Entschädigung von Verbrauchern: Primastrom muss zahlen
(22. Juli 2024) Die Energieanbieter Primastrom und Voxenergie müssen aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs mit dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mindestens 1.600 Kunden entschädigen. Diese Entscheidung folgte, nachdem beide Unternehmen ihren Kunden am 28. Dezember 2022 unzulässig kurze Fristen für erhebliche Preiserhöhungen gesetzt hatten, die bereits zum 1. Januar 2023 wirksam werden sollten. Die Rückzahlungsansprüche gelten zunächst nur für Kunden, die sich der vom vzbv initiierten Musterfeststellungsklage angeschlossen hatten. Diese Klage zog der Verband zurück, nachdem der Vergleich erreicht wurde, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Der vzbv verhandelt jedoch weiterhin über zusätzliche Zugeständnisse, vorausgesetzt weitere betroffene Kunden melden sich.
Unterstützung für die Klage kam auch von der Bundesnetzagentur, die im Mai 2022 ein Aufsichtsverfahren gegen beide Unternehmen einleitete und feststellte, dass die Preiserhöhungen gegen das Energiewirtschaftsgesetz verstießen. Bei Nichtbefolgung drohte ein Zwangsgeld von 100.000 Euro.
Die Unternehmen Primastrom und Voxenergie, die zur Primaholding GmbH gehören und 2020/21 einen Jahresüberschuss von 10,7 Millionen Euro erwirtschafteten, zeigten auch fragwürdiges Verhalten in anderen Geschäftsbereichen. So versuchte Primastrom beispielsweise das Verbot der Telefonwerbung zu umgehen, indem Kunden zur Rückrufanfrage aufgefordert wurden, was die Verbraucherzentrale Niedersachsen dazu veranlasste, vor solchen Praktiken zu warnen.
• www.energie-chronik.de/240311.htm
Insolvenz von Energieversorgern
Wenn ein Energieversorger insolvent ist oder der Netzbetreiber ihm die Netznutzung verweigert, müssen sich Energieverbraucher um ihre Energieversorgung keine Sorgen machen. Dann übernimmt der örtliche Grund- bzw. Ersatzversorger die Energiebelieferung – dazu ist er gesetzlich verpflichtet.
Von Michael Herte
(22. Januar 2024) Aus der Ersatzversorgung heraus kann man sich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist einen neuen Lieferanten suchen und oft sogar Geld sparen.
Einen Schlussstrich unter die Rechtsbeziehung zum alten Energieversorger können Energieverbraucher oft aber trotz neuem Anbieter nicht ziehen. Ein klassisches Problem ist die Endabrechnung des tatsächlichen Verbrauchs mit den geleisteten Abschlägen. Besonders ärgerlich, wenn ein Guthaben zugunsten des Energieverbrauchers besteht. Bei einem insolventen Versorgungsunternehmen können Kunden erst ihre Zahlungsforderung anmelden, nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter wird dann ihre Forderung prüfen und entscheiden, ob sie berechtigt ist. Wenn die Forderung anerkannt wird, erhalten Energieverbraucher in der Regel einen Teil davon zurück. Die Höhe der Rückzahlung wird von der Insolvenzmasse bestimmt.
Aber im Rahmen eines Insolvenzverfahrens wird ja nicht nur verteilt, ein Insolvenzverwalter treibt auch offene Forderungen ein. Hier muss er sich allerdings mit den vertraglich zugesicherten Ansprüchen begnügen: 2019 hatte der Insolvenzverwalter der Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft mbH (BEV) Energieverbraucher zu Nachzahlungen aufgefordert, da er bei der Schlussrechnung den Neukundenbonus von bis zu 25 Prozent Rabatt herausgerechnet hatte. So entstanden Zahlungsforderungen häufig zwischen 100 und 200 Euro. Betroffen waren Kunden, deren Verträge zum Zeitpunkt der Abrechnung weniger als ein Jahr lang bestanden. Bemerkenswert war hier, dass die Kunden auch zuletzt noch mit einem großzügigen Neukundenrabatt gelockt wurden und das Unternehmen dann bald zahlungsunfähig war. Am 27. Juli hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) festgestellt, dass ein versprochener Neukundenbonus nicht nachträglich gestrichen werden darf, wenn keine weiteren Voraussetzungen für den Bonus wie zum Beispiel eine Mindestvertragslaufzeit im Vertrag geregelt sind (IX ZR 267/20). Darüber hinaus ist auch klargestellt worden, dass es sich bei dem Neukundenbonus nicht um eine eigenständige Forderung handelt. Die Berücksichtigung des Rabatts stellt deswegen keine insolvenzrechtlich unzulässige Aufrechnung oder Verrechnung dar.
Rat an die Energieverbraucher:
- Wenn Sie einen Vertrag mit einem Unternehmen abschließen, sollten Sie sich die Vertragsbedingungen genau ansehen. Achten Sie darauf, dass alle Zusagen, die Ihnen gemacht werden, auch schriftlich im Vertrag selbst und nicht nur auf flüchtigen Websites oder Flyern festgehalten sind.
- Ein korrekt berechneter monatlicher Abschlag schützt davor, im Falle einer Insolvenz Geld zu verlieren, denn die Insolvenzquoten liegen meistens im Bereich von 5 bis 10 Prozent der Ursprungsforderung.
Entscheidung der Bundesnetzagentur: Gas.de darf nicht mehr liefern
Von Aribert Peters
(7. Dezember 2023) Die Bundesnetzagentur hat dem Energiedienstleister Gas.de untersagt, als Energielieferant für Haushaltskunden zu agieren, da er nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, betonte den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher im deutschen Energiemarkt. Nachdem Gas.de, ansässig in Kaarst (Nordrhein-Westfalen), Ende 2021 seine Haushaltskundenlieferungen einstellte, rutschten Zehntausende in lokale Grundversorgungen. Ein Neustartversuch im Frühjahr 2023 führte zu regulatorischen Untersuchungen. Laut Gesetz kann die Behörde die Tätigkeit eines Energielieferanten untersagen, wenn dessen personelle, technische oder wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gewährleistet ist.
Insolvenz Bayerische Energieversorgungsgesellschaft: Anspruch auf Neukundenbonus bleibt erhalten
Von Aribert Peters
(30. November 2023) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Kundinnen und Kunden des insolventen Energieversorgers BEV Bayerische Energieversorgungsgesellschaft einen Anspruch auf den versprochenen Neukundenbonus haben. Nach der Insolvenz des Unternehmens 2019 forderte der Insolvenzverwalter von BEV Nachzahlungen von Kunden ein, da er den Neukundenbonus von bis zu 25 % Rabatt in der Abschlussrechnung nicht berücksichtigte. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) reichte dagegen eine Musterfeststellungsklage ein und erhielt nun vom BGH recht. Mehr als 5.000 Menschen hatten sich der Musterfeststellungsklage 2019 angeschlossen.
Das Gericht bestätigte laut vzbv-Mitteilung, dass in den Verträgen mit BEV keine Einschränkung vorgesehen war, den Neukundenbonus nur nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit zu zahlen. Demnach müssten Endabrechnungen des Insolvenzverwalters den Neukundenbonus unabhängig von der Vertragslaufzeit berücksichtigen. „Verbraucher:innen müssen sich auf vertragliche Zusagen verlassen können.“
Preiserhöhungen Fernwärme: vzbv plant Musterklage gegen Eon
Von Michael Herte
(23. November 2023) Der Fernwärmeanbieter Eon hat in den Jahren 2020 bis 2022 seine Preise drastisch erhöht, was zu erheblichen Zusatzkosten für Verbraucherinnen und Verbraucher geführt hat. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist der Ansicht, dass diese Preiserhöhungen in vielen Versorgungsgebieten rechtswidrig sind, und plant daher eine Musterklage, um den Fernwärmekunden zu ermöglichen, ihr Geld zurückzufordern. Falls Sie betroffen sind, können Sie sich ab sofort beim vzbv melden.
Klage gegen Eon erfolgreich: Formulierung zum Sonderkündigungsrecht irreführend
Von Aribert Peters
(17. November 2023) Die Verbraucherzentrale Niedersachsen reichte Klage gegen die Eon Energie Deutschland ein, da das Unternehmen ein erschwertes Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen für Gaskunden vorsah. Kundinnen und Kunden sollten sich elf Tage vor Inkrafttreten der neuen Preise melden, um einen fristgerechten Vertragswechsel zu gewährleisten.
Das Landgericht München gab der Klage der Verbraucherzentrale statt, da eine solche Fristsetzung Kunden unzulässig unter Druck setze und sie verunsichern könne. Die Formulierung sei irreführend und könne Kunden davon abhalten, ihr Kündigungsrecht zu nutzen, was gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt. Eon darf das Sonderkündigungsrecht in dieser Weise nicht mehr einschränken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main: Eprimo: Weitergabe von Kundendaten untersagt
Von Michael Herte und Aribert Peters
(29. September 2023) Das Landgericht Frankfurt am Main hat dem Energieversorger Eprimo verboten, in seinen Geschäftsbedingungen eine grundlose Weitergabe von Kundendaten an Auskunfteien wie die Schufa zuzulassen. Dies erfolgte aufgrund einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Regelung erlaubte Eprimo, Daten über Kundenbeziehungen zu teilen, selbst wenn es keinen Grund zur Beanstandung gab. Das Gericht befand, dass diese Klausel gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoße, da jede Datenverarbeitung einen berechtigten Grund erfordere und die Weitergabe in diesem Fall nicht notwendig sei.
Tipp: Nach der Datenschutz-Grundverordnung haben Kunden das Recht, Auskunft über die personenbezogenen Daten zu erhalten, die Unternehmen und sonstige Organisationen (sogenannte Verantwortliche) von ihnen speichern und verarbeiten. Die Auskunft ist nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach Eingang der Anfrage zu erteilen. Sie hat nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO kostenlos zu erfolgen.
Einen Musterbrief zur Datenauskunft bieten die Verbraucherzentralen: bdev.de/datenauskunft
Erhöhung der Strom- und Gaspreise: Sammelklage gegen Primastrom und Voxenergie
Von Michael Herte und Aribert Peters
(25. September 2023) Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) klagt gegen Preiserhöhungen der Strom- und Gasanbieter Primastrom und Voxenergie. Das Ende der Verfahren sei zwar noch offen, aber wer von einseitigen Erhöhungen betroffen sei, könne schon jetzt Geld zurückerhalten. Dies teilte der vzbv Ende Juni mit, denn: Beide Anbieter hätten angekündigt, die Erhöhungen zurückzunehmen und Rechnungen gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern zu korrigieren, die im Klageregister eingetragen sind. Wer bereits an der Sammelklage teilnehme, müsse nicht tätig werden.
Hintergrund: Der vzbv hat im Oktober 2022 gegen Primastrom und Voxenergie geklagt, weil beide Unternehmen ihre Preise für Strom und Gas gegenüber Bestandskunden erhöht hatten. Die Gaspreise waren teilweise sogar um das Neunfache gestiegen, so der Verband. Welche Verbraucher sich an den Klagen beteiligen könnten, erführen sie mit dem Klage-Check des vzbv. Das Tool liefert Hinweise und einen Mustertext für den Eintrag ins Klageregister beim Bundesamt für Justiz. Durch den Eintrag schließen sich die Betroffenen der Klage an. Möglich ist das noch bis zur ersten mündlichen Verhandlung. Den Termin dafür kann das Gericht jederzeit festlegen. Bis 22.11.2023 können sich Verbraucher der Musterfeststellungsklage gegen Voxenergie anschließen.
Tipp: Zwar führt die Eintragung ins Klageregister dazu, dass man den musterhaft festgestellten Sachverhalt für sich beanspruchen kann, doch eine Zahlung erhält man im Rahmen dieses Prozesses nicht. Hier müsste man selbst noch einmal vor Gericht klagen. Wenn die beiden Anbieter Primastrom und Voxenergie ihr Wort halten, genügt ein Hinweis auf die eigene Eintragung im Klageregister, um die Neuabrechnung und Fortführung des eigenen Vertrages zu früheren Konditionen beziehungsweise die Auszahlung eines Guthabens bei bereits gekündigten Verträgen zu verlangen.
Preiswiderspruch bei sinkenden Sondervertragspreisen?
Von Leonora Holling
(12. Mai 2023) Viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die einen neuen Sondervertrag abgeschlossen haben, stellen derzeit aufgrund der schwankenden Großhandelspreise fest, dass ihr neuer Versorger aktuell noch günstigere Preise anbietet. Das ist ärgerlich, berechtigt aber nicht zu einem Preiswiderspruch oder einer Sonderkündigung des abgeschlossenen Vertrags. Anders als in manchen Vertragsgestaltungen außerhalb des Energiesektors gilt auch nicht der günstigste Preis des Anbieters. Nur wenn noch ein Widerrufsrecht für den neuen Vertrag besteht, kann man es nutzen, um den Preisvorteil doch noch zu erhalten.
Unzulässige Einstufung in die Ersatzversorgung
Von Leonora Holling
(8. Mai 2023) Wer seinem bisherigen Anbieter kündigt oder von diesem selbst die Kündigung des Sondervertrags erhält, darf nicht in die teure Ersatzversorgung eingestuft werden. Auch die Neuregelung der Grundversorgungsverordnung hat daran nichts geändert. Der örtliche Grundversorger muss vielmehr den Verbraucher sofort in die eigene Grundversorgung einstufen und kann ihn nur in zwei Fällen für maximal drei Monate in der Ersatzversorgung belassen: wenn der neue Versorger trotz Zusage nicht rechtzeitig liefert oder er seinen Marktzugang verliert, was etwa bei einer Insolvenz der Fall ist. Nach drei Monaten ist der Verbraucher dann auch in diesen Fällen zwingend in die Grundversorgung einzustufen.
Transparenz bei Preisänderungen
Von Leonora Holling
(21. April 2023) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei aktuellen Urteilen (VIII ZR 199/20 und VIII ZR 200/20) bestätigt, dass Energieversorger bei Strom- und Gaspreiserhöhungen verpflichtet sind, die Preisbestandteile transparent gegenüberzustellen. Dies gelte auch für Sonderverträge. Die Urteile basieren auf Klagen der Verbraucherzentrale NRW gegen die Energieversorger Strogon GmbH und die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH (Immergrün!). Kundinnen und Kunden hatten laut der Verbraucherzentrale Mitteilungen über beabsichtigte Preisänderungen erhalten, die jedoch keine Gegenüberstellung der einzelnen Preisbestandteile enthielten.
Energiepreise: Oft gestellte Fragen
Die Gemengelage ist für Energieverbraucher aktuell höchst unübersichtlich: Preiserhöhungen, neue Umlagen, Steuersenkungen usw. Nachfolgend wollen wir Ihnen Orientierung bieten und haben Ihnen die wichtigsten Entwicklungen und Neuerungen in Form von häufig an den Bund der Energieverbraucher gestellten Fragen zusammengefasst.
Von Leonora Holling
(12. Januar 2023)
1. Mit welchen Entlastungen können Verbraucher rechnen?
Seit dem 1. Oktober 2022 gilt für Erdgas sowie für Flüssiggas ein von 19 auf 7 Prozent reduzierter Umsatzsteuersatz.
Für den Dezember 2022 übernimmt der Staat die Abschlagszahlungen für Gas- und Fernwärmekunden. Details unter „Energiepreise: Was bringt die Bremse?“.
Ab März 2023 tritt die Strom- und Gaspreisbremse in Kraft, die rückwirkend schon ab dem 1.1.2023 gilt. Details unter „Energiepreise: Was bringt die Bremse?“.
2. Welche neuen Umlagen gelten seit dem 1. Oktober 2022 für Gas?
Die medial viel beachtete Gasbeschaffungsumlage wurde am 29. September 2022, nur wenige Tage vor ihrem geplanten Inkrafttreten zum 1. Oktober 2022, von der Bundesregierung zurückgenommen und ist damit für Verbraucher nicht angefallen.
Wirksam von der Regierung eingeführt wurde hingegen mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 die Gasspeicherumlage nach § 35e Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) in Höhe von 0,059 ct/kWh.
Zwei weitere Umlagen treffen Verbraucher seit dem 1. Oktober 2022 ebenfalls erstmals. Die Bilanzierungsumlagen zum Ausgleich der Bilanzierungsfehlbeträgen beim Einsatz von Regel- und Ausgleichsenergie sowie die Konvertierungsumlage für die Kopplung des L-Gasnetzes mit dem H-Gasnetz. Beide Umlagen betrugen bisher 0 ct/kWh und waren daher für Verbraucher nicht relevant. Seit dem
1. Oktober 2022 beträgt die Bilanzierungsumlage 0,57 ct/kWh für Haushaltskunden (SLP) beziehungsweise 0,39 ct/kWh für Verbrauchsstellen mit einer registrierenden Leistungsmessung (RLM). Die Konvertierungsumlage fällt mit einer Höhe von nur 0,038 ct/kWh weniger stark ins Gewicht.
3. Kann mein Versorger die Preise erhöhen?
Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob man sondervertrags- oder grundversorgter Kunde ist. Im Sondervertrag ist eine Preiserhöhung immer dann möglich, wenn für den bestehenden Belieferungszeitraum keine sogenannte Preisgarantie besteht. Besteht eine Preisgarantie, dann können Umlagen und Steuern weitergereicht werden, höhere Beschaffungskosten jedoch nicht. Einer über die staatlichen Umlagen und Steuern hinausgehenden Preiserhöhung sollte man in diesem Fall widersprechen.
Besteht keine Preisgarantie, bleibt im Falle von Preiserhöhungen die Möglichkeit, den Sondervertrag zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Preiserhöhung zu kündigen oder die erhöhten Preise zu akzeptieren.
Gegenüber Verbrauchern in der Grundversorgung hat der Versorger grundsätzlich das Recht, die Preise wegen gestiegener Kosten zu erhöhen. Allerdings besteht hier die Möglichkeit, Widerspruch gegen die Preiserhöhung einzulegen und einen Nachweis der Billigkeit der Preiserhöhung zu verlangen (§ 315 Absatz 1 BGB). Gleichzeitig können Verbraucher die Preise auf das vorherige Niveau kürzen oder unter Vorbehalt zahlen. Details siehe „Die Rückkehr des Preisprotestes“.
4. Müssen Preiserhöhungen angekündigt werden?
Preiserhöhungen müssen vier Wochen vor Wirksamkeit durch den Versorger angekündigt werden. Dabei dürfte im Sondervertrag stets ein individuelles Preiserhöhungsschreiben an den Kunden erforderlich sein. Ein solches Anschreiben kann auch per E-Mail erfolgen. Eine versteckte Ankündigung, beispielsweise in Werbeflyern, ist hingegen in der Regel nicht statthaft. Gleichzeitig muss der Versorger darauf hinweisen, dass zum Zeitpunkt der Preiserhöhung ein Sonderkündigungsrecht besteht.
Für die Grundversorgung ist umstritten, ob es ebenfalls eines individuellen Anschreibens an die Kunden bedarf oder, ob auch eine allgemeine Veröffentlichung, etwa im Internet, ausreicht. Der Bund der Energieverbraucher rät betroffenen Verbraucherinnen und Verbrauchern den Standpunkt der Erforderlichkeit einer individuellen Preisänderungsmitteilung zu vertreten.
5. Können Versorger wegen angeblicher Unzumutbarkeit außerordentlich kündigen?
Es häufen sich neuerdings Fälle, in denen Sonderverträge durch den Energieversorger unter Berufung auf § 314 BGB gekündigt werden. Die Versorger behaupten dabei zumeist, dass eine weitere Belieferung aufgrund der stark gestiegenen Beschaffungskosten unzumutbar sei, so dass er ein Sonderkündigungsrecht bestehe. Dies ist recht zweifelhaft, da das Kalkulationsrisiko bei Abschluss eines Sondervertrages stets der anbietende Versorger trägt. Dabei sind auch Schwankungen in der Gasbeschaffung im Rahmen von fest zugesagten Preisen zu berücksichtigen. Ein kompletter Wegfall der Geschäftsgrundlage des Versorgungsvertrages dürfte dabei nicht anzunehmen sein, da Gas nach wie vor auf dem Markt erhältlich ist und somit auch eine Belieferung des Kunden möglich ist.
6. Mein Grundversorger besteht auf drei Monate Ersatzversorgung vor Beginn einer Grundversorgung – ist das rechtens?
Früher waren die Preise für Grund- und Ersatzversorgung gleich, so dass die Bezeichnung der Versorgung keine Rolle spielte. Seit einer neuen gesetzlichen Änderung darf die Ersatzversorgung teurer als die Grundversorgung sein. Hingegen ist inzwischen gerichtlich geklärt, dass der Grundversorger nicht unterschiedliche Grundversorgungstarife für Bestands- und für Neukunden verlangen darf.
Ob der Grundversorger zunächst einen Neukunden für drei Monate in die Ersatzversorgung einordnen darf, ist gerichtlich noch nicht abschließend entschieden. Auf jeden Fall sollte man vorsorglich der Einordnung in die Ersatzversorgung in Textform widersprechen und zugleich einen Antrag auf Aufnahme in die Grundversorgung stellen. Hierbei ist in der Regel ein Vordruck des Grundversorgers für den Antrag zu nutzen.
7. Wann verjähren Forderungen des Versorgers?
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt im Energiebereich drei Jahre. Die Verjährung beginnt dabei mit dem 1. Januar des Jahres, welches auf den Zugang der Rechnung folgt. Eine Rechnung aus dem Jahre 2019 verjährt daher zum 31.12.2022.
8. Unterbrechen Zahlungserinnerungen oder Mahnungen des Versorgers die Verjährung?
Die Verjährung wird nur unterbrochen, wenn ein gerichtlicher Mahnbescheid oder eine Klage innerhalb der Verjährungsfrist zugestellt wird. Beim Mahnbescheid besteht dabei die Besonderheit, dass es ausreicht, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheides noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt ist und es danach alsbald zur Zustellung kommt. Der Antragstermin ist im Mahnbescheid angegeben und sollte daher kontrolliert werden.
9. Worauf muss ich bei wiederholten Mahnungen meines Versorgers achten?
Einige Versorger, wie etwa aktuell E.ON, überziehen ihre Kunden mit laufenden Mahnungen wegen in der Vergangenheit einbehaltener Beträge. Dies ist grundsätzlich nicht weiter zu beachten. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn der Versorger im Zuge der Mahnschreiben eine neue Kundennummer oder eine neue Bankverbindung angibt. Bei künftigen Zahlungen ist unbedingt darauf zu achten, dass man diese Zahlungen auf die neue Kundennummer und/oder Bankverbindung leistet. Der Versorger wird nämlich sonst behaupten, die Zahlungen seien auf die angeblichen Rückstände erfolgt. So haben es in der Vergangenheit einige Gerichte gesehen. Dies gilt selbst dann, wenn die Forderungen verjährt sind.
10. Kann ich als Fernwärmekunde mit Anschluss- und Benutzungszwang meine Heizung auf Erneuerbare umstellen?
Eine Reduzierung der Anschlussleistung um bis zu 50 Prozent, ist neuerdings ohne weitere Nachweise durch schlichten Antrag beim Versorger möglich und kann helfen, die Kosten im Fall überhöht festgelegter Anschlussleistungen erheblich zu senken.
Auf Grundlage von § 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Fernwärme (AVBFernwärmeV) ist es zudem ausdrücklich erlaubt, sich aus einer Verpflichtung zur Abnahme von Fernwärme zu lösen, wenn auf die Versorgung aus erneuerbaren Energien umgestellt wird. Die Erzeugung der Wärme mit Erneuerbaren muss aber selbst erfolgen, der Bezug etwa von Ökostrom eines Drittanbieters für einen Durchlauferhitzer reicht nicht aus. Die Umstellung kann zudem kostenpflichtig sein.
- Musterschreiben Gas: bdev.de/gasms
- Musterschreiben Strom: bdev.de/stromms
Stromsperren: Grundversorger in der Pflicht
Von Leonora Holling und Louis-F. Stahl
(30. August 2021) Grundversorger sind verpflichtet, Endverbraucher in ihrem Versorgungsgebiet mit Strom beziehungsweise Gas zu versorgen, sofern Energieverbraucher keinen anderweitigen Versorger gewählt haben. Fällt ein von Verbrauchern gewählter Versorger aus oder scheitert ein Anbieterwechsel, müssen Grundversorger darüber hinaus eine „Ersatzversorgung“ für bis zu drei Monate sicherstellen. Grundversorger müssen ihrer Versorgungspflicht jedoch nicht unbegrenzt nachkommen. Gemäß §§ 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sind sie berechtigt, Grundversorgungsverhältnisse abzulehnen oder diese zu beenden, wenn diese wirtschaftlich unzumutbar sind. Eine solche Unzumutbarkeit liegt typischerweise bei Zahlungsrückständen in erheblichem Umfang vor. Zwischen Endverbraucher und Grundversorger besteht dann nach allgemeiner Auffassung kein Versorgungsverhältnis.
Diese Regelung machte sich ein besonders gewitzter Grundversorger mit einem Trick zu Nutze: Er kündigte bestehende Versorgungsverträge mit unliebsamen Energieverbrauchern seit 2012 in hunderten Fällen, lies die Energieverbraucher damit in die Ersatzversorgung fallen und erklärte dem Netzbetreiber nach drei Monaten ein „Lieferende“, anstatt wie üblich eine kostenpflichtige Sperrung der betreffenden Anschlüsse zu beauftragen. Natürlich entnahmen die Verbraucher weiterhin Strom aus dem Netz. Auf den Kosten dafür sollte, so der gewitzte Grundversorger, wiederum der Netzbetreiber sitzen bleiben. Dass dieser Trick nicht zulässig ist, hatte bereits die Bundesnetzagentur (Az. BK6-16-161) und auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 3 [Kart] 801/18) entschieden. Der Versorger ging gegen diese Entscheidungen in Revision. Die Energiedepesche berichtete über die Masche und den Verfahrensstand ausführlich in „Unzulässige Stromsperren: Grundversorger muss liefern“.
Nunmehr entschied der Bundesgerichtshof die Streitfrage in letzter Instanz (Az. EnVR 104/19). Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und stellte seinerseits klar, dass die Entnahme von Energie aus einem Netz bilanziell stets dem Grundversorger zuzurechnen sei, sofern kein anderweitiges Lieferverhältnis bestehe. Dies gelte auch im Falle einer Ablehnung der Versorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit durch den Grundversorger. Grundversorger tragen demnach das Risiko unberechtigter Entnahmen von Strom und sind verantwortlich, ihrerseits Sperraufträge beim örtlichen Netzbetreiber zu erteilen, sofern sie eine unberechtigte Entnahme aus dem Netz zu ihren Lasten verhindern wollen.
Bundesnetzagentur verhängt Bußgeld: Untergeschobene Verträge
Von Louis-F. Stahl
(3. Juni 2021) Die Energiedepesche berichtete in den vergangenen Jahren mehrfach über immer neue Rekordbußgelder gegen unerlaubte Telefonwerbung und Verbrauchern am Telefon untergeschobene Energieversorgungsverträge (zuletzt in „Rekordbußgelder für Telefonwerbung“).
Im Februar 2021 hat die Bundesnetzagentur ihren jüngsten Bußgeldbescheid über 250.000 Euro erlassen: Die Aufsichtsbehörde sieht es als erwiesen an, dass der Energieversorger Mivolta bundesweit in vielen hundert Fällen Verbraucher mit rechtswidrigen Werbeanrufen zu Strom- und Gaslieferverträgen der Eigenmarke MaXXimo belästigt habe.
Wie die Behörde mitteilt, sollen sich ungebetene Anrufer neuerdings vermehrt als Mitarbeiter der örtlichen Stadtwerke, einer Energieagentur oder sogar der Bundesnetzagentur ausgegeben haben. Trickreich gelangen die Anrufer auf diesem Wege an Zählernummern und andere Informationen, mit denen ohne Einwilligung der Verbraucher Anbieterwechsel oder Abbuchungen vom Bankkonto der betroffenen Verbraucher angestoßen werden.
Der Bund der Energieverbraucher rät, bei ungebetenen Anrufen im Zweifel direkt aufzulegen. Jedwedes Gespräch mit Telefonkriminellen birgt die Gefahr, dass Sie ungewollt eine Information preisgeben, die den Tätern noch fehlt, um an Ihr Geld zu kommen. Werbeanrufe ohne vorige Einwilligung sind zudem in Deutschland verboten. Verbraucher, die unerlaubte Werbeanrufe erhalten, sind dazu aufgerufen, jeden Fall zur Anzeige zu bringen, damit die Behörden den Kriminellen das Handwerk legen können. Die Bundesnetzagentur betreibt eine Online-Meldestelle (bundesnetzagentur.de/telefonwerbung-beschwerde) zur Meldung unerlaubter Werbeanrufe.
DSGVO: Datenschutz beim Preisvergleich
Von Louis-F. Stahl
(12. März 2021) Wechselportale lassen sich nicht gerne in die Karten – beziehungsweise Daten – schauen. Diese Erfahrung musste auch die Datenschutzplattform „Itsmydata“ machen, die es Verbrauchern über einen Webservice ermöglicht, bei einer Vielzahl von Unternehmen kostenlose DSGVO-Selbstauskünfte über die dort gespeicherten personenbezogenen Daten anzufordern. Das Portal Check24 hält die Anfragen jedoch für „wahllos“ und ließ im November 2020 verlauten, die automatisiert eingehenden Anfragen nicht mehr zu beantworten. Verbraucher, die sich bemühen von Check24 direkt eine Auskunft anzufordern, sollen auch weiterhin eine individuelle Auskunft erhalten.
Der Bund der Energieverbraucher beobachtet seit Monaten zunehmend, dass wechselfreudige Verbraucher von Versorgern als Neukunde systematisch abgelehnt werden (siehe „Wechselkunden? Nein danke!“). Der Verein rät daher Verbrauchern, nach der Kündigung eines Belieferungsvertrages dem bisherigen Versorger eine Weitergabe der gespeicherten Daten im Zuge eines Widerspruchs ausdrücklich zu untersagen und auch zugleich die Sperrung sowie anschließende Löschung aller Daten nach Ende des Vertrages zu verlangen. Nach einem erfolgreichen Anbieterwechsel sollten Verbraucher genau dieses Verlangen auch gegenüber einem eventuell genutzten Wechselportal vorbringen.
Mit erfreulicher Klarheit hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Energieversorger keine überhöhten Inkassokosten von säumigen Kunden verlangen dürfen.
Überhöhte Inkassokosten
Von Leonora Holling
(8. Dezember 2020) Mit erfreulicher Klarheit hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 10. Juni 2020 in einem Verfahren von Gaskunden gegen die Stadtwerke München festgestellt, dass Energieversorger keine überhöhten Inkassokosten von säumigen Kunden verlangen dürfen (AZ. VIII ZR 289/19).
Im konkreten Fall hatte der Versorger entsprechend seiner Preisliste pauschal 34,15 Euro für einen Zahlungseinzug mittels einer Inkassofirma verlangt. In diesen Kosten waren auch allgemeine Betriebskosten des Dienstleisters enthalten, wie beispielsweise das Vorhalten eines IT-Systems. Nach Auffassung des höchsten deutschen Zivilgerichtes gehören solche Kosten aber nicht zu den Kosten des Forderungseinzuges. Insoweit seien stets nur die tatsächlichen Rechtsverfolgungskosten umlegbar, nicht aber allgemeine Verwaltungskosten oder gar eine überhöhte Pauschale.
Europäischer Gerichtshof: Preiserhöhung ohne Ankündigung
Von Leonora Holling
(15. August 2020) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich erneut mit den Folgen einer unterbliebenen Mitteilung über eine Preiserhöhung bei grundversorgten Verbrauchern beschäftigen müssen.
In früheren Urteilen hatte der EuGH dabei bisher die Auffassung vertreten, dass aus Gründen des Verbraucherschutzes und des Erfordernisses der Transparenz ein Grundversorger seine Kunden frühzeitig über eine anstehende Preiserhöhung in Kenntnis setzen muss. Gleichzeitig ist der Grundversorger dabei verpflichtet, auf die Möglichkeit der Kündigung hinzuweisen.
Der EuGH ist jedoch in seiner neusten Entscheidung vom 2. April 2020 (Az. C-765-18) nunmehr überraschend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine fehlende Preisänderungsmitteilung nicht automatisch zu einer Unwirksamkeit der Preiserhöhung führen müsse. Vielmehr meint der EuGH nun, dass bei einer unterlassenen Mitteilung dem Verbraucher lediglich ein Schadenersatzanspruch entsteht.
Die Höhe dieses Anspruchs berechne sich, so der EuGH, aus dem Mehrpreis, den der Verbraucher wegen der nicht erfolgten Kündigung in der Folgezeit zu zahlen hatte. Aufgrund welchen Maßstabes sich dabei der „Mehrpreis“ errechnen soll, ist völlig unklar. Zudem dürfte sich der Anspruch wohl auf den Zeitraum beschränken, bis zu dem der Verbraucher nach Kenntnis von der Preiserhöhung frühestmöglich zu einem anderen Anbieter hätte wechseln können.
Für Verbraucher ist dieses Urteil doppelt bitter: Einerseits scheint selbst der bisher verbraucherfreundliche EuGH den Verbraucherschutz in der EU nicht mehr hochhalten zu wollen und andererseits ist das Urteil in der praktischen Anwendung für Verbraucher ohne anwaltliche Hilfe kaum umsetzbar. Doch selbst bei einer anwaltlichen Vertretung bleibt offen, wie die nationalen Gerichte den Mehrpreis berechnen werden, sodass für die betroffenen Verbraucher ein besonderes Prozessrisiko besteht, sofern die betroffenen Verbraucher keine Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen können oder über eine andere Absicherung wie den Prozesskostenfonds vom Bund der Energieverbraucher geschützt sind.
Unzulässige Stromsperren: Grundversorger muss liefern
Von Leonora Holling
(8. August 2020) Energieversorger können Sondervertragskunden unter bestimmten Voraussetzungen kündigen. Beispielsweise wenn Verbraucher ihren Zahlungsverpflichtungen längerfristig nicht nachkommen. Dann muss nach der Abmeldung durch den bisherigen Versorger jedoch der örtliche Ersatzversorger einspringen und die Verbraucher für drei Monate übernehmen. Finden die gekündigten Verbraucher keinen neuen Versorger, muss wiederum der örtliche Grundversorger die betreffenden Kunden aus der Ersatzversorgung übernehmen.
Ein besonders gewitzter Grund- und Ersatzversorger hat versucht, sich seiner Versorgungspflicht durch geschickte „Abmeldungen“ von säumigen Verbrauchern zu entziehen. Zu Unrecht, wie zunächst die Bundesnetzagentur (Az. BK6-16-161) und nun auch das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. 3 [Kart] 801/18) entschieden.
Der seit 2012 praktizierte Trick des Versorgers funktionierte wie folgt: Sondervertragskunden, die ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen waren, wurden beim örtlichen Netzbetreiber mit dem Hinweis „Lieferantenwechsel zum Ersatzversorger“ abgemeldet. Da der Versorger in den betroffenen Gebieten auch der verpflichtete Grund- und Ersatzversorger war, musste er diese Kunden nach der Abmeldung des Sondervertrages für drei Monate in die Ersatzversorgung übernehmen. Nach der Ersatzversorgung hätte er die Kunden wiederum in die Grundversorgung übernehmen müssen. Dies unterließ der Versorger jedoch in hunderten Fällen und meldete den Netzbetreibern die säumigen Verbraucher mit dem Vermerk „Lieferende“ aus der Ersatzversorgung ab. Wenn die Netzbetreiber dann den Anschluss nicht sofort sperrten, was nicht zulässig ist, da die Verbraucher einen Anspruch auf die Grundversorgung haben, wurden die Netzbetreiber durch den ohne Versorger aus ihrem Netz entnommenen Strom geschädigt.
Im Rahmen des Verfahrens verteidigte der Versorger seine kreative Praxis mit dem Argument, dass es ihm wirtschaftlich unzumutbar sei, säumige Kunden in der Grundversorgung zu beliefern. Dies sah die Bundesnetzagentur anders, die eine klare Verpflichtung des Grundversorgers bestätigte, alle nicht anderweitig belieferten Stromkunden in die Grundversorgung übernehmen zu müssen. Dies sei gerade die Aufgabe der Grundversorgung. Das OLG Düsseldorf hat die Entscheidung der Bundesnetzagentur bestätigt.
Damit wurde erstmals mit erfreulicher Eindeutigkeit geurteilt, dass die Grundversorgung nicht ohne Weiteres kündbar ist. Der Versorger hat Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt (Az. EnVR 104/19). Wir werden berichten, sobald der BGH entschieden hat.
Vorsicht Falle: Gut versteckte Preiserhöhung
Von Bund der Energieverbraucher e.V.
(3. August 2020) Der Bund der Energieverbraucher warnt Energiekunden seit Jahren vor sogenannten „versteckten Preiserhöhungen“. Dabei handelt es sich um Preiserhöhungsankündigungen, die von Versorgern in Schreiben an ihre Kunden so platziert werden, dass die Kunden die Preisänderungsankündigung möglichst nicht bemerken. Über die Jahre hat der Verein die obskursten Versuche beobachten können.
Zu den Highlights der bisher beobachteten Verstecke zählen das Kleingedruckte von vermeintlichen Werbeflyern aber auch fünfseitige Schreiben mit belanglosen Informationen über die Energiewende, die ganz beiläufig eine Preiserhöhung für den Stromtarif des Empfängers auf der dritten Seite in einem Nebensatz enthielten.
Der Versorger „Regionale Energiewerke“ hat kürzlich mit einer neuen kreativen Gestaltung von Preiserhöhungen den Unmut des Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) auf sich gezogen, indem auch der Bund der Energieverbraucher e.V. organisiert ist. Die Regionalen Energiewerke haben Kunden unter der Überschrift „Aktuelle Neuigkeiten“ eine marginale Senkung des „Strompreises (Arbeitspreis)“ angekündigt und dies groß auf der ersten Seite des Schreibens dargestellt. Am Ende des Schreibens mittig in einem langen und unscheinbaren Textblock versteckte sich dann jedoch die Preiserhöhung: Wir werden „Ihren Grundpreis von aktuell siebenundachtzig Komma sechsundneunzig Euro jährlich auf fünfunddreißig Euro monatlich anpassen.“ Also eine Erhöhung des Grundpreises pro Jahr um rund 332 Euro. Da der Versorger die Zahlen ausgeschrieben hat, fällt die Erhöhung im übrigen Text kaum auf. Der Versorger wurde vom VZBV abgemahnt und hat inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Das Landgericht Hamburg stellte bereits mit Urteil vom 16. Januar 2018 fest, dass Preisankündigungen nicht in einem allgemeinen Kundenanschreiben versteckt werden dürfen, sondern optisch herauszuheben sind (Az. 312 O 514/16). Unabhängig von der Unwirksamkeit versteckter Preisänderungsankündigungen rät der Bund der Energieverbraucher alle Schreiben von Versorgern stets bis zum letzten Zeichen im Kleingedruckten auf Preiserhöhungen zu prüfen und im Fall einer Preiserhöhung vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen. Sollten Sie eine versteckte Preiserhöhung erhalten, freut sich der Verein über Ihren Hinweis zur Warnung anderer Verbraucher.
Anbieterwechsel: Intransparente Vergleichsrechner
Von Leonora Holling
(8. April 2020) Internet-Vergleichsportale ermöglichen es Verbrauchern eine Vielzahl an Tarifen zu vergleichen. Zahlt der Verbraucher für diesen Service kein Entgelt, so sind es in der Regel die Anbieter, die die Portale über Provisionen bei einem Wechsel finanzieren. Eigentlich müssten Internet-Vergleichsportale daher korrekterweise als „Provisions-Vermittlungsportale“ bezeichnet werden, da kein unabhängiger Vergleich erfolgt.
Das Oberlandesgericht Köln hatte kürzlich über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein „Vergleichsportal“ für Autoversicherungen eine Versicherung nur weit hinten in der Ergebnisliste aufführte und deren Preise nicht anzeigte, weil die Versicherung die Zahlung von Provisionen verweigerte. Zudem erschien in der Ergebnisliste der Hinweis, dass eine Preisberechnung bei den Tarifen dieser Versicherung nicht möglich sei. Das Gericht sah in dem Verhalten des Vergleichsportals einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Az. 6 U 191/18). Bei einem Preisvergleichsranking dürften nur Produkte verglichen werden, bei denen der jeweilige Preis auch genannt werde. Etwas anderes könne nur gelten, so das Oberlandesgericht, wenn neben dem Preis noch weitere Merkmale tatsächlich verglichen werden. Angesichts der Anpreisung des Vergleichsportals, für den Endverbraucher den billigsten Anbieter zu ermitteln, sei diese Annahme aber hier nicht gerechtfertigt.
Das Urteil hat auch auf Strom- und Gasanbieterportale Auswirkungen, da diese ebenfalls mit der Ermittlung der günstigsten Preise werben. Auch hier dürfen Anbieter nun nicht mehr erscheinen, für die keine Preise genannt werden.
Stiftung Warentest: Wechselservices durchleuchtet
Von Leonora Holling und Louis-F. Stahl
(4. April 2020) Informierte Verbraucher wissen, dass ein regelmäßiger Preisvergleich mit anschließendem Anbieterwechsel nicht nur bares Geld spart, sondern auch für einen funktionierenden Wettbewerb unter den Anbietern sorgt. Wechselwillige Verbraucher stehen daher regelmäßig vor der Herausforderung, rechtzeitig an den Anbieterwechsel zu denken und dann aus dem Angebot der zahllosen Strom- sowie Gasanbieter einen preiswerten und seriösen Anbieter auszuwählen.
Bisher waren für Verbraucher zumeist Vergleichsportale im Internet die erste Anlaufstelle für einen Tarifvergleich. Diese Vergleichsrechner arbeiten jedoch typischerweise auf Provisionsbasis und zeigen auch windige Anbieter auf den ersten Plätzen an, sofern diese Provisionen an die Portale zahlen. Günstige Anbieter, die keine Provisionen zahlen, werden hingegen häufig sogar standardmäßig ausgeblendet.
Der Bund der Energieverbraucher bietet seinen Mitgliedern seit fünf Jahren eine Lösung für diese Probleme an: Der Anbieterwechselservice des Vereins findet passende und auf die besonderen Wünsche der Mitglieder zugeschnittene Anbieter, erledigt alle Formalitäten des Wechsels und meldet sich rechtzeitig zum Ende der Mindestvertragslaufzeit, um an die nächste Wechselmöglichkeit zu erinnern. Dieser exklusive Mitgliederservice wird vom Verein für einen pauschalen Kostenbeitrag in Höhe von 20 Euro angeboten und ist vollkommen unabhängig von Versorgern und Provisionen.
Inzwischen haben auch kommerzielle Dienstleister diese Marktlücke entdeckt und bieten Anbieterwechselservices auf Provisionsbasis an. Verbraucher zahlen für den Service zwischen 20 und 30 Prozent der Ersparnis durch den Wechsel. Je nach Verbrauch und bisherigem Tarif kommen so schnell 40 bis 60 Euro Wechselgebühr zusammen. Die Stiftung Warentest hat einige dieser Anbieter untersucht und zieht eine positive Bilanz (Finanztest 4/2019). Die Tester befanden die Wechseldienstanbieter „eSave“, „SwitchUp“, „Wechselpilot“ und „Wechselstrom“ als „sehr empfehlenswert“. Der Anbieter „SwitchUp“ nimmt jedoch eine Sonderrolle ein, weil dieser die Provision nicht vom Verbraucher bezieht, sondern vom neuen Versorger, was Zweifel an der Unabhängigkeit der Empfehlungen zulässt. Die Anbieter „Energyhopper“ und „Stromauskunft“ wurden für „nicht empfehlenswert“ befunden.
Ohne Wenn und Aber: Anspruch auf Bonus
Von Leonora Holling
(31. März 2020) Energieversorger müssen zugesicherte Sofortboni auch ohne eine explizite Aufforderung durch den Verbraucher von selbst auszahlen. Das hat das Landgericht Köln in einem Verfahren der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen den zur 365 AG gehörenden Energieversorger Immergrün-Energie entschieden (Az. 84 O 96/19).
Das Gericht stellt in seinem Urteil fest, dass es im Hinblick auf die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb irreführend und unlauter ist, einen Sofortbonus zuzusagen, diesen aber nur auszuzahlen, wenn der Verbraucher die Auszahlung anmahnt.
Auch bei der Bearbeitung von Kündigungen stellten die Kölner Richter ein irreführendes und unzulässiges Vorgehen fest: Der Versorger hatte die Kündigung eines Verbrauchers als formell fehlerhaft zurückgewiesen, da in der Kündigung ein falsches Beendigungsdatum benannt wurde.
Die Richter stellten fest, dass auch bei der Angabe eines falschen Datums in der Kündigung eine form- und fristgerechte Kündigung vorliege, die der Versorger zu beachten habe. Der Adressat einer zeitlich unrichtigen Kündigung muss diese hilfsweise auf den zutreffenden Zeitpunkt beziehen.
Auf die seinerzeitigen Nachfragen des Vereins wurde das Bestehen von sogenannten „schwarzen Listen“ über wechselfreudige Verbraucher von allen befragten Energieversorgern und auch von deren Dachverband BDEW strikt verneint.
Schwarze Liste der Versorger
Von Leonora Holling
(19. März 2020) Vor einigen Jahren erreichten den Bund der Energieverbraucher Beschwerden von Verbrauchern über abgelehnte Wechselanträge. Auf die seinerzeitigen Nachfragen des Vereins wurde das Bestehen von sogenannten „schwarzen Listen“ über wechselfreudige Verbraucher von allen befragten Energieversorgern und auch von deren Dachverband BDEW strikt verneint.
Als Motiv für die Ablehnung von „Häufigwechslern“ durch die Versorger wurde vermutet, dass die Preise im ersten Belieferungsjahr aufgrund der Provisionen für Online-Wechselportale sowie von Bonuszahlungen häufig nicht kostendeckend sind. Erst ab dem zweiten – teureren – Belieferungsjahr zahlen Verbraucher in der Regel Preise, die eine Gewinnmarge für den Versorger enthalten. Kündigt der Verbraucher den Vertrag nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres, um wieder zu einem günstigen Anbieter mit neuem Bonus zu wechseln, ist dies für den Versorger zumeist ein Minusgeschäft.
Wie die Stiftung Warentest berichtet, soll es erneut gehäuft zur Ablehnung von wechselwilligen Verbrauchern durch Versorger gekommen sein (Finanztest 8/2019). Grundsätzlich dürfen Unternehmen aufgrund der Vertragsfreiheit den Abschluss eines Energievertrages zwar ablehnen, wenn Versorger untereinander aber Informationen über die Wechselfreude von Verbrauchern „austauschen“, dürfte dies datenschutzrechtlich angreifbar sein. Es ist daher zu empfehlen, den bisherigen Versorger bei der Kündigung eines Vertrages vorsorglich aufzufordern, die Daten zum Vertrag nicht weiterzugeben sowie diese nach der Abrechnung zu löschen. Gibt es später Hinweise auf eine Ablehnung aufgrund einer „schwarzen Liste“, sollte man den zuständigen Datenschutzbeauftragten einschalten, der empfindliche Bußgelder verhängen kann.
Bundesgerichtshof: Überhöhte Mahn- und Sperrkosten
Von Leonora Holling
(21. Februar 2020) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst die Rechte von Energiekunden gestärkt. In einem Verfahren gegen den Versorger Süwag hat sich der BGH mit der Zulässigkeit von Mahn- und Sperrkosten gegenüber säumigen Verbrauchern befasst (Az. VIII ZR 95/18).
Der BGH stellte im Rahmen seiner Entscheidung fest, dass pauschale Mahnkosten in Höhe von 2,50 Euro nicht gerechtfertigt sind und die gewöhnlich zu erwartenden Kosten für einen automatisierten Vorgang übersteigen. Auch die Kosten des vom Versorger beauftragten Netzbetreibers Syna für ein Vor-Ort-Inkasso beziehungsweise bei Nichtzahlung für die Unterbrechung der Versorgung in Höhe von jeweils 77,13 Euro erachtete der BGH als unzulässig überhöht. Darüber hinaus könne sich der Versorger auch nicht darauf berufen, dass ihm diese überhöhten Kosten tatsächlich vom Netzbetreiber berechnet wurden und er die Kosten lediglich weiterberechne.
Auf Basis dieser Entscheidung sollten Verbraucher Pauschalen für Mahnungen ab 2,50 Euro sowie für ein Vor-Ort-Inkasso oder eine Versorgungsunterbrechung von mehr als 77,13 Euro als überhöht zurückweisen.
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