Schutz vor Hitze einfordern!
Der Klimawandel macht Deutschland im Sommer zum Backofen. Wissenschaftler warnen: Hitzetode könnten bis zum Ende des Jahrhunderts um das Zwölffache steigen! Städte, Landkreise und Gemeinden müssen handeln. Hitzeaktionspläne retten Leben insbesondere von Senioren, Babys und Outdoor-Arbeitern und sollten von den Bürgerinnen und Bürgern eingefordert werden.
Von Aribert Peters
(11. Juli 2023) Der Klimawandel hat Deutschland bereits deutlich verändert. Das Klima, das uns erwartet, wird sehr, sehr anders sein als das Klima, in dem wir aufgewachsen sind. Das belegt der aktuelle Bericht des Copernicus-Projekts des europäischen Erdbeobachtungsprogramms. Der Sommer 2022 war geprägt von einer enormen Dürre, die Copernicus zufolge mehr als ein Drittel Europas betraf und Landwirtschaft, Transporte und Energieversorgung beeinträchtigte. Im Winter zuvor war weniger Schnee als üblich gefallen und enorme Hitzewellen im Sommer verschärften die Situation. Im Süden Europas nahm die Anzahl der Tage deutlich zu, die als Tage mit extremem Hitzestress gelten, der als gesundheitlich gefährlich gilt. Außerdem war die Sonneneinstrahlung so intensiv wie zu keinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 40 Jahren.
Vor allem ältere Menschen, Babys und Kleinkinder und Arbeitende im Freien leiden unter der starken Hitze.
Laut einem Bericht der Weltwetterorganisation WMO werden die kommenden fünf Jahre voraussichtlich die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnung. Die Wahrscheinlichkeit sei gestiegen, dass die globale Durchschnittstemperatur in dem Zeitraum erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt, erklärte die Organisation in Genf. Beschleunigt wird die Erwärmung durch den Beginn einer sogenannten El-Niño-Periode noch in diesem Jahr. Das Wetterphänomen sorgt zusätzlich zum wärmenden Effekt des Klimawandels für höhere globale Temperaturen. Dadurch wird laut den Fachleuten Extremwetter begünstigt – also zum Beispiel starke Niederschläge oder Dürren in bestimmten Regionen.
Klimawandel und Hitzeereignisse – Aus dem Beschluss des Bundes-verfass-ungs-gerichts vom 24.4.2021
„Es besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten extremer Hitzetage. Schon gegenwärtig bedroht der Klimawandel durch Hitzeereignisse die menschliche Gesundheit auch in Deutschland. … Die Dauer sommerlicher Hitzewellen über Westeuropa hat sich seit 1880 etwa verdreifacht. Bei unverminderten Treibhausgasemissionen lassen Klimaprojektionen eine deutliche Verschärfung dieser Entwicklungen erwarten. Die Anzahl von Hitzewellen könnte bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im ungünstigsten Fall um bis zu fünf Ereignisse pro Jahr in Norddeutschland und um bis zu 30 Ereignisse pro Jahr in Süddeutschland zunehmen.“
Deutsche Anpassungsstrategie
Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) stammt aus dem Jahr 2008 und wird alle vier Jahre mit einem Monitoring-Bericht aktualisiert, der letzte stammt aus dem Jahr 2020.
Darin heißt es, in den zurückliegenden 40 Jahren habe sich ein Trend zunehmender Hitzeextreme abgezeichnet. Insbesondere die Anzahl der heißen Tage, an denen die höchste gemessene Temperatur 30 °C oder mehr beträgt, hat signifikant zugenommen. Dies bekräftigt ein zentrales Ergebnis der Vulnerabilitätsanalyse 2015, die den Anstieg der Hitzebelastung als deutlichstes und stärkstes Klimasignal identifiziert hat.
Hitzeperioden sind mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird ein Anstieg des Anteils der hitzebedingten Todesfälle an der Gesamtzahl aller Todesfälle im Vergleich mit einem Szenario ohne Klimawandel um das Vierfache als möglich eingeschätzt. Bis zum Ende des Jahrhunderts ist sogar ein Anstieg um das Sechs- bis Zwölffache prognostiziert.
Zusammengefasst: Die künftig zu erwartenden extremen Hitzewellen stellen selbst in Deutschland eine ernst zu nehmende gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung dar. Wie kann man dieser Gefahr begegnen?
Hitzeaktionspläne
Bereits jetzt gibt es hierzulande mehr Hitzetote als Tote durch den Straßenverkehr, so Bestsellerautor Nick Reimer. Im Zeitraum zwischen 2018 und 2020 verzeichnete Deutschland laut Deutschem Ärzteblatt an die 20.000 hitzebedingte Todesfälle. Betroffen waren vor allem ältere Menschen. Durch gute Vorbereitung auf eine Hitzewelle können nachweisbar viele Leben gerettet werden. Besonders wenn mehr getan wird, als nur Warnmeldungen weiterzugeben. In Italien, der Schweiz, Spanien und in Frankreich gibt es deshalb Hitzeaktionspläne (HAP), meist landesweit.
Hitzeaktionspläne stellen ein relevantes, realisierbares und effektives Instrument dar, das von Ländern und Kommunen einschließlich Städten, Gemeinden und Landkreisen umgesetzt werden sollte. Zuständig sind die Kommunen. Aber es gibt keine Verpflichtung zur Erstellung und Umsetzung solcher Pläne und bisher verfügen nur wenige Städte und Gemeinden hierzulande über Strategien bei starker Hitze.
Handlungsempfehlungen
2017 hat das Bundesgesundheitsministerium Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit veröffentlicht. Und die Hochschule Fulda hat zusammen mit dem Public Health Zentrum Fulda in diesem Jahr die zweite Fassung einer „Arbeitshilfe zur Entwicklung und Implementierung eines Hitzeaktionsplans für Kommunen“ erarbeitet und veröffentlicht. Darin sind viele gute Beispiele für Hitzeaktionspläne nachzulesen. Die Empfehlung stellt drei wichtige Element heraus:
- klare Kommunikation an die Bevölkerung und Hilfsdienste,
- Management von Akutereignissen für Risikogruppen und
- langfristige Schutzmaßnahmen vor der sengenden Hitze.
Die Hitzeaktionspläne müssen die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) aufgreifen und verbindliche Maßnahmen im Management von Akutereignissen festlegen. Nur mit guter Vorbereitung und dauerhaften Maßnahmen können wir uns effektiv gegen die Hitze schützen. Besonderes Augenmerk gilt den am stärksten gefährdeten Gruppen: Senioren, Kranke, Behinderte, Ungeborene, Babys und Kleinkinder, Outdoor-Arbeiter und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften oder Obdachlose. Wenn die Hitze steigt, darf niemand im Stich gelassen werden!
Die Arbeitshilfe empfiehlt, die Verantwortung für eine zentrale Koordinierung des Hitzeaktionsplans direkt bei der Leitung der Verwaltung anzusiedeln und eine behörden-übergreifende Steuerungsgruppe einzurichten. Die Bürgerinnen und Bürger sollten an der Entwicklung und Umsetzung eines HAP beteiligt werden.
Fazit
Hitzewellen werden wegen des Klimawandels zum neuen Normal werden. Deutschland muss sich nun rasch darauf vorbereiten! Hitzeaktionspläne werden zum Must-have für Länder, Städte und Gemeinden, um alle Bürger zu schützen. Auch Organisationen wie Parteien und Vereine sollten aktiv werden, um in ihrer Gemeinde einen Hitzeaktionsplan einzufordern, und diesen dann in seiner Entstehung begleiten.
- Klimavorsorgeportal der Bundesregierung
- Arbeitshilfe Uni Fulda
- Klimaanpassung: Themenseite mit vielen Links des BMUV
- Ärtzeblatt-Artikel über Hitzetote
- Video Hitzeschutz auf Kölsch
- Handlungsempfehlung aus der Schweiz: bdev.de/hapch
- Deutscher Städtetag – Positionspapier: bdev.de/hapstt
- ZDF-Lesch: Video zur Hitze: https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/gesundheitsrisiko-klimakrise-wie-heiss-ist-zu-heiss-100.html
Literatur
Nick Reimer, Toralf Staud: Deutschland 2050: Wie der Klima-wandel unser Leben verändern wird.
Claudia Traidl-Hoffmann, Katja Trippel: Über Hitzt: Die Folgen des Klima-wandels für unsere Gesundheit