Scheer: Sonnenstrategie

In seinem phantastischen Buch "Sonnenstrategie" (Piper-Verlag) bringt Hermann Scheer es auf den Punkt, was uns bevorsteht mit der Sonnen-Energie. Man möchte diese Zeilen jedem Politiker über das Bett gerahmt aufhängen. Wer diese Gedanken gelesen hat, kann nicht wie bisher weiterleben.

(16. Oktober 2003)

529 Hermann Scheer

Hermann Scheer

Das Potential

143 Mio km von der Erde entfernt, strahlt die Sonne unaufhörlich lediglich einen Bruchteil ihrer Energie auf die Erde. In einer Viertelstunde bietet sie mehr Energie an, als die Menschheit im gesamten Jahr verbraucht. Nicht alles davon ist für die Menschheit direkt oder indirekt nutzbar. Aber an nutzbarem Potential verbleibt immer noch mehr als tausendmal mehr Energie als der jährliche Energieverbrauch der Menschheit (S. 109).

Da das natürliche Energiepotential eine vollständige Versorgung mit Sonnenenergie möglich macht, gibt es - angesichts der ansonsten verbleibenden Gefahrenpotentiale - keinen Grund, nicht zu versuchen, diese 100 % zu erreichen. Die oft gestellte Frage, wie groß der Sonnenenergieanteil an der Energieversorgung sein könne, ist eigentlich unsinnig: Da das Potential der Sonnenenergie für die menschlichen Energiebedürfnisse mehr als ausreichend ist, gibt es auch keine Grenze des nutzbaren Sonnenenergieanteils. Die Größenordnung des Sonnenenergieanteils ist allein eine Frage des "Inputs". Je mehr politische Initiativen und wirtschaftliche Investitionen, desto größer der Anteil (S. 114).

Das Ziel

Das Ziel im vor uns liegenden Jahrhundert muß das vollständige Ersetzen der herkömmlichen Energiequellen durch die stets aktuelle Sonnenenergie sein - also eine vollständige solare Energieversorgung der Menschheit.

529 Haus mit PV-Modulen

Stimmungsmache gegen Sonne

Dieselben Entscheidungsträger, die den Kritikern der technologischen Großprojekte - ob ziviler oder militärischer Art - Technikpessimismus vorwerfen, bestätigen sich ihrerseits auf solarem Gebiet als unüberbietbare Technikpessimisten. Desinformationen über die Leistungsfähigkeit von Sonnenenergietechniken werden verbreitet und positive Fakten heruntergespielt. So waren besonders die 80er Jahre einerseits das Jahrzehnt nicht mehr zu ignorierender wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Zerstörung der Ökosphäre, andererseits aber das der obstinaten Weigerung von Politik und Industrie, sich ernsthaft mit den Chancen der Sonnenenergie zu beschäftigen (S. 56).
Wir erleben anhaltende Blindheit gegenüber den wirtschaftlichen und sozialen Chancen der Sonnenenergie - und ein lautstarkes Getöse "wirtschaftlicher Sachverständiger" gegen sie (S. 155).

Die Vorbehalte bei Teilen der Ökologiebewegung gegen eine breit angelegte Sonnenenergieoffensive erweisen sich als "sanfte Irrtümer". Ungewollt blockieren sie damit ihr eigenstes Anliegen (S. 204).

Manche Solarenergiegegner gebärden sich als neue "Öko"-Fundamentalisten, die - indem sie ein Energiesystem der globalen Zerstörung verteidigen - bei den Sonnenenergien das letzte Haar in der Suppe suchen (S. 157).

Tatsächlich offenbart das auf nahezu allen etablierten Ebenen festzustellende mangelhafte Engagement für die Sonnenenergie einen hohen Grad an Irrationalismus in existentiellen Fragen. Die offenkundigen Widerstände gegen die Sonnenenergie spiegeln die überall festzustellende Gedanken- und Hilflosigkeit unserer Gegenwartskultur den neuen zivilisatorischen Herausforderungen gegenüber wider (S. 173).

Sonnenenergien werden, sofern man sie in den Etablissiments von Energiepolitik und -wirtschaft überhaupt zur Kenntnis nimmt, nur als "additive Energien" angesehen. Mit diesem Begriff wird ausgedrückt, daß Sonnenenergie nicht als Ersatz für die herkömmlichen Energieträger ins Auge gefaßt wird, sondern nur als eine Möglichkeit, den Zuwachs des Energiebedarfs, den die herkömmlichen Energien nicht befriedigen können, zu liefern. Sonnenenergie ist nach diesem Sprachgebrauch nicht mehr als Beiwerk zur Energieversorgung, geeignet für Luxus- und Nebenbedarf, aber nicht für richtige Kraftwerke und Kraftmaschinen. Bliebe es bei dieser beschränkten Auffassung, dann könnte die jetzt lebende Generation schon die Särge für ihre Nachkommen bestellen (S. 214/215).

Die Verlierer

Die Kontrolle des Energiesystems zu behalten war den Energiebaronen wichtiger als erhebliche zusätzliche Gewinne durch die Produktion und den Verkauf von Solaranlagen, deren Besitz den individuellen Betreiber unabhängiger macht. Dies ist sicher eines der Motive, warum die Solarenergie auf dem Energiemarkt bisher selbst dann nicht richtig Fuß fassen konnte, wenn sie - wie bei den solarthermischen Hausanlagen - schon unbestreitbare Vorzüge aufweisen kann. Aber es ist bei weitem nicht das einzige Motiv.

529 Solar-Kraftwerk

Schwerer wiegt, daß klar abzusehen ist, was eine Massennutzung der Solarenergie auslösen wird: den wahrscheinlich umfassendsten wirtschaftlichen Strukturwandel, der je stattgefunden hat! Jeder wirtschaftliche Strukturwandel hinterläßt ökonomische Gewinner und Verlierer. Oft steht nicht von vornherein fest, wer die einen und wer die anderen sein werden. Aber bei der Einführung der Solarenergie in großem Umfang stehen die Verlierer bereits von vornherein fest: Es sind in erster Linie die Anbieter der Primärenergien Öl, Kohle, Gas und der atomaren Brennstoffe, in zweiter Linie die bisherigen Erzeuger von Großanlagen zur Energieumwandlung sowie die Besitzer und kommerziellen Betreiber solcher Anlagen (S, 174).

Werbung gegen Sonne

Da Sonnenenergie langfristig das Todesurteil für die Großanlagen bedeutet, ist die Vorstellung naiv, daß eine große energiewirtschaftliche Innovation in Richtung Sonnenenergie sofort eintreten könnte, sobald ein Leistungs- und Kostennachweis die Sonnenenergietechniken als wettbewerbsfähig ausgewiesen hat. Daß die Sonnenenergie ständig, und wider gegenteilige Erfahrungen, schlechtgerechnet wird, hat offenkundig vor allem interessenspezifische Gründe. Wenn erst einmal die wirtschaftlichen Möglichkeiten und Vorteile entfaltet würden, gäbe es kein öffentlich tragfähiges Argument mehr, mit der breiten Einführung der Sonnenenergienutzung noch länger zu warten. Um solchen Anfängen zu wehren, wird ständig versucht, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu dämpfen - und sei es mit falschen Zahlen und sogar absurden Verlautbarungen über die Umweltbelastungen durch Sonnenenergie. Mit einigen kleinen Vorzeigeprojekten täuschen die Gegner ein Bemühen vor, das nicht ernsthaft gegeben ist. Sie bauen sich damit eine Scheinkompetenz auf und erhalten mit solchen Projekten die Gelegenheit, die Sonnenenergie öffentlich schlechtzumachen.

Erst im Sommer 1992 haben die Bayernwerke, unterstützt durch Mittel des deutschen Forschungsministeriums, eine photovoltaische Demonstrationsanlage in einem nicht ans Netz angebundenen Dorf in Betrieb genommen, für die sie offiziell einen Kilowattstundenpreis von 10 DM angeben - mehr als das Fünffache dessen, was die Preiskalkulation anderer bestehender Anlagen in Deutschland ergibt. Mehr als 100 Mio DM im Jahr geben die großen deutschen Stromversorger für Werbekampagnen gegen die Sonnenenergie aus - mehr als sie bisher für PHOTOVOLTAIK oder Windstromanlagen insgesamt investiert haben, weil die Kosten angeblich gegenüber den Stromkunden noch nicht zu verantworten seien. Dies steht in einem heuchlerischen Kontrast zu ihrer in ganzseitigen Zeitungsanzeigen unter der Überschrift "Zuviel Wind und wenig Strom" veröffentlichten Behauptung: "Auch wir, die deutschen Stromversorger, bewerten diese Energien positiv. Und investieren erhebliche Mittel in ihre Entwicklung. Aber bleiben wir realistisch: Solarstrom ist Schönwetterstrom" (S. 181/182).

Von den Hauptakteuren der Energiewirtschaft erforderte der unverzügliche Umstieg eine unternehmerische Selbstlosigkeit, die ohne Beispiel in der Wirtschaftsgeschichte ist und eine innovatorische Weitsicht, die besonders in großen Konzernbürokratien nur in seltesten Fällen bisher anzutreffen war. Sich beim Umstieg auf die Sonnenenergienutzung auf die Energiewirtschaft zu verlassen, hieße also, die Menschheit dem Verderben zu überlassen. Es wäre auch außerhalb jeder politischen Verhältnismäßigkeit, das Schicksal der Menschheit dem Gutdünken und den Entscheidungskategorien eines einzigen Wirtschaftszweiges anzuvertrauen. Gäbe es nicht die akute Gefahr zunehmender Klima-Anomalien, befänden wir uns also nicht in einem Wettlauf mit der Zeit, so könnte man sich unter Berücksichtigung der eingegangenen Investitions-Altlasten der Energiewirtschaft einen allmählichen und gut abgefederten Übergang zur Sonnenenergienutzung vorstellen, im Konsens aller Beteiligten, gelegentlich mit sanftem Nachdruck. Aber die Zuspitzung der globalen ökologischen Gefahrenlage erlaubt einen solchen schleichenden strukturellen Wandel nicht mehr.

529 Kinder mögen Sonne

Kinder mögen die Sonne - und Solarenergie

Es ist nicht zu verantworten, den Zeitpunkt einer Masseneinführung von Sonnenenergie-Technologien davon bestimmen zu lassen, wann dieser mit der Einführungsbereitschaft der dominierenden Träger der Energiewirtschaft übereinstimmt - zumal es für die Gesamtheit der Investitionskreisläufe im Energiesektor einen für alle gleichermaßen optimalen Zeitpunkt nicht geben kann. Den Strukturwandel im Energiesektor im "Konsens" vollziehen zu wollen bedeutet einen immer schmerzhafter werdenden Aufschub. "Energiekonsens" ist ein Schutzbegriff für die möglichst lange Weiternutzung herkömmlicher und die Abwehr erneuerbarer Energien. Die Durchsetzung der Sonnenenergie gegen die hartnäckigen Widerstände und Desinformationen des herrschenden Energiesystems verlangt Energiestreit (S. 182/83).

Energiesparen

Die Energiesparstrategie genügt also schon aufgrund des damit erreichbaren maximalen Einsparpotentials kaum, um eine wirkungsvolle Politik des globalen Ökospärenschutzes zu betreiben. So ist der oft zitierte Satz "Energiesparen ist die größte neue Energiequelle" nicht nur sachlich falsch - denn Energiesparen ist keine Quelle, sondern reduziert lediglich den Bedarf an tatsächlichen Quellen. Er lenkt obendrein davon ab, daß die einzige wirklich alternative und umweltfreundliche Energiequelle die Sonnenenergie ist. Wenn von herkömmlicher Energie 50 % eingespart werden, bleiben immer auch 50 % der bisherigen Emissionen. In anderen Worten: Ein 50%iger Einsparerfolg bedeutet, daß die bisher in einem Jahr angefallenen Emissionen künftig in zwei Jahren anfallen. Es geht - um hier nicht mißverstanden zu werden - keineswegs darum, Energiesparinitiativen zu dämpfen. Jede dieser Initiativen ist uneingeschränkt nötig. Je erfolgreicher Energie eingespart wird, desto schneller kann auch die Sonnenenergie genutzt werden - weil die durch Sonnenenergie zu substituierende Menge an herkömmlicher Energie damit kleiner wird. Energiesparen ist eine Brücke zur Sonnenenergie, aber kein Ersatz für diese (S. 90).

Dritte Welt und Sonne

In derselben Zeit, in der Strategien zum sparsameren Energieverbrauch bei nur vorsichtigen Steigerungsraten für die Entwicklungsländer das dominierende Muster für die globale Klimapolitik sind, werden die Entwicklungsländer zu einer Umgestaltung ihrer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in eine kapitalistische Marktwirtschaft verpflichtet, die auf direktem Wege dazu führen muß, daß ihr Energieverbrauch geradezu explosionsartig anwächst - sofern sie den geographischen Vorteil haben, über eigene Quellen verfügen zu können. Wenn diese Länder sich nun am westlichen Vorbild orientieren, werden zwangsläufig - trotz damit einhergehender Steigerung der Energieeffizienz - alle Szenarien einer Klimapolitik zur Makulatur. Die unweigerliche Folge ist der vervielfachte Einsatz von CO2-Emissionsmaschinen, allen voran Automobile. Eine Gesellschaft, die vorwiegend marktwirtschaftlich ausgerichtet ist, schluckt auch die Energie nach Marktgrenzen. Mit anderen Worten: Die Eröffnung neuer Marktwirtschaften der Größenordnung Rußlands oder Chinas ohne einen gleichzeitigen Umstieg auf Sonnenenergie bedeutet den ökologischen Todesstoß für die menschliche Zivilisation (S. 102).

Wenn der Westen nun seine wirtschaftlichen Kategorien für die Energiereform in Entwicklungsländern einsetzt, handelt er wie ein aktiver Vollalkoholiker, der den anderen die richtigen Entziehungskuren vermitteln oder gar verordnen will. Ohne einen radikalen Umstieg der Weltenergieversorgung auf nichtzerstörerische solare Energiequellen - ohne eine der industriellen Revolution folgende solare Revolution - ist das westliche Modell von Demokratie und Kapitalismus nicht die Vollendung der Geschichte, sondern ihre dynamische Vollstreckung (S. 107).

529 Sonnenuntergang

Rascher Wandel möglich?

Allein die über 4 Mio jährlich in Deutschland produzierten Automobile stellen zusammen eine Energiewandlerkapazität von über 200.000 MW dar, etwa das Doppelte der derzeitigen deutschen Kraftwerkskapazitäten. Diese Rechnung basiert auf der Annahme einer durchschnittlichen mechanischen Leistung eines Personenautos von 50 KW. 1989 gab es 128 Mio PKW in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft mit einer Energieumwandlungskapazität von 6,4 Mio. MW. Demgegenüber gab es lediglich 411.000 MW Stromerzeugungskapazität der Stromversorgungsunternehmen.
Was eine Industriegesellschaft mit der Produktion ihrer Kraftwagen schafft, kann sie auch mit der Produktion solarer Energietechniken zustande bringen. Es kommt also allein auf das mobilisierbare Kapital und auf die politische Organisations- und Durchsetzungskraft an (S. 115).

Doch kann die Allgemeinheit mit der Einführung der Sonnenenergie nicht warten, bis alle Abschreibungen und Renditeerwartungen bereits installierter Kraftwerke realisiert sind. Da gleichzeitig jede Neuinvestition in nichtsolare Kraftwerksanlagen ein zusätzliches jahrzehntelanges Einführungshindernis für Sonnenenergieanlagen ist, ergibt sich eindeutig, daß der Zubau oder der Ersatz ausgedienter Kraftwerke politisch unterbunden werden muß.

Ein Vorbild ist eher die massive Anstrengung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, wofür in Deutschland in manchen Jahren über 10 % des Nationalprodukts aufgebracht wurden. Die besondere Schwierigkeit einer Sonnenstrategie besteht darin, daß sie sich nicht - wie die vorgenannten Projekte - auf einen Interessenkonsens bei den gesellschaftlichen Machteliten stützen kann, sondern gegen diese durchgesetzt werden muß (S. 214).

Wirtschaftskonsequenzen

Noch heute stecken in nahezu jedem neuen Automodell eines jeden Automobilkonzerns mehrere Mrd DM Entwicklungsaufwand. Wie jede andere Technologie wird sich auch die Solartechnik nur dann beschleunigt weiterentwickeln, wenn umfangreiche Produktions- und Markterfahrungen gesammelt werden. Gerade Regierungen müßten ein eklatantes Eigeninteresse an einem möglichst frühen Beginn der industriellen Massenfertigung haben, weil sich über die daraus entstehenden Umsätze der finanzielle Spielraum für weitere privatunternehmerisch getragene Entwicklungen zur Verbesserung der Technologien und zur weiteren Produktionssteigerung ergibt. Daß Sonnenenergie dennoch so kleinkariert begegnet wird, ist ein Signal dafür, wie rückständig die westlichen Entscheidungseliten schon sind (S. 74).

529 Haus mit PV-Dach

Arbeitsplätze

Die Kosten der Sonnenenergie sind gegenwärtig ja nicht höher wegen der Kosten der Primärenergie, sondern nur wegen der Arbeitskosten. Höhere Kosten heißt aber: Sonnenenergienutzung braucht mehr Arbeitsplätze! Die Einführung der Sonnenenergie ist gleichbedeutend mit der Reduzierung der Arbeitslosigkeit und damit der sozialen Kosten der Arbeitslosigkeit. Das World Watch Institute hat ausgerechnet, daß für eine Stromerzeugung von 1.000 Gigawattstunden im Jahr etwa durch Windkraft mehr als fünfmal so viel Menschen beschäftigt werden wie durch Atomstrom (S. 158).

Kostenvergleiche

Die primitiven ökonomischen Vergleiche zwischen herkömmlicher Energie und der Sonnenenergie liegen zwar in der seriösen Energiedebatte hinter uns - keineswegs jedoch in der aktuellen energiepolitischen und wirtschaftlichen Praxis, wo man nach wie vor nur die jeweiligen Betriebskosten beachtet. Dabei wird notorisch nicht berücksichtigt, wieviel Subventionen für die herkömmlichen Energieträger aufgebracht wurden und werden und wie hoch die Schäden sind, die durch den Verbrauch dieser Energie entstehen. Diese sozialen Kosten der herkömmlichen Energieversorgung sind inzwischen erkannt und teilweise wissenschaftlich berechnet worden (S. 154).

Nicht die angeblich zu hohen Kosten der Sonnenenergietechnologie sind das wirkliche Problem, sondern die zu hohen Kosten eines unverzüglichen Strukturwandels der Energiewirtschaft (S. 185).

529 PV-Platte

Menschenrecht Sonne

Da sich die einzelnen Menschen das Energiesystem nicht aussuchen können, ist uns keine Autofahrt und keine Flugreise mehr ohne schlechtes Gewissen möglich. Weil besonders die jüngere Generation aufgrund der vernichtenden Folgen des Energiesystems keine angstfreie Lebensperspektive mehr hat, sind die daraus erwachsenden seelischen Kosten unberechenbar geworden. Eine Befreiung von dieser Angst ist nur auf zwei Wegen denkbar: entweder, in dem man die Folgen und damit auch die wachsende Rücksichtslosigkeit und Brutalisierung menschlicher Beziehungen in Kauf nimmt, als hätten die Privilegierten des jetzigen Energiesystems das Recht, die einzigen und die letzten auf der Erde zu sein. Oder indem man bewußt und entschieden die energetischen Lebensgrundlagen der Gesellschaft auf die Sonnenkäfte hin orientiert. Weil die Energiefrage die elementarste aller Fragen ist, verstößt das bestehende Energiesystem in elementarer Weise gegen die allgemeinen Menschenrechte - je länger, desto schlimmer.

Es ist unsere Pflicht, alles nur Mögliche zu versuchen, die sich verschärfende Klimakatastrophe nicht nur abzuschwächen, sondern zu verhindern. Doch die gesellschaftliche Bedeutung der Sonnenenergien wäre selbst ohne globale Umweltkrise und ohne Beschränkung der herkömmlichen Energieressourcen für die Menschheitsentwicklung von fundamentalem Stellenwert. Die Nutzung der Sonnenenergie ist erkennbar die wirtschaftliche und soziale Basisinnovation der Weltgesellschaft. Ihre rasche Einführung ist eine einzigartige Chance (S. 281/282).

Der einzigartige Vorteil der Sonnenenergie liegt demgegenüber darin, daß sie die unverzichtbare wirtschaftliche Funktion - allerdings in sich dadurch verändernden wirtschaftlichen Strukturen - tatsächlich ersetzen und der gesamten Menschheit zugänglich machen kann (S. 285).

529 Der Globus

Sieg der Sonne

Die Sonnenenergie wird sich gegen alle Widerstände durchsetzen, weil ihre fundamentalen Vorzüge auf Dauer nicht zu unterdrücken sind. Doch dieser Optimismus ist kein Anlaß, sich in seinen Forderungen und Erwartungen zu mäßigen, denn die Schicksalsfrage ist, ob die neue Energie rechtzeitig und in dem zur Abwendung sozialökonomischer und sozialökologischer Gefahren notwendigen Umfang genutzt wird (S. 172).

Auch wenn anerkannt würde, daß eine Sonnenstrategie technologisch möglich ist, traut man sie sich organisatorisch, und damit soziologisch, nicht mehr zu. Die Folge ist eine teils selbstauferlegte, teils organisierte Mutlosigkeit. Aus Angst vor neuen Entwürfen, selbst wenn diese eine rettende Perspektive signalisieren, wird schleichender Selbstmord riskiert. Dies ist eine klassische zivilisatorische Verfallserscheinung, die wahrscheinlich allein durch eine psychologisch noch nicht abgenutzte Generation überwunden werden kann (S. 211).

Auf Dauer wird ohnehin niemand verhindern können, daß sich die Sonnenenergie gegen die anderen Energiequellen durchsetzt. Diese haben, wie wir gesehen haben, langfristig nichts mehr zu bieten. Das herrschende Energiesystem, das sich auf die Altenergien stützt, verkörpert zwar die einflußreichste wirtschaftliche Macht auf dem Globus, aber in Wahrheit ist es schon "erledigt" - offen ist allerdings, ob die Menschheit mit erledigt sein wird. Es stellt sich die Schicksalsfrage, ob die Sonnenenergie die konventionellen Energien rechtzeitig ablöst! Je länger wir warten, desto sicherer wird die Zukunft zum grausamen Leidensweg für den allergrößten Teil der wachsenden Menschheit. Und wenn es bereits jetzt zweifelhaft ist, ob wir noch genügend moralische und politische Kraft für den Umstieg aufbringen, dann werden wir später - unter den Vorzeichen weiterer Naturzerstörung und Vernichtung der Entwicklungschancen von Milliarden Menschen - diese Kraft ganz bestimmt nicht mehr aufbringen. Mit anderen Worten: je länger wir warten, desto größer wird die Kraftanstrengung werden, die wir für die Rettung der Zivilisation aufbieten müssen (S. 292/293).

529 Solar-Beleuchtung Hausnummer

Sonnenstrategie

Bisher wurde die Diskussion über die Sonnenenergie auch von vielen ihrer Befürworter viel zu defensiv und verzagt geführt. In gelegentlich sogar entschuldigendem Ton wurde um ihre Anerkennung geworben, als hätte man sich zu rechtfertigen und als müßten das nicht diejenigen tun, die sich der Nutzung der Sonnenenergie verweigern. Viel zu häufig wird Sonnenenergie auch lediglich als Alternative für kleine und kleinste dezentrale Versorgung verfochten, woraus die Allgemeinheit automatisch schließen muß, daß sie als Ersatz für die Hauptenergieträger nicht in Frage kommen kann. Oft wird sie nur als eine Art Nothilfe der Energieversorgung hingestellt, die aufgrund der bedrohten Umwelt eingeführt werden müsse - als eine eigentlich zweitklassige Energieversorgung, die man als quasi letzten Ausweg nicht umgehen kann.

Dieses scheue Verhalten hat eine Einstellung gegenüber der bewußten Sonnenenergienutzung mit hervorgebracht, nach der sie eher als eine Randmöglichkeit erscheint. Deshalb steht sie bei der Aufzählung energiepolitischer Maßnahmen fast immer an letzter statt an erster Stelle - auch bei zahlreichen Vorschlägen für eine ökologische Energiepolitik (S. 287/288). Die Befürworter der Sonnenenergie müssen aus ihren Erfahrungen lernen: Nicht durch Selbstbeschränkung auf kleine Schritte wird die Motivation gesteigert, sondern durch die offensive Forderung nach großen Schritten - verbunden mit dem Anspruch, die umfassend wirkende Alternative zu vertreten und nicht nur ein zusätzliches Element der Energieversorgung.

Dieser Anspruch markiert den Übergang von einem Aspekt innerhalb des alten Energiesystems zum Konzept eines neuen Energiesystems und damit zu einem neuen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, den Übergang von einer "Sonnentaktik" zur Sonnenstrategie.

Zu großen Alternativen läßt es sich besser mobilisieren als zu kleinen. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß kleine politische Schritte generell leichter zu realisieren seien als große. Wenn wir die solare Alternative durchsetzen wollen, müssen wir die herrschende zähe Kleingläubigkeit bei den lebensnotwendigen Perspektiven sozialpsychologisch überwinden (S. 289). Nur durch Beschleunigungsdruck und unabhängige Initiativen aus der Gesellschaft wird die Sonnenstrategie noch rechtzeitig zur Entfaltung kommen (S. 291).

529 Beim Aufbau einer PV-Anlage

letzte Änderung: 20.07.2023