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Bürger-Contracting finanziert Negawatts in Schulen

Mit Klimaschutz an Schulen Geld verdienen und Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte begeistern: Ein Projekt mit Bürgerbeteiligung zieht Bilanz und regt zum Nachmachen an. Wir berichten über ein neues Buch von Kurt Berlo und Dieter Seifried.
Von Aribert Peters

(13. November 2024) „Energiesparen – unsere beste Energiequelle“ stand in den 1990er-Jahren auf den Umlaufmappen im Bundeswirtschaftsministerium. Das modernste Kraftwerk der Welt hat keine Schornsteine, keine Kühltürme. Sein Strom muss nicht über Hunderte von Kilometern zu den Kunden transportiert werden. Es hat weder Netzverluste, noch stößt es Schadstoffe aus. Die Rede ist vom Einsparkraftwerk: Durch ein stromsparendes Gerät tue ich dasselbe wie mit dem Bau eines winzigen Kraftwerks im eigenen Haus. Wenn statt 75 Watt eine neue Glühbirne nur 15 Watt verbraucht, produziere ich damit 60 Negawatt, also ungenutzte Watt. 

 ED 03/2024 Bürger-Contracting finanziert Negawatts in Schulen (S.14/15) 

Zusammen macht es am meisten Spaß: Schools for Future

Kapitel 1: Eco-Watt

Dieser Gedanke von Amory Lovins und Peter Hennicke wurde Mitte der 1990er-Jahre in Freiburg – Sitz des Öko-Instituts – im Schulprojekt Eco-Watt erfolgreich umgesetzt. In der Staudinger Gesamtschule wurden in acht Jahren Projektlaufzeit 20 bis 30 Prozent Wärme und erhebliche Mengen an Strom und Wasser eingespart.

Eco-Watt sammelte privates Geld von 98 Anlegern ein und zahlte es mit einer Verzinsung von 6 Prozent zurück. Und die Schule erhielt 78.000 Euro zur freien Verfügung. Für den Erfolg des Projekts waren folgende Faktoren ausschlaggebend: 

  • Die fachliche Expertise von Experten des Öko-Instituts
  • Eine sinnvolle gesellschaftsrechtliche Konstruktion mit einer Kommanditgesellschaft und einer Contracting-Gesellschaft
  • Eine laufende Kontrolle der Verbrauchswerte der Schule
  • Die Kooperation von Projekt, Schule, Schülern und Lehrern

Der Schwerpunkt der Investitionen lag im Bereich der Beleuchtung sowie bei der Heizungs- und Lüftungssteuerung. Aber auch Wassereinsparungen und eine Neugestaltung des Lastmanagements zur Vermeidung von Lastspitzen beim Strombezug wurden umgesetzt.

Wegen der damals geringen Einspeisevergütung kam eine PV-Anlage nicht in Frage. Und die Heizung wurde vom städtischen Energieversorger betrieben und war nicht beeinflussbar. Auch auf die ineffizienten Gaskessel hatte das Eco-Watt-Projekt keinen Einfluss.

Was kostete nun die vermiedene Tonne CO2 im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprojekts? Die Gesamtkosten von Eco-Watt (Investitionen plus Wartungs- und Instandhaltungskosten, Versicherung, Steuerberater und Geschäftsführung) beliefen sich auf 468.000 Euro. Dem standen durch Einsparungen erzielte Einnahmen von 674.000 Euro über die acht Jahre Vertragsdauer gegenüber. Der Nutzen überwog also die Kosten um 206.000 Euro. Im selben Zeitraum wurden 2.650 Tonnen CO2 eingespart.

Das Projekt erzielte also negative CO2-Vermeidungskosten. Oder anders ausgedrückt: Pro vermiedene Tonne CO2 wurde ein betriebswirtschaftlicher Nutzen von 78 Euro erzielt. Die Autoren schreiben: „Man könnte daraus auch lernen, dass Nichtinvestieren viel teurer kommt als sinnvolle Klimaschutzinvestitionen.“ Bürgerbeteiligung funktioniert und kann erstaunliche Ergebnisse liefern – nicht nur was die Rentabilität von Projekten betrifft. Mit Eco-Watt wurden an der Staudinger Gesamtschule und darüber hinaus viele Impulse für den Klimaschutz gesetzt: Innerhalb der Schule gab es sehr viele Aktivitäten, die das Bewusstsein und klimaschonendes Handeln bei Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften verstärkten.

Kapitel 2: 100.000-Watt-Initiative

Aus der Eco-Watt-Initiative entstand im Jahr 2000 mit finanzieller Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen die „100.000 Watt-Solar-Initiative für Schulen in NRW“ oder kurz: die Solar&Spar-Projekte. Fachlichen Input lieferte das Wuppertal Institut.

An vier Schulen in NRW wurden Projekte realisiert: Beleuchtungssanierung, Wärmeeinsparung, Blockheizkraftwerke und PV-Anlagen auf dem Schuldach. Diese Einsparkraftwerke sind seit rund 20 Jahren in Betrieb. Und erzielen Jahr für Jahr eine beachtliche Reduktion von Energiekosten. 

Die Investitionen haben sich auch finanziell gelohnt. Insgesamt investierten die Solar&Spar-Projektträgergesellschaften 3,5 Millionen Euro in die vier Projekte. Davon haben allein die insgesamt 375 Kapitalanteile der Bürgerinnen und Bürger 2,04 Millionen Euro in die Projektkassen gebracht. Auch der Bund der Energieverbraucher hat sich finanziell beteiligt. 1,5 Millionen Euro wurden über Banken finanziert. Bis Ende 2022 konnten an Solar&Spar beteiligte Personen 4,36 Millionen Euro ausgeschüttet werden. Die Investoren bekamen also nicht nur ihr Geld zurück, sondern erzielten auch eine ordentliche Verzinsung, die bei zwei Schulen bei 6 Prozent lag und bei zwei weiteren den Zielwert von 5 bis 6 Prozent deutlich überstieg. Solar&Spar wurde mit Auszeichnungen geradezu überhäuft. 

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Kapitel 3: Schools for Future

Um die Erfolge von Solar&Spar stärker in die Breite zu tragen, wurde 2019 „Schools4Future“ gestartet. Das Projekt knüpft an das Engagement von Jugendlichen in der Fridays-for-Future-Bewegung an. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden an bundesweit zwölf Schulen Handlungsmöglichkeiten für den Klimaschutz ermittelt, gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium.

Es konnte gezeigt werden, dass eine klimaneutrale Umstellung an Schulen gelingen kann. Will man den Weg zur Klimaneutralität beschreiten, sollte man wissen, in welchem Bereich die CO2-Emissionen entstehen und wie viele Tonnen CO2 auf die einzelnen Sektoren entfallen. Eine Selbstverständlichkeit? Sollte man denken – aber dennoch gibt es an kaum einer Schule eine CO2-Bilanz. Für das Projekt wurde ein Excel-Tool entwickelt, das es ermöglicht, eine solche Bilanz zu erstellen.

Darauf aufbauend wurden dann Maßnahmen für ein Klimaschutzkonzept der Schule erarbeitet, Möglichkeiten der Umsetzung in der Schulgemeinschaft diskutiert und – soweit möglich – auch auf verschiedenen Ebenen gehandelt. Dabei machten Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte einerseits die Erfahrung, etwas bewirken zu können. Gleichzeitig lernten sie auch, dass der Schulträger mitziehen muss, wenn tatsächlich eine klimaneutrale Schule erreicht werden soll. Viele kleinere Maßnahmen konnte Schools for Future bereits während der Projektlaufzeit anstoßen und umsetzen. Kleine Investitionen wurden mithilfe finanzieller Unterstützung von (Schul-)Vereinen realisiert, große investive Maßnahmen dagegen konnten nur vorgeschlagen und hinsichtlich ihres Nutzens beschrieben werden. Die meisten investiven Maßnahmen warten noch auf die Umsetzung durch den jeweiligen Schulträger. Es stellte sich heraus, dass Bürgerbeteiligungsprojekte eine Option darstellten, bestimmte investive Maßnahmen umzusetzen.

Fazit: Bares Geld und ideeller Gewinn

Während Lobbyisten der fossilen Energie die Angst vor angeblich untragbaren Lasten des Klimaschutzes schüren, wird im Solar&Spar-Projekt an den vier Schulen nachgewiesen, dass das Gegenteil der Fall sein kann: Kompetent geplant, konsequent und innovativ umgesetzt können bürgerfinanzierte Klimaschutzprojekte für die beteiligten Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Schulen einen beeindruckenden finanziellen und ideellen Gewinn erbringen. 375 Bürgerinnen und Bürger haben durch ihre Einlagen die Projekte mitfinanziert und erhalten 5 bis 6 Prozent Zinserträge pro Jahr – finanziert aus den eingesparten Energiekosten. An die beteiligten Schulen und Kommunen wurden insgesamt mehr als 1,25 Millionen Euro ausgeschüttet. Mit der energetischen Sanierung von Schulen ist quasi ein Goldschatz zu heben. Aber womöglich ist der ideelle Gewinn durch die praktizierte Umweltpädagogik für Schüler, Lehrer und Eltern das noch wichtigere Ergebnis.

Wenn von den 33.000 Schulen in Deutschland nur 10 % dem guten Beispiel folgten, würden 4 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermieden und circa 3,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. 

Das Buch „Klimaschutz als Kapitalanlage und Bildungsauftrag – Chancen für Investition und Bildung an Schulen“ ist bei WEKA Medien erschienen (Kurt Berlo, Dieter Seifried | 1. August 2024 | 124 Seiten | ISBN: 978-3811127012 | 69,00 Euro). 

•  CO2-Rechner für Schulen: www.bdev.de/co2rechner

Vorteile des Bürger-Contractings

  • Die Schule wird energetisch saniert, ohne den städtischen Haushalt zu belasten.
  • Weniger Wartungs- und Instandsetzungsaufwand für neue Technik entlastet die Stadtkasse.
  • Ökologische Kapitalbeteiligung mit 5 bis 6 Prozent Rendite („Klimaschutz als Kapitalanlage“)
  • Die Einbindung in die ökonomische Verantwortung erhöht die Identifikation mit dem Projekt.
  • Praktischer Klimaschutz ist für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte hautnah erlebbar.
  • Die Beleuchtungssituation und die Lernbedingungen werden verbessert.
  • Es werden positive Impulse für Wirtschaft und Beschäftigung vor Ort gesetzt.
  • CO2-Emissionen werden reduziert.
  • Die Geldgeberinnen und Geldgeber verbessern ihre eigene CO2-Bilanz.

letzte Änderung: 02.05.2011