Stromausfall Münsterland
Spröde Masten überall im Stahlland NRW: Sanierungsbemühungen völlig unzureichend
(3. Juli 2006) In NRW seien weit mehr bruchgefährdete Strommasten im Einsatz als befürchtet, berichtet die "Rheinische Post". Das Landeswirtschaftsministerium habe 90 Netzbetreiber im Land angeschrieben. 39 davon hätten geantwortet, darunter sieben, die Masten aus Thomasstahl im Bestand hätten. Dieser Stahl sei in den sechziger Jahren verwandt worden und gelte zusammen mit starken Schneefällen als Auslöser der massenhaften Stromausfälle im Münsterland.
Allein bei E.ON Westfalen Weser, einem der größten Stromversorger in NRW, seien zwei Drittel der 1800 Masten aus Thomasstahl, so die Zeitung. Die Sanierungsbemühungen seien völlig unzureichend, so NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben, die mit dem VDEW und dem VDN verhandelt.
Die Bundesnetzagentur hat heute das Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) zu den im Münsterland umgeknickten Strommasten veröffentlicht.
Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.
Gutachten zu Münsterland-Blackouts offenbart: Deutsches Freileitungsnetz morsch
(8. Juni 2006) Die Bundesnetzagentur hat heute das Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) zu den im Münsterland umgeknickten Strommasten veröffentlicht. Dieses Gutachten ist von erheblicher Brisanz. Denn es offenbart gravierende Sicherheitsmängel des Stromleitungsnetzes, die Unzulänglichkeit der Sanierungsbemühungen und auch ein Versagen der einschlägigen Normen und Aufsichtsmechanismen. Das Sanierungskonzept von RWE ist nicht nur zu langsam sondern auch falsch. Denn es führt laut Gutachten nicht zu einer den heutigen Normen entsprechenden mechanischen Leitungsstabilität.
- Die im Münsterland umgeknickten Masten sind nach heutiger Norm nicht mehr zulässig (BAM-Bericht S. 65). Das Versagen der Masten ist auf eine Versprödung besonders belasteter Mastteile zurückzuführen, die aus Thomasstahl bestehen. Wären die kritisch belasteten Teile bei der Sanierung ersetzt worden, dann hätten sie lt Gutachten mit hoher Wahrscheinlichkeit der Belastung standgehalten. Die gebrochenen Masten aus dem Jahr 1954 wurden lt. Gutachten entsprechend dem RWE-Sanierungskonzept saniert. Daraus ist zu folgern: Das RWE-Sanierungskonzept führt nicht zu einer den heutigen Normen entsprechenden Stabilität. Deshalb sind sie die Masten im November 2005 umgeknickt.
- Bei dem Schneeeinbruch im November 2005 handelte es sich keineswegs um ein Jahrhundertereignis. In der norddeutschen Tiefebene gab es laut BAM-Gutachten bereits in früheren Jahren extreme Mastbeanspruchungen durch Schneeregen: Im Jahr 1967 betrug die Last 46 N/m, im Jahr 1987 25 N/m, im Jahr 1988 55 N/m. Im November 2005 betrug die Last laut BAM-Gutachten 51 N/m. Mit einer derartigen Belastung hätte RWE also jederzeit rechnen müssen. "Es stellt sich daher die Frage", so das Gutachten auf Seite 26, "ob die Wetterbedingungen Münsterland 2005 und die entstandenen Schäden tatsächlich als ein Jahrhundertereignis gewertet werden können…".
- Die Region Münsterland wurde von RWE in die Eislastzone eins eingeordnet. Die Norm EN 50341 ordnet dem Münsterland wegen früherer Schäden mindestens Eislastzone 2 zu, so der Bericht auf Seite 56. RWE hat hier offenbar eine andere Einordnung vorgenommen, als dies laut Gutachten nach der einschlägigen Norm zu geschehen hat.
Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur folgert auf der Pressekonferenz: "Die Bundesnetzagentur hält zum jetzigen Zeitpunkt auf Grund der Ergebnisse der Untersuchung verschiedener Institute eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit durch Thomasstahlmasten für möglich und eine Sanierung im Rahmen wirtschaftlich zumutbarer Programme für notwendig. Das Sanierungskonzept des RWE erscheint geeignet, sollte allerdings beschleunigt werden".
Ferner regt die Bundesnetzagentur an, dass sich die zuständigen Normungsgremien im DIN und VDE damit befassen, ob die Zuordnung zu Eislastzonen nur den Betreibern überlassen bleiben darf und ob es vertretbar ist, dass die Masten nur entsprechend der Norm ihres Baujahrs saniert werden müssen, also ein 1930 errichteter Mast entsprechend der Norm von 1930.
Der Bund der Energieverbraucher kommt zu einer gänzlich anderen Einschätzung:
Das Gutachten hat gravierende Schwächen der deutschen Freileitungen offenbart. Das deutsche Leitungsnetz muss umgehend auf einen den heutigen technischen Normen entsprechenden Stand gebracht werden. Angesichts von 18 Milliarden Euro, die Verbraucher jährlich für die Stromnetze zahlten, sei eine solche Sanierung auch gut mit der anstehenden deutlichen Senkung der Netzentgelte zu vereinbaren. Denn gegenwärtig würden laut VDEW-Statistik jährlich nur 2,8 Mrd. Euro in Leitungen und Verteilanlagen investiert.
Diese Sanierung müsste unter staatlicher Aufsicht erfolgen. Denn die Stromkonzerne sind, wie das Gutachten offenlegt, weder willens noch in der Lage, die Netze in einen den heutigen technischen Normen entsprechenden Stand zu versetzen.
"In der Pflicht sind die Aufsichtsbehörden der Länder, aber auch die Bundesnetzagentur", so der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters. Man dürfe nicht warten, bis die zuständigen Normungsgremien die Vorschriften verschärfen. Denn in diese Gremien werden dominiert von Experten der Stromwirtschaft.
Spröder Stahl an sanierten Strommasten ist offenbar doch mitverantwortlich für den tagelangen Stromausfall im Münsterland.
Strommasten waren doch spröde
(25. April 2006, aktualisiert 27. April 2006) Spröder Stahl an sanierten Strommasten ist offenbar doch mitverantwortlich für den tagelangen Stromausfall im Münsterland. Das geht laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung aus einer Untersuchung des Bundesamtes für Materialforschung (BAM) hervor. Das Amt hatte im Auftrag der Bundesnetzagentur untersucht, wie es zu dem Blackout im Münsterland kommen konnte.
Nach heftigen Schneefällen waren Ende November fünf RWE-Fernleitungen im Münsterland schwer beschädigt worden und Strommasten reihenweise eingeknickt. 250.000 Menschen waren ohne Strom, einige von ihnen bis zu 50 Stunden lang. Offenbar nicht alle Teile ausgetauscht Anders als von RWE bisher dargestellt, ist offenbar nicht allein die extreme Wetterlage Schuld für den Zusammenbruch, sondern unzureichend sanierte Strommasten.
"Das Primärversagen", heißt es in einem zusammenfassenden Bericht des BAM-Gutachtens, sei an einem "gemäß RWE-Sanierungskonzept sanierten Mast an einer versprödeten Diagonale aus Thomasstahl" aufgetreten. Bei der Sanierung hatte das Unternehmen offenbar nicht alle belasteten Thomasstahl-Teile ausgetauscht. Thomasstahl, der als besonders spröde gilt, wurde bis in die sechziger Jahre auch für Strommasten verwandt.
Hätte RWE bei der Sanierung alle tragenden Teile aus Thomasstahl ersetzt, "kann vermutet werden, dass der Mast das Wetterereignis ,Münsterland 2005" überlebt hätte", heißt es in dem Bericht. Das RWE-Sanierungskonzept müsse überprüft werden, fordern die Gutachter.
Anfang Juni soll sich die Wirtschaftsministerkonferenz mit dem Zustand der deutschen Strommasten befassen. Allein RWE hat seit 2002 rund 60 Prozent seiner 44 000 Strommasten saniert.
RWE hatte im Februar ein Gutachten des Essener Baustatikers Georg Thierauf vorgelegt. Nach Auffassung des Gutachters führten vor allem die Wetterbedingungen zum Zusammenbruch der Stromversorgung. Auch moderne Strommasten hätten einer solchen Belastung nicht standhalten können. RWE hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass alte Masten sukzessive modernisiert oder ausgetauscht würden.
Die Bundesnetzagentur will das Gutachten zunächst nicht veröffentlichen. Das von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung fertig gestellte Gutachten müsse zunächst "geprüft und bewertet" werden, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur am Montag. Die "Berliner Zeitung" hatte am Samstag berichtet, die Gutachter seien zu der Auffassung gekommen, dass der Stahl der Masten brüchig gewesen sei.
"Das Gutachten ist sehr umfangreich", sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur. Es müsse erst gelesen, bewertet und analysiert werden. Erst dann könnten Konsequenzen gezogen werden. Sie gehe davon aus, dass ein Bericht noch im Mai veröffentlicht werden kann.
Zuvor hatte bereits der Stromversorger RWE, Eigner der betroffenen Masten, ein vom Unternehmen selbst in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht. Die Autoren waren zu der Auffassung gekommen, dass die außergewöhnliche Schneelast in Verbindung mit ausgesprochen ungünstiger Temperatur zu dem Stromchaos geführt hat.
Die von den Stromausfällen im Münsterland betroffenenKommunen erhalten aus dem 5 Mio Euro starken Härtefallfondsder RWE insgesamt rund 2,2 Mio Euro
RWE-Fonds ausbezahlt
(29. März 2006) Die von den Stromausfällen im Münsterland betroffenen Kommunen erhalten aus dem 5 Mio Euro starken Härtefallfonds der RWE insgesamt rund 2,2 Mio Euro: der Kreis Borken 1,3 Mio Euro, der Kreis Steinfurt 900 000 Euro und der weniger stark betroffene Kreis Coesfeld 30 000 Euro. Darauf haben sich die drei Landräte und die RWE Westfalen-Weser-Ems AG geeinigt.
Die Kreise leiten das Geld an die Kommunen weiter. Bezahlt wird der Betrieb von Notstromaggregaten oder die Verpflegung von Mitarbeitern der Hilfsorganisationen. Die entstandene Kosten seien damit weitgehend gedeckt, so die Landräte. Die übrigen rund 2,8 Mio Euro aus dem Fonds gehen u.a. an direkt betroffene Bürger, Hilfsorganisationen oder Landwirte. Der Notfallfonds ist damit komplett ausgeschöpft. Wegen außergewöhnlich massiver Schneefälle waren im Münsterland Ende November 2005 82 Strommasten der RWE umgeknickt und bis zu 250 000 Menschen zum Teil mehrere Tage ohne Strom.
Der Bund der Energieverbraucher sieht die Zweifel an der Netzzuverlässigkeit, die durch RWE-interne Papiere bestärkt wurden, nicht ausgeräumt.
RWE bezahlt seinen Freispruch
(23. Februar 2006) Eine extreme Wetterlage mit außergewöhnlichen Schneebelastungen der Leitungen sei die Ursache für die mehrtägigen Stromausfälle Ende November 2005 im westlichen Münsterland gewesen, so ein von der RWE bestelltes Gutachten der Uni Duisburg-Essen, das das Unternehmen von jeglicher Mitverantwortung freispricht. Die für die Region völlig untypische Wetterlage habe außergewöhnliche Belastungen für die Stromleitungen verursacht und die festgelegten Grenzwerte bis ums 6,3- bis 14,4-fache überschritten.
Die statische Prüfung habe ergeben, dass alle in Mitleidenschaft gezogenen Masttypen unter normgemäßer Belastung standsicher seien. Materialversprödung oder Versäumnisse bei der Wartung seien auszuschließen, Ursache sei allein die außergewöhnliche Wetterlage gewesen, so das Gutachten. Die Sicherheit der Netze habe für RWE oberste Priorität, so die RWE Energy AG. Das Gutachten zeige aber, dass es keinen hundertprozentigen Schutz vor derartigen Wetterereignissen gebe. Man habe nicht fahrlässig gehandelt, so das Unternehmen, das damit erneut Schadenersatzforderungen zurückwies. Als Konsequenz will RWE den TÜV Rheinland und den TÜV Süd mit einem Netzaudit beauftragen.
Der Bund der Energieverbraucher sieht die Zweifel an der Netzzuverlässigkeit, die durch RWE-interne Papiere bestärkt wurden, nicht ausgeräumt. Es handele sich nicht um ein unabhängiges sondern um ein von RWE bezahltes Gutachten.
Stromchaos im Münsterland Ende November 2005
Der flächendeckende Stromausfall Ende November im Münsterland hat bei Privatleuten weitaus weniger Schäden hervorgerufen als zunächst angenommen.
Privat-Schäden ersetzt
(19. Januar 2006) Der flächendeckende Stromausfall Ende November im Münsterland hat bei Privatleuten weitaus weniger Schäden hervorgerufen als zunächst angenommen. Der vom Stromversorger RWE aufgelegte Härtefallfonds in Höhe von fünf Millionen Euro sei bei weitem nicht ausgeschöpft worden, teilte die Bezirksregierung Münster mit.
Den rund 2100 Antragstellern seien bisher 616 877 Euro ausgezahlt worden, sagte ein Sprecher der Behörde am Dienstag. Der Fonds werde jetzt auf Wunsch von RWE auch für Kommunen geöffnet.
Die meisten Anträge seien von Arbeitslosengeld-II-Empfängern oder von Familien gekommen, die gerade erst gebaut hatten, sagte Behördensprecher Stefan Bergmann. Meistens seien zwischen 50 und 500 Euro, in Einzelfällen auch mehrere tausend Euro ausgezahlt worden. Über die Auszahlung hatte eine Expertengruppe mit Vertretern der Bezirksregierung und von RWE entschieden.
Die Mitnahmementalität habe sich bei den Anträgen in Grenzen gehalten. Das Geld hätten die Antragsteller vor allem für kaputte Heizungsanlagen, die den Stromschwankungen nicht gewachsen waren, und für verdorbenes Gefriergut erhalten. Bei Landwirten hätten vor allem elektronisch gesteuerte Fütterungsanlagen repariert werden müssen.
Höhere Gewalt?
(16. Dezember 2005)
Aspekte zu den Fakten und den Stellungnahmen seitens der RWE
1) Im Vordergrund steht die Frage, ob es konstruktiv möglich ist, Starkstromleitungen so zu bauen, dass sie den Naturereignissen im Münsterland standgehalten hätten. Dies wird seitens der RWE nicht bestritten. Es wird in einem Interview mit einem Vorstandsmitglied nur gesagt, die Leitungen wären bei einer solchen Bauweise zu teuer.
2) Die RWE verweigern Regresszahlungen mit der Begründung, dass die Erscheinung im Münsterland höhere Gewalt sei. Hierzu zitiere ich mein Lexikon: "Höhere Gewalt, von außen her einwirkendes außergewöhnliches, nicht vorhersehbares, durch äußerste zumutbare Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis."
Wenn es also weltweit schon einmal eine solche Erscheinung bei Hochspannungsleitungen gegeben hat, woran nicht zu zweifeln sein dürfte, dann sind die Erscheinungen im Münsterland keine höhere Gewalt.
Die "äußerste zumutbare Sorgfalt" zur Abwendung der Katastrophe im Münsterland wurde nicht aufgewendet, weil gemäß Ziff. 1) Leitungen mit entsprechender Stabilität laut RWE zu teuer seien. Damit entfällt der Einwand der "höheren Gewalt" seitens der RWE und sie sind regresspflichtig.
3) Weitere Aspekte zum Thema: Es wäre auch interessant zu wissen, wie hoch die Mehrkosten für eine Hochspannungsleitung, die den Naturereignissen im Münsterland standgehalten hätte, gewesen wären. Diese eingesparten Mehrkosten mit Zinseszins auf den heutigen Stand hochgerechnet sollte man einmal den Schäden durch den Stromausfall im Münsterland gegenüberstellen. Dies wäre, unabhängig von der Haftungslage interessant, weil die RWE damals beim Bau der Leitungen die Einsparungen durch zu schwache Dimensionierungen der Leitungen kassiert haben, und jetzt für die Folgen dieser Fehlplanung nicht aufkommen wollen.
4) Als persönliche Bemerkung erlaube ich mir den Hinweis, dass ich während meines Berufslebens viel mit Energiefragen zu tun hatte. Ich war über 20 Jahre lang Mitglied des Energieausschusses des BDI. Für mich waren die RWE immer die "Nummer 1" auf dem Stromsektor. Das bisherige Verhalten bezüglich des Stromdebakels im Münsterland rückt die RWE bei mir im Ansehen nun auf den letzten Platz, insbesondere die mir zum Thema bekannt gewordenen Äußerungen von Spitzenmanagern.
Zusammenfassung:
Die RWE haben, um Kosten zu sparen, Überlandleitungen nicht so dimensioniert, dass sie extremen Klimasituaitonen standhalten. Die dadurch erzielten Einsparungen kamen den Anteilseignern zugute, das heißt sie wurden "privatisiert". Die durch zu schwache Dimensionierung der Leitungen entstandenen Schäden durch Stromausfälle sollen nach den RWE die Stromabnehmer tragen, das heißt sie sollen "sozialisiert" werden. Dies muten Vorstände mit Millionengehältern den Geschädigten zu.
Dipl.-Ing. Herbert Ruch
Am Thekbusch 61
42549 Velbert
10. 300 der derzeit genutzten Masten sind vor Beginn des Zweiten Weltkriegs errichtet worden
Ein Viertel aus der Vorkriegszeit
(15. Dezember 2005) Rund ein Viertel der 44 000 Strommasten des RWE-Hoch- und Höchstspannungsnetzes würden seit über 65 Jahren genutzt, bestätigte die RWE der "Berliner Zeitung". Konkret seien 10.300 der derzeit genutzten Masten vor Beginn des Zweiten Weltkriegs errichtet worden. Wie aus internen RWE-Unterlagen hervorgehe, plane RWE trotz der aktuellen Stromausfälle keinen Komplettaustausch dieses Bestandes, so die Zeitung.
Es würden nur Masten ausgetauscht, die extremen Zugbelastungen nicht mehr standhielten. Das seien jene, die vor 1930 errichtet wurden. Der Rest gelte als grundsätzlich sanierungsfähig. Die extrem lange Nutzung der Altmasten sei kein Spezifikum des Unternehmens, so die Zeitung, bei anderen Unternehmen gebe es ähnlich lange Nutzungszeiten. Vorkriegsmasten seien in ganz Europa in großer Zahl anzutreffen, im Hochspannungsnetz ebenso wie im Mittel- und Niederspannungsnetz.
Während RWE fürs Hochspannungsnetz 2003 ein 550 Mio Euro teures Sanierungsprogramm aufgelegt habe, habe das Unternehmen wie auch die anderen Stromkonzerne noch keinen Überblick darüber, wie viele Masten der Mittel- und Niederspannungsnetze wegen des erhöhten Bruchrisikos saniert oder erneuert werden müssen und wie teuer dies wird.
Dies geht aus verschienden Werkstoffanalysen hervor
RWE war schon 1994 über brüchige Masten informiert
(13. Dezember 2005) Der Stromkonzern RWE war laut einem Zeitungsbericht schon 1994 über eine erhöhte Bruchgefahr bei älteren Strommasten informiert. Das geht nach Informationen der "Berliner Zeitung" (Dienstag) aus Werkstoffanalysen hervor, die der Konzern nach Mastbrüchen Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre bei verschiedenen Instituten in Auftrag gegeben hatte. Zu den beauftragten Instituten habe 1994 das Staatliche Materialprüfungsamt in Dortmund gezählt.
Dieses Institut sei seinerzeit vor allem vom Land NRW finanziert worden, das mit dem Wirtschaftsministerium auch die Fachaufsicht gestellt habe. "Relevante Erkenntnisse der Materialprüfer wurden dem Ministerium gemeldet", schrieb die "Berliner Zeitung". RWE Energy in Dortmund war am Dienstag für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
RWE hatte dem Bericht zufolge dem Prüfungsamt Stahlproben von bayerischen Strommasten zur Begutachtung vorgelegt. Das Ergebnis der Prüfer sei eindeutig gewesen: Danach war der Zusammenbruch von 19 Strommasten der Hochspannungsstrecke Vöhringen/Füssen auf "verminderte Bruchkräfte des Maststahls" zurückzuführen. Offen sei, wann und in welchem Umfang die Materialprüfer das Ministerium unterrichtet hätten.
Für RWE habe das Gutachten andere Versuchsberichte bestätigt, welche auf "erhebliche Minderungen" der Belastungsfähigkeit von Stromleitungen hingewiesen hätten, die zwischen 1958 und 1963 errichtet worden seien. Schon diese Analysen hätten einen zu hohen Stickstoffanteil im verwendeten Stahl ergeben. Schon damals sei darauf hingewiesen worden, dass es sich um einen "systembedingten Werkstofffehler" handele, von dem potenziell mehr als 20 000 Masten betroffen seien.
RWE hatte bislang erklärt, erst seit dem Jahr 2000 über solche Erkenntnisse zu verfügen. Das NRW-Wirtschaftsministerium will erst nach dem Schneechaos Ende November von den Problemen mit dem umstrittenen Werkstoff Thomasstahl erfahren haben.
Die beiden RWE-Gesellschaften Westfalen-Weser-Ems und Rhein-Ruhr planen Aufschläge um bis zu 6%
RWE beschleunigt
(13. Dezember 2005) Die RWE AG, Essen, kommt ihren Kritikern entgegen. Wenn es Möglichkeiten gebe, die Sanierung maroder Masten zu beschleunigen, würden diese genutzt, auch wenn es zu Mehraufwand führe, so Berthold Bonekamp, Vorstandschef der RWE Energy AG, in einer Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses im NRW-Landtag. Bisher wurden in den vergangenen fünf Jahren 2419 Masten aus Thomasstahl saniert, weitere rund 10 400 Masten sollen bis 2015 ausgebessert werden. Nach Zeitungsberichten meinen RWE-Ingenieure, eine Beschleunigung sei allenfalls um ein bis zwei Jahre denkbar.
Zuvor hatte NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben moniert, der vorgesehene Sanierungsplan dauere zu lange, und der freiwillige Härtefallfonds von RWE mit 5 Mio Euro korrespondiere auffällig mit rechtlichen Regelungen für Stromkonzerne, falls tatsächlich grob fahrlässig verursachte Sach- und Vermögensschäden nachgewiesen und zivilrechtlich geltend gemacht würden. Demnach seien bei einer Versorgung von bis zu 200 000 Abnehmern 5 Mio Euro als maximale Haftungssumme vorgesehen.
Erstmals meldete sich auch RWE-Vorstandschef Harry Roels zu Wort: RWE hätte mit dem Thema "Maststahlversprödung" früher an die Öffentlichkeit gehen sollen, so der Roels im "Spiegel". Es sei frühzeitig ein Sanierungsprogramm aufgelegt worden, das nach seinem Amtsantritt 2003 beschleunigt worden sei. Selbst wenn der Etat dafür nun verdoppelt würde, seien die Arbeiten nicht schneller als geplant zu erledigen, so Roels. Es sei nicht redlich, die umgestürzten Strommasten allein auf die Sprödigkeit zurückzuführen. Das Phänomen sei auf ein Naturereignis zurückzuführen, das nur einmal in hundert Jahren vorkommt. RWE haben in den vergangenen Jahren konstant rund 2 Mrd Euro jährlich ins Netz investiert. Die Vorfälle hätten nichts mit dem Sparkurs bei RWE zu tun, RWE spare nicht auf Kosten der Sicherheit. Weil das Problem viele Stromunternehmen betrifft, will Roels gemeinsame Anstrengungen anregen. So sollen alle Unternehmen gemeinsam Notstromaggregate anschaffen und an zentralen Punkten lagern.
Wirtschaftsministerin Thoben hat nun erneut angekündigt, die beantragte Strompreiserhöhung von RWE zum 1. Januar genau zu prüfen. Die beiden RWE-Gesellschaften Westfalen-Weser-Ems und Rhein-Ruhr planen Aufschläge um bis zu 6% und liegen damit im oberen Drittel aller 106 in NRW beantragten Preiserhöhungen.
Die Ministerin will dies auf der nächsten Wirtschaftsministerkonferenz mit ihren Amtskollegen der anderen Bundesländer besprechen.
RWE soll schneller sanieren
(9. Dezember 2005) Nach dem Stromausfall im Münsterland fordert die NRW-Landesregierung eine schnellere Erneuerung maroder Masten. Der bis 2015 angelegte Sanierungsplan von RWE dauere eindeutig zu lang, so NRW-Wirtschafts- und Energieministerin Christa Thoben.
Wenn RWE intern 2000/2001 Sachverhalte zusammengetragen habe, dann hätte dies zeitnah im Ministerium verfügbar sein müssen. Die interne Dokumentation soll generell der Landesregierung bereitgestellt werden, bisher werde das erst bei einem konkreten Anlass verlangt.
Wenn sich Probleme ergeben, müsse man notfalls das EnWG ändern, so Thoben. Das sehe eine technische Aufsicht vor, die ausgebaut werden müsse vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen heute rein privatwirtschaftlich agierten.
Die Ministerin will dies auf der nächsten Wirtschaftsministerkonferenz mit ihren Amtskollegen der anderen Bundesländer besprechen. Die geltende Rechtskonstruktion stamme aus einer Zeit, als die Stromkonzerne noch in öffentlicher Hand gewesen seien.
Fragen an den RWE-Vorstand
(16. Dezember 2005)
Sehr geehrter Herr Bonekamp,
wir sind Ihnen dankbar, dass Sie nun endlich einige konkrete Fakten präsentiert haben.
Ihrem Geschäftsbericht 2004 entnehme ich, dass die Investitionen von RWE Energy im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent auf 947 Mio. Euro zurückgegangen sind. Das betriebliche Ergebnis ist in diesem Zeitraum mehr als sieben Prozent gewachsen. Die Imagekampagne "Imagine" hat sich RWE immerhin 100 Millionen Euro kosten lassen.
Die im Geschäftsbericht ausgewiesene Zahl von 0,947 Milliarden Euro für alle Investitionen von RWE Energy steht im Widerspruch zu Ihrer Äußerung, RWE lasse zwei Milliarden Euro in die Netze fliessen, bzw. habe diesen Betrag investiert. Laut VDEW hat die gesamte deutsche Stromwirtschaft im Jahr 2004 zwei Milliarden Euro in die Stromnetze investiert.
Vermutlich haben Sie den gesamten Aufwand für das Stromnetz beziffert, nicht nur die Investitionen.
Da die von den RWE-Stromkunden vereinnahmten Netznutzungsentgelte im Jahr 2004 schätzungsweise rund fünf Milliarden Euro betrugen, stellt sich die Frage nach dem Verbleib der restlichen nicht in die Netze geflossenen Netznutzungsentgelte.
Unbeantwortet bleibt in Ihren Unterlagen die Frage, warum die Leitungen nicht beheizt wurden, um dem vorsehbaren Wintereinbruch zu begegnen.
Unbeantwortet bleibt auch die Frage, warum manche Orte z.B. Ochtrup nur von einer Leitung versorgt werden.
Der Bund der Energieverbraucher möchte die Zwischenfälle von einer unabhängigen Institution untersucht sehen.
Sie haben stattdessen einen unabhängigen Gutachter beauftragt. Um von vornherein jeden Zweifel an der Unabhängigkeit des Gutachters auszuschließen möchte ich Sie um Darlegung bitten, in welcher Höhe dieser Gutachter oder dessen Firma/Institut in den vergangenen zehn Jahren von RWE oder einer RWE-Tochter Aufträge ausgeführt oder direkte/indirekte Zuwendungen erhalten hat.
Für eine schnelle Antwort bin ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Aribert Peters Vorsitzender
Antwort von RWE
Sehr geehrter Herr Peters,
für Ihre Nachricht per e-Mail vom 6. Dezember danke ich Ihnen.
Ich freue mich, dass wir auch Ihnen durch unsere Pressekonferenz am vergangenen Dienstag konkrete Fakten zu den Geschehnissen im Münsterland vermitteln konnten.
Irritiert hat mich aber, dass Ihre Pressemitteilung vom gleichen Tage leider dennoch eine Reihe sachlicher Fehler enthält. Wir haben gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass wir im eigenen Interesse eine transparente, objektive und sachorientierte Aufarbeitung der Geschehnisse im Münsterland wünschen. Damit haben wir die Bitte um Fairness verbunden und dies insbesondere darauf bezogen, vor Beurteilungen oder gar Verurteilungen die Ergebnisse interner und externer Überprüfungen abzuwarten. Diese Bitte möchte ich auch an Sie richten.
Es ist Ihr gutes Recht, zu anderen Bewertungen als unser Unternehmen zu gelangen, doch sollten diesen wie unseren Positionierungen immer belastbare Fakten zugrunde liegen. Dazu gibt es sicher Gesprächs- und Informationsbedarf.
Wir stehen Ihnen dazu in der Überzeugung, dass es zunächst einmal immer besser ist, miteinander als übereinander zu reden, gerne zur Verfügung. Dieses Angebot gilt auch in der Hoffung, dass so Missverständnisse ausgeräumt und zu einer Versachlichung der Debatte beigetragen werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Berthold Bonekamp
RWE Energy Aktiengesellschaft
Antwort vom Bund der Energieverbraucher
Sehr geehrter Herr Bonekamp,
zunächst bin ich erfreut darüber, dass von Ihrer Seite überhaupt eine Antwort auf meine Anfrage kommt. Dafür möchte ich Ihnen zunächst danken. Mein Dank bezieht sich auch auf Ihr Gesprächsangebot.
Die von mir konkret gestellten Fragen haben Sie allerdings leider nicht geantwortet. Das finde ich bedauerlich. Denn Sie sind, wie Sie schreiben, auch an einer sachlichen Auseinandersetzung interessiert.
Ich darf Ihnen versichern, dass unsere Argumente stets auf den uns bekannten Tatsachen basieren. Wo uns die Fakten nicht bekannt sind und uns trotz Anfrage auch nicht genannt werden, sind wir auf Vermutungen verwiesen.
Deshalb darf ich Sie im Interesse einer Versachlichung der Diskussion nochmals um eine Antwort auf die konkret und klar gestellten Fragen bitten.
Dies umso mehr, als prall gefüllte Terminkalender und die bevorstehenden Festtage ein kurzfristiges Treffen schwierig erscheinen lassen.
Ich möchte Ihr Gesprächsangebot aufnehmend Ihnen ein Treffen in der zweiten Januarwoche in Köln vorschlagen, z.B. Dienstag den 10.1.2006.
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen auch für die kommenden Festtage.
Aribert Peters
Nach Gerichtsangaben wurde Prof. Rolf Kindmann vom Lehrstuhl für Stahl- und Verbundforschung an der Ruhruniversität Bochum beauftragt.
Gericht beauftragt Gutachter mit Prüfung
(4. Dezember 2005) Nach Schneechaos und Stromausfällen im Münsterland hat das Amtsgericht Steinfurt ein Gutachten über die Stabilität der Strommasten in Auftrag gegeben. Das meldet die Nachrichtenagentur dpa. Zuvor habe ein Landwirt aus Ochtrup ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den Energieversorger RWE AG beantragt, teilte das Landgericht Münster am Montag mit. Damit könne eine Partei auch schon vor Klageerhebung die Sicherung von Beweisen beantragen, wenn zu befürchten sei, dass die Beweise sonst verloren gehen.
Das Landgericht erklärte, durch das Gutachten eines Sachverständigen solle geklärt werden, ob die umgestürzten Masten der RWE-Stromleitung zwischen Gronau und Metelen den Stabilitätsanforderungen entsprachen oder ob Materialermüdungen vorlagen. Der Landwirt habe seinen Schaden durch Stromausfälle mit 2000 Euro beziffert.
Nach Gerichtsangaben wurde Prof. Rolf Kindmann vom Lehrstuhl für Stahl- und Verbundforschung an der Ruhruniversität Bochum beauftragt. Im Münsterland waren etwa 50 Strommasten unter der Schneelast umgeknickt. Bis zu 250 000 Menschen waren tagelang ohne Strom und Heizung. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» soll der Konzern RWE seit Jahren über Sicherheitsmängel im Hochspannungsnetz informiert gewesen sein.
Schreiben Sie eine Protestmail an den RWE-Vorstand und an die Bundeskanzlerin
Schreiben Sie eine Protestmail an den RWE-Vorstand und an die Bundeskanzlerin
Kommentare zur Protestaktion
(04. Dezember 2005)
Es kann doch wohl nicht sein, die RWE steckt sich viel Geld in die Tasche und meine Familie muss Lebensmittel für 200,00 € wegwerfen, nur weil die RWE Ihre Anlagen nicht in Ordnung hat. Bin stinkesauer !!! Alfons Trostheide, Steinfurt
Ich bin sprachlos das die RWE von dem Schlechten Netzzustand gewusst hat , und aus Profitgier nicht gehandelt hat. Dieter Wehrmann, Steinfurt
Liefervertrag muß erfüllt werden, RWE hat sämtliche Kosten zu tragen. Klaus Hartmann, Siegen
Durch die Stromausfälle konnte eine Pumpe das Drainagewasser nicht abpumpen. Schaden an meinem Eigentum. Reinhard Niehues, Steinfurt
Bin sehr Sauer, vier Tage/Nächte ohne Strom/Heizung. Habe meine Familie in den Niederlanden gebracht. Hatte viele extra Kosten, Fahren, Truhe aufgetaut, Kerzen, Batterien usw. Habe kein Vertrauen in RWE. H. vom Bruch, Ochtrup
Es stünde RWE gut an, sich sofort bei den Betroffenen zu entschuldigen und umgehend die Schadens-Regulierung aufzunehmen !! Klaus Schulz, Otzberg
und 60 Prozent aller Hochspannungsmasten im RWE-Versorgungsgebiet einen schwerwiegenden Materialfehler aufweisen und möglicherweise akut einsturzgefährdet sind
Spiegel berichtet über gravierende Mängel an RWE-Strommasten
(4. Dezember 2005) Der Spiegel berichtet über gravierende Sicherheitsproblem im RWE-Hochspannungsnetz. Nach internen Studien waren bis zu 60 Prozent der Masten von einem Materialfehler betroffen. Selbst heute könnten noch etliche knicken. Der Spiegel schreibt:
....
Aus den brisanten Papieren ergibt sich, dass
- rund 60 Prozent aller Hochspannungsmasten im RWE-Versorgungsgebiet einen schwerwiegenden Materialfehler aufweisen und möglicherweise akut einsturzgefährdet sind;
- viele Masten nicht einmal mehr 40 Prozent der normalen Zuglast standhalten, wobei die gesetzlich vorgeschriebene Norm deutlich unterschritten wird;
- der erste Mann im Unternehmen seit Ende 2003 über die Zustände informiert ist: Konzernchef Harry Roels.
Die RWE-Manager beschreiben in ihren Notizen auch ein "Worst-Case-Szenario", den aus ihrer Sicht schlimmsten Verlauf eines Unfalls mit den gewaltigen Stahlständern. Dagegen nehmen sich die Vorfälle im Münsterland wie kleine Haushaltsunfälle aus. Bei extremen Wetterlagen könnte es aufgrund der vorhandenen Materialfehler zu "flächenhaften Mastumbrüchen" kommen, heißt es RWE-intern. Allein die Wiederherstellung des Netzes würde "rund 350 Millionen Euro" kosten. Auch "strafrechtliche Haftungsrisiken durch Personenschäden" kalkulierten die Manager in ihrer Analyse ein.
Konkret bedeutet das: Menschen könnten durch umfallende Masten und Hochspannungsleitungen verletzt oder sogar getötet werden.
...
Verwendet wurde dabei bis zum Jahr 1965 der sogenannte Thomasstahl. Der Baustoff entsprach dem Stand der damaligen Technik. Heute jedoch entpuppt er sich als unkalkulierbares Risiko. Denn Thomasstahl hat einen recht hohen Stickstoffgehalt - und das hat gravierende Langzeitfolgen.
Im Laufe der Jahrzehnte würden die Masten spröde, warnten RWE-Sicherheitsingenieure in Notizen an den RWE-Vorstand bereits in den Jahren 2000 und 2001. Die Folge: Statt sich bei Belastung "plastisch zu verformen", fallen die brüchigen Kolosse einfach in sich zusammen - nicht nur unter Extrembelastungen.
In Vorstandsberichten heißt es: "Versuche mit eigenem Mastmaterial" hätten gezeigt, dass "versprödete Bauteile schon bei 40 Prozent ihrer theoretischen Bruchfestigkeit brechen und somit die Sicherheitsreserve weit unterschritten" würde. Damit werde gegen die einschlägige Bestimmung des Energiewirtschaftsgesetzes verstoßen, urteilten die RWE-Techniker.
...
Bis Ende 2003 ändert sich am gefährlich schlechten Zustand des Netzes nichts Grundlegendes. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erreichen die Warnungen der Techniker auch den Holdingvorstand des Konzerns und dessen Chef Roels. In einer 25-seitigen Präsentation erläutern die Ingenieure dem Niederländer das Problem. Zu diesem Zeitpunkt sind die Techniker der Netzsparte bereits aufs Höchste alarmiert. Denn erstmals sind in der Presse Hinweise auf mögliche Materialfehler bei Hochspannungsmasten aufgetaucht.
...
Die geheime Planung ist umso erstaunlicher, weil eine solche Summe für den RWE-Konzern finanziell keine allzu gewaltige Herausforderung dargestellt hätte. Seit Jahren fährt der Konzern durch ständig steigende Strompreise immer neue Rekordgewinne ein. Allein 2004 strich das Essener Unternehmen einen Gewinn vor Steuern von rund 3,7 Milliarden Euro ein.
...
Konkret bedeutet das: Seit den ersten Hinweisen auf eine mögliche Gefahr im Jahr 2000 hat RWE es bis heute nicht einmal geschafft, wenigstens jene Masten komplett zu sanieren, die das höchste Gefährdungspotential aufweisen. Bis alle potentiell brüchigen Stahlriesen ausgewechselt sind, werden selbst nach heutiger Planung noch zehn Jahre vergehen.
...
Andererseits: Nur ein Jahr nachdem Roels die dringenden Warnungen seiner Ingenieure auf den Tisch bekam, stutzte der RWE-Chef die Investitionen in seiner Netzsparte radikal zusammen. Statt wie im Jahr 2003 rund 1,65 Milliarden Euro investierte der Essener Energie-Gigant im Jahr 2004 nur noch eine Milliarde Euro in die wichtige Tochter. Das sind gut 38 Prozent weniger als im Vorjahr.
RWE hat in einer Pressemitteilung Stellung bezogen zur Kritik. Manwehrt sich entschieden gegen falsche Behauptungen undVorverurteilungen.
RWE nimmt Stellung zur Kritik - Fragen bleiben offen
(3. Dezember 2005) Die Normlast sei durch Schnee, Eis und Sturm um mindestens das 15fache überschritten worden. Offen bleibt die Frage, warum die Masten in dem wenige Kilometer entfernten Niederlande standhielten. In Bayern sind die Freileitungen dem Vernehmen nach bis zur 25fachen Last abgesichert.
Die RWE-Netze seien entsprechend den technischen und behördlichen Normen gewartet und kontrolliert worden.
RWE hätte jährlich rund zwei Milliarden Euro in die Netze investiert. Diese Behauptung wirft die Frage auf, warum die gesamte deutsche Stromwirtschaft laut Angaben des Dachverbandes VDEW in den vergangenen Jahren rund zwei Milliarden Euro in die Netze investiert.
Eine möglicherweise mangelhafte Stahlqualität der Strommasten wird von RWE nicht bestritten. Man sei dabei, die betroffenen 2.900 Masten bis zum Jahr 2015 zu erneuern und habe bereits 70 Prozent ersetzt.
Zu den Fragen bezüglich der Netzkonfiguration (n-1-Prinzip) und der möglicherweise unterlassenen Abtauung äußert sich RWE in der Stellungnahme bedauerlicherweise nicht.
Die Stiftung Warentest hat zusammengestellt, wie die Schäden durch Stromausfall versichert sind:
Versichert bei Schäden durch Stromausfall?
(03. Dezember 2005) Die Stiftung Warentest hat zusammengestellt, wie die Schäden durch Stromausfall versichert sind: Die herkömmliche Hausratsversicherungen zahlen in der Regel nur für Schäden aus Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser sowie Sturm und Hagel. Trotzdem gibt es für einige Versicherte die Chance, wenigstens etwas Geld ersetzt zu bekommen:
- Gefriergutklausel. Einige Hausratversicherungen enthalten eine so genannte Gefriergutklausel und zahlen für verdorbenes Gefriergut infolge eines Stromausfalls. Solche Klauseln finden sich meist nur in neueren Verträgen, die eine erweiterte Deckung bieten, oder in den neuen Bundesländern in alten Verträgen aus Zeiten der DDR.
- Elementarschadenversicherung. Diese Versicherungen kommen nur für Schäden auf, die direkt von Naturgewalten angerichtet wurden. Da das Eis auf die Hochleitungen und nicht auf einzelne Häuser gedrückt hat, haben Hausbesitzer keinen Schadenersatzanspruch aus dem Stromausfall. Die Elementarschadenversicherung springt dagegen dann ein, wenn die Schneemassen direkt auf das Haus gedrückt und das Dach oder den Wintergarten zum Einsturz gebracht haben.
- Wohngebäudeversicherung. Für Schäden am Haus zahlt die Wohngebäudeversicherung - allerdings nur bei Feuer-, Sturm- und Leitungswasserschäden. Die Versicherungen zahlen nur für Schäden, die der Schneesturm direkt am Haus verursacht hat. Zudem muss der Sturm mindestens die Windstärke 8 haben. Dies war nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes am Freitag zumindest im Raum Osnabrück der Fall.
- Elektronikversicherung. Mit dieser Versicherung sind elektronische Anlagen wie beispielsweise Telefonanlagen oder auch elektronische Fütterungsanlagen abgesichert. Wenn es durch einen Stromausfall oder eine Stromschwankung zu einem Sachschaden am versicherten Gerät kommt, ist dieser Schaden hiermit abgedeckt.
- Private Unfallversicherung. Wer in seinem dunklen Haus stürzt, sich verletzt und bleibende Gesundheitsschäden davonträgt, erhält Unterstützung von der privaten Unfallversicherung oder der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die gesetzliche Unfallversicherung kommt in der Regel nur für die Folgen von Arbeitsunfällen auf.
Stromausfall nicht Folge sondern Ursache der Katastrophe
Wer zahlt die Schäden?
(30. November 2005) Die 250.000 vom Stromausfall am 26. November 2005 Betroffenen haben sehr viel durchgemacht und gelitten. Etwa 120.000 Personen waren zwei Tage ohne Strom, 50.000 mussten sogar drei Tage und länger auf den Strom warten.
Der Bund der Energieverbraucher ist der Ansicht, dass der Stromversorger RWE für alle Schäden aufzukommen hat. Denn Schneefall im November ist keine Naturkatastrophe: Kein Haus wurde beschädigt, keine Fluss trat über die Ufer. Die einzige Katastrophe war der Stromausfall. Und für die Stromlieferung ist RWE verantwortlich.
Die Firma hat an der Stromlieferung über Jahre äußerst gut verdient. Die von der Stromunterbrechung betroffenen 250.000 Privathaushalte zahlen an RWE jährlich rund 80 Millionen Euro allein für die Netznutzung. Das sind nach Berechnungen des Bundes der Energieverbraucher etwa 30 Millionen Euro mehr als gerechtfertigt ist.
Allein 2004 machte RWE einen Reingewinn von 5,7 Milliarden Euro Gewinn, das bedeutet mehr Einnahmen als Ausgaben. Wenn die Einnahmen aufgrund zu hoher Preise überhöht und die Ausgaben z.B. aufgrund unterlassener Wartungsmaßnahmen zu gering waren, dann hat RWE ungerechtfertigt hohe Gewinne gemacht.
Der Bund der Energieverbraucher unterstützt die Geschädigten bei der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche.
- Er hat ein Internetforum für den Austausch der Betroffenen eingerichtet.
- Er stellt den Kontakt zu einem Anwalt her, der die Interessen der Betroffenen vertritt.
- Er wird auf dieser Seite (1660) laufend über die Entwicklung berichten.
- Und er führt eine bundesweite Unterschriftensammlung im Internet durch.
Eine Karte mit der ausgefallenen Leitung : Download Karte Stromleitungen Münsterland.
Ansatzpunkte für Schadensersatzforderung:
- Es ist zu klären, ob das RWE den Stromausfall durch grobe Fahrlässigkeit mitverursacht hat. Dann ist RWE auch nach derzeitiger Rechtslage (AVBElt) für die Schäden bis zu einer Höchstsumme haftbar. Für ein Verschulden von RWE gibt es zahlreiche Anhaltspunkte:
- Die Ausgaben für die Wartung wurden über Jahre stets reduziert,
- Unabhängige Untersuchungen haben auf die mangelnde Sicherheit hingewiesen
Download Mittelspannungsfreileitungen auf dem Prüfstand , - Die Strommasten waren möglicherweise schon vor dem Schaden verrostet,
- Der besonders betroffene Ort Ochtrup wurde nur von einer Leitung versorgt, was nach gängigen technischen Regeln ( n-1-Regel ) nicht ausreichend ist. Denn auch nach Ausfall eines Betriebsmittels (Stromleitung, Trafo) muss die Versorgung gesichert sein.
- Die Auslegung der Strommasten war möglicherweise zu schwach,
- Die Beheizung der Stromleitungen wurde obwohl üblich und möglich und trotz vorhergesagten Schneestürmen möglicherweise nicht genutzt.
- RWE ist nach dem Produkthaftungsgesetz zum Schadensersatz verpflichtet, zumindest gegenüber Privatpersonen und einer Selbstbeteiligung von 500 Euro.
- RWE ist moralisch zum Schadensersatz verpflichtet. Denn wer Milliarden am Stromverkauf verdient, kann nicht im Schadensfall die Betroffenen auf den Schäden sitzen lassen. Der wesentlich kleinere Stromversorger Badenova ist z.B. für Schäden einer Stromunterbrechung freiwillig aufgekommen. Dessen Vorstandsgehalt ist allerdings auch nicht an den Börsenkurs geknüpft. Auch in den Niederlanden werden die vom Stromausfall Betroffenen entschädigt. RWE mutet nun den Betroffenen im Münsterland zu, ihre Schäden selbst zu tragen, obwohl diese Menschen nichts für den Stromausfall können und durch die tagelangen Stromunterbrechungen genug zu leiden hatten. Es wird sich zeigen, ob für die RWE-Manager nur Geld allein zählt und jeder menschliche Wert verlorengegangen ist.
Weiterhin ist aus den Vorfällen zu folgern, dass
- die Stromversorger mit ihrem Gewinn für Schäden haften müssen,
- dezentrale Stromerzeugung verstärkt werden muss, um die Sicherheit zu erhöhen
- Notfallpläne für Stromausfall vorhanden sein müssen und zu überprüfen sind,
- unabhängige Prüfung der Versorgungssicherheit vorzuschreiben ist, wie beim Auto-TüV
- Verkabelung gegenüber Freileitungen vorzuziehen ist.
Anmerkung: Zwar existiert das Phänomen des "Eisregens", bei dem unterkühlte flüssige Niederschläge beim Auftreffen sofort gefrieren und eine Eisschicht bilden. Allerdings war die entsprechende Wetterlage bekannt und die Möglichkeit des Eisregens vorhersehbar. Daher wäre es möglich gewesen, die Leitervereisung zu verhindern, indem rechtzeitig durch ausreichend hohe Verlustleistungen die Leitertemperatur soweit erhöht worden wäre, daß der auftreffende Eisregen nicht anfriert, sondern abtropft bzw. abfällt. Dafür sollten Oberflächentemperaturen von nur 10 °C mehr als ausreichend sein.
Diese Beheizung kann auch in Schwachlastzeiten erreicht werden, indem durch geeignete Wahl der Trafo-Schaltstufen in den Leitungen "Kreisströme" provoziert werden. Normalerweise passiert genau das umgekehrte, daß man nämlich aus Gründen der Kostenersparnis alle Kabel auf einer Leitung parallel schaltet und dadurch Stromstärken und Verluste auf eine Minimum reduziert. Umgekehrt kann man den ganzen Strom durch ein Kabel auf der Freileitung schicken. Dadurch steigt die Stromstärke an und damit auch die Verluste und das Kabel erwärmt sich.
Dr. Rhiel bat u. a. um die Beantwortung folgender Fragen binnen einer Woche:
Hessens prüft seine Netze
(30. November 2005) Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel hat heute die hessischen Stromnetzbetreiber von der Spannungsstufe 20.000 Volt aufwärts um Auskunft über den Sicherheitsstand ihrer Stromnetze und über die Notfallpläne bei extremen Wetterlagen wie jüngst in Nordrhein-Westfalen gebeten. Die Netzbetreiber haben gemäß § 49 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine Auskunftspflicht gegenüber der zuständigen Energieaufsicht, die in Hessen im Wirtschaftsministerium angesiedelt ist. Dr. Rhiel bat u. a. um die Beantwortung folgender Fragen binnen einer Woche:
- Wie steht es um die Ausfallsicherheit des Stromnetzes im Spannungsbereich 20 kV bis 380 kV bei extremen Wetterlagen und welches 'Frühwarnsystem' existiert in Zusammenarbeit mit dem Wetterdienst? Dazu werden Informationen erbeten zum Vermaschungsgrad des Netzes, zur Versorgung von Regionen durch Stichleitungen, zur Tauglichkeit von Teilbereichen des Netzes zum Inselbetrieb und zur Auslegung von Strommasten nach DIN-Norm.
- Wie sind die Anteile von oberirdischen Freileitungen und von Erdkabeln jeweils in den Spannungsbereichen bis 20 kV, 20 bis 110 kV sowie über 110 kV?
- Welche Konzepte bestehen, um lokale oder regionale Unterbrechungen der Stromversorgung in den Spannungsstufen bis 20 kV, 20 bis 110 kV sowie über 110 kV zügig zu beseitigen? Es geht hierbei um die Frage nach Notfallplänen und die Zusammenarbeit mit dem örtlichen und regionalen Katastrophenschutz.
Zwar sind in Hessen derart großräumige und lang andauernde Netzausfälle wie im Münsterland deutlich unwahrscheinlicher. Allerdings muss die Energiewirtschaft alles tun, um Versorgungsausfälle technisch und organisatorisch so weit wie möglich ausschließen zu können.
So machen es die Schweden:
(29. November 2005)
www.vattenfall.se/sv/foretag-ersattning-vid-stromavbrott.htm (Ersättning vid strömavbrott)
Sie geben eine Garantie, wenn der Strom länger als 24 Stunden wegbleibt, wird automatisch ersetzt:
- för avbrott från 24 till 48 timmar 1000 kr
- för avbrott från 49 till 72 timmar 3000 kr
- för avbrott från 73 till 96 timmar 6000 kr
- för avbrott från 97 till 120 timmar 10000 kr
- för avbrott från 121 till 144 timmar 15000 kr och så vidare.
24 bis 48 Stunden 1000 Kronen etwa 110 Euro bis 72 Stunden 3000 Kronen und so weiter (Übersetzung von "och så vidare") und das bei einer Jahresgrundgebühr von ca. 1900 Kronen.
Nach dem Sturm in Südschweden im Januar 2005 wurden Techniker aus ganz Schweden, Dänemark und Deutschland geholt. Drei Techniker sind bei den Arbeiten ums Leben gekommen!! Wieso holt die RWE nur eigen Leute? Können die anderen es nicht auch? Was ist mit Technikern aus den Niederlanden?? Wo ist Europa?
Mit freundlichen Grüßen aus dem Dalsland
Reinhold Mollwitz z.Z. Färgelanda, Schweden
Energieverbraucher fordern von Merkel Haftung der Stromversorger
(28. November 2005) Der Bund der Energieverbraucher hat Bundeskanzlerin Angela Merkel heute aufgefordert, die Stromversorger künftig für Stromausfälle haftbar zu machen.
Die derzeitige Haftungsfreistellung sei nicht nur ungerecht gegenüber den betroffenen Verbrauchern (RWE-Jahresgewinn: 5,7 Milliarden Euro), sondern zeitige auch nachteilige Folgen für die Versorgungssicherheit. Denn es gebe keinen finanziellen Anreiz für Investitionen in die Stromnetze. Deshalb kassierten die Stromversorger für die Netze und verbuchten dies als Gewinn. Der Verein fordert eine unabhängige Untersuchung der Stromausfälle.
Zu fragen sei:
- Warum gab es keine zweite Freileitung, wie sie nach dem "n-1-Prinzip" notwendig ist?
- Warum hielten die Strommasten im nahegelegenen Holland, während sie in Deutschland abknickten?
- Warum hat man die Leitungen nicht durch höhere Stromflüsse aufgeheizt?
- Waren die Strommasten stabil genug? Wer hat sie geprüft mit welchem Ergebnis?
- Warum fordert RWE für die Schadensbehebung keine Hilfe von anderen Unternehmen oder aus dem Ausland (Niederlande) an?
Die Verbraucher zahlten etwa jährlich 18 Milliarden Euro für die Netznutzung. Die Stromwirtschaft hat aber nur zwei Milliarden Euro (2004) in die Netze investiert. Der Gewinn von RWE lag im Jahr 2004 bei 5,7 Milliarden Euro, der von E.ON bei 4,3 Milliarden Euro.
Der von den Verbrauchern bezahlte Gewinn der beiden Riesen ist demnach fünfmal höher als der Betrag, der insgesamt in Deutschland in die Netze investiert wird.
Als zynisch hat es der Verein bezeichnet, dass RWE noch vor einer genauen Untersuchung alle Schuld von sich weist und die Betroffenen auch mit den Folgeschäden allein lassen will. Der Bund der Energieverbraucher hat RWE nochmals aufgefordert, für die Schäden des Stromausfalls materiell einzustehen.
Der Stromausfall sei nicht durch Schneefall im November oder höhere Gewalt verursacht worden, sondern Folge einer ausschließlich auf Gewinn gerichteten Geschäftspolitik von RWE.
Schreiben an Angela Merkel:
Betr: Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland
Rheinbreitbach, den 29. November 2005
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
erlauben Sie mir, Ihnen meine Glückwünsche zu Ihrem neuen Amt auszusprechen. Für die Energieverbraucher ist es sehr gut, dass in Deutschland jemand regiert, der den Unterschied zwischen einem Kilowatt und einer Kilowattstunde kennt. Sie hatten noch in Ihrer Zeit als Bundesumweltministerin den Bund der Energieverbraucher für sein Phönix-Solarprojekt als Preisträger für den Cusanus-Preis der Koblenzer Bürgerschaft vorgeschlagen. Die Laudatio hatte damals Rainer Brüderle gehalten.
Es geht mir heute um die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland. Die Stromausfälle im Münsterland haben deutlich gemacht, dass die Stromleitungsnetze in Deutschland in sehr schlechtem Zustand sind.
Vor der Liberalisierung haben die Verbraucher alle Investitionen in Leitungsnetze über den Strompreis bezahlt. Die Versorger haben damals sehr viel investiert. Man sprach von "vergoldeten" Netzen.
Nach der Liberalisierung konnten die Netzentgelte unabhängig von den getätigten Investitionen angehoben werden. Die Netzentgelte haben sich seitdem Verdreifacht, die Investitionen dagegen halbierten sich.
Deshalb zahlen die Verbraucher jährlich 18 Milliarden Euro für die Netznutzung. Die Stromwirtschaft hat aber nur zwei Milliarden Euro (2004) in die Netze investiert. Der Gewinn von RWE lag im Jahr 2004 bei 5,7 Milliarden Euro, der von E.ON bei 4,3 Milliarden Euro.
Der von den Verbrauchern bezahlte Gewinn der beiden Riesen ist derzeit fünfmal höher als der Betrag, der insgesamt in Deutschland in die Netze investiert wird. Die Stromversorger kassieren derzeit für die Netze und verbuchen dies als Gewinn, anstatt in die Netze zu investieren. Deshalb vergammeln die früher so guten deutschen Stromnetze. Man umschreibt das vornehm als "ereignisorientierte" Wartung, weil für eine präventive Wartung das Geld fehlt.
Die Stromausfälle im Münsterland werfen viele Fragen auf:
- Warum gab es keine zweite Freileitung, wie sie nach dem "n-1-Prinzip" notwendig ist?
- Warum hielten die Strommasten im nahegelegenen Holland, während sie in Deutschland abknickten?
- Warum hat man die Leitungen nicht durch höhere Stromflüsse aufgeheizt?
- Waren die Strommasten stabil genug? Wer hat sie geprüft mit welchem Ergebnis?
- Warum fordert RWE für die Schadensbehebung keine Hilfe von anderen Unternehmen oder aus dem Ausland (Niederlande) an?
Der Stromausfall ist nicht durch Schneefall im November oder höhere Gewalt verursacht worden, sondern Folge einer ausschließlich auf Gewinn gerichteten Geschäftspolitik von RWE. Es mutet zynisch an, dass RWE noch vor einer genauen Untersuchung alle Schuld von sich weist und die Betroffenen auch mit den Folgeschäden allein lassen will. Der Bund der Energieverbraucher hat RWE aufgefordert, für die Schäden des Stromausfalls materiell einzustehen.
Derzeit haften die Versorgungsunternehmen nicht für Stromausfälle. Daher fehlt der finanzielle Anreiz für höhere Investitionen in Versorgungsnetze. Erst wenn die Folgen maroder Netze die Gewinne schmälern, wird wieder mehr in die Netze investiert werden.
Die derzeitige Haftungsfreistellung basiert auf einer Verordnung (AVBEltV), die derzeit novelliert wird. Bedauerlicher weise will das Bundeswirtschaftsministerium auch künftig an der Haftungsfreistellung festhalten (Az: BMWA IX B 1).
Die aktuellen Ereignisse zeigen, dass dies nicht nur ungerecht gegenüber den von Schäden betroffenen Verbrauchern ist, sondern auch gravierende nachteilige Folgen für die Versorgungssicherheit hat.
Ich möchte Sie bitten, einer Haftungsfreistellung Ihre Zustimmung zu versagen.
Ich möchte Sie ferner bitten, für eine unabhängige sachverständige Untersuchung dieser Stromausfälle zu sorgen.
Mit freundlichem Gruss
Dr. Aribert Peters
Vorsitzender
Antwort aus dem Bundeskanzleramt
Referat 422 Energiepolitik, Nationale und Internationale Finanzmarktpolitik
Berlin, den 14. Dezember 2005
Sehr geehrter Herr Peters,
die Bundeskanzlerin dankt Ihnen sehr für Ihre Glückwünsche zum Amtsantritt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sie Ihnen angesichts der Vielzahl von Briefen, die sie erreichen, nicht persönlich antworten kann. Sie hat mich gebeten, auf Ihr Anliegen einzugehen.
Die Sicherheit der Stromversorgung ist ein zentrales Thema der Energiepolitik der Bundesregierung. Die Umstände, die zu den Stromausfällen im Münsterland geführt haben, müssen umfassend geklärt werden.
Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur haben im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Versorgungssicherheit und die Systemstabilität der Stromversorgung entsprechende Berichte von dem betroffenen Netzbetreiber eingefordert. Diese Berichte liegen bisher allerdings noch nicht vor. Deshalb sind zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließenden Aussagen dazu möglich, ob dieses Schadensereignis behördliche Maßnahmen seitens der Bundesnetzagentur auslösen wird oder ob Handlungsbedarf für den Gesetzgeber besteht. Dies gilt auch für die Frage einer eventuellen Änderung des Haftungsrechts.
Ob zivilrechtliche Schadensersatzansprüche Betroffener bestehen, kann das Bundeskanzleramt nicht beurteilen. Letztlich obliegt die Entscheidung hierüber den Gerichten.
Die von Ihnen angesprochenen Novellierungsentwürfe zu der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie enthalten im Interesse der Verbraucher bereits eine Änderung bestehender Haftungsregelungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat die Entwürfe kürzlich den betroffenen Verbänden, unter anderem dem Bund der Energieverbraucher, zugesandt, um allen Interessengruppen die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ich möchte Sie bitten, diese Gelegenheit zu nutzen, um Ihre Argumente in die Diskussion einzubringen. Seien Sie versichert, dass alle eingehenden Stellungnahmen intensiv geprüft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Stephanie v. Ahlefeldt
Bereits im Jahr 2003 hat der Spiegel auf Probleme bei Strommasten hingewiesen.
Spiegel kritisiert morsche Strommasten
(29. November 2005) Bereits im Jahr 2003 hat der Spiegel auf Probleme bei Strommasten hingewiesen. In der Ausgabe 41/2003 stand zu lesen (Auszug):
Alarm bei deutschen Energieversorgern: Tausende Hochspannungsmasten sind aus schlechtem Stahl gebaut - und inzwischen einsturzgefährdet.
Das Sturmtief "Anna" zerstörte Strommasten und kappte die Versorgungsleitungen. 62 000 Menschen saßen vorübergehend im Dunkeln.
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Die hoch komplexe Energieversorgung ist in Deutschland ausgerechnet dort am anfälligsten, wo die Technik besonders simpel ist - bei den Hochspannungsmasten. Die teilweise über 200 Meter hohen Ungetüme bestehen aus einfachen Stahlprofilen, rund 100 000 Masten recken sich zwischen Flensburg und Berchtesgaden in den Himmel. Knapp die Hälfte davon stammt aus den siebziger Jahren.
Und ein erheblicher Teil dieser alten Masten dürfte marode sein. Zu diesem Ergebnis kommt ein internes Gutachten der Energieversorger, angefertigt von dem Materialprüfungsunternehmen SAG Energieversorgungslösungen in Frankfurt am Main. Das Problem, so die Experten, sei schlechter Stahl, wie er vor allem früher verbaut wurde.
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So löste der Super-Sturm "Lothar" schon Ende 1999 beim baden-württembergischen Versorger EnBW Großalarm aus. Hundertschaften mussten ausrücken, um die schlimmsten Schäden an Masten und Leitungen zu beheben. Auch 60 Meter hohe Kolosse waren in den Sturmböen weggeknickt.
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In seltener Offenheit macht der interne Vermerk auch klar, wie labil einige der Stahlkolosse schon sind. In der Nähe vieler durch schwächere Stürme geknickter Bauwerke hätten Bäume und Hausdächer die Böen problemlos überstanden.
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Ergebnis: Weil der Stahl durch Stickstoff-Versprödung rissig geworden sei, könne "die Standsicherheit" nur noch durch "sofortige Reduzierung der Traglast" garantiert werden. Binnen eines Jahres war die gesamte zehn Kilometer lange Trasse stillgelegt.
SEBASTIAN KNAUER, ANDREAS WASSERMANN
RWE muss für Schäden haften
Verordnungsgeber kritisiert
(27. November 2005) "Wer das Geschäft macht, darf sich bei der Haftung nicht drücken" kritisierte der Bund der Energieverbraucher. Im Münsterland mussten etwa 250.000 Personen über ein Wochenende ohne Strom auskommen. Das RWE lehnte jede Haftung für Schäden ab.
Während die RWE-Gewinne in Milliardenhöhe an die Aktionäre gehen, bleiben die Kunden bei Stromausfällen auf ihren Schäden sitzen. Schuld ist eine Regelung in den "Allgemeinen Versorgungsbedingungen". Sie beschränkt die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.
Das Bundeswirtschaftsministerium will auch künftig die Stromwirtschaft weitgehend von der Haftung freistellen. Das sieht ein Verordnungsentwurf vor, der gerade allen beteiligten Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet wurde. "Die Verbraucherbelange werden vom Wirtschaftsministerium sträflich vernächlässigt" kritisiert der Verbraucherverband "Gewinne sollen privatisiert und Kosten von der Allgemeinheit getragen werden".
In der Vergangenheit hat die Versorgungswirtschaft ihre Investitionen in das Stromnetz Jahr für Jahr reduziert.
Sie betragen nur etwa zehn Prozent der Netzerlöse. Seit 1998 haben die Stromversorger ihre Reinvestitionsquote von 2,5 auf teilweise unter ein Prozent des Wiederbeschaffungswertes im Jahr gesenkt. Eine unabhängige Untersuchung kritisiert denn auch die "ereignisorientierte Instandhaltung".
Zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit müssten präventive Maßnahmen in den Vordergrund rücken (ew 2005, S. 70 ff: Mittelspannungsfreileitungen auf dem Prüfstand"
Download Mittelspannungsfreileitungen auf dem Prüfstand.
Der Bund der Energieverbraucher hatte bereits vor kurzem die mangelhafte Netzqualität kritisiert.