Rechtliche Fragen
Bundeszuschuss Netzentgelte ausgesetzt: Sonderkündigungsrecht wegen steigender Netzentgelte prüfen
Von Michael Herte
(13. Juni 2024) Die Bundesregierung hat entschieden, den bisherigen Bundeszuschuss zu den Netzentgelten von Stromverbrauchern in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zu streichen. Deswegen erhöhen sich 2024 die von der Bundesnetzagentur genehmigten Netzentgelte. Dadurch steigt die Stromrechnung eines Durchschnittshaushalts jährlich um 100 bis 120 Euro.
Bei der Weitergabe der erhöhten Netzentgelte handelt es sich grundsätzlich um eine Preiserhöhung. Wer im Rahmen der Grundversorgung beliefert wird, hat jederzeit ein zweiwöchiges Kündigungsrecht (§ 20 Abs. 1 Stromgrundversorgungsverordnung) und kann schauen, ob es einen preiswerteren Anbieter gibt. In Sonderverträgen ist das Preisänderungsrecht regelmäßig in den AGB vereinbart. Zwar besteht grundsätzlich ein Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen (§ 41 Abs. 5 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung – EnWG). Problematisch ist aber, dass einige Energieanbieter in ihren Verträgen eine automatische Weiterreichung von Änderungen staatlich veranlasster Preisbestandteile (inklusive Netzentgelte) vereinbart haben. Diese Regelung nennt man auch separiertes Preissystem. Die Unternehmen argumentieren, dass die Preiserhöhung im Rahmen einer von vornherein vereinbarten automatischen Weitergabe keine einseitige Änderung ist, da sie einen Teil der zweiseitigen Preisvereinbarung darstellt. In so einem Fall bedarf es nicht einmal einer Information zu dieser Preiserhöhung und auch ein Sonderkündigungsrecht besteht nicht. Kunden können die Erhöhung erst bei der nächsten Abrechnung feststellen, wenn sie die Preisbestandteile sorgfältig vergleichen.
Tipp für Energieverbraucher
Erhalten Sie keine Information zu der Preiserhöhung wegen der gestiegenen Netzentgelte, dann nimmt Ihr Stromversorger an, dass die Weitergabe gestiegener Netzentgelte keine Preiserhöhung ist. Prüfen Sie Ihren Vertrag, ob tatsächlich eine automatische Weiterreichung erhöhter Netzentgelte geregelt ist. Ist das nicht der Fall, dann fordern Sie die Belieferung zu den ursprünglichen Konditionen.
Strompreisgarantien: Preisanstieg mit Sonderkündigungsrecht
(18. September 2023) Viele Stromtarife haben eine Preisgarantie. Das bedeutet: Wenn die Beschaffungskosten oder Netzentgelte steigen, darf der Anbieter die Preise nicht erhöhen. Das gilt selbst dann, wenn im Kleingedruckten der Versorger sich ein Kündigungsrecht bei steigenden Beschaffungskosten eingeräumt hat. Das Landgericht Tübingen hat eine solche Garantie als „irreführend“ eingestuft (Az. 20 O 19/22). Wenn sich Steuer, Abgaben und Umlagen erhöhen, dürfen selbst Stromtarife mit Preisgarantie ansteigen, sofern dies vereinbart wurde. Der Verbraucher hat jedoch ein Sonderkündigungsrecht (Quelle: Test 8/2023, S. 78).
Wechselkunden? Nein danke!
Der Bund der Energieverbraucher verfolgt seit Jahren Beschwerden von Verbrauchern, die beim Anbieterwechsel scheinbar grundlos abgelehnt werden. Bereits früh kam der Verdacht auf, dass Energieversorger schwarze Listen mit wechselfreudigen Kunden führen, um „Vielwechsler“ als Neukunden abzulehnen. Die Schufa plant daraus ein Geschäftsmodell zu machen.
Von Leonora Holling
(30. Oktober 2020) Auch auf wiederholte Nachfragen unseres Vereins wurde das Bestehen von solchen Listen über wechselfreudige Verbraucher von allen befragten Energieversorgern und auch von deren Dachverband, dem Bund der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), über Jahre hinweg strikt verneint. Ab 2018 haben neben unserem Verein mehrere Tageszeitungen von auffälligen Vertragsabsagen durch Versorger gegenüber potenziellen Neukunden berichtet, die zuvor häufig wechselten.
Vorgeschobene „Probleme“
Die Stiftung Warentest griff in ihrer Augustausgabe 2019 den Fall eines Verbrauchers auf, der über das Wechselportal Verivox bei dem Energiediscounter Immergrün einen günstigen Tarif abschließen wollte. Die Ablehnung von Immergrün kam vier Tage, nachdem Verivox den Wechsel eingeleitet hatte. Als der Verbraucher, der über einen tadellosen finanziellen Background verfügte, nachhakte, kam Erstaunliches zu Tage. Immergrün behauptete, dass Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Netzbetreiber sowie mit dem bisherigen Versorger Grund der Ablehnung gewesen seien. Welche Unstimmigkeiten dies gewesen sind und warum diese nicht behoben werden konnten, begründete Immergrün nicht. Verivox wiederum teilte lapidar mit, dass Energieversorger Kundenaufträge nicht annehmen müssten. In Deutschland bestehe schließlich Vertragsfreiheit. Auch wir als Bund der Energieverbraucher mussten im Rahmen unseres eigenen Wechselservices ab Ende 2019 zunehmend mehr unerklärliche Vertragsablehnungen beobachten (siehe „Schwarze Liste der Versorger“).
Neue Erkenntnisse
Bisher wurde angenommen, die Ablehnung von Vertragsabschlüssen würde mit einer Liste von Verbrauchern in Zusammenhang stehen, die systematisch überhöhte Rechnungen kürzen. Rechercheergebnisse des NDR und der Süddeutschen Zeitung offenbaren jetzt eine ganz andere Dimension. Demnach sollen inzwischen Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa und Crif Bürgel planen, einen Informationspool über wechselfreudige Verbraucher als neues Geschäftsmodell aufzubauen. Energieversorger würden damit in die Lage versetzt, bereits vor Abschluss eines Belieferungsvertrages zu erfahren, ob ihr potenzieller Neukunde nach dem ersten Belieferungszeitraum tendenziell erneut wechseln wird.
Kritische Informationen
Diese Information ist deshalb relevant, da viele Versorger im ersten Belieferungszeitraum Neukunden mit hohen Boni locken. Durch die teuer erkauften Neukunden werden aber im ersten Vertragszeitraum keine satten Gewinne erwirtschaftet. Das Geschäft mit dem Neukunden rentiert sich erst, wenn in einem Folgebelieferungszeitraum die Boni ausgelaufen sind und gegebenenfalls auch die Preise angezogen werden. Das Geschäft macht der Versorger also erst, wenn der Verbraucher über die Mindestvertragslaufzeit hinaus Kunde bleibt. Dies erklärt das geringe Interesse der Versorger an wechselfreudigen Kunden, die direkt nach dem ersten Belieferungszeitraum das nächste Schnäppchen bei der Konkurrenz anpeilen.
Ablehnung inzwischen üblich
Der Wechseldienst „Wechselpilot“ schätzt, dass inzwischen jeder fünfte Verbraucher, der regelmäßig wechselt, aus diesem Grund durch Versorger abgelehnt wird. Die Strategie von Verbrauchern, die sich gegen überhöhte Energiepreise durch regelmäßige Wechsel zur Wehr setzen, wird also nun mit einer Gegenstrategie bekämpft. Dabei bleibt jedoch der Datenschutz auf der Strecke, da Verbraucher diese Art der Weitergabe ihrer Daten nicht wünschen und nicht dulden müssen. Wie die Süddeutsche Zeitung mitteilt, wollen sich Anfang November 2020 die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern mit den Planungen der Auskunfteien zu den neuen Informationspools und ihrer rechtlichen Zulässigkeit beschäftigen. Der Bund der Energieverbraucher fordert insoweit, dass ein klares Verbot der Weitergabe von Wechseldaten ausgesprochen wird, da diese eben genau nicht zur Frage der Kreditwürdigkeit gehören.
Rat für Wechselkunden
Verbrauchern ist einstweilen zu raten, mit einer Kündigung des Belieferungsvertrages dem bisherigen Versorger eine Weitergabe der gespeicherten Daten im Zuge eines Widerspruchs ausdrücklich zu untersagen und auch zugleich die Sperrung sowie anschließende Löschung aller Daten nach Ende des Vertrages zu verlangen. Wird sodann aus nicht erklärlichen Gründen durch den designierten neuen Versorger der Vertragsabschluss verweigert, kann man sich an den örtlich zuständigen Datenschutzbeauftragten wenden und den Verdacht einer unerlaubten Weitergabe personenbezogener Daten vorbringen. Würden viele Verbraucher diesen Rat beherzigen, wäre das Geschäftsmodell von Schufa und Co. wohl bald ausgehebelt.
Kündigungsrecht auch bei Umlagenerhöhungen
(17. Oktober 2017) Erhöhen Stromlieferanten ihre Preise wegen gestiegener oder neu eingeführter Steuern, Abgaben oder Umlagen, haben Kunden ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht. Dies hat am 5. Juli 2017 der Bundesgerichtshof aufgrund einer Klage der Verbraucherzentrale NRW entschieden. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stromio GmbH, die kein entsprechendes Kündigungsrecht vorsah, haben die Richter für unwirksam erklärt (Az. VIII ZR 163/16).
Damit ist höchstrichterlich geklärt, dass Stromanbieter das Sonderkündigungsrecht des Kunden bei Preiserhöhungen aufgrund dieser „staatlichen“ Faktoren nicht ausschließen dürfen und entsprechende Klauseln nun nachbessern müssen. Kunden können Geld aus Preiserhöhungen, die sich auf solche unzulässigen Klauseln stützen, jetzt zurückverlangen.
Im Kleingedruckten behalten sich einige Stromanbieter vor, dass Kunden ihre Verträge nicht kündigen und somit nicht den Anbieter wechseln dürfen, wenn Preise wegen gestiegener Steuern, Abgaben oder Umlagen angehoben werden. Eine solche Klausel hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf der Stromio GmbH bereits im Juli 2016 untersagt (Az. I-20 U 11/16). Zuvor hatten schon der EuGH und der BGH festgestellt, dass Verbraucher bei Preisänderungen ein fristloses Kündigungsrecht haben. Strittig war aber noch, ob dies auch dann gilt, wenn der Stromlieferant nur die ihm selbst auferlegten „hoheitlichen Belastungen“ an die Kunden weitergibt.
Die Karlsruher Richter haben sich in ihrem Urteil nun auf die Seite der Kunden gestellt und entschieden, dass derartige Preisänderungen von § 41 Absatz 3 Energiewirtschaftsgesetz erfasst werden. Demzufolge müssten die Kunden rechtzeitig über eine Preiserhöhung informiert werden. Sie könnten dann zudem ihren Stromliefervertrag zum Zeitpunkt der Änderung kündigen. Die Folgen für Verbraucher: Wer rechtzeitig Widerspruch gegen eine Jahresrechnung eingelegt hat, kann nun auf Erstattung pochen und Preiserhöhungen, die auf solch unwirksamen Klauseln beruhen, zurückverlangen.
Auch wer seiner Jahresrechnung wegen unwirksamer Preisanpassungsklauseln bisher noch nicht widersprochen hat, kann noch auf Erstattung hoffen: Einer Rechnung kann binnen drei Jahren rückwirkend auf den Tag genau widersprochen werden, an dem sie zugegangen ist: Einer Jahresrechnung vom 15. Oktober 2014, die am 18. Oktober 2014 zugestellt wurde, also noch bis zum 18. Oktober 2017.
Wenn ein Stromlieferant die Erhöhung aller Umlagen konsequent weitergegeben hat, kann ein Kunde bei rechtzeitigem Widerspruch gegen Rechnungen aus 2014 (in denen Preiserhöhungen zum Frühjahr 2014 enthalten sind) bei einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh für den Zeitraum 2013 bis 2017 etwa 150 Euro zurückverlangen, bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh etwa 220 Euro. Mit einem Musterbrief hilft die Verbraucherzentrale bei der Formulierung des Widerspruchs.
Versorger tricksen Rechtsstaat aus
Hunderttausende Verbraucher, aber auch Verbraucherschützer, die Bundesnetzagentur und selbst Gerichte werden regelmäßig von höchst unseriösen Energieanbietern ausgetrickst. Die Betrüger ziehen am Ende oft straflos weiter in neue „Unternehmungen“. Daran hat sich leider bisher wenig geändert. Eine unrühmliche Zwischenbilanz.
Von Aribert Peters
(16. Juni 2017) Verbraucher vertrauen darauf, dass alle Energieanbieter seriös arbeiten und sich an die gesetzlich festgelegten Spielregeln halten. Schließlich gibt es Verbraucherzentralen, Bundesnetzagentur, Gerichte und Pressefreiheit, so dass unseriöse Firmen recht schnell vom Markt verschwinden sollten. Leider ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt. Denn es gibt Energieversorger, die systematisch tricksen und betrügen und damit sogar noch am Markt Erfolg haben. Selbst nach einer Pleite kommen die Verantwortlichen oft mit geringen Strafen davon.
In der jüngsten Vergangenheit gab es die spektakulären Insolvenzen von Flexstrom, Teldafax und Care Energy mit jeweils hunderttausenden betroffenen Energieverbrauchern. Auch einige heute am Markt aktive Unternehmen operieren am Rande der Legalität in einer rechtlichen Grauzone. Diese schwarzen Schafe nutzen systematisch die Schwächen der Aufsichtssysteme und machen Kritiker mit Abmahnungen mundtot.
Pleiten und Pech
Besonders ärgerlich ist für Verbraucher, dass mit Eintritt einer Insolvenz nicht nur an den Versorger geleistete Vorauszahlungen und versprochene Boni verloren sind. Schlimmer noch ist, dass Insolvenzverwalter die früheren Kunden mit oft absurden Forderungen überziehen, gegen die sich Verbraucher häufig nur schlecht verteidigen können.
Vertreten von lustlosen weil gering bezahlten Anwälten sehen sich Verbraucher oft einer äußerst geschickt argumentierenden Gegenseite ausgeliefert. Oder der Insolvenzverwalter verkauft seine vorgeblichen Forderungen gegenüber den Verbrauchern und ein völlig ahnungs- und skrupelloses Inkassounternehmen zieht die Verbraucher vor Gericht.
Der Fall Teldafax
„500 Millionen Euro Schaden ergeben 16 Monate auf Bewährung. Das ist die Gleichung, die das Landgericht Bonn mit seinem Urteil gegen die ehemaligen Teldafax-Vorstände aufgestellt hat. Die größte Insolvenzverschleppung in der deutschen Wirtschaftsgeschichte endet mit einem Fiasko für die Justiz. Der Ablauf der Affäre wirkt absurd“, konstatiert Sönke Iwersen, Redakteur des Handelsblattes und dort Leiter des Ressorts investigative Recherche. Er fasst den ganzen Fall wie folgt zusammen:
„Im Oktober 2010 wurde öffentlich, dass der Billigstromanbieter ein Fass ohne Boden war. Kunden zahlten ihren Strom im Voraus. Wenn sie ihre Guthaben einforderten, gerieten sie in eine endlose Warteschleife. Testierte Bilanzen existierten nicht, der Gründer des Unternehmens war schon wegen Anlagebetrugs verurteilt und je näher man hinschaute, desto hässlicher wurde das Bild.
Die Bundesnetzagentur war als Aufsichtsbehörde schon 2008 darüber informiert, dass sich bei Teldafax die Rechnungen stapelten. Das Hauptzollamt Köln stellte 2009 die Insolvenzreife des Unternehmens fest. Doch da niemand die Vorstände stoppte, machten sie einfach weiter. Warum gehen, wenn man sich 17.000 Euro Nettogehalt auszahlen kann?
Als im Sommer 2011 doch ein Insolvenzverwalter bei Teldafax eintraf, kam er kaum durch die Tür. Auf den Fluren türmten sich ungeöffnete Mahnschreiben, täglich kamen 20 Postkisten hinzu. Als zwei Wochen später die Staatsanwaltschaft anrückte, hatte der Insolvenzverwalter den Betrieb schon eingestellt. 750.000 Kunden hatten das Nachsehen.
2013 war die Anklageschrift fertig. Doch es sollte bis 2014 dauern, bevor das Landgericht jemanden fand, der sie lesen konnte. Dann stellte sich heraus: es war der Falsche. Wegen eines Formfehlers wurde eine neue Kammer eingerichtet. Auch so kann man Steuergelder verschwenden.
Als der Prozess 2015 erneut begann, hatte die Staatsanwaltschaft die Lust längst verloren. Acht Verteidiger der drei Beklagten dagegen wechselten sich mit Feuereifer bei ihren Anträgen und Beschwerden ab. So gelang das eigentlich Unmögliche.
Laut Insolvenzgutachten war Teldafax seit Juni 2009 insolvenzreif. Der Fiskus, zahlreiche Netzbetreiber und sogar der Sponsoring-Partner Bayer Leverkusen mussten deshalb die zwischen 2009 und 2011 noch vereinnahmten Gelder von Teldafax an den Insolvenzverwalter zurückzahlen. Schon vor Prozessbeginn akzeptierten mehrere Manager aus der zweiten Reihe Strafbefehle wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung.
Im Landgericht Bonn galten diese Fakten nicht. Nach monatelangem Klein-Klein ließ die Staatsanwaltschaft die wichtigsten Anklagepunkte einfach fallen. Für den Rest erhielten die Beklagten dann äußerst milde Strafen.
Es ist eine schlimme Kontinuität. Erst versagt die Aufsicht, dann die Strafverfolgung. Vorsichtig formuliert: Dass sich Verbrechen nicht lohnt, hat sich im Fall Teldafax nicht bestätigt.“
Flexstrom-Pleite
Von der Pleite des Berliner Stromanbieters Flexstrom im Jahr 2013 sind rund 835.000 Gläubiger betroffen, meist ehemalige Kunden. Sie haben Vorauszahlungen geleistet und dafür nie Strom geliefert bekommen. Auf ihr Geld – oder was davon übrig ist – müssen die Betroffenen noch mindestens bis Ende 2019 warten, so der Insolvenzverwalter.
Der Firmengründer und Hauptaktionär Robert Mundt hat laut Veröffentlichung des Handelsblatts schon 2016 Privatinsolvenz angemeldet. In Deutschland dauern diese Verfahren sechs Jahre. Danach wird dem Schuldner zumeist eine Restschuldbefreiung erteilt. Mundt hat aber geschickt in London Insolvenz angemeldet, wo Restschulden bereits nach einem Jahr verfallen. Noch vor Ende des Insolvenzverfahrens ist zumindest der Privatmann Mundt alle Schulden los.
Die Brüder Robert und Thomas Mundt sollen kurz vor der Insolvenz gemeinsam mit zwei weiteren Eigentümern sechs Millionen Euro eingestrichen haben, nachdem sie die verlustreiche eigene Firma Optimal Grün GmbH an die Flexstrom AG verkauft hatten. Das geht aus einem Bericht des Insolvenzverwalters Schulte-Kaubrügger hervor. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelte gegen die Gründer wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung und Betrug.
Der Insolvenzverwalter von der Kanzlei „White Case“ hat auf seiner Internetseite ein Gläubigerinformationssystem eingerichtet, auf dem man sich über den aktuellen Verfahrensstand informieren kann.
Care Energy
Martin Kristek, der inzwischen verstorbene Gründer und Chef von Care Energy, einer der unseriösesten Energieversorger der jüngsten Zeit, durfte unbescholten in den Energiemarkt starten, obwohl er damals schon etliches auf dem Kerbholz hatte.
Seit 2013 lief beim Amtsgericht Kiel eine Klage gegen ihn: Insolvenzverschleppung in 46 selbstständigen Handlungen, 28 Mal Unterschlagung, dazu Bilanzdelikte und Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen. Der Richter am Amtsgericht ließ die Klagen einfach liegen, obwohl aufgrund der Aktenlage eine Verurteilung wahrscheinlich war und das Amtsgericht die Klage auch zugelassen hatte. Ein Verhandlungstermin wurde nie angesetzt. Die Staatsanwaltschaft warnte ihn mehrfach, dass die meisten Straftaten verjähren würden. Dienstaufsichtsrechtlich ist dem zuständigen Richter, der seit diesem Jahr an einem anderen Gericht arbeitet, nichts geschehen. Kristek hatte gleich drei Anwälte mit seiner Verteidigung beauftragt, denen sich der Richter wohl nicht gewachsen fühlte. Der einzelne Richter darf fast ganz alleine entscheiden, wann, wo, wie lange und in welcher Reihenfolge er sich mit seinen Fällen befasst. Auch hier war das Gericht wohl vor dem Geld in die Knie gegangen. Die Justiz trägt damit erhebliche Mitverantwortung für die breite Schneise von Kristeks späteren Straftaten, die hätten verhindert werden können.
Bei vielen ehemaligen Kunden meldet sich nun das Unternehmen EWD Inkasso, um angebliche Zahlungsrückstände im Auftrag des Insolvenzverwalters einzufordern. Unberechtigte oder strittige Forderungen sollten keinesfalls bezahlt werden. Gegenüber dem Inkassounternehmen sollte die Forderung schriftlich bestritten werden. Auch die angedrohten Verfahrenskosten müssen Verbraucher im Falle unberechtigter Forderungen nicht tragen.
Weitere Infos im Internet: bdev.de/careins
Die (un)kritische Öffentlichkeit
Eigentlich müsste es sich in Zeiten des Internets schnell herumsprechen, wenn ein Energieanbieter unseriös arbeitet. Und es gibt auch viele kritische Stimmen. In der Praxis allerdings investieren gerade unseriöse Firmen extrem viel Geld, um Kritiker mundtot zu machen. Kritische Medien und Kundenberichte werden mit Unterlassungserklärungen und Gerichtsverfahren überzogen, die an den Haaren herbeigezogen sind. Auf die Redakteure kommen dann hohe Anwalts- und Gerichtskosten zu, selbst wenn sie wahrheitsgemäß und objektiv berichten.
Der Energieanbieter Care Energy ging zum Beispiel auch gegen das ZDF, gegen das Handelsblatt, gegen die Bundesnetzagentur, gegen Verbraucherzentralen, den Tarifrechner Verivox, den Bund der Energieverbraucher e.V. und zuletzt sogar gegen das Bundesamt für Justiz vor. Mit dem Erfolg, dass sich die Berichterstattung sehr vorsichtig gestaltete und nicht mehr so klar gewarnt wurde, wie es eigentlich angebracht gewesen wäre.
Auch von Teldafax und Flexstrom wurde der Bund der Energieverbraucher mit Gerichtsverfahren und Abmahnungen überzogen, die uns viel Geld und Zeit gekostet haben. Aber nicht alle so vorgehenden Anbieter haben bereits das Zeitliche gesegnet: Einige davon sind noch am Markt aktiv. Die Anwaltsschreiben, in denen die Löschung von Inhalten auf den Internetseiten unseres Vereins verlangt wird, füllen mittlerweile ganze Ordner und beschäftigen die Anwälte des Vereins anhaltend.
Die Geschichte eines kritischen Bloggers erzählt die Energie-Chronik von Udo Leuschner: „Der Verfasser eines wirtschaftskritischen Blogs, der auf seiner Internetseite Negatives über Care Energy geschrieben hatte, wurde nach allen Regeln der Anwaltskunst zerfleischt. Der Firmenchef Kristek hatte ihm eine Unterlassungserklärung zukommen lassen, die mit einer saftigen Honorarforderung der beauftragten Anwaltskanzlei garniert war. Am Ende addierten sich die Kosten der Auseinandersetzung, die er bezahlen sollte, auf mehr als zehntausend Euro. Der Mann stellte daraufhin nicht nur seinen Blog ein. Er gab außerdem seine Wohnung auf und flüchtete an einen unbekannten Ort, um vor Zahlungsbefehlen sicher zu sein“.
Der komplette Bericht ist hier nachzulesen: bdev.de/leuschnermundtot
Der Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzung gegen die Energie-Chronik selbst zeigte, wie unzureichend das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt ist, wenn ein mit großer Aggressivität am Markt agierendes Unternehmen zwar über keinerlei juristisch stichhaltige Argumente, aber doch über genügend Geld verfügt, um über seine Anwälte ein in allen Punkten unbegründetes Unterlassungsbegehren durch sämtliche Instanzen zu treiben. Ähnlich versuchte zuvor auch Flexstrom, die Energie-Chronik und den Bund der Energieverbraucher e.V. zum Schweigen zu bringen.
bdev.de/leuschnerflex
Die kritische Berichterstattung über diese unseriösen Firmen wurde in der Folge sehr leise. Mehr als eine Redaktion beschloss, über diese Firmen überhaupt nicht mehr zu berichten. So wird eine kritische Öffentlichkeit nahezu zum Schweigen gebracht. Durchweg handelt es sich bei diesen Anbietern um Firmen im Discount-Segment.
Gegenbewegung
Es gibt auch mutigen und engagierten Widerstand gegen unseriöse Anbieterpraktiken:
- www.energieanbieterinformation.de
Alle wichtigen Anbieter kritisch durchleuchten, verschleierte Firmenkonstrukte aufzeigen und auf verbraucherfeindliche bis unzulässige Geschäftsbedingungen hinweisen. Mit diesen Zielen ist der Bund der Energieverbraucher e.V. angetreten und hat das Internetportal Energieanbieterinformation.de auf die Beine gestellt – bis November 2016 gefördert vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. - www.marktwaechter-energie.de
Seit März 2015 werden die Verbraucherbeschwerden über Energieanbieter systematisch vom „Marktwächter Energie“ der Verbraucherzentrale Niedersachsen ausgewertet. Im Jahr 2017 wurde ein solcher Marktwächter auch auf Bundesebene mit Fördergeldern aus dem Bundeshaushalt bedacht. Das Projekt hat zunächst nur eine Laufzeit von einem Jahr und nimmt demnächst seine Arbeit auf. - www.verbraucherhilfe-stromanbieter.de
Ein kritischer Verbraucher, Matthias Moeschler, hat als betroffener Verbraucher die Internetseite „Verbraucherhilfe Stromanbieter“ aufgebaut, auf der er Klartext redet und die zehn Stromanbieter mit den meisten Beschwerden von www.reclabox.com bespricht: Extra Energie, Care Energy, Fuxx Sparenergie, Stromio, BEV, 365AG, E.ON Energie, Primastrom, Enervatis und EVD Energieversorgung. - Bundesnetzagentur
Die Bundesnetzagentur ist als Aufsichtsbehörde dafür zuständig, dass die Energieversorger die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Allerdings hat die Netzagentur diesen Auftrag bisher leider meistens nicht ausreichend erfüllt. Offensichtlich unseriöse und ungesetzlich agierende Versorger hat man gewähren lassen und ist nicht oder viel zu spät eingeschritten. Dazu heißt es in einem ZDF-Fernsehbeitrag: „Wenn die Bundesnetzagentur ihren gesetzlichen Auftrag nicht ernst nimmt, wird das Täuschen und Tricksen auf dem Strommarkt kein Ende finden.“ Dennoch sollten alle im Einzelfall betroffenen Verbraucher die Bundesnetzagentur auf unlauter agierende Energieanbieter hinweisen.
Onlinebeschwerdemöglichkeit: verbraucherservice-energie@bnetza.de - Verbraucherzentralen
Die Verbraucherzentralen sind, im Unterschied zum Bund der Energieverbraucher, mit staatlichen Mitteln von Bund und Land ausgestattet, um gegen unseriöse Anbieter rechtlich vorzugehen. Davon wird auch Gebrauch gemacht.
Unlautere Werber am Telefon oder an der Haustür
Unverlangtes Werben am Telefon, Unterschieben von Verträgen oder eigenmächtige Vertragskündigungen ohne Vollmacht des Kunden: Dieses Trio hat die Verbraucherzentrale NRW als Türöffner ausgemacht, um an Haustür und Telefon zum Abschluss neuer Energielieferverträge zu kommen. Zutage gebracht hat das die Auswertung von rund 1.500 Anfragen über Maschen beim Direktvertrieb. Ein knappes Jahr lang hatten die Beratungsstellen der Verbraucherzentrale akribisch Buch geführt, durch welche windigen Überrumpelungsmaschen Verbraucher in ungewollten Vertragsabschlüssen landen.
In der Beratung schilderten Verbraucher, dass sich Unternehmen bei ihnen unaufgefordert am Telefon gemeldet und dann mit der Nachricht überrascht hatten, dass angesichts der anstehenden Gas- oder Strompreiserhöhung ein Anbieterwechsel schnell und sorgenfrei echte Ersparnis bringe. Selbst wenn sich Verbraucher bei einem solchen Telefonanruf lediglich mit der Zusendung von Informationsmaterial einverstanden erklärt hatten, wurden ihnen Vertragsbestätigungen nebst allgemeinen Geschäftsbedingungen und Widerrufsbelehrung zugeschickt. Damit wurde der Eindruck erweckt, dass bereits ein Vertrag zustande gekommen war – eine nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW unzumutbare Belästigung, weil Betroffene aktiv werden mussten, um sich gegen den angeblichen Vertragsabschluss zu wehren.
Das erforderliche Einverständnis für die telefonische Kontaktaufnahme sollten betroffene Verbraucher, so die Behauptung der Anbieter, oft bei deren Teilnahme an Gewinnspielen erklärt haben. Woran sich Betroffene allerdings entweder nicht erinnerten oder dies bestritten.
Zudem beschwerten sich Ratsuchende, dass Direktvertriebler an der Haustür unter dem Vorwand geklingelt hatten, um über neue Preise zu informieren, eine Energieberatung durchzuführen oder auch Vertragsdaten abgleichen zu wollen. Mal waren sie auch unter „falscher Flagge“ gesegelt und hatten sich als vermeintliche Mitarbeiter der örtlichen Stadtwerke oder anderer bekannter Institutionen ausgegeben.
Mal wurde der Anbieterwechsel als unvermeidlich hingestellt, weil es bald nur noch Ökostrom gebe. Mal wurden fehlende Sprachkenntnisse ausgenutzt, um vermeintlich günstige Strompreise vorzugaukeln, die sich beim Vergleich dann jedoch als viel zu hoch herausstellten.
Für die Verbraucherzentrale NRW waren die unlauteren Geschäftsmethoden im Direktvertrieb Anlass, gegen vier auffällige Anbieter – die Stadtwerke Pforzheim, die Voxenergie, die Mivolta und die PST Europe Sales – wegen unverlangter Telefonwerbung, untergeschobenen Verträgen und teilweise auch wegen weiterer Verstöße rechtlich vorzugehen.
Bei der Münchener PST Europe Sales GmbH wie bei der Berliner Voxenergie GmbH wurde darüber hinaus beanstandet, dass sie laufende Stromverträge der neu geworbenen Kunden gekündigt hatten. Und zwar, ohne dass der Verbraucher die hierzu erforderliche Vollmacht in Textform erteilt hatte.
Informierte Verbraucher wissen: Wer im Dschungel der Energieversorger trotz stets steigender gesetzlicher Abgaben nicht unnötig viel zahlen will, der muss seinen Versorger turnusmäßig wechseln.
Heute schon gewechselt?
Informierte Verbraucher wissen: Wer im Dschungel der Energieversorger trotz stets steigender gesetzlicher Abgaben nicht unnötig viel zahlen will, der muss seinen Versorger turnusmäßig wechseln. Was es dabei zu beachten gilt, erklärt ein Beitrag von Rechtsanwältin Leonora Holling.
(29. September 2014, ergänzt 05. Januar 2016) Verbraucherschützer raten nicht ohne Grund, nur Jahresverträge abzuschließen. Oft locken Versorger nämlich im ersten Belieferungszeitraum mit günstigen Angeboten Neukunden an. Nur um dann, in der Hoffnung dieser Neukunde wird den Vertrag stillschweigend weiter laufen lassen, umso drastischere Preiserhöhungen aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als verbindlich durchdrücken zu können. Dann wird das vermeintliche „Schnäppchen“ oftmals zur ungewollten Kostenfalle. Kündigen und wechseln ist dagegen das einzige Mittel.
Leonora Holling | Buchautorin, Mitglied im Vorstand des Bundes der Energieverbraucher und hundertfach erfolgreiche Verbraucheranwältin.
Kündigung unmöglich?
Nach der Qual der Wahl, welcher Anbieter denn in der Folgezeit nun vielleicht wieder einen günstigeren Preis für seine Leistung anbietet, reibt sich so mancher Verbraucher erstaunt die Augen, wenn er nach einer ausgesprochenen Kündigung von seinem Versorger die erstaunliche Mitteilung erhält, seine Kündigung sei unwirksam. Wie kann das sein, wird sich der informierte Verbraucher fragen, dass meine Kündigung unwirksam sein soll? Da muss ein Fehler vorliegen! Eine Kündigung ist eine Kündigung, oder?
Das Kleingedruckte beachten
Grundsätzlich trifft diese Auffassung auch zu. Aber anders als etwa im Mietrecht, sind bei Energielieferungsverträgen bestimmte Sonderbedingungen zu beachten, die der Verbraucher regelmäßig beim Vertragsschluss ausdrücklich anerkennt. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen oft andere ordentliche Kündigungsbestimmungen vor, als sie etwa für den Verbraucher in der Grundversorgung nach der Grundversorgungsverordnung gelten. Dort ist eine Kündigung des Belieferungsvertrages innerhalb einer Frist von zwei Wochen zum Wunschtermin in Textform mittels Brief, Telefax oder E-Mail ausdrücklich möglich.
So kann die Kündigungsfrist abweichend geregelt sein, was rechtlich zulässig ist. Denkbar ist, dass die Kündigungsfrist zwei Wochen überschreitet. Eine Kündigungsfrist von „einem Monat“ entspricht rechtlich nicht vier Wochen, sondern bezieht sich tatsächlich auf ein konkretes Datum. Also, wer etwa zum 1. Februar eines Jahres wechseln will, der muss bis zum 31. Dezember des vorherigen Jahres die Kündigung beim Versorger erklärt haben.
Fristen einhalten
Besondere Beachtung erfordert eine Klausel im bisherigen Belieferungsvertrag, wenn die Kündigung auf ein Laufzeitende eines Vertrages zu erklären ist. Hier ist es leider unabdingbar, dass Verbraucher sich frühzeitig anhand eines Kalenders errechnen, wann diese Frist im Hinblick auf das Ende der Vertragslaufzeit endet.
Generell gilt hierbei, so früh wie möglich zu kündigen, da es auf den Zugang der Kündigung beim bisherigen Versorger ankommt, nicht auf die Absendung der Kündigungserklärung durch den Verbraucher. Verpasst man die Frist, hat dies unangenehme Folgen. Denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen in einem solchen Fall fast ausnahmslos eine Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr vor. Oft verbunden mit erheblichen und wirksamen Preisanstiegen.
Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen
Neben den ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten haben Verbraucher bei Preiserhöhungen stets ein gesetzlich garantiertes Sonderkündigungsrecht (§ 41, Abs. 3 EnWG). Es greift, egal ob es sich um eine Grundversorgungs- oder einen Sondervertrag handelt. Von diesem Sonderkündigungsrecht sollten Verbraucher möglichst Gebrauch machen, bevor die Preiserhöhung wirksam wird. Gesetzliche vorgesehen Frist gibt es dafür allerdings nicht. Verbraucher in der Grundversorgung müssen von jeder Preiserhöhung 6 Wochen vorher schriftlich in Kenntnis gesetzt werden. Bei Sonderverträgen können diese Fristen kürzer oder länger sein und sind in den AGB oder dem Versorgungsvertrag festgelegt. Wurde der Verbraucher nicht ordnungsgemäß informiert oder wurde er nicht vom Versorger schriftlich auf sein Sonderkündigungsrecht hingewiesen, so braucht er den erhöhten Preis nicht zu bezahlen. Möglicherweise geht durch eine vorzeitige Kündigung ein Bonus verloren.
Umstritten ist, ob ein Sonderkündigungsrecht auch besteht, wenn die Preise infolge höherer Steuern oder Umlagen erhöht werden, etwa bei Änderungen der EEG-Umlage. Eine gesicherte Rechtsprechung gibt es hierzu nicht. Die Grundversorgungsverordnung spricht von einem Kündigungsrecht bei Preisänderungen, sodass auch diese aufgrund gesetzlicher Vorgaben erfolgten Preisänderungen umfasst sein dürften.
In allen Strom- und Gasrechnungen muss der nächstmögliche Kündigungstermin und die Kündigungsfrist angegeben sein (§ 40 Abs 1 EnWG). Das gilt für alle Strom- und Gasrechnung, also sowohl die Grundversorgung als auch Sonderverträge.
Kündigungsfristen in der Strom- oder Gasgrundversorgung |
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Kündigungstermin | Frist | |
Ordentliche Kündigung | Jederzeit möglich | 14 Tage |
Kündigung nach Umzug | Jederzeit möglich | 14 Tage |
Nach Preiserhöhung | siehe ordentliche Kündigung |
Bei Strom- oder Gassonderverträgen gelten die im Versorgungsvertrag oder den AGB vereinbarten Fristen.
Die Form wahren
Auch die Form der Kündigungserklärung ist zu beachten, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, von Verbrauchern oft unentdeckt, vorgegeben wird. Selbst bei sogenannten Online-Verträgen wird die Kündigungserklärung häufig abweichend unter das Erfordernis einer „Schriftform“ gestellt. Auch wenn dieses Erfordernis rechtlich umstritten ist und erst kürzlich vom Landgericht München I für nicht wirksam erklärt wurde (Az. 12 O 18571/13), sollten Verbraucher auf Nummer sicher gehen. Schriftform bedeutet, dass eine Kündigung weder per E-Mail noch per Computerfax erklärt werden kann. Eine Kündigung in Schriftform erfordert eine auf der Kündigungserklärung tatsächlich durch den Verbraucher aufgebrachten, eigenhändigen Unterschrift unter die Erklärung. Ein gewöhnliches Fax, also ein Schriftstück mit Unterschrift, dürfte genügen. Aus Beweiszwecken empfiehlt sich hier stets ein Brief, wobei jedoch die Postlaufzeiten zu beachten sind. Wird die Variante „Einschreiben“ gewählt, kann die Zustellung durchaus, wie die Erfahrung zeigt, auch eine Woche oder länger betragen.
„Selbst“ kündigen
Besondere Aufmerksamkeit wird der informierte Verbraucher auch bei der Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung, etwa bei Preiserhöhungen oder Wohnungswechsel, walten lassen müssen. Zunächst gilt generell, dass auch hier die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des bisherigen Versorgers gelesen und eingehalten werden müssen, ob und wie in einem solchen Fall ein Recht zur außerordentlichen Kündigung (Frist?/ Form?) besteht. Die Kündigungsfrist kann auf den Zeitpunkt der Veränderung der Versorgungsbedingungen lauten, mag aber auch zu einem früheren Zeitpunkt ablaufen. Häufig wird in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur auf eine „Anzeigepflicht“ bei Wohnungswechsel hingewiesen. Tatsächlich gemeint ist jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Belieferungsvertrages, da der bisherige Vertrag an der neuen Abnahmestelle des Verbrauchers gar nicht weitergeführt werden kann.
Entscheidet sich der Verbraucher in solch einer Situation für einen Wechsel, sollte er die außerordentliche Kündigung auf jeden Fall selbst gegenüber seinem bisherigen Versorger vornehmen und keinesfalls – wie dies etwa viele Online-Portale als Service anbieten – seinem neuen, potentiellen Anbieter überlassen. Das Recht der außerordentlichen Kündigung steht nämlich in der Regel nur dem Kunden selbst zu und nicht dem neuen Anbieter wie bei der ordentlichen Kündigung. Erfährt der Verbraucher zu spät, dass sein neuer Lieferant nicht aufgrund erteilter Vollmacht den bisherigen Vertrag kündigen kann, läuft der Verbraucher Gefahr, die Kündigungsfrist zu verpassen.
Darüber hinaus besteht für Verbraucher in § 314 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein sonstiges außerordentliches Kündigungsrecht. Dieses greift, sobald die Fortführung des Vertrages unzumutbar erscheint. In der Praxis sind jedoch kaum Fälle bekannt, in denen Gerichte über eine Unzumutbarkeit von Energielieferungsverträgen entschieden hätten. Weder ungerechtfertigt überhöhte Abschlagsanforderungen noch ein ärgerliches Verhalten des Energieversorgers wie eine ausbleibende Reaktion auf berechtigte Beanstandungen, unbegründete Sperrandrohungen oder eine verspätete Abrechnung begründen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn zu besorgen steht, dass der Versorger insolvent werden könnte. Erst wenn tatsächlich eine vom Versorger zu vertretende Lieferungseinstellung erfolgt, etwa wegen Insolvenz, darf der Verbraucher sich sofort durch eine außerordentliche Kündigung vom Vertrag lösen.
Den Wechsel planen
Informierte Verbraucher haben durch ihr engagiertes Wechselverhalten gegenüber Energieversorgern in den letzten Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Energiepreisspirale in den letzten Jahren nicht noch weiter zu ihren Ungunsten in die Höhe geschraubt hat. Damit dies auch so bleibt, müssen wir alle, die wir uns stetig steigenden Energiepreisen ausgesetzt sehen, intensiv um den Wechsel zu Anbietern bemühen, die günstigere Preise anbieten. Damit der Wechsel auch funktioniert, ist es unabdingbar, dass jeder von uns Verbrauchern genau im Auge behält, wann und wie er seinem bisherigen Anbieter die Kündigung seines Versorgungsvertrages erklären kann. Dafür ist es leider, jedenfalls außerhalb der Grundversorgung, unverzichtbar, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des aktuellen Versorgers zu kennen.
Wir raten Ihnen dringend, sich für Ihren jeweiligen Vertrag diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet herunterzuladen und auszudrucken oder sich mit dem eigentlichen Vertrag übersenden zu lassen. Denn jeder Vertragsschluss bedeutet, den Wechsel gleich mit zu planen und zu wissen, wann und wie Sie rechtsverbindlich wechseln müssen.
Dann können Sie die Frage „Heute schon gewechselt?“ mit einem kurzen Achselzucken abtun: „Aber klar! Sie auch?“
Nachsatz: Der Bund der Energieverbraucher pflegt ein Archiv mit aktuellen und zurückliegenden AGB ausgewählter Versorger und hilft seinen Mitgliedern gerne bei der Suche, wenn die eigenen Unterlagen Lücken aufweisen.
Tipp
Sofort kündigen ist sicher und spart das Erinnern. Kündigen Sie noch heute die Verträge, die Sie ohnehin beendigen wollen. Spätestens Morgen! Zu früh kann man nie kündigen. Bei Verträgen mit Bonusversprechen kündigen Sie zum Ende des ersten Vertragsjahres.
Mit einem Wechsel des Strom- oder Gasanbieters können Energiekunden viel Geld einsparen.
Widerruf erleichtert
(28. Mai 2014) Mit einem Wechsel des Strom- oder Gasanbieters können Energiekunden viel Geld einsparen. Und der Wechsel geht schnell und einfach: ein paar Klicks oder ein kurzer Anruf, und schon ist alles erledigt. Manchmal jedoch geht das Ganze fast zu schnell, wenn sich nämlich im Nachhinein zeigt, dass gar nicht das vorteilhafteste Angebot ausgewählt wurde. Hier ist Besserung in Sicht, denn ab 13. Juni gilt für alle via Internet oder Telefon abgeschlossenen Strom- und Gasverträge ein vierzehntägiges Widerrufsrecht.
Basis der Neuregelung ist die europäische Verbraucherrechterichtlinie, die nun in deutsches Recht umgesetzt wird und eine rechtliche Unsicherheit beendet. Bisher haben nämlich nicht alle Anbieter ein Widerrufsrecht eingeräumt. Das ist künftig zwingend vorgeschrieben, außerdem muss der Anbieter seine Kunden über das Widerrufsrecht von sich aus informieren. Tut er das nicht, verlängert sich die Frist auf 12 Monate und 14 Tage.
So klappt der Wechsel
Viele Verbraucher scheitern bei dem Versuch, den Stromanbieter zu wechseln. Besonders die Billiganbieter stellen sich oft völlig taub, wenn ihre Kunden reklamieren. Strom beziehungsweise Gas fließen weiter durchs Netz zum Kunden. Unklar ist jedoch oft, wer eigentlich geliefert hat: der Grundversorger, der neue Anbieter oder gar ein drittes Unternehmen, zu dem der Verbraucher frustriert gewechselt hat?
(3. Juli 2008) - Wer den Strom- oder Gasanbieter über das Internet oder brieflich gewechselt hat, kann sich über seine besonders komfortable rechtliche Position freuen, denn für ihn gelten die verbraucherfreundlichen Widerrufsrechte des Fernabsatzrechts. Bei einer Energielieferung handelt es sich um eine Warenlieferung und nicht um eine Dienstleistung.
Die gesetzliche Widerrufsfrist von zwei Wochen beginnt erst zu laufen, wenn die Lieferung einsetzt und wenn das Unternehmen seinen Kunden schriftlich, entsprechend der gesetzlichen Vorgabe informiert hat. Ist die Widerrufsfrist noch nicht verstrichen oder noch keine Lieferung erfolgt, kann der Verbraucher den Liefervertrag ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung widerrufen.
Der Widerruf muss nicht schriftlich erfolgen, eine Email oder ein Fax, auch ein Computerfax genügt. Achtung: Der Widerruf darf nicht an eine Bedingung geknüpft sein ("Ich widerrufe, wenn Sie nicht bis übermorgen liefern"). Mit dem Widerruf fällt der Liefervertrag mit dem neuen Anbieter weg, egal, was im Vertrag steht. Die eventuell bereits verbrauchte Energie muss entsprechend den Tarifen des Liefervertrags bezahlt werden. Der Anbieter ist verpflichtet, alle eventuell geleisteten Vorauszahlungen etc. unverzüglich und ohne Abzug zurückzuerstatten. Bestreitet der Anbieter das Widerrufsrecht des Verbrauchers, so liegt die Beweislast dafür bei ihm. Im Zweifelsfall muss er vor Gericht nachweisen, dass er länger als zwei Wochen vor dem Kündigungszeitpunkt bereits mit der Lieferung begonnen hatte, und er seinen Informationspflichten im vorgeschriebenen Umfang nachgekommen ist. Nach dem Widerruf sollte man umgehend einen neuen Anbieter beauftragen, um nicht allzu lange in der teuren Grundversorgung zu bleiben.
Wechselformulare sind keine Verträge
Wenn der Verbraucher ein Formular zum Anbieterwechsel unterschrieben hat, dann ist damit noch kein rechtlich bindender Vertrag zustande gekommen. Es handelt sich um eine Willenserklärung seitens des Verbrauchers, die vom neuen Lieferanten innerhalb angemessener Frist von zwei Wochen angenommen werden muss. Reagiert der neue Anbieter nicht, zu spät oder verändert er nochmals den Preis, dann ist der Verbraucher an sein Vertragsangebot nicht mehr gebunden und kann sich einen neuen Anbieter suchen.
Schadensersatzpflicht bei verzögertem Lieferbeginn
Wenn der Anbieterwechsel nicht innerhalb von acht Wochen funktioniert, dann muss der Verbraucher möglicherweise für eine Übergangsfrist einen höheren Strompreis beim örtlichen Versorger zahlen. Für diesen Schaden haftet der säumige neue Anbieter, sofern ihn ein Verschulden trifft.
Vertragskündigung bei Verzögerung
Funktioniert der Anbieterwechsel trotz wirksamen Vertrag nicht oder erfolgt zu spät, dann kann man dem neuen Anbieter eine Frist von zwei Wochen zur Mitteilung eines konkreten Liefertermins setzen. Hört man auch dann nichts, darf der Verbraucher den Vertrag nach BGB § 314 kündigen, weil es dem Verbraucher nicht zumutbar ist, am Vertrag festzuhalten. Dem Verbraucher steht es dann frei, zu einem neuen Anbieter zu wechseln.
Finger weg von Vorauszahlungen
Manche Anbieter fordern eine Vorauszahlung. Klappt der Wechsel nicht, muss der Verbraucher dieses Geld vor Gericht zurückerstreiten, wenn es nicht freiwillig zurückerstattet wird. Auch deshalb raten die Verbraucherschutzorganisationen seit Jahren von Vorauszahlungen an neue Anbieter ab. Für den Fall der Fälle empfiehlt es sich, bei sämtlichen vertragsrelevanten Schreiben den jeweiligen Zählerstand zu notieren und in der Korrespondenz zu nennen, damit die Abrechnung korrekt erfolgen kann.
Hilfe bei Problemen
Viele Verbraucherzentralen und auch der Bund der Energieverbraucher beraten die Verbraucher bei Problemen beim Anbieterwechsel. Nach geltendem EU-Recht ist Deutschland dazu verpflichtet, für Haushaltskunden transparente, einfache und kostengünstige Verfahren zur Behandlung ihrer Beschwerden einzurichten. Dies hat die Bundesrepublik Deutschland bisher leider versäumt. Der Bund der Energieverbraucher hat in einem persönlichen Schreiben den Bundespräsidenten gebeten, sich für die Einhaltung der EU Bestimmungen durch Deutschland einzusetzen.