Mit der Power der Muskeln
Akkus laden, Lampen leuchten lassen und sich selbst durch Luft oder Wasser transportieren – kaum zu glauben, was sich mit menschlicher Muskelkraft alles bewegen lässt. Der syrische Ingenieur und Philosoph Achmed A. W. Khammas stellt in seinem Internet-Werk „Buch der Synergien“ interessante Erfindungen und Entwicklungen vor.
(13. September 2012) Menschen können ohne Maschinen mit Treibstoff nicht fliegen? Von wegen: Paul McCready überquerte nur mit Muskelkraft am 12. Juni 1979 den Ärmelkanal mit seinem „Gossamer Albatros“. Die Rekordgeschwindigkeit für Muskelkraft-Flugzeuge liegt übrigens bei 44,26 Stundenkilometern.
Gossamer Albatros
Telefonieren mit Muskelkraft
Weltweit finden sich diverse Initiativen, die unterschiedliche Pedal-Maschinen entwickeln und herstellen, wie mayapedal.org in Guatemala oder Llamadas Pedaleadas in Nicaragua. Dort ermöglicht eine pedalbetriebene Telefonzelle sogar internationale Anrufe.
Pedalbetriebenen Gabelstapler
Made in Japan: Gabelstapler mit Pedalbetrieb
Handfester geht es beim japanischen Unternehmen Soceadth zu, das Funbikes und auch Nutzgeräte bis hin zu pedalbetriebenen Gabelstaplern anbietet. Studenten des Massachusetts Institute of Technology haben eine pedalbetriebene
Waschmaschine entwickelt, damit arme Menschen in Peru ihre Wäsche nicht mehr im verdreckten Fluss reinigen müssen. Das Modell „Bicilava-dora“ besteht aus einem Fahrrad, an dessen Vorderseite ein gekürztes Ölfaß als Waschtrommel angebracht ist. Ein Prototyp wäscht seit Anfang 2009 in einem Slum die Schmutzwäsche von 670 Kindern – ganz ohne Strom.
Tritt für Tritt zur sauberen Wäsche, mit der „Bicilavadora“
Um mit einem Fahrradgenerator eine 12-Volt-Autobatterie aufzuladen, muss man sechs Stunden in die Pedale treten. Der so produzierte Strom reicht aus, um acht bis zehn kleinere LED-Leuchten zu betreiben. In Entwicklungsländern sind konventionelle, zumeist aus Fahrradteilen zusammen geschraubte Pedal-Generatoren verbreitet. Solche Generatoren sind eine mögliche Alternative zu Leichtpetroleum, das die Bewohner der weniger entwickelten Länder für Lampen nutzen und für das sie jährlich mehr als zehn Milliarden Dollar ausgeben.
Helle Erfindungen
Vielleicht kann man schon bald neuartige kinetische Stehlampen kaufen, die – ähnlich wie früher Standuhren – durch das Aufziehen schwerer Gewichte betrieben werden. Dabei setzen diese Gewichte kein Uhrwerk, sondern einen kleinen Generator in Gang, der den Strom für die LEDs produziert. „Postfossil“, eine Gruppe junger Schweizer Designer, gewann 2008 einen Design-Preis für ihre „First Light Reading Lamp“.
Die „Crank Lamp“ nutzt stromparende LED.
Der Amerikaner Efrain E. Velez hat eine weitere leichte, handbetriebene Lampe entwickelt. Ihrer Form und Funktion nach ist sie einem altmodischen mechanischen Bohrer nachempfunden. Schon eine Minute kurbeln soll genügen, damit die „Crank-Lamp“ 40 bis 60 Minuten lang helles LED-Licht abgibt. Das Design besteht aus voll recyclingfähigen Karosserieteilen aus Aluminium.
Kurbel statt Batterie
Mit nur 30 Sekunden kurbeln eine Stunde lang Radio hören: Im April 1994 berichtet die BBC-Sendung „Tomorrow‘s World“ über das batterielose Kurbelradio „Freeplay Radio“. Seit 1998 hat eine entsprechende Stiftung mehr als 150.000 Kurbelradios verteilt.
Die Kurbel-Akkus sind eine Idee von Qian Jiang
Im Niger etwa tauschten im Jahr 2002 Tausende ihre Waffen gegen „Freeplay“-Radios. Während des Kosovo-Krieges 1999 verteilte das Rote Kreuz Tausende der Geräte, um mit Suchsendungen auseinandergerissene Familien wieder zusammenzubringen.
Künftig wäre es denkbar, AA-Akkus ganz ohne Ladegerät aufzuladen: Eine kleine, aufklappbare Kurbel am Akku könnte dazu dienen, „wind-up-batteries“ wieder aufzuladen. Bislang gibt es das Design jedoch nur auf dem Papier.
Strom aus Schuhen
Schritt für Schritt zum Strom – die Joggingschuhe von Joe Paradiso vom Media Lab des Massachusetts Institute of Technology machen das schon seit 1998 möglich. Dank piezoelektrischer Keramiken im Sohlengummi genügen schon kleine Verformungen beim Gehen, um elektrische Energie zu erzeugen. Der Schuh gelangte zwar nie zur Marktreife, gilt jedoch als legendäre Initialzündung für das Forschungsgebiet Energy-Harvesting, zu Deutsch „Energie-Ernten“.
Schritt für Schritt zum geladenen Handy-Akku
Unterdessen entwickelte ein indischer Chemie-Lehrer im Jahr 2002 ebenfalls einen Schuh, der die kinetische Energie des Laufens in elektrische Energie umwandelt. In der dicken Sohle, die an die Plateauschuhe der Pop-Ära erinnert, befinden sich ein kleiner Dynamo nebst einem Kondensator, die etwa zwei Volt liefern können – und das zum Preis von gerade mal vier US-Dollar. Der Erfinder kreierte sich so eine neue Einnahmequelle: Beim Herumlaufen lädt er für ein paar Rupien die Handys von anderen Personen auf.
Camper zum Treten
Seit einigen Jahren gibt es in Baumärkten und im Elektronikfachhandel batterielose Taschenlampen, die nach dem Schüttel-Prinzip funktionieren. Der erzeugte Strom wird in einem Kondensator gespeichert, als Leuchtmittel dienen die nur geringe Strommengen verbrauchenden LEDs.
Ein Anfang 2009 vorgestelltes Ladegerät von Tremont Electric nennt sich „nPower PEG“ und kostet 149 US-Dollar. Fußgänger können das Ladekabel in das jeweilige Verbrauchsgerät stecken und wahlweise im Rucksack, Handtasche oder am Gürtel transportieren. Ein einstündiger Fußmarsch reicht aus, um ein iPhone zu 80 Prozent aufzuladen.
Ciamillos Tret-U-Boot
Anfang 2009 meldete die Presse, dass der Mechaniker Ted Ciamillo beschlossen habe, den Atlantik mit einem selbstentwickelten muskelbetriebenen Kleinst-U-Boot zu durchqueren. Statt eines Propellers plant der Konstrukteur den Einsatz eines waagerechten Flossenantriebs aus Karbonfasern, der einer Delphin-Schwanzflosse nachempfunden ist und den er „Lunocet“ nennt.
Ciamillos Tret-U-Boot
Ciamillo geht davon aus, daß dieser Antrieb um 15 Prozent effizienter als jeder Propeller ist, und will bereits eine Geschwindigkeit von 13 Stundenkilometern erreicht haben. Seine Firma verkauft das System bereits.
Der Körper des Mini-U-Boots besteht aus einem Edelstahlrahmen, einem Gehäuse aus Polycarbonat und einem Antriebssystem aus Aluminium und Titan. Auftrieb erhält es durch PVC-Schaum in der Schale und variabel befüllbaren Lufttanks, um den Tiefgang zu steuern.
Achmed A. W. Khammas aktualisiert sein Online-Werk regelmäßig: www.buch-der-synergie.de