ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

Licht in der Dunkelflaute

Können uns die Erneuerbaren ganzjährig mit Energie versorgen, auch wenn im Winter wenig Sonne scheint und längere Windflauten eintreten? Die Antwort lautet: Ja! Man braucht dazu einen Überfluss an Wind- und Sonnenkraft, Stromleitungen, Reservekraftwerke und Speicher. Fossil- und Atomkraftwerke können dann gefahrlos abgeschaltet werden.
Von Aribert Peters

(4. Juni 2021) Erneuerbare Energie gibt es in Hülle und Fülle, auch in Deutschland. Genutzt wird davon leider noch wenig: Derzeit nutzen wir erneuerbare Energien für knapp 50 Prozent des Stroms und 15 Prozent des Gesamtenergiebedarfes. Wir müssen, können und wollen diesen Anteil in den kommenden Jahren schnell auf 100 Prozent erhöhen. Einerseits hat sich Deutschland vertraglich im Zuge des Klimaschutzabkommens von Paris dazu verpflichtet, andererseits gibt es sonst keine Chancen für die Stabilisierung des Weltklimas.

1900 Windräder in der Nacht / Foto: tickcharoen04 / stock.adobe.com

Photovoltaikausbau

Würde man auf allen Dächern Deutschlands PV-Anlagen installieren, könnte man damit allein so viel Strom erzeugen, wie in Deutschland verbraucht wird (504 TWh). Die auf Dächern installierbare PV-Leistung beträgt 500 GW, rechnet man die Fassadenflächen hinzu, dann sind es 900 GW (bdev.de/eggers). Würde man auch auf Äckern PV-Anlagen bauen, sogenannte Agri-Photovoltaik, und darunter weiter Landwirtschaft betreiben, könnte man theoretisch nochmals 1.700 GW PV-Leistungen installieren (bdev.de/agripv). In Städten könnte man zudem Photovoltaik mit einer Leistung von 154 GW über Parkplätzen und ähnlichen Flächen installieren (bdev.de/urbanepv). Zum Vergleich: Bisher wurden nur PV-Anlagen mit einer Leistung von etwa 50 GW installiert.

Windkraftausbau

Eine Untersuchung der Ingenieurgesellschaft Windguard zeigt, dass durch den Einsatz modernerer Windenergieanlagen, die auch bei Schwachwind hohe Leistungen erzielen, allein auf den bisher ausgewiesenen Flächen die Windstromerzeugung von 100 auf 200 TWh verdoppelt werden könnte. Heute ist in Deutschland nicht einmal ein Prozent der Gesamtfläche für Windenergie ausgewiesen. Doch schon damit könnten wir bei einer Modernisierung bestehender Anlagenstandorte – dem sogenannten Repowering – knapp 40 Prozent unseres Strombedarfes decken. Würde dieser Flächenanteil auf 2 Prozent verdoppelt, so würde allein die Windkraft 80 Prozent unseres Strombedarfes decken!

Überschussstrom

Zu den gerne erzählten Stammtischweisheiten zählt, dass schon heute Unmengen an erneuerbarem Strom nicht genutzt werden – insbesondere, weil es am Netzausbau fehle (siehe „Netzausbau im Überfluss“). Die Wahrheit ist: Nur zwei Prozent des mit den heutigen Anlagen erzeugbaren, erneuerbaren Stroms kann wegen Netzüberlastung oder Stromüberschuss nicht in das Stromnetz eingespeist werden (bdev.de/bnetaq3). Erst wenn dieser Überschuss an erneuerbarem Strom deutlich höher ist, würde es sich lohnen, ihn für knappe Zeiten zu speichern.

Dunkelflautenhäufigkeit

Der Deutsche Wetterdienst hat untersucht, wie oft Erneuerbare Erzeugungsanlagen pro Kalenderjahr über 48 Stunden hinweg weniger als 10 Prozent ihrer üblichen Leistung erbrachten: Bei Windkraftanlagen auf dem Land war das innerhalb eines Jahres 23-mal der Fall, bei Hinzunahme von Off-Shore-Windkraftanlagen nur 13-mal, mit PV-Anlagen nur 2-mal. Bei einer hypothetischen europaweiten Betrachtung tritt das Schreckgespenst 0,2-mal pro Jahr auf – also statistisch betrachtet alle fünf Jahre einmal. Häufigkeit und Dauer künftiger Versorgungslücken hängen folglich vom Stromverbrauch, dem Ausbaustand der Erneuerbaren und der Größe der betrachteten Region ab.

Sicherstellung der Stromversorgung bei Dunkelflauten 
Versorgungssicherheit im Energiebereich in der Gesetzgebung

Überkapazitäten als Lösung

Durch einen raschen Ausbau der Erneuerbaren verringert sich das Dunkelflautenproblem in doppelter Hinsicht: Dauer und Häufigkeit von Engpässen im Winter nehmen ab. Zudem steht im Sommer mehr Überflussstrom zur Verfügung, der in Wasserstoff sowie synthetische Kraftstoffe umgewandelt und im Winter genutzt werden kann. Die verbleibenden Versorgungslücken im Winter können Stromspeicher und Reservekraftwerke gemeinsam decken. Transportleitungen und Lastminderungen tun ein Übriges.

Die Höchstlast im Deutschen Stromnetz liegt derzeit bei rund 80 GW. Ein erneuerbares Stromversorgungssystem wird allen einschlägigen Studien zufolge eine Leistung zwischen 400 und 700 GW bereitstellen, also ein Vielfaches der aktuellen Höchstlast.

Beim derzeitigen Ausbautempo der Erneuerbaren wird es einen nennenswerten Stromüberschuss im Sommer frühestens in 10 Jahren geben. Bis dahin steigt aber auch die Stromnachfrage durch den Umstieg auf Stromheizungen und die Elektromobilität an. Deshalb muss die Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren deutlich zulegen.

Studie: Energiesystem Deutschland 2050
Forschungs-Projekte Kombikraftwerk2
Die populären Irrtümer des Professors

Studie über Lösungsansätze

Wie kann man künftig dann den erneuerbar erzeugten Strom aus Zeiten des Überflusses in die knappen Zeiten von Dunkelflauten ohne Wind und ohne Sonnenertrag hinüberretten? Dazu gibt es viele Möglichkeiten, die in einer Studie des Ingenieurbüros BET beziffert und bewertet werden.

Speichermöglichkeiten
  • Power-to-Gas bietet als Langfristspeichermöglichkeit ein praktisch unbegrenztes Potenzial. Der Wirkungsgrad Strom-Gas-Strom liegt nur bei rund 30 Prozent – lässt sich jedoch bei Nutzung der Abwärme (Kraft-Wärme-Kopplung und Nahwärmenetze) auf bis zu 90 Prozent erhöhen. Erneuerbares Gas ist einfach, in großen Mengen und langfristig in Kavernen speicherbar.
  • Nachfrageregelung: Durch zeitweise abschaltbare Stromlieferverträge kann die Leistungsnachfrage in der Spitze gekappt werden. Die Potenziale betragen rund 4 GW in der Industrie, 2 GW bei Haushalten und weitere 2 GW bei Wärmepumpen.
  • Pumpspeicherkraftwerke: Sie haben Kapazität, um den Stromverbrauch Deutschlands für rund 30 Minuten zu decken. Andere Länder in Europa wie die Schweiz, Österreich und Norwegen haben wesentlich größere Speicherkapazitäten.
  • Notstromaggregate: Sie können kurzfristig und für einige Stunden einspringen mit einer Leistung von 5 bis 8 GW.
  • Blockheizkraftwerke: Sie könnten mit Biogas, Erdgas oder Wasserstoff so betrieben werden, dass sie das Stromnetz stabilisieren. Dieses Potenzial wird heute kaum genutzt. Die meisten Bestandsanlagen werden für den Eigenverbrauch betrieben, da sich eine Stromeinspeisung aufgrund von Steuern, Umlagen und Abgaben sowie einer geringen Einspeisevergütung kaum lohnt. Sie könnten – richtig genutzt – eine Leistung von bis zu 25 GW bereitstellen.
  • Überflussstrom kann über elektrische Heizstäbe Häuser zeitweise beheizen. Der Strom spart dadurch fossile Brennstoffe und Emissionen ein. Bei Stromknappheit kann der eingesparte Brennstoff später genutzt werden.
  • Druckluftspeicher ermöglichen hohe Leistungen und können bei Nutzung vorhandener Salzkavernen (CAES) große Speichermengen nutzen, weisen dabei jedoch nur einen geringen Wirkungsgrad auf.
Regierungsbericht

Die Bundesregierung hat 2019 einen Bericht zur Versorgungssicherheit veröffentlicht. Dieser kommt zu dem Schluss, dass in den kommenden Jahren auf dem Strommarkt jederzeit ein bedarfsgerechter Ausgleich von Angebot und Nachfrage erreicht werden kann, man spricht von der „Lastausgleichswahrscheinlichkeit“. Der Bundesrechnungshof kritisierte diesen Bericht im März 2021: „Das Bundeswirtschaftsministerium muss dringend aktuelle und realistische Szenarien untersuchen. Außerdem muss es ein „Worst-Case“-Szenario untersuchen, in dem mehrere absehbare Risiken zusammentreffen, die die Versorgungssicherheit gefährden können“.

Netzausbau

Wenn ein Über- und Unterangebot von Stromerzeugung quer über Deutschland oder Europa hinweg ausgeglichen werden könnte, dann ist die Situation wesentlich einfacher, als wenn dieser Ausgleich nur kleinräumig möglich ist. Kommt ein maßvoller Netzausbau nur langsam voran, dann gibt es einen höheren Bedarf für ebenfalls teure kurz- und längerfristige Speicherung.

Regulierungsrahmen

Ein vollständig erneuerbares Energiesystem muss klug reguliert werden: Durch Gesetze, durch Steuern und Anreize sowie durch Schaffung von Verantwortlichkeiten für die Versorgungssicherheit. Ein solcher Ordnungsrahmen muss schnellstens geschaffen werden. Er schafft Sicherheit für die Versorgung, für die Verbraucher und die Investoren. Das ist, so Prof. Uwe Leprich, eine dringende gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe. „Ein neues Design für das künftige Strom-Wärme-System muss vom Ende her neu gedacht und gestaltet werden.“

Fazit

Können die Erneuerbaren eine stabile Stromversorgung sicherstellen, wenn die Atom-, Kohle und Gaskraftwerke stillgelegt werden und wir unseren Strombedarf zu 100 Prozent erneuerbar decken? Die Skeptiker halten das – ganz pauschal – für unmöglich. In vielen Studien wurde
seit Jahren hingegen immer wieder genau durchgerechnet, wie mit geringen zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten, die nur kurzzeitig benötigt werden, eine Versorgungssicherheit hergestellt werden kann. Die Rahmenbedingungen dafür müssen umfassend neugestaltet werden.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt angesichts der Klimakrise viel zu langsam. Noch immer gibt es gemessen an der Stromnachfrage viel zu wenig erneuerbare Erzeugungskapazitäten. Das ist angesichts der drastisch gesunkenen Erzeugungskosten für Wind- und PV-Strom nicht nachvollziehbar.

Die populären Irrtümer des Professors

Widerlegung der Thesen des Prof. Dr. Helmut Alt

Die populären Irrtümer des Professors

„Der weitere Zubau fluktuierender Stromerzeugungsanlagen über die bisher erreichten 34 Gigawatt Photovoltaikanlagen und 32 Gigawatt Windenergieanlagen ist unvernünftig“. „Mit jedem Windrad oder Photovoltaikanlage wird der Strom für alle teurer und weniger zuverlässig!“ Diese im Jahr 2014 aufgestellten Behauptungen des Kerntechnikers und ehemaligen RWE-Managers Prof. Dr. Helmut Alt dürfen nicht unwidersprochen bleiben.
Von Aribert Peters

(25. September 2014) „Bis zu 70 Prozent fluktuierender Leistungsanteil an der Lastdeckung sind verkraftbar und technisch – wirtschaftlich vertretbar – wir haben bereits 80 Prozent - alles was wir weiter tun, ist unvernünftig und hoch ineffizient! So wie bisher dürften keine weiteren Anlagen in Deutschland erbaut werden“, so Helmut Alt, Professor am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der FH Aachen. Er hält die fluktuierenden Stromerzeugungsanlagen für Geldverschwendung. Aber seine Thesen sind widerlegbar. 

Und im Internet kann man im Blog „Energie-Lüge“ nachlesen: „Die scheinbar so ökologischen Alternativen sind weder bezahlbar, noch besitzen sie die wichtige Grundlastfähigkeit. Was die meisten nicht wissen: Für jeden großen Windpark muss ein genauso großes Schattenkraftwerk in Form einer Gasturbine gebaut und ständig betriebsbereit halten werden, denn wenn der Wind für Minuten, Stunden oder nicht selten viele Tage am Stück ausfällt, muss der Strom ja weiterfließen. Die Stromerzeugung mittels solcher Gaskraftwerke ist zudem überdurchschnittlich teuer, ineffizient und vom Import abhängig.“ Bewiesen werden diese Behauptungen nicht. Denn es ist ja „offensichtlich“, dass, wenn der Wind nicht weht, eine andere Art der Stromerzeugung einspringen muss.

Wissenschaftliches Fundament der Energiewende

Tatsächlich mutet es wie Zauberei an, dass auch mit wenigen fossilen Kraftwerken eine Stromversorgung ohne Kohlekraftwerke und Kernenergie funktionieren kann. Zahlreiche Studien seriöser Forschungsinstitute haben auf der Basis typischer Wetterverläufe die Stromversorgung für jede einzelne Stunde des Jahres simuliert.

Beschränkt man sich nur auf die wichtigsten Studien der letzten zehn Jahre, so erhältman eine beachtliche Liste: UBA (2002); Nitsch (2004); WWF (2009); FVEE (2009); Greenpeace (2009); FfE (2009); EWI (2010); UBA (2010); SRU (2011); BMU (2012); ISE (2012); UBA (2013) – abzurufen unter "Energiewende - Quo vadis" auf den Seiten 13 bis 14. Die aktuellste Studie kann unter www.kombikraftwerk.de abgerufen werden. Sie wurde von zehn Projektpartnern aus Industrie und Wissenschaft über drei Jahre erarbeitet.

Auf diese Ergebnisse gestützt hat die Bundesregierung am 6. Juni 2011 beschlossen: „Zentraler Baustein für die Energieversorgung der Zukunft ist der weitere zügige Ausbau der erneuerbaren Energien. […] Erneuerbare Energien können einen wachsenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. […] Deutschland hat die gesellschaftliche Grundentscheidung getroffen, seine Energieversorgung in Zukunft aus erneuerbaren Quellen zu decken“.

Ergebnis: Auch eine fast vollständige Versorgung mit fluktuierenden erneuerbaren Energien ist möglich. Wir berichteten in der Energiedepesche 2/2012 (Der Masterplan der Energiewende) ausführlich über die „Leitstudie 2011“ und im Heft 1/2012 über die Bewältigung einer Winterflaute mit Erneuerbaren (Die Angst vor der Stromflaute). 

1900 Entwicklung Stromerzeugung in Deutschland

Der Ausbau der Erneuerbaren

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen der im Jahr erzeugten Strommenge (gemessen in Terawattstunden, kurz TWh, Bruttostromerzeugung im Jahr 2013: 623 TWh) und der Kraftwerksleistung (gemessen in Gigawatt, kurz GW, höchster Leistungsbedarf im Jahr 2013: 85 GW). Für jede Sekunde im Jahr muss die Kraftwerksleistung der abgerufenen Last entsprechen, sonst bricht die Stromversorgung zusammen.

Zum Ausbau der Erneuerbaren schreibt Dr. Joachim Nitsch, langjähriger Leiter der  Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung im Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der wesentlich an der im Auftrag der Bundesregierung erarbeiteten Leitstudie 2011 beteiligt war: „Die Leistung aller Kraftwerke nimmt entsprechend dem Zuwachs der erneuerbaren Energien erheblich zu: von derzeit 183 GW auf 266 GW in 2030 und auf 370 GW in 2060. Dominiert wird der Leistungszuwachs durch den Zubau von Wind- und Fotovoltaikanlagen.“ Bereits 2013 betrug deren Leistung mit zusammen 78 GW rund 35 Prozent der Gesamtleistung aller Kraftwerke. Bei der Strommenge waren es 12 Prozent, nicht zu verwechseln mit einem Anteil aller Erneuerbaren von 28 Prozent am Bruttostromverbrauch im ersten Halbjahr 2014. In 2030 wächst ihr Leistungsanteil auf 60 Prozent (Strommenge 45 Prozent), um bis 2060 auf einen Leistungsanteil von 70 Prozent (Strommenge 55 Prozent) zu steigen.

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Dr. Joachim Nitsch, langjähriger Leiter der  Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung im Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt

Die Fossilen werden 2050 nur noch mit einer Kapazität von 30 bis 38 GW benötigt, in der Hauptsache Gaskraftwerke. Sie laufen laut Prognosen von Fraunhofer ISE im Jahr nur noch 2.200 Stunden, seltener als eine Windkraftanlage.

Die Winterflaute

Im meteorologisch ungünstigsten Fall liefern die fluktuierenden Erneuerbaren kaum Strom: Im Winter steht die Sonne zu niedrig, so dass PV-Anlagen wenig Strom liefern. Es gibt auch längere Perioden ohne Wind. Die Frage der Energiewendeskeptiker, woher dann der Strom kommt, ist berechtigt.

Vorerst und auch noch in den kommenden 20 Jahren steht ein großer Park an fossilen Kraftwerken bereit, um solche Stromlücken zu überbrücken. Wenn die Erneuerbaren künftig immer stärker ausgebaut werden, dann werden an immer weniger Stunden im Jahr solche Stromlöcher zu stopfen sein.

Woher kommt in der Winterflaute die notwendige Kraftwerksleistung?

  • Aus Gaskraftwerken (30 bis 38 GW), gespeist auch aus Gas, das zu Zeiten des Stromüberangebotes aus der Wärmeanwendung eingespart wurde, aus Power-to-Gas erzeugt wurde oder aus Biogas
  • Aus stromgeführten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wie stromerzeugenden Heizungen (Kapazität 2050 rund 36 GW)
  • Von nicht fluktuierenden Erneuerbaren wie zum Beispiel Biomasse und Wasserkraft
  • Zu einem geringen Anteil aus fluktuierenden Erneuerbaren. Denn eine Windflaute herrscht fast niemals gleichzeitig in ganz Deutschland. Aus Stromspeichern (Pumpspeicherkraftwerke, Wasserkraftspeicher  in Skandinavien, Druckluftspeicher, Batteriespeicher, Power-to-Gas)
  • Aus Stromimporten Erneuerbarer aus dem Ausland

Zudem kann die zu deckende Netzlast durch Drosselung der Stromnachfrage in Industrie und Haushalten vermindert werden, eine als Demand-Side-Management bezeichnete Technik, die heute bereits zum Einsatz kommt. Eine aktuelle Studie  hat all diese Möglichkeiten im Detail untersucht: „Möglichkeiten zum Ausgleich fluktuierender Einspeisungen aus erneuerbaren Energien.“

Die Residuallast

Im Stromnetz wechseln sich in rascher Folge Situationen ab, an denen die Erneuerbaren zu viel und zu wenig Strom ins Netz speisen. Wie häufig und wie lange im Jahr gibt es Situationen mit zu viel oder zu wenig Stromeinspeisung durch die Erneuerbaren? Die Antwort gibt der Verlauf der sogenannten „Residuallast“. Damit bezeichnet man die aktuelle Netzlast abzüglich der Einspeiseleistung der fluktuierenden Stromerzeuger. Man kann abzählen, in wie vielen Minuten im Jahr die Residuallast eine bestimmte Größe hatte und dies in einem Diagramm auftragen. (Energiesystem Deutschland 2050)

1900 Geordnete Jahresdauerlinien der Residuallast 2012

Wie oft und wie lange tritt im Verlauf eines Jahres ein Überschuss oder ein Mangel an fluktuierender Stromerzeugung auf? Im Jahr 2020 (rote Linie) war an 3.000 Stunden im Jahr (125 Tage) die Residuallast höher als 40 GW, an den restlichen 240 Tagen gab es eine geringere Residuallast. Im Jahr 2050 gibt es übers Jahr verteilt nur rund 100 Stunden (4 Tage), an denen die Residuallast die dann verfügbare Kraftwerksleistung von 38 GW übersteigt und Stromspeicher einspringen müssen, um die maximale Residuallast von 53 GW zu decken.
Quellen: 2012, 2020 und 2030: BET 2014: Möglichkeiten zum Ausgleich, 2050: Fraunhofer ISE: Energiesystem Deutschland 2050

Man sieht in der Grafik, dass im Jahr 2050 während weniger als 2.000 Stunden oder 83 Tagen im Jahr die Residuallast über 20 GW liegt. Während drei Viertel des Jahres ist die Residuallast negativ. Die fluktuierenden Erneuerbaren liefern also mehr Strom, als gebraucht wird. Ein Großteil dieses Überschussstroms kann in Wärme umgewandelt oder gespeichert werden. Solange noch mit Gas geheizt wird, kann eine Elektroheizung Heizgas einsparen – zu wesentlich geringeren Kosten und mit weniger Verlusten, als bei Power-to-Gas. Aber 2050 sollte  auch die Wärmeerzeugung weitgehend ohne fossile Energien auskommen. Ein wesentlicher Überschuss aus fluktuierender Stromerzeugung baut sich erst zwischen 2020 und 2030 auf.

Aus den Verläufen der Residuallast ist ersichtlich, dass im Jahr 2012 an 7.000 Stunden oder 291 Tagen eine nicht unterbrechbare Last von mehr als 40 GW gebraucht wurde. Bereits 2020 sind es nur noch 20 GW nicht unterbrechbare Last, die über 7.000 Stunden im Jahr laufen müssen. Man sieht auch, dass es bis 2020 kaum eine negative Residuallast, also Stromüberschüsse aus fluktuierender Stromerzeugung gibt, sprich: Die Stromerzeugung der Erneuerbaren wird derzeit und auch noch in den kommenden Jahren wie ein Schwamm vom Gesamtsystem aufgesogen. Leider sind Kohlekraftwerke zu schwerfällig, um den Erneuerbaren Platz zu machen. Der überflüssige Kohlestrom wird mit Milliardengewinnen ins Ausland verkauft. Gaskraftwerke sind hingegen schneller regelbar.

Die Grafik beweist: Je mehr die fluktuierenden Erneuerbaren ausgebaut werden, umso weniger Reservekraftwerke sind notwendig. Und umso seltener werden sie benötigt. Genau dieses Argument können - und wollen - die Energiewende-Skeptiker nicht verstehen. Denn man muss dafür über das einzelne Kraftwerk hinaus denken und Erzeugung und Verbrauch im gesamten Energiesystem betrachten.

Das Ende der Grundlast

Die nichtfluktuierende Erzeugung wird durch den Ausbau der fluktuierenden Erzeugung nicht mehr wie bisher fast das ganze Jahr über rund um die Uhr laufen (sogenannte Grundlast), sondern nur noch für wenige Stunden im Jahr. Es ist leicht nachvollziehbar, dass ein Kerntechniker und ehemalige RWE-Mitarbeiter nicht besonders erfreut ist, dass die Grundlastkraftwerke bald nicht mehr gebraucht werden, mit denen RWE über Jahrzehnte unzählige Milliarden Euro gescheffelt hat.

Falsch ist, was von vielen Skeptikern der Energiewende gestreut wird: Dass der Ersatz von Grundlastkraftwerken durch einen durchdachten Mix von erneuerbaren Energien und Speichern die Lichter ausgehen lässt. Dass man deshalb neben den Erneuerbaren quasi als Reserve den fossilen Kraftwerkspark mit durchfüttern muss ist ebenso falsch. Und auch, dass dies zu irrwitzig hohen Kosten führt. Im Gegenteil: Der Ausbau der Erneuerbaren sichert die Versorgung, macht Grundlastkraftwerke überflüssig und garantiert dennoch die Versorgungssicherheit. Und dies zu günstigeren Kosten. 

Künftig haben nichtfluktuierende Kraftwerke nur noch eine geringe jährliche Laufzeit. Rentabel sind deshalb nur Kraftwerke mit geringen Errichtungskosten, selbst wenn die Stromerzeugungskosten je Kilowattstunde hoch sind. Das sind zum Beispiel Gaskraftwerke oder auch Stromspeicher. Die Ökonomie der alten Grundlastkraftwerke war genau umgekehrt: Wegen der langen Laufzeiten lohnten sich Kraftwerke – allen voran Atomkraftwerke – auch mit hohen Errichtungskosten, wenn nur die Preise je Kilowattstunde gering waren. 

Kostenseite und die GroKo

Die Stromerzeugungskosten von fossilen Kraftwerken steigen unaufhörlich. Dagegen sinken die Erzeugungskosten aus erneuerbaren Energien rasch und stetig. Bereits heute liegen sie gleichauf mit den Erzeugungskosten neuer fossiler Kraftwerke.

1900 Volkswirtschaftliche Auswirkungen einer verzögerten Energiewende

Die Ausgaben für importierte Energieträger sinken deutlich rascher, wenn die 100-Prozent-Umstellung entschieden umgesetzt wird. Im Vergleich zum Plan der grossen Koalition belaufen sich die jährlichen Ersparnisse 2050 65 Milliarden Euro.
Quelle: Energiewende am Ende, Vortrag von Joachim Nitsch 22. Juli 2014

Die Ausgaben Deutschlands für den Import von Energie haben sich von 37 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf 92 Mrd. Euro im Jahr 2013 fast verdreifacht. Bereits 2013 wurden durch den Ausbau der Erneuerbaren bereits neun Milliarden Euro an Energieimporten eingespart.

Die Importquote fossiler Energien kann sich durch den Umstieg auf Erneuerbare von 61 Prozent im Jahr 2013 bis zum Jahr 2050 deutlich verringern. Zielt man auf 100 Prozent Erneuerbare im Jahr 2050, dann sinkt die Importquote wesentlich rascher, als bei der von der Großen Koalition beschlossenen gebremsten Energiewende.

Die Mehrkosten durch die Politikbremse belaufen sich im Jahr 2030 schon auf 30 Mrd. Euro jährlich und im Jahr 2050 auf 65 Mrd. Euro jährlich (Energiewende - Quo vadis). Diese Rechnung wird der Bund der Energieverbraucher Frau Merkel und Herrn Gabriel dann senden.

Fazit

Die Öffentlichkeit sollte sich nicht von der Behauptung überrumpeln lassen, fluktuierende Erzeugung könne die Versorgung nicht zu wesentlichen Teilen sichern. Der zügige weitere Ausbau der fluktuierenden Stromerzeugung ist absolut notwendig, an ihm führt kein Weg vorbei.

Weitere Informationen unter: Würde da nicht das Licht ausgehen?

letzte Änderung: 25.07.2023