Verbraucherzentrale NRW fordert Einführung eines Strom-Spartarif
(11. Juni 2008) Immer weniger einkommensschwache Privathaushalte können ihre Energierechnungen vollständig bezahlen. Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale NRW sind rd. 20 % der Bevölkerung gezwungen, mehr als 13 % ihres verfügbaren Einkommens für Energiekosten (Strom, Wärme und zum Teil Treibstoff) aufzuwenden.
Auf Anfrage der Verbraucherzentrale NRW bei 38 örtlichen Energieversorgungsunternehmen hatten 24 Anbieter im Frühjahr 2008 angegeben, etwa ein Fünftel ihrer Kunden befände sich im Zahlungsverzug oder im Mahnverfahren. Bei 59.000 Privathaushalten - rund zwei Prozent aller Haushaltskunden - hatten die auskunftsbereiten Versorger im letzten Jahr eine bereits eine Stromsperre verhängt.
Dabei sind nicht nur Empfänger von Transferleistungen, sondern insbesondere auch Bezieher geringer Einkommen von den steigenden Energiekosten besonders betroffen - angesichts der angekündigten weiteren Preiserhöhungen und stagnierende Einkommen wird sich das Problem der Energiearmut für diese Bevölkerungsgruppe noch weiter verschärfen.
Die Verbraucherzentrale NRW fordert daher die Einführung eines Strom-Spartarifs. Der Strom-Spartarif soll einen Preisvorteil von ca. 15 Prozent gegenüber dem jeweiligen Grundversorgungstarif gewährleisten und seitens der Grundversorger neben dem Grundversorgungsangebot als Pflichttarif für die Stromversorgung privater Haushalte angeboten werden. Entstehende Mehrkosten für die Einrichtung und Nutzung dieses Tarifs sollen über ein bundesweites Umlageverfahren auf die Netznutzungsentgelte der lokalen Verteilnetze und damit auf alle Verbraucher umgelegt werden.
Durch dieses Verfahren soll eine bundesweit möglichst gleichmäßige Verteilung erfolgen und zugleich sichergestellt werden, dass konkurrierende Stromanbieter durch die Einführung dieses Tarifs keinen Wettbewerbsvorteil erzielen können. Über die Umlage der Mehrkosten auf die örtlichen Netzentgelte wird der Strom-Spartarif zusätzlich durch die Regulierungsbehörde(n) kontrolliert.
Der Stromspar-Tarif selbst besteht aus einer geringen Anzahl Frei-Kilowattstunden, die für ein Jahr pro Haushaltsmitglied in Anspruch genommen werden können, sowie aus einem Arbeitspreis in Cent pro Kilowattstunde für all die Mengen, die über die Frei-Kilowattstunden hinaus bezogen werden. Dieser Arbeitspreis enthält sämtliche Kosten für Bereitstellung, Lieferung, Abrechnung, Konzessionsabgabe, Umlagen (EEG, KWK), Strom- und Umsatzsteuer.
Die Ausrichtung des Strom-Spartarifs als Pflichttarif für Elektrizitätsversorgungsunternehmen in der Grundversorgung hilft zudem, dem Problem zu begegnen, dass Verbraucher mit schlechter Bonität von Anbietern als Kunden abgelehnt werden (sogenannte (Scoringauslese).
Mit dem von der Verbraucherzentrale NRW entwickelten Strom-Spartarif können nunmehr alle Haushalte in den Genuss einer preisgünstigeren Stromversorgung kommen - die umso vorteilhafter ist, je mehr Strom gespart wird.
Die Verbraucherzentrale NRW hat in einer Kurzstudie Best Practice Beispiele aus drei europäischen Ländern erstellt: Belgien, Frankreich und Großbritannien. Untersucht wurden Maßnahmen von Seiten der Versorgungsunternehmen bei Zahlungsverzug der Kunden, Angebote von Sozialtarifen für Strom und Gas sowie weitere finanzielle Unterstützungen für sozial benachteiligte Verbraucher im Hinblick auf ihre Energiekosten.