu kann der Vordruck "Widerspruch" verwendet werden. Ansonsten reicht ein Schreiben, dass man Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einreicht. Geht dieser fristgerecht beim Mahngericht ein, wird verfahren wie bei rechtzeitigem Widerspruch, das heißt, es geht in das streitige Verfahren über. Hat der Verbraucher weder Widerspruch noch Einspruch rechtzeitig eingelegt, wird die Forderung des EVU rechtskräftig und ist praktisch nicht mehr anfechtbar.
Fristen einhalten
Diese Fristen laufen selbst dann ab, wenn man wegen Urlaub oder Krankheit verhindert war, seine Post zu kontrollieren. Wirft der Briefträger den Benachrichtigungsschein über die Hinterlegung des Mahnbescheides beim Postamt in den Hausbriefkasten, gilt der Mahnbescheid mit diesem Tag als zugestellt, und nicht etwa ab Datum der Abholung. Ob und wann man ihn später von der Post abholt, spielt vor Gericht keine Rolle. Man sollte also dafür sorgen, dass bei Abwesenheit eine andere Person die Post entgegen nimmt oder abholt (Vollmacht nicht vergessen).
Spätestens nach Zustellung einer Klage sollte der Verbraucher einen Anwalt einschalten. Hat man eine Rechtsschutzversicherung, so muss dort eine Deckungszusage eingeholt werden. Hat man in den Prozesskostenfonds einbezahlt, so sollte die Klage an den Verein gesendet werden, um die Unterstützung durch den Fonds zu klären.
Verjährung prüfen
Denkbar wäre auch, dass die Forderung des Versorgers vielleicht bereits verjährt ist (mehr dazu...). Das Gericht prüft eine solche Verjährung nicht automatisch, also muss der Verbraucher dies im Verfahren vorbringen. Eine Forderung verjährt drei Jahre nach Fälligkeit.
Welches Gericht ist zuständig?
Örtlich zuständig ist das Gericht am Wohnort des Verbrauchers, weil dorthin die Energie geliefert wird. Wenn der Streitwert unter 5.000 Euro liegt, dann ist das jeweilige Amtsgericht zuständig, darüber das Landgericht. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz § 102 ist unabhängig vom Streitwert das jeweilige Landgericht zuständig, wenn das Energierecht für die Entscheidung eine Rolle spielt. Ob dies der Fall ist, haben die betroffenen Gerichte bislang nicht einheitlich entschieden.
Anwälte
Vor dem Amtsgericht ist im Unterschied zum Landgericht kein Anwalt vorgeschrieben. Es ist jedoch dringend ratsam, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen, der mit der Materie vertraut ist. Dazu bietet der Verein eine Anwaltsliste im Internet an. Weil die Streitwerte oft gering sind (siehe unten) können Anwälte oft nicht so viel Zeit in die Verfahren investieren, wie eigentlich notwendig wäre. Deshalb verlangen viele Anwälte eine Honorarvereinbarung. Dabei wird ein Stundensatz oder - auf jeden Fall vorzuziehen - ein Pauschalhonorar vereinbart. Das Prozesskostenrisiko erhöht sich dadurch einerseits, andererseits aber auch die Siegeschancen. Auf den höheren Anwaltskosten bleibt der Verbraucher jedoch sitzen, selbst wenn er siegt. Der Versorger muss dafür nicht aufkommen, und auch die Rechtsschutzversicherung deckt sie nicht. Im Rahmen des Prozesskostenfonds kann der Verein jedoch Honorarvereinbarungen abschließen.
Kosten
Wenn der Versorger vor Gericht siegt, dann muss der Verbraucher seine eigenen und die gegnerischen Anwaltskosten zahlen und für die Gerichtskosten aufkommen. Bei einem Streitwert von zum Beispiel 300 Euro summieren sich diese Kosten auf 250 Euro, bei einem Streitwert von 1.300 Euro stehen 1.400 Euro auf dem Spiel. Unterliegt der Versorger, dann muss er die gesamten Kosten tragen.
Das finanzielle Risiko des Verbrauchers verringert sich durch eine Rechtsschutzversicherung und durch einen Beitritt zum Prozesskostenfonds des Vereins.
Wenn ein Urteil gesprochen ist, kann der Unterlegene je nach Entscheidung in der Regel in Berufung gehen. Die Kosten sind auf der Tabelle im Internet zu ersehen (http://recht.energieverbraucher.de oder www.rechtsanwaltsgebuehren.de). Auch für den Sieger in einer Instanz steigt das Kostenrisiko, wenn der Unterlegene in die nächste Instanz geht. Wenn das Gericht ein Sachverständigengutachten einholt, dann steigen die Kosten und auch das Risiko ganz beträchtlich. Die Kosten eines solchen Gutachtens muss jeweils der Kläger vorstrecken und am Ende der Unterlegene bezahlen. Der Verbraucher kann jederzeit das Gerichtsverfahren beenden, in dem er die Forderung des Versorgers anerkennt.
Andere Urteile
Die Versorger berufen sich oft auf bereits ergangene Urteile, die angeblich einen weiteren Protest verbieten. Ein Urteil ist aber stets nur für die am Prozess beteiligten Personen verbindlich. Allerdings stehen die Chancen für den Versorger auf einen Sieg vor Gericht höher, wenn in gleicher Sache das Gericht bereits entschieden hat. Allerdings wird das regelmäßig von den Versorgern nur behauptet, ohne dass dies wirklich der Fall ist.