ED 04/21 Windkraftzubau: NRW bremst Energiewende (S.19)

Netzstudien

Streit um die Netz-Studie

Ihre zentrale Fragestellung: Wie ist es möglich, den wachsenden Anteil der Windenergie in das bestehende Stromsystem zu integrieren? Was muss dafür getan werden? Und was wird das Ganze kosten?

Streit um die Netz-Studie

Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Energiesystem der Zukunft sollte die von der Deutschen Energie-Agentur (Dena) koordinierte Netz-Studie aufzeigen. Ihre zentrale Fragestellung: Wie ist es möglich, den wachsenden Anteil der Windenergie in das bestehende Stromsystem zu integrieren? Was muss dafür getan werden? Und was wird das Ganze kosten?

(21. Juni 2005) - Viele Monate wurde über den Analysen gebrütet. Immer wieder gab es Ärger, weil einzelne Ergebnisse durchsickerten und in der Presse für Furore sorgten. Horrorzahlen kursierten, aus dem Zusammenhang gerissene Fakten, der drohende Blackout durch Windenergie wurde an die Wand gemalt. Energieversorger und Netzbetreiber auf der einen und die Vertreter der Ökoenergiebranche auf der anderen Seite konnten sich über wichtige Details nicht einigen. Eine Nachtsitzung endete im Eklat. Vier Wochen später gab es dann doch eine Einigung - und das 500-Seiten-Machwerk konnte der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Genehmigungsverfahren beschleunigen

Jahrelang haben die Netzbetreiber den Ausbau der Kapazitäten verschlafen - obwohl der Ausbau der Windenergie nicht über Nacht geschehen ist und obwohl sie gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtet sind, für die nötige Netzanbindung zu sorgen. Im Bundesumweltministerium wird nun an einem Beschleunigungsgesetz für den Leitungsneubau gearbeitet. Doch selbst wenn die neue Rechtsgrundlage bis zum Sommer vorliegen sollte: Im Norden regt sich bereits heftiger Widerstand bei Kommunen und Landkreistagen über die geplanten Neubauprojekte. Aufgescheucht von Meldungen, bis zu acht Trassen seien vorgesehen, verabschiedete der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund im Februar ein Grundsatzpapier. Darin heißt es: "Der Bau von neuen Freilandtrassen wird künftig bei den betroffenen Bürgern und Gemeinden in aller Regel auf Widerstand stoßen (…) [und] sollte daher künftig die Ausnahme sein."

Auch die nach Netz-Studie geplanten vier Hochspannungstrassen durch niedersächsisches Territorium dürften auf wenig Begeisterung stoßen. Der Wunsch des Gemeindebunds, bei diesen Projekten "verstärkt auf Kabelverlegung" zu setzen, lässt sich wohl nur schwer erfüllen. In einem vom Bundesverband WindEnergie (BWE) beauftragten Gutachten hat Professor Heinrich Brakelmann zwar nachgewiesen, dass Erdkabel gegenüber Freileitungen keine Nachteile haben, sogar kostengünstiger sein können. Dies gilt allerdings nur für den 110-kV-Bereich und nicht für das Höchstspannungsnetz (380 kV).

Optimierungspotenzial nicht bedacht

Die Niedersachsen mahnen deshalb an, dass die "Möglichkeiten des Energietrans-ports über bestehende Trassen" optimiert werden müsse. Und sprechen damit einen wunden Punkt der Netz-Studie an. Eine Optimierung des bestehenden Systems war nämlich nicht Teil der Analyse. Dabei hatten dies Sachverständige wie Ökoenergiebranche von Anfang an gefordert. Wohl wissend, dass die Fixierung auf den reinen Netzneubau nicht schnell genug für Lösungen sorgen wird. "Optimierungen im Bestand sind technisch wie genehmigungsrechtlich einfacher, sie lassen sich schnell umsetzen und es gibt keine Probleme mit der Akzeptanz", führt Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), die Vorteile auf.

Dass sich beispielsweise durch eine andere Leiterseiltemperatur deutlich mehr Energie über die Netze transportieren ließe, wurde in der Studie von Heinrich Brakelmann belegt. "In anderen Ländern, das zeigt das Beispiel Frankreich mit dem Stromkonzern Electricité de France, wird schon längst mit anderen Temperaturniveaus gearbeitet. Über ein Temperaturmonitoring lässt sich das problemlos regulieren", weiß Ralf Bischof, Leiter des Hauptstadtbüros des BWE.

Von diesen Potenzialen wird in der Studie nur im Nebensatz gesprochen: "Die Veränderung eines oder mehrerer dieser Parameter könnte zu einem erhöhten zulässigen Strom der Leiterseile führen, der jedoch durch die Norm nicht abgedeckt ist." Ob die angesprochene Norm D1N F.N 50182 noch das Maß aller Dinge ist, wird aber angezweifelt. Denn das darin angenommene Außentemperaturniveau - 35 Grad Celsius bei gleichzeitiger Windstille - tritt diametral zur klassischen Starkwind-Situation auf. "Es wäre schon ein großer Fortschritt, wenn die Leiterseiltemperaturen tatsäch-lich gemessen würden", sagt BEE-Präsident Lackmann. Dem Vernehmen nach soll die E.ON AG bereits erste Testläufe im Norden Deutschlands fahren.

Netzdaten blieben geheim

Ein zweiter, nicht minder wunder Punkt der Studie: Die nötigen Netzkapa-zitäten werden auf Grundlage statischer Berechnungen kalkuliert. Jeweils für die Jahre 2007, 2010 und 2015 werden die Auswirkungen auf die Übertragungswege für vier Varianten simuliert: Starklast oder Schwachlast mit viel oder wenig Windeinspeisung. Tatsächlich gemessene Daten, die Aufschluss darüber geben, wie die Netzbetreiber tatsächlich agieren, haben keinen Eingang gefunden. Die für die Studie beauftragten Forscher durften nur wenige Tage Einblick in die Daten nehmen - sozusagen unter Aufsicht, direkt vor dem Bildschirm in den Netzleitstellen. Für ihre anschließenden Berechnungen bekamen sie keine realen Datensätze zur Verfügung gestellt. Wie das Stromnetz tatsächlich auf schwache Nachfrage und starke Windeinspeisung reagiert, wie häufig dieser "worst case" eintritt und wie darauf reagiert wird, bleibt also weiterhin das Geheimnis der Konzerne.

Teil Zwei notwendig

Um Klarheit zu schaffen und die möglichen Optimierungspotenziale im Netz auszuloten, fordern die Vertreter der Ökoenergie-Verbände deshalb einen Teil zwei der Studie. Der soll sich unter anderem mit dem Temperaturmonitoring befassen, aber auch mit einer möglichen Anbindung an den skandinavischen Strommarkt, wo riesige Speicherpotenziale liegen. Doch auf diese Puffer möchten die Stromversorger - allen voran E.ON - lieber nicht zurückgreifen, weil über eine mögliche Anbindung Reimporte von billigem Wasserkraftstrom befürchtet werden. Es scheint noch ein langer Weg hin zu mehr Flexibilität.

Gekürzte Fassung eines Beitrags von Hanne May in neue energie 04/2005

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Die wichtigsten Ergebnisse der Netz-Studie
  • Für den angenommenen Windenergieausbau auf insgesamt 36.000 Megawatt [MW] installierte Leistung müssten 850 Kilometer neue Hochspannungstrassen gebaut und 366 Kilometer bestehender Leitungen verstärkt werden. Das sind fünf Prozent des derzeitigen 18.000 km-Hochspannungsnetzes. Kostenpunkt: 1,13 Milliarden Euro oder 0,025 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2015.
  • Weil Windenergie nicht konstant Energie liefert, müsse hinter jedem Windrad ein konventionelles Kraftwerk stehen - wird seit Jahren behauptet. Die Netz-Studie hat diesen Mythos der "Schattenkraftwerke" entzaubert. Mit dem prognostizierten Ausbau können sogar 2.000 MW konventionelle Kraftwerksleistung stillgelegt werden. Der bestehende Kraftwerkspark reicht vollkommen aus, um die nötige Regelreserve zu produzieren.
  • Windstrom wird günstiger: Im Jahr 2015 liegt die durchschnittliche Einspeisevergütung noch bei 6,92 Cent pro Kilowattstunde - ungefähr 50 Prozent niedriger als derzeit. In diesem Wert sind knapp 10.000 MW Offshore-Leistung mit eingerechnet.
  • Für den geplanten Ausbau der Windenergieleistung um rund 20.000 MW müssen die Stromkunden im Jahr 2015 rund 0,37 Cent pro Kilowattstunde mehr bezahlen. Für einen Vierpersonenhaushalt mit einem Verbrauch von 3.500 kWh sind dies knapp 13 Euro im Jahr.
Weitere Informationen unter:
Windstudie umstritten

sollte ursprünglich gestern veröffentlicht werden, allerdings konnten sich Vertreter der Windbranche und der Netzbetreiber trotz langer Diskussion nicht auf eine Deutung der Ergebnisse einigen.

Windstudie umstritten

(23. Januar 2005) - Die Studie "Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis 2020" der Deutschen Energie Agentur GmbH (dena), Berlin, sollte ursprünglich gestern veröffentlicht werden, allerdings konnten sich Vertreter der Windbranche und der Netzbetreiber trotz langer Diskussion nicht auf eine Deutung der Ergebnisse einigen.

Die Studie sei aber nicht gescheitert, so die dena, die Präsentation werde aber auf unbestimmte Zeit vertagt. Die Studie, 2003 von der dena in Auftrag gegeben und von einem Konsortium des Deutschen Windenergie Instituts, E.ON Netz, des Energiewirtschaftlichen Instituts der Uni Köln, RWE Transportnetz Strom und Vattenfall Europe Transmission erstellt, wurde in ihren Zwischen- und Endergebnisse von externen Gutachtern auf Plausibilität überprüft. Sie soll als Grundlage für eine langfristige energiewirtschaftliche Planung dienen.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Berlin, bedauert die Weigerung der Windenergiebranche, die Ergebnisse zu akzeptieren und den Abschlussbericht anzunehmen. Die Windbranche wolle insbesondere die Bewertung der nachteiligen Auswirkungen des Windkraftzubaus auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa sowie die Mehrkosten nicht akzeptieren.

Der Bundesverband Windenergie und der Anlagenverband VDMA interpretieren die Ergebnisse gänzlich anders: Die Studie zeige, dass mehr Windenergie machbar sei und sich zu akzeptablen Kosten ins Stromnetz einspeisen lasse. Die Versorgung werde nicht gefährdet, auch die großen Netzbetreiber gingen nicht davon aus, dass ein durch Windenergie erzeugter Spannungsabfall zu Aussetzern in der Stromerzeugung führen könne. Auch sei kein Aus- oder Neubau von konventionellen Kraftwerken zur Sicherung von Regel- und Reserveenergie notwendig.

Studie: Stromnetz für die Aufnahme von Strom aus Windkraft und neuen Kraftwerken geeignet

(11. Januar 2005) - Die Integration der Windenergie in Deutschland an Land und auf dem Meer in das Stromnetz lässt sich bis zum Jahr 2020 zu vernünftigen Kosten bewältigen.

Studie: Stromnetz für die Aufnahme von Strom aus Windkraft und neuen Kraftwerken geeignet

(11. Januar 2005) - Die Integration der Windenergie in Deutschland an Land und auf dem Meer in das Stromnetz lässt sich bis zum Jahr 2020 zu vernünftigen Kosten bewältigen. Dies ergibt sich aus dem Entwurf des Abschlussberichtes des Netzgutachtens der Deutschen Energie-Agentur (dena).

Danach fällt der Ausbau der Stromnetze geringer und moderater aus als erwartet, wodurch keine erheblichen Auswirkungen auf die Strompreise zu erwarten sind. Nach ersten Schätzungen müsste ein Durchschnittshaushalt für diesen Netzausbau insgesamt zwischen 0,7 und 1,1 Cent pro Jahr bezahlen.

Sollten sich die Informationen bestätigen, hält das Gutachten bis 2007 keinen Netzneubau für notwendig. Erst danach wäre das Netz stufenweise auszubauen. Das Bundesumweltministerium erwartet, dass die Studie neben der Einspeisung der Windkraft auch den Ersatz alter Kohle- und Atomkraftwerke durch neue Kohle- und Gaskraftwerke sowie den wachsenden Stromhandel berücksichtigt.

Bis zur Realisierung des notwendigen Netzausbaus stehen technische Überbrückungslösungen zur Verfügung, die zum Teil bereits heute von den Windenergieanlagen geleistet werden können. Die zusätzlichen Regelenergiekosten fallen im Vergleich zu den bisher genannten Kosten deutlich geringer aus.

Weitere intelligente technische Systemlösungen zur Integration der Windenergie, die zum Teil bereits heute im Ausland praktiziert werden und die zu deutlichen Kosteneinsparungen führen, werden im Netzgutachten nicht untersucht. Diese Untersuchungen sollten nach Auffassung des Bundesumweltministeriums in einer ergänzenden Studie nachgeholt werden.

letzte Änderung: 27.02.2010