Dynamische Stromtarife: Chancen und Risiken
Dynamische Stromtarife sind ein neues Konzept, bei dem sich der Strompreis stündlich an die Börsenpreise anpasst. Dies ermöglicht es Kunden, in Zeiten niedriger Nachfrage günstigen Strom zu beziehen. Das klingt vielversprechend, birgt aber auch Risiken.
Von Aribert Peters
(18. Januar 2025) Die Preise bei dynamischen Stromtarifen orientieren sich am Day-Ahead-Markt der europäischen Strombörse EPEX Spot. Verbraucher können so von günstigen Preisen profitieren, etwa wenn viel Wind- oder Solarstrom eingespeist werden.
Wer profitiert am meisten?
Vor allem Haushalte mit einem hohen Verbrauch, der sich zeitlich verschieben lässt, können sparen. Sie bringen ihre E-Autos, Wärmepumpen oder Batteriespeicher ans Netz, wenn der Strom am günstigsten ist. Eine Kundin hatte ihr E-Auto für nur 10,5 Cent pro kWh geladen, als die Preise im Minus waren. Allerdings reißen die Preise auch nach oben aus und dann kann es sehr teuer werden: Im August 2022 stiegen sie kurzzeitig auf 71 ct/kWh. Verbraucher müssen also den Markt genau beobachten und auch rasch reagieren.
Die Testergebnisse
Die Preisunterschiede zwischen den Stromanbietern sind erheblich. Fixkosten und Grundpreise variieren stark. Das zeigte ein Vergleich von 20 Anbietern durch die Stiftung Warentest (Finanztest 9/2024). Manche Unternehmen berechnen bis zu 7 ct/kWh mehr als andere.
Der Ökostromanbieter Ostrom schnitt im Test besonders gut ab. Er berechnet nur 19,3 ct/kWh zusätzlich zum Börsenstrompreis. Kunden können ihre Verbrauchsdaten in Echtzeit einsehen und gezielt günstig Strom beziehen. Andere Anbieter wie Tibber und Rabot Charge setzen ebenfalls auf erneuerbare Energien und bieten Apps zur Steuerung des Verbrauchs. Sie eignen sich für technikaffine Nutzer, die ihren Verbrauch genau planen. Allerdings können sich die prozentualen Aufschläge auf den Börsenstrompreis schnell summieren. Am teuersten war im Test die Lechwerke AG. Hier zahlten Kunden im Schnitt bis zu 457 Euro mehr pro Jahr als bei Ostrom.
Noch kein Smart Meter?
Voraussetzung für dynamische Tarife ist eine intelligente Messeinrichtung (siehe ED 4/2024, Seite 20). Sie erfasst den Verbrauch in Echtzeit und ermöglicht eine genaue Abrechnung. Wer nicht auf den Einbau eines Smart Meters warten will, der kann dynamische oder variable Stromtarife auch ohne intelligente Messeinrichtung nutzen:
- Naturstrom hat kürzlich den Tarif „naturstrom flex“ eingeführt, der sich an Haushaltskunden mit normalem Stromzähler richtet. Der Arbeitspreis wird monatlich an die Börsenpreise angepasst.
- ENTEGA bietet ebenfalls einen dynamischen Ökostromtarif an, für den kein Smart Meter nötig ist.
- Tibber ermöglicht mit dem „Tibber Pulse“ auch Kunden mit digitalem Zähler die Nutzung ihres stündlichen Tarifs.
Es gibt technische Lösungen, die ähnliche Funktionen wie ein Smart Meter erfüllen:
- Der Tibber Pulse ist ein Strom-Tracker, der den Verbrauch in Echtzeit misst und an den Anbieter übermittelt.
- Einige Anbieter wie EnviaM akzeptieren inoffizielle Zähler wie den iONA Sensor, der den Verbrauch viertelstündlich erfasst.
Manche Tarife erlauben auch die manuelle Übermittlung von Zählerständen, etwa per Foto über eine App.
Herausforderungen für Verbraucher und Markt
Ein Problem ist die häufig mangelnde Transparenz der Preisbildung. Anbieter orientieren sich an verschiedenen Börsenprodukten und fügen Aufschläge hinzu. Das macht es für Verbraucher schwer, die Tarifstruktur zu verstehen. Vergleichsportale wie Verivox und Check 24 müssen ihre Methodik anpassen, um dynamische Tarife korrekt darzustellen. Bisher wird oft nur der Preis für den ersten Monat angezeigt, was irreführend sein kann. Experten schlagen vor, Tarife mit Preisabsicherungsmechanismen einzuführen. Das könnte Verbraucher vor extremen Preisschwankungen schützen.
Worauf ist zu achten?
- Kurze Kündigungsfristen sind wichtig, um bei Bedarf schnell in einen Festpreistarif wechseln zu können.
- Eine App oder eine intelligente Steuerung helfen, die aktuellen Strompreise im Blick zu behalten.
- Die Vertragsdetails sollten genau geprüft werden.
Für engagierte und flexible Verbraucher
Dynamische Stromtarife bieten Chancen zum Sparen, erfordern aber auch mehr Engagement und Flexibilität von den Verbrauchern. Sie können einen wichtigen Beitrag zur Integration erneuerbarer Energien leisten. Ob sie sich für einen Haushalt lohnen, hängt vom individuellen Verbrauchsverhalten und der Bereitschaft ab, sich aktiv mit dem Strommarkt auseinanderzusetzen.
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