Pflanzenöl oder Wasserstoff: Treibstoff der Zukunft?
Als Treibstoff der Zukunft ist Pflanzenöl dem Wasserstoff weit überlegen. Pflanzenöl ist gespeicherte Sonnenenergie höchster Dichte, ein Geniestreich der Natur, Starthilfe für den Samen unter ungünstigsten Umweltbedingungen, evolutionär optimiert in einer Milliarde Jahren. Pflanzenöl-Technik ist fünfzehn mal effizienter als die Wasserstoff-Technik. Wenn der Mensch sich bei -253 Grad wohlfühlen würde, wäre Wasserstoff der ideale Energieträger. Eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung gibt es nicht.
Von Prof. Dr. E. Schrimpff
Prof. Dr. E. Schrimpff, FH Weihenstephan, Freising
(2. Januar 2003) Die dritte, noch glimpflich abgelaufene Erdölkrise haben wir gerade überstanden. Erinnern Sie sich noch an den Herbst 2000? An die Tankstellenblockaden in England und die wütenden Proteste in ganz Europa? Wenn es um Energie geht, verstehen die Menschen offenbar keinen Spaß! Die Weltwirtschaft stellt sich inzwischen auf ein neues, gegenüber Anfang 1999 knapp dreifaches Preisniveau ein.
Fünfzehnmal effizienter als Wasserstoff
Pflanzenöl als Energieträger
Unter diesen neuen Rahmenbedingungen erscheint ein bisheriges Nischenprodukt der Landwirtschaft in einem völlig neuen Licht: Pflanzenöl, das zukünftige Gold der Landwirte, das nicht nur als Nahrungsmittel und Industrierohstoff, sondern in zunehmendem Maße auch als Energieträger und Kraftstoff an Bedeutung gewinnen wird. Pflanzenöl ist biochemisch gespeicherte Sonnenenergie höchster Dichte.
Jedem Samenkorn hat die Natur eine Portion Pflanzenöl mitgegeben: Eine geniale Starthilfe, um den Sämling unter den verschiedensten Umweltbedingungen und noch völlig unabhängig von Licht und Nährstoffen die Chance zur Wurzel- und Sprossbildung zu geben. Im Vergleich zu Biofeststoffen (Holz, Stroh) und Biogas stellt Pflanzenöl die dichteste Energieform der Photosynthese dar. Mit einer Energiedichte von rund 9,2 kWh je Liter liegt es ziemlich genau zwischen Benzin (8,6 kWh/l) und Diesel (9,8 kWh/l). Im Gegensatz zu Benzin und Diesel ist Pflanzenöl jedoch regenerativ, CO2-neutral und frei von Schwefel, Schwermetallen und Radioaktivität. Es besteht nur aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und ein wenig Sauerstoff (O) im Verhältnis von etwa C60H120O6. Pflanzenöl dagegen kann und wird wieder regional und global geschlossene, naturgemäße Kreisläufe ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die CO2-Frage.
Wasserstoff und Pflanzenöl im Vergleich
Schon seit Jahrzehnten verbreiten die Medien die Vorstellung, Wasserstoff sei der ideale Energieträger der Zukunft und die Brennstoffzelle die überall einsetzbare Technik, um Strom und Wärme aus Wasserstoff sauber zu erzeugen. Sehr wenig hört man allerdings darüber, wo denn der viele Wasserstoff herkommen soll. Aus fossilem Erdgas etwa? Dann haben wir unter Umwelt- und Klimaschutz-Gesichtspunkten praktisch nichts gewonnen.
Am umweltfreundlichsten wäre es, Wasserstoff elektrolytisch aus Wasser mit Hilfe von Solarstrom zu produzieren (Solar-Wasserstoff). Unter Wissenschaftlern verbreitet sich jedoch zunehmend Skepsis an der ubiquitären Einsatzfähigkeit der Wasserstoff-Technik. Wesentliche Gründe dafür: Die physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff sind auf der Erde bei Atmosphärendruck und Normaltemperatur denkbar ungünstig. Als kleinstes Element ist Wasserstoff zwar sehr leicht, aber extrem flüchtig: Es diffundiert sogar durch die Stahlwände einer Druckflasche! Gasförmig hat es dort bezogen auf sein Volumen eine sehr geringe Energiedichte. Aber selbst bei -253o C verflüssigt ist seine Energiedichte mit 2,3 kWh je Liter nur ein Viertel derjenigen von Pflanzenöl (9,2 kWh/l) bei 20o C. Und zur Erzeugung und Verflüssigung von 1 Liter Wasserstoff wird derzeit rund drei mal mehr Fremdenergie benötigt, als zur Gewinnung von einem Liter Pflanzenöl.
Zusammen genommen bedeutet das, dass Pflanzenöl energetisch gesehen zwölf mal besser abschneidet. In Tab. 1 ist eine Gegenüberstellung der als optimal angestrebten Solar-Wasserstoff-Technik mit der Pflanzenöl-Technik nach 10 Parametern vorgenommen worden. Das Ergebnis: Nur bei der Verbrennung der beiden Energieträger schneidet die Wasserstoff-Technik besser ab. Bei nicht optimierter Verbrennung von Pflanzenöl entstehen nämlich CH-Radikale und polyzyklische Aromate. Alle anderen Gesichtspunkte fallen eindeutig zugunsten der Pflanzenöl-Technik aus. In der Gesamtenergie-Bilanz (Lagerungs-, Transport- und Befüllungsverluste eingeschlossen) unterliegt die Solar-Wasserstoff-Technik der Pflanzenöl-Technik im Verhältnis von ca. 1 : 15, d.h. die Pflanzenöl-Technik ist rund 15 mal energieeffizienter.
Züchterisches Ölpflanzen-Potenzial unerschlossen
Trotz ungeheurer Pflanzenvielfalt beschränkt sich die moderne menschliche Gesellschaft in der Ernährung auf eine Pflanzen-Einfalt: Nur 120 von rund 30.000 essbaren Pflanzenarten werden angebaut. Davon sorgen gerade neun Arten für 75% der menschlichen Nahrung. Das Entsprechende gilt auch für die Ölpflanzen-Nutzung: In Deutschland werden fast nur Raps (>80%) und daneben Sonnenblumen sowie Öl-Lein in nennenswerter Menge angebaut. Dabei wären bei uns mehr als 15 Ölpflanzen anbaufähig, europaweit sogar rund 50 Arten, weltweit wahrscheinlich über 2000 Arten. Bisher hat nahezu keine züchterische Arbeit stattgefunden, was die Nutzung von Pflanzenölen als Energieträger anbelangt. Das qualitative Potenzial ist also so gut wie unerschlossen.
Deutschland: Landwirtschaft könnte 45% des Dieselbedarfs decken
Angenommen, in Deutschland würde nur aus dem gut durchgezüchteten 00-Raps Pflanzenöl gewonnen, der einen Kornertrag von rund 4 Tonnen je Hektar mit einem Ölgehalt von über 40% hat. Dann könnte mit einem theoretischen Ölertrag von 1,6 t/ha gerechnet werden. Bei einer Kaltpressung ohne Extraktion beträgt die Ausbeute 85%, es könnten also 1,36 t/ha Rapsöl gewonnen werden. Da Raps nur alle vier Jahre auf derselben Fläche angebaut werden kann, könnte maximal jeder 4. Hektar mit Raps genutzt werden. Von 12 Mio. ha Ackerfläche in Deutschland wären also drei Mio. ha mit Raps bebaubar, die vier Mio. Tonnen Pflanzenöl (1,36 t/ha x 3 Mio. ha) pro Jahr liefern würden. Der Inlandsabsatz von Dieselkraftstoff betrug 1997 gemäß dem Bundeswirtschaftsministerium 26,3 Mio. Tonnen. Geht man von etwa gleich hohem Verbrauch der Motoren bei Verwendung von Diesel- oder Pflanzenöl-Treibstoff aus, so wäre die deutsche Landwirtschaft rechnerisch in der Lage, 15% (4 : 26,3) des derzeitigen Dieselverbrauchs zu erzeugen. Der heutige durchschnittliche Kraftstoffverbrauch im Dieselbereich (einschließlich Lkw und Bussen) kann mit ca. neun Liter je 100 km angesetzt werden. 3-Liter-Fahrzeuge (z.B. VW-Lupo) sind schon auf dem Markt und plausible Entwicklungen in Richtung 1,5 Liter-Fahrzeugen werden angegangen (z.B. L22 der Firma Loremo München). Würde es gelingen, den durchschnittlichen Verbrauch auf drei Liter zu verringern, dann könnte die deutsche Landwirtschaft fast die Hälfte (45%) des Dieselbedarfs decken.
Korrektur für Zeile 5: richtig 10 hoh 12 und 10 hoch 6.
Weltweites Potenzial
Weltweit gesehen ist das Potenzial an Pflanzenölen selbst für den heutigen Erdölbedarf ausreichend. Eine - zugegeben stark vereinfachte - Rechnung mit dem Anbau nur einer exemplarischen Ölpflanze der Ölpalme in den Tropen kann dies belegen (s. Tab. 2). Auf Afrika bezogen würden 12 % der Landfläche beansprucht, weltweit wären es 2,6 %. Natürlich kann niemand ernsthaft fordern, ein Achtel Afrikas mit Ölpalmen zu bepflanzen, schon aus ökologischen und klimatischen Gründen nicht. Aber jedes Land der Erde könnte seine eigenen heimischen Ölpflanzen auf 1-5% seiner Fläche anbauen, Ölpflanzen, die zum Teil wie "Unkraut" gedeihen (z.B. Ricinus in den Tropen, Purgiernuss in der Sahelzone und Leindotter in Mitteleuropa). Auf jeden Fall sind die Pflanzenöl-Potenziale weitaus höher, als wir auf den ersten Blick meinen.
Konkurrenz zu Nahrungsmittelanbau?
Ein Rapsfeld steht für den Nahrungmittelanbau scheinbar nicht zur Verfügung. Raps eignet sich jedoch vorzüglich als Vorfrucht und steigert sowohl den Humusgehalt der Böden als auch die Ernteerträge des nachfolgenden Getreideanbaus ohne zusätzliche Düngung. Beim Rapsanbau fallen neben 1000 kg/ha Öl auch 2000 kg/ha Rapskuchen an, ein vorzügliches, eiweißreiches Kraftfutter für die Rinder- und Schweinehaltung. Der Rapskuchen kann sogar als menschliches Nahrungsmittel aufbereitet werden. Werden in Zukunft die bisherigen Monokulturen durch Mischfruchtanbau ersetzt, dann gibt es keine Flächenkonkurrenz mehr. Im Mischfruchtanbau werden z.B. Getreide mit Leindotter gleichzeitig auf einem Feld angebaut. Der Ertrag an Getreide ist dabei nicht beeinträchtigt. Zusätzlich lassen sich ca. 100 Liter an Leindotteröl und 250 kg an Leindotterkuchen vom Hektar gewinnen. Die Ernte lässt sich wegen der unterschiedlichen Samengrößen durch Siebe problemlos trennen. Eine Reihe von solchen Großversuchen laufen derzeit mit vielversprechenden Ergebnissen.
Als Fazit ergibt sich: Die Nahrungsmittelerzeugung wird durch den Anbau von Ölpflanzen nicht oder nur unwesentlich gemindert. Der Ölpflanzenanbau wird künftig als ein integraler Bestandteil einer Polykultur kein Konkurrent, sondern sogar Förderer eines gesunden Nahrungsmittelanbaus sein.
Download: Langfassung von Schrimpff "Treibstoff der Zukunft"