Strompreisumlage gerechter verteilen
2025 steigt die Strompreisumlage um 142 % auf 1,5 ct/kWh. Darin enthalten sind Industriestrompreissubventionen von rund 1,5 Milliarden Euro. Private Verbraucher und Gewerbekunden protestieren und fordern deren Abschaffung. Daneben finanziert die Umlage auch eine gerechtere regionale Verteilung der Netzkosten.
Von Aribert Peters
(17. Januar 2025) Mit ihren Strompreisen zahlen Verbraucher für jede Kilowattstunde auch einen „Aufschlag für besondere Netznutzung“, die sogenannte § 19 StromNEV-Umlage (NEV = Netzentgeltverordnung). Sie beträgt im Jahr 2024 0,643 ct/kWh und ist damit gegenüber dem Vorjahr um 54 % gestiegen. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt 32 Euro zusätzliche Kosten. Dabei handelt es sich um eine Subvention, mit der die Netzentgelte der stromintensiven Industrie stark vermindert werden, und die Politik hat weitere Netzentgeltentlastungen für die Großindustrie angekündigt. Eine große Ungerechtigkeit. Und eine absurde Wirtschaftspolitik, die den Mittelstand zusätzlich belastet, um die Großindustrie zu beschenken. Bis 2045 werden sich laut einer Untersuchung die Stromnetzentgelte durch den Netzausbau verdoppeln. Höchste Zeit, netzentlastende dezentrale Konzepte ins Auge zu fassen (siehe „Strommarkt demokratisieren“).
Brüssel ordnete Rückzahlung an
Der Bund der Energieverbraucher hatte im Jahr 2011 bei der EU-Kommission gegen die Netzentgeltbefreiungen Beschwerde eingelegt, die zu einem Verfahren gegen die Bundesrepublik führte. Das Gericht der Europäischen Union hat 2021 die von der Kommission 2018 angeordnete Rückzahlung für einen Teil der Befreiungen für rechtens erklärt (AZ T196/19). In einem aktuellen Urteil hat der EuGH bestätigt, dass es sich bei den Netzentgeltbefreiungen stromintensiver Unternehmen um eine Beihilfe handelt (Urteil des EuGH vom 26.9.2024 C795/21P). Sie müssen der Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden.
Ende der Subventionen gefordert
Der Bund der Energieverbraucher fordert, dass Industriestromsubventionen vom Staat und nicht von den Verbrauchern finanziert werden. Insgesamt profitieren 578 Betriebe von der Subvention. Deren Namen sind geheim. Vor Jahren hatte der Bund der Energieverbraucher herausgefunden, dass auch Campingplätze, Erholungsheime und Supermärkte Entgeltreduzierungen ausgehandelt hatten und Versorger mit diesen Entlastungen regelrecht geworben hatten.
Befreiungen nicht mehr begründbar
Wurde die Netzentgeltreduzierung seinerzeit mit dem „netzdienlichen Verhalten“ der Betriebe begründet (hoher Verbrauch außerhalb der Hochlastzeit und Betriebe mit besonders gleichmäßigem Abnahmeverhalten), so hat sich dieses Argument genau in sein Gegenteil verkehrt. Die Befreiungstatbestände sind netzschädlich, erschweren die Netzstabilisierung und führen zu zusätzlichen Kosten für die Allgemeinheit. Das stellt die Bundesnetzagentur aktuell selbst fest: „Dem Aufschlag auf die Netzentgelte nach § 19 Abs. 2 S. 15 StromNEV, den die Netznutzer gesamthaft tragen, steht kein kostensenkender Effekt für das Energieversorgungssystem gegenüber… Insbesondere auch angesichts der hohen zu wälzenden Kosten und der daraus entstehenden zusätzlichen Belastung Dritter … kann die aktuelle, ineffektive Anreizsetzung nicht aufrechterhalten bleiben.“ Der Bund der Energieverbraucher hat in einem Schreiben an die zuständige 4. Beschlusskammer der Bundesnetzagentur gefordert, die § 19 StromNEV-Subventionen als unsachgerecht und auch ungerecht gegenüber nichtprivilegierten Verbrauchern vollständig auslaufen zu lassen.
Eckpunkte der Bundesnetzagentur zur Fortentwicklung der Industrienetzentgelte im Elektrizitätsbereich vom 24.07.2024: www.bdev.de/neveckpunkte
142 % Anstieg für 2025
Im Jahr 2025 werden die § 19 Strom-NEV-Umlagen drastisch um weitere 142 % auf 1,558 ct/kWh ansteigen. Das bedeutet 55 Euro an Strommehrkosten für einen Durchschnittshaushalt. Die Umlage wurde von den Übertragungsnetzbetreibern berechnet: www.netztransparenz.de .
Die KWK (Kraft-Wärme-Kopplung)-Umlage steigt 2025 von 0,275 auf 0,277 ct/kWh und die Offshore-Wind-Umlage von 0,656 auf 0,816 ct/kWh. Der nunmehrige „Aufschlag für besondere Netznutzung“ wird damit zur wichtigsten Umlage auf den Strompreis, nachdem die ungleich belastendere EEG-Umlage sowie die minimale „Umlage für abschaltbare Lasten“ schon vor einiger Zeit abgeschafft wurden.
Neuer Ausgleichsmechanismus
Die Umlage für 2025 wird nicht nur die bisherigen Komponenten des § 19 StromNEV enthalten, sondern auch einen neuen Ausgleichsmechanismus für Regionen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien. Grundlage dafür ist kein Gesetz, sondern eine Festlegung der Bundesnetzagentur zur „Verteilung von Mehrkosten der Netze aus der Integration von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“.
Bundesnetzagentur, Festlegung zur NEV: www.bdev.de/nevbk8
Entlastung für Regionen mit viel Erneuerbaren
Es handelt sich um eine wichtige Änderung: Insgesamt 2,5 Milliarden Euro aus der § 19-Umlage werden an 178 Netzbetreiber in Regionen weitergegeben, in denen die Netzentgelte durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie deutlich stärker als anderswo gestiegen sind. Die Ausgleichszahlungen verringern bei diesen Netzbetreibern die Netzentgelte für Haushalte, beispielsweise bei der Schleswig-Holstein Netz AG um 4,42 ct/kWh oder bei der Wemag Netz sogar um 6,03 ct/kWh. Das entspräche 210 Euro bei 3.500 kWh Jahresverbrauch und ist deutlich mehr, als der Anstieg der StromNEV-Umlage ausmacht, die ausnahmslos alle Verbraucher bezahlen müssen.
Damit verringern sich aber keineswegs automatisch die Strompreise für die Verbraucher in den betroffenen Netzgebieten. Denn diese zahlen einen mit dem Versorger vereinbarten Strompreis, der die Netzentgelte einschließt. Ob der Versorger seine Strompreise um den entsprechenden Betrag vermindert, ist nicht ausgemacht.
Verbraucher sollten auf Preissenkungen bestehen
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, forderte deshalb die Lieferanten auf, diese Beträge an die Verbraucher weiterzugeben. Und die Verbraucher sollten darauf achten, dass dies auch geschieht, und ihren Versorger dazu auffordern. Andernfalls sollten sie entsprechende Beträge einbehalten. Welche Verbraucher davon profitieren, hängt nicht davon ab, von welchem Versorger sie ihren Strom beziehen. Sondern es hängt davon ab, ob ihr Verteilnetzbetreiber zu den 178 Netzbetreibern gehört, deren Netzentgelte durch Entlastungsbeträge vermindert werden. Eine Liste der Betreiber hat die Bundesnetzagentur veröffentlicht. Allerdings fehlen darauf 21 Netzbetreiber, die der Veröffentlichung nicht zugestimmt haben. In den meisten Netzgebieten gibt es keine oder nur eine geringe Entlastung der Netzentgelte.
- Plattform Netztransparenz: www.bdev.de/nevtransparenz
- Studie zum Anstieg der Netzentgelte: www.bdev.de/netzentewi
- Pressemitteilung der Bundesnetzagentur: www.bdev.de/pmbneta
- Studie zur Reform: www.bdev.de/neon
- Weitere Infos: www.bdev.de/nevinfos