Ist Stromsparen wirklich sinnlos?
Wer auf erneuerbare Energien setzt oder sich bemüht, Strom zu sparen, hilft angeblich nicht, die CO2-Emissionen zu verringern. Das zumindest behaupten Kritiker. Richtig oder falsch? Die Energie-Depesche ist dieser Frage nachgegangen.
Von Aribert Peters
(04. September 2009) Je mehr Photovoltaikanlagen und Windräder in Deutschland Ökostrom produzieren und je weniger Strom die Verbraucher benötigen, desto weniger Strom müssen Kohlekraftwerke herstellen. Das reduziert die Emissionen, sagt uns der gesunde Menschenverstand.
Stimmt nicht, sagen Professoren und sogar die Monopolkommission in einem Sondergutachten von 2009. Denn die Menge der gesamten CO2-Emissionen ist durch den Emissionshandel gedeckelt. Brauchen Kohlekraftwerke weniger Emissionszertifikate, so ermöglichen diese Zertifikate höhere CO2-Emissionen an anderer Stelle zum Beispiel in einem Zementwerk.
EEG beschleunigt Erneuerbare
Was zunächst schlüssig klingt, stimmt nicht. Die EU und Deutschland setzen bei der CO2-Einsparung auf einen Instrumentenmix. So erfolgen die Einsparungen teilweise über den Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie Stromsparen. Der Emissionshandel stellt ein weiteres, ergänzendes Instrument dar.
Bei der Festlegung der Menge der CO2-Zertifikate für den Emissionshandel wurde die Menge Klimagas berücksichtigt, die bereits über den parallelen Ausbau der Erneuerbaren Energien und Stromeinsparungen eingespart wird.
Ohne das EEG würde der Ausbau der Erneuerbaren hierzulande nicht voranschreiten. Dieser Teil der CO2-Einsparungen würde in der Bilanz fehlen, also die Klimarechnung der Bundesrepublik verschlechtern. Und wenn der Stromverbrauch in Deutschland insgesamt höher wäre, dann lägen auch die CO2-Emissionen insgesamt höher, denn nach wie vor decken Erneuerbare nur einen Teil des Strombedarfs.
Während der ersten Handelsperiode, in der Einsparungen erfolgen oder vermehrt Erneuerbare zum Einsatz kommen, entspannt sich die Lage auf dem Zertifikatmarkt tatsächlich. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass an anderer Stelle höhere CO2-Emissionen stehen. Denn die Erneuerbare-Energien-Anlagen helfen dabei, den aktuellen Strombedarf zu decken. Für andernorts fiktiv zusätzlich produzierten Kohlestrom fehlt der Bedarf.
Jede Emissionsminderung zählt
Wenn Kritiker auf diese Handelsperiode abzielen, übersehen sie überdies, dass das Wachstum der Erneuerbaren neue Spielräume für CO2-Minderungen eröffnet. Die Ziele in den künftigen Handelsperioden können also deutlich schärfer werden.
Kostenvorteil für grünen Strom
Die Emissionszertifikate verschaffen darüber hinaus den Erneuerbaren einen Kostenvorteil, weil sie Kohlestrom zusätzlich finanziell belasten, nicht aber umweltfreundlich erzeugte Energie.
Bleibt die Frage: Lassen sich die beiden Klimaschutz-Instrumente vereinen? Theoretisch schon. Dazu müsste aber die Zahl der CO2-Rechte variabel angepasst werden. Im Klartext: Sobald ein neues Windrad ans Netz geht, müsste der Staat Zertifikate vom Markt nehmen. Damit ließe sich auch ein kurzfristiger Klimaeffekt erzielen. Genau das wollte das Umweltministerium unter Jürgen Trittin (Grüne) vor einigen Jahren. Durchgesetzt hat sich aber Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) mit der nun geltenden, industriefreundlichen Regelung. Dabei unterstützten ihn die großen Stromkonzerne, die möglichst viele CO2-Zertifikate für sich reklamiert hatten.
5 MW Windkraftanlage Beatrix vor Schottland. Zwei Wartungstechniker im Bild machen die Größenordnung deutlich.
Und warum hat sich bis heute nichts daran geändert? Ein Grund sind technische Probleme, erklären Experten. Die Menge der CO2-Zertifikate während einer laufenden Handelsperiode zu korrigieren, sei schwierig. Ein SPD-Insider gibt aber noch eine andere Erklärung: handfeste wirtschaftliche Interessen. Würde der Staat den Konzernen ihre einmal zugeteilten Zertifikate wieder wegnehmen, hätte dies einen Aufschrei zur Folge. "Was glauben Sie, was die Unternehmen uns da sagen würden?", fragt der Sozialdemokrat. Gewisse Konflikte könne man einfach nicht durchstehen.
Verbraucher müssen zahlen
Mit der bisherigen Lösung leben fast alle Beteiligten gut: die Regenerativbranche, finanziert aus dem EEG, die Kohlekraftwerksbetreiber, die ohne Investitionen ihre Emissionsvorgaben erreichen und mit dem Zertifikatehandel Gewinne machen, und der Staat, der am Fortkommen beider Branchen interessiert ist und zugleich einen Strukturwandel hin zum Ökostrom vorantreibt und sich als Klimaschützer feiern lässt. Grund zur Unzufriedenheit haben eigentlich nur die Verbraucher, die per Rechnung auch die CO2-Zertifikate und die EEG-Umlage bezahlen.
Emissionshandel zu teuer
Bezogen auf die eingesparte CO2-Menge ist der Emissionshandel wesentlich teurer und wirkungsloser als die Förderung der Erneuerbaren durch das EEG. Deshalb sollten Verbraucher die Abschaffung des Emissionshandels fordern. Der Solarenergie-Förderverein sammelt dazu Unterschriften im Internet: www.sfv.de