ED 04/15 Informierte Mieter heizen effizienter (S.6)
Ein oft beträchtlicher Teil der Heizenergie wird von Heizkostenverteilern nicht erfasst.

Wer zahlt die unerfasste Wärme?

Ein oft beträchtlicher Teil der Heizenergie wird von Heizkostenverteilern nicht erfasst. Im Einzelfall ist eine extrem ungerechte Verteilung der Heizkosten die Folge. Sparsame Verbraucher zahlen zu wenig, Vielverbraucher zu viel. Man sollte als Betroffener auf eine Verteilung nach der Wohnfläche drängen.

(14. Juni 2004)

Wer zahlt die unerfasste Wärme?

Messungen in 18 Gebäuden der sächsischen Landeshauptstadt Dresden haben ergeben, dass im Durchschnitt nur die Hälfte der erzeugten Wärme von den Messgeräten in den Wohnungen erfasst wird. Die andere Hälfte der Wärme geht ungemessen verloren

  • als Bereitstellungsverlust der Heizung,
  • für die Beheizung von Gemeinschaftsräumen,
  • als Verlust beim Transport durch das Leitungsnetz (Rohrleitungsverluste),
  • als ungemessene, jedoch genutzte Wärmeabgabe der Leitungen (Rohrwärmeabgabe),
  • als ungemessene Wärmeabgabe der Heizkörper, weil die Heizkostenverteiler nicht ansprechen (Schleichwärme).

Oft machen diese unerfassten Wärmeabgaben 80 Prozent der gesamten Energieabgabe aus. Das Verhältnis von eingesetzter Energie zu erfasster Wärmeabgabe wird als Erfassungsrate bezeichnet. Insbesondere bei Einrohrheizungen ist die Erfassungrate oft nur gering und liegt bei 20 bis 40 Prozent.

Folge geringer Erfassungsraten: Ungerechte Heizkosten

Ein einfaches Beispiel zeigt die Konsequenzen geringer Erfassungsraten für die Verteilungsgerechtigkeit: Im Bild ist die Verteilung verbrauchsabhängiger Kosten von 1.500 Euro auf drei Nutzer dargestellt. Alle Nutzer entnehmen je eine Grundlast von 2.800 Kilowattstunden, die nicht erfasst wird.

Sie nehmen im Übrigen die Heizkörper unterschiedlich in Anspruch. Links im Bild wird die Verteilung dargestellt, wenn auch die unerfasste Wärme korrekt abgerechnet wird. Rechts im Bild erfolgt eine Verteilung der Gesamtkosten aufgrund des an den Heizkörpern registrierten Verbrauchs.

Die Tortendiagramme zeigen, dass der Sparer (Nutzer C) nur einen Bruchteil seines wahren Verbrauchs auferlegt bekommt (zwei Prozent statt 14 Prozent). Dagegen muss derjenige, der seine Heizkörper stark in Anspruch nimmt (Nutzer A) durch den unverhältnismäßig starken Anstieg seines Verbrauchsanteils (73 Prozent statt 57 Prozent) für die Kosten der übrigen Nutzer aufkommen. Die Verbrauchskosten und Fehlbeträge sind unten im Bild dargestellt.

Bei realen Anlagen mit vielen Nutzern können weitaus größere Kostenfehlbeträge auftreten als im vereinfachten Beispiel. Man sieht, wie die geringe Erfassungsrate die Unterschiede im Verbrauchsverhalten "aufbläht".

Beispiel_einer_Abrechnung_Wärme

Wie groß ist die Erfassungsrate in der Praxis?

Bei ordnungsgemäßer Abrechnung liegen nach Erfahrungswerten (vgl. Zöllner, 2002; HLH) mehr als 90 Prozent aller Nutzer im Bereich zwischen einem Drittel des Durchschnittsverbrauchs (Sparer) und dem doppelten Verbrauch (Vielverbraucher). Wenn in einer Liegenschaft deutliche Abweichungen von diesen Verhältnissen auftreten, gibt das einen Hinweis auf Mängel in der Verbrauchserfassung.

Überschlägig lässt sich die Erfassungsrate auch durch einen Vergleich der zugeführten Wärmemenge mit der erfassten Wärmemenge abschätzen. Diese wird über die Heizkostenverteiler greifbar. Die Heizkostenabrechnung weist die Einheit in "Strichen" aus. Bei modernen elektronischen Heizkostenverteilern entspricht eine Einheit einer Kilowattstunde. Bei Verdunsterröhrchen kann man über die Empfindlichkeit (Auflösung) von Einheiten auf Kilowattstunden umrechnen.

Die zugeführte Wärmemenge wird entweder durch einen Hauptwärmezähler gemessen oder kann über den Energieinhalt des zugeführten Brennstoffs abgeschätzt werden. Dabei kann näherungsweise ein Kesselwirkungsgrad von 85 Prozent angenommen werden.

Beispiel:

Verbraucht wurden 50.000 Kubikmeter Gas mit einem Energieinhalt von 500.000 Kilowattstunden. Abgerechnet wurden in der Liegenschaft 100.000 Einheiten. Die Erfassungsrate beträgt damit R = 100.000 kWh / (500.000 x 0,85) = 0,23. 23 Prozent der in der Liegenschaft verbrauchten Wärme werden durch die Wärmemessung erfasst.

Was folgt daraus?

Welche Erfassungsraten sind noch tolerierbar? Was ist zu tun, wenn die Erfassungsrate unter diesem Wert liegt? Der Bund der Energieverbraucher hat in einem Expertenkreis gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund eine Position erarbeitet, die von den Vereinsgremien noch verabschiedet werden muss. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

  • Erfassungsrate befriedigend. Das ist der Fall, wenn die Erfassungsrate über 45 Prozent liegt. In diesem Fall gelten die bisherigen Verfahrensweisen.
  • Erfassungsrate mangelhaft: Erfassungsrate zwischen 20 und 45 Prozent. In diesem Fall sollte nur der erfasste Teil der Wärmekosten verbrauchsabhängig abgerechnet werden. Voraussetzung dafür ist eine Änderung von § 7 der Heizkostenverordnung.
  • Erfassungsrate miserabel: Erfassungsrate unter 20 Prozent. In diesem Fall sollten die Heizkosten vollständig nach Wohnfläche oder umbauten Raum verteilt werden. Die erfassten Verbräuche sind kein geeigneter Massstab für die Heizkostenverteilung. Auch hierfür muss § 7 der Heizkostenverordnung geändert werden.

Bei den Prozentwerten handelt es sich um erste, noch zu präzisierende Richtwerte. Die Heizkostenverordnung setzt eine Erfassung aller Wärmeabgaben als Basis für die Abrechnung voraus. Dies ist bei einer mangelhaften Erfassungsrate nicht mehr gegeben.

Eine Stellungnahme des Berliner Landesamtes für das Mess- und Eichwesen vom 19. Juli 2002 sieht in Fällen geringer Erfassungsraten eine Darlegungsspflicht der Abrechnungsunternehmen, dafür dass die erforderliche Verteilgenauigkeit gegeben ist. Mit diesem Einwand können sich Mieter auch schon vor einer entsprechenden Änderung der Heizkostenverordnung gegen eine falsche und ungerechte Abrechnung zur Wehr setzen.

Das Landgericht Meiningen ist diesem Argument gefolgt und hat geurteilt, dass bei einem geringem Erfassungsanteil die Heizkosten nicht verbrauchsabhängig, sondern nach der Wohnfläche zu verteilen sind.

(LG Meiningen, Urteil vom 23.9.2002 Aktenzeichen 6 S 169/00)

letzte Änderung: 07.04.2014