Pflanzenöl oder Biodiesel?
Zur Frage nach der besseren Treibstoffstrategie
Von Ernst Schrimpff
Einführung
Zu den biogenen Treibstoffen, die schon heute in Deutschland einige Hunderttausende von Fahrzeugen antreiben, gehören Biodiesel und Pflanzenöl. Biodiesel kommt heute in traditionellen Dieselmotoren ohne wesentliche Anpassung zum Einsatz. Weniger bekannt ist naturbelassenes Pflanzenöl, das als Treibstoff in dafür entwickelten oder umgerüsteten (Diesel-) Motoren in den letzten Jahren zunehmend verwendet wird.
Welchem dieser zwei möglichen Optionen - Biodiesel oder Pflanzenöl - soll man auf Dauer den Vorzug geben? Welcher dieser Bio-Kraftstoffe verspricht langfristig gesehen die größten ökonomischen, ökologischen und sozialen Vorteile?
Grundsätzliches
Pflanzenöl ist biochemisch gespeicherte Sonnenenergie höchster Dichte. Jedem Samenkorn hat die Natur eine Portion Pflanzenöl mitgegeben: eine geniale Starthilfe, um dem Sämling unter den verschiedensten Umweltbedingungen und noch völlig unabhängig von Licht und Nährstoffen die Chance zur Wurzel- und Sprossbildung zu geben.
Im Vergleich zu Biofeststoffen (Holz, Stroh) und Biogas stellt Pflanzenöl die dichteste Energieform der Photosynthese dar. Mit einer Energiedichte von rund 9,2 Kilowattstunden je Liter liegt es ziemlich genau zwischen Benzin (8,6 Kilowattstunden je Liter) und Diesel (9,8 Kilowattstunden je Liter). Im Gegensatz zu Benzin und Diesel aus Erdöl ist Pflanzenöl jedoch regenerativ, CO2-neutral und frei von Schwefel, Schwermetallen und Radioaktivität. Es besteht nur aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und ein wenig Sauerstoff (O) im Verhältnis von etwa C60H120O6.
Pflanzenöle werden im einfachsten Fall durch Zermahlen der Samen und anschließender Kaltpressung gewonnen, wobei Schwebstoffe vom Rohöl durch Sedimentation oder Filtration abgetrennt werden. Biodiesel dagegen entsteht aus dem Rohstoff "Pflanzenöl" unter Zugabe von Kalilauge durch Veresterung mit Methanol, und erfordert fünf zusätzliche, energie- und kostenaufwändige industrielle Zwischenschritte für seine Erzeugung.
In Deutschland wurde bisher die Biodiesel-Produktion und -Vermarktung in erheblichem Maße subventioniert, so dass inzwischen ein fast flächendeckendes Biodiesel-Tankstellennetz (> 1.500 Tankstellen) und mehr als zwölf zentrale Ölmühlen und Biodiesel-Produktionsanlagen mit einer Jahres-Gesamtkapazität von rund 800.000 Tonnen bestehen. Da Biodiesel überwiegend aus Rapsöl hergestellt wird, nennt man ihn häufig auch "Rapsmethylester" (RME).
Naturbelassenes Pflanzenöl dagegen wurde als Treibstoff bis vor vier Jahren von der Öffentlichkeit wenig beachtet, obwohl private Initiativen seit nun fast 20 Jahren die vorzügliche Eignung von Pflanzenölen in speziell entwickelten Motoren (Elsbett) und seit sieben Jahren in umgerüsteten (Vorkammer- und TDI-) Dieselmotoren in mehr als 1.000 Fahrzeugen unstrittig nachgewiesen haben.
Der Durchbruch der Pflanzenöl-Technik begann vor neun Jahren. Seit zwei Jahren zeichnet sich wegen der relativ hohen Preise für Diesel-Treibstoffe ein Boom ab. Derzeit fahren rund 5.000 Fahrzeuge in Deutschland mit naturbelassenem Pflanzenöl, und mittlerweile wird die Pflanzenöl-Technik auch durch den Staat in bescheidenem Umfang (zum Beispiel das 100-Traktor-Umrüstprogramm) gefördert.
Vergleich der Treibstoffe
Im Folgenden werden neben einigen physikalischen und chemischen Kennwerten von Pflanzenöl und Biodiesel auch die wesentlichen Schritte zu deren Gewinnung, die Fragen des Transportes und der Lagerung, der Umwelt- und Sozialverträglichkeit und schließlich die Kosten vergleichend dargestellt. Die physikalischen Kennwerte "kinematische Viskosität" und "Flammpunkt" fallen aus motorischer Sicht zugunsten von Biodiesel aus, weil sie den Eigenschaften von mineralischem Diesel wesentlich näher kommen als Pflanzenöle (zum Beispiel Rapsöl und Leindotteröl).
Die chemischen Eigenschaften von Biodiesel und Pflanzenölen sind im Vergleich zu Diesel erheblich günstiger zu bewerten, was auch in der Regel zu geringeren Abgasemissionen führt. Da aber Biodiesel im Gegensatz zu Pflanzenölen wie ein Lösungsmittel wirkt (Problem bei herkömmlichen Schläuchen und Dichtungen), ferner recht hygroskopisch ist, also Wasser anzieht und Motoröle verdünnt (doppelt so häufige Öl- und Filterwechsel sind erforderlich als mit einem Diesel- bzw. Pflanzenölbetrieb), ergibt sich hier ein deutlicher Vorteil für Pflanzenöle, die darüber hinaus wesentlich bessere Schmiereigenschaften haben (Lebensdauer der Einspritzpumpen und Motoren).
In der Energiedichte liegen Pflanzenöle und Biodiesel (9,2 beziehungsweise 8,9 Kilowattstunde je Liter) zwischen Benzin und Diesel. Deutliche Unterschiede sind jedoch bei der Gewinnung der beiden Kraftstoffe festzustellen.
Die Unterschiede betreffen das Produktionsprinzip (für Pflanzenöle können sich zahlreiche kleine und dezentrale Ölmühlen etablieren, für Biodiesel dagegen sind eher wenige zentrale und großindustrielle Anlagen erforderlich), den notwendigen Produktionsaufwand (nur drei Schritte bei Pflanzenöl, jedoch acht bei Biodiesel) und den Energieaufwand: Für die Pflanzenöl-Erzeugung werden 15 Prozent des Energiegehaltes vom Pflanzenöl selbst benötigt, für Biodiesel dagegen 36 Prozent seines eigenen Energiegehaltes aufgewendet.
Allerdings weist Biodiesel eine energetische Gutschrift durch das anfallende Nebenprodukt Glyzerin auf, die mit vier Prozent angerechnet werden kann, so dass im Endergebnis 32 Prozent des Energiegehaltes von Biodiesel für seine Herstellung benötigt werden.
Transport und Lagerung von beiden Treibstoffen sind deutlich unproblematischer als bei Diesel. Allerdings besteht bei Biodiesel ein höheres Risiko als bei Pflanzenölen, da es leichter brennt und weniger umweltverträglich ist, was mit der schlechteren biologischen Abbaubarkeit, der höheren Grundwassergefährdung, der Human-Toxizität und der erschwerten Möglichkeit, Stoffkreisläufe zu schließen, zusammenhängt.
Nicht nur die Umweltverträglichkeit fällt zugunsten von Pflanzenölen aus, auch die Sozialverträglichkeit ist bei der Pflanzenöl-Option besser. Denn Strategie, Logistik, Transportwege, Verwundbarkeit gegen Terroranschläge und regionale Wertschöpfung sprechen eindeutig für von Pflanzenöl.
Betrachtet man schließlich die wichtige Kostenfrage, dann ergibt sich nur bei der derzeitigen Anpassung beziehungsweise Umrüstung von Dieselmotoren an den jeweiligen Treibstoff ein deutlicher Vorteil für Biodiesel. Dieser Vorteil allerdings wird in Zukunft bei eingeführter Serienfertigung der treibstoffangepassten Motoren kaum oder nicht mehr vorhanden sein, weil keine nennenswerten Preisunterschiede mehr vorkommen werden. Darüber hinaus wird die Umrüstung von bestehenden Diesel-Motoren zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen.
Es bleibt dann nur noch die Frage der Treibstoffkosten, die schon heute für Pflanzenöle um 0,15 bis 0,20 Euro je Liter geringer ausfallen. Geht man von der derzeitigen Biodiesel-Jahresproduktion von zirka 800.000 Tonnen aus, der mehr als 900 Millionen Liter Rapsmethylester entsprechen, dann fallen bei einem angenommenen Mehrpreis von 0,15 Euro je Liter für den deutschen Verbraucher und die deutsche Volkswirtschaft schon heute jährlich rund 135 Millionen Euro vermeidbare Mehrkosten an!
In Zukunft dürfte der Preisunterschied zwischen Biodiesel und Pflanzenölen weiter zunehmen, weil einerseits die Methanol-Herstellung, die bisher an Erdöl und Erdgas gekoppelt ist, mit der Verknappung dieser fossilen Energieträger teurer wird und andererseits, weil das Biodiesel-Abfallprodukt Glyzerin mit einer Sättigung des Glyzerin-Weltmarktes zunehmend geringere Erlöse ermöglichen wird. Können sich die Nationalökonomien der Welt dann noch Biodiesel leisten?
Fazit und Ausblick
"Biodiesel" ist als Treibstoff wesentlich sinnvoller als das Erdölprodukt "Diesel", aber der Vergleich der Biodiesel- und der Pflanzenöl-Strategien ergibt noch mehr Vorteile für die Pflanzenöl-Alternative. Beide - die Pflanzenöl- und Biodiesel-Erzeugung - werden der zukünftigen Landwirtschaft neue und bedeutende Einkommensquellen erschließen. Die eindeutig größere regionale Wertschöpfung für den ländlichen Raum wird jedoch mit der Pflanzenöl-Option zu erzielen sein.
Ferner werden die Nationalökonomien der Welt mit der Pflanzenöl-Strategie über einen absolut umweltfreundlichen, sozialverträglichen und um rund 30 Prozent billigeren Treibstoff verfügen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Biodiesel-Strategie - in der Zange von steigenden Methanol-Kosten und abnehmenden Glyzerin-Erlösen - in wenigen Jahren in eine wirtschaftlich prekäre Lage geraten wird. Naturbelassene Pflanzenöle dagegen haben das Potenzial, billiger zu werden.