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ED 04/14 Bürgerprotest: Beispiel Lübeck (S.18)

Wie sich Mieter gegen rechtswidrige Fernwärmepreise wehren können

Mieter, die keine eigenen Verträge für Wärme abschließen können, sind darauf angewiesen, dass ihr Vermieter fair und sorgfältig handelt. Häufig werden Betriebskosten jedoch ungeprüft weitergegeben, was zu überhöhten oder sogar rechtswidrigen Kosten führen kann.
Von Michael Herte

(19. März 2025)

Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit in der Betriebskostenabrechnung

Eine erste Hilfe bietet die Möglichkeit, Einwendungen gegen die Abrechnung zu erheben und wegen auffällig hohen Kosten auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu verweisen.

Für die Wohnraummiete ist gemäß § 556 Abs.3 Satz 1, 2.Halbs. BGB bei der Abrechnung der Betriebskosten der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Er bezeichnet die vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die - nach entsprechender Vereinbarung - Einfluss auf die Höhe der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen.

Praktisch bedeutet es, dass der Vermieter seine Entscheidung, welche Art der Heizung er wählt und bei welchem Anbieter ein Vertrag geschlossen werden muss, sachlich begründen muss. Einen Zwang für eine bestimmte Art zu Heizen oder der Auswahl eines besonders günstigen Anbieters gibt es nicht.

Ob der Vermieter dabei alle Verträge und Preisanpassungsklauseln auch auf ihre Rechtswirksamkeit hin prüfen muss und verlangt werden kann, dass dieser sich eigenständig gegen sein Versorgungsunternehmen wendet, kommt auf den Einzelfall an und lässt sich deshalb nicht sicher festlegen.

Für den Mieter kommt noch erschwerend dazu, dass er nach herrschender Rechtsprechung (zuletzt Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.01.2023 – VIII ZR 230/21) die Darlegungs- und Beweislast wegen einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes trägt. Im Gegenzug steht dem Mieter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Recht zu, Einsicht in den Fernwärmeliefervertrag zu erhalten. Zu den vom Vermieter vorzulegenden Abrechnungsunterlagen gehören dabei auch Verträge des Vermieters mit Dritten, soweit deren Heranziehung zur sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung und zur Vorbereitung etwaiger Einwendungen gegen die Nebenkostenabrechnung gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB erforderlich ist.

Außerdem muss hier noch die Frist nach § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB beachtet werden. Einwendungen gegen die Abrechnung hat der Mieter dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen.

Die Rechtsfolge einer gelungenen Einwendung gegen die Abrechnung ist dabei, dass die zukünftigen Abschläge gekürzt werden können und Nachzahlungen verweigert werden können. Eine Rückzahlung von Abschlägen aus den Vorjahren ist hiermit nicht durchsetzbar.

Aktuelle Herausforderung – Überwälzung überhöhte Preise von Fernwärme

Die Preisänderungsrechte in Fernwärmeverträgen führen seit 2022 zu erheblichen Heizkostensteigerungen.

Die Prüfung der von den Mitgliedern des Bundes der Energieverbraucher vorgelegten Fernwärmeverträge zeigt, dass diese Klauseln zur Preisanpassung vielfach unwirksam sind. Es liegen Fälle vor, in denen solche Preisänderungsklauseln gegen § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV verstoßen. Hiernach müssen Preisänderungsklauseln die tatsächlichen Kosten der Erzeugung und Bereitstellung sowie die Marktbedingungen angemessen widerspiegeln. Die Rechtsfolgen solcher unwirksamen Klauseln sehen vor, dass:

  • die aufgrund unwirksamer Klauseln berechneten Wärmekosten neu berechnet werden müssen.
  • Vertragspartner haben das Recht auf Rückforderung überzahlter Beträge.
  • Die Rechtsprechung des BGH (Dreijahreslösung) schränkt jedoch ein, dass dass nur die letzten drei Jahre rückwirkend überprüft werden können, wenn nicht bereits zuvor ein Widerspruch gegen die Preisänderung erhoben wurde.
Situation als Mieter

Ein zentrales Problem: Der Mieter trägt den wirtschaftlichen Schaden, kann jedoch den Wärmelieferanten nicht direkt verklagen und ist nicht von den oben dargestellten Rechtsfolgen begünstigt, weil er keinen Vertrag mit ihm hat. Der Vermieter hat zwar den Vertrag mit dem Versorger, erleidet aber selbst keinen Schaden, da er die Kosten einfach an den Mieter weitergibt.

Lösung über die sog. Drittschadensliquidation

In der Fachzeitschrift Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM) im Heft 2, Februar 2025 haben die Autoren Manfred Grimm und Dr. Rolf Bosse aus Hamburg einen Beitrag verfasst, der eine Anregung dafür gibt, wie sich Mieter und Vermieter gegen unwirksame Preissteigerungen kooperativ wehren können. Dies geschieht über das Konzept der Drittschadensliquidation, das ermöglicht, dass der Vermieter als Vertragspartner des Versorgers den Schaden des Mieters einklagt

Die Drittschadensliquidation ist eine richterrechtlich entwickelte Ausnahme zum Grundsatz, dass nur derjenige einen Anspruch hat, der auch den Schaden erlitten hat. Damit sie angewendet werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Auseinanderfallen von Anspruch und Schaden
    • Der Anspruchsinhaber (z. B. der Vermieter) hat einen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch gegen einen Dritten, aber keinen eigenen Schaden.
    • Der tatsächlich Geschädigte (z. B. der Mieter) hat den Schaden, aber keine eigene vertragliche Anspruchsgrundlage gegen den Schädiger.
  2. Zufällige Schadensverlagerung
    • Die Schadensverlagerung muss zufällig sein, d.h., sie darf nicht bewusst so gewählt oder vertraglich vorherbestimmt sein.
    • Im Fall des Mieters liegt sie in der Konstruktion des Mietrechts: Der Vermieter schließt den Wärmeliefervertrag, aber die Betriebskosten trägt der Mieter.
  3. Kein Vorrang anderer Rechtsinstrumente
    • Falls der Geschädigte direkt einen eigenen Anspruch gegen den Schädiger hätte (z. B. durch einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter), wäre die Drittschadensliquidation nicht nötig.
    • Im Beispiel des Mieters gibt es keine direkte vertragliche Beziehung zum Wärmelieferanten, weshalb die Drittschadensliquidation gerechtfertigt ist.
  4. Verhinderung einer unbilligen Bereicherung des Versorgers
    • Die Drittschadensliquidation wird angewendet, um eine unbillige Entlastung des Schädigers zu vermeiden. Wäre sie nicht möglich, könnte der Wärmelieferant sich auf den Standpunkt stellen, dass niemand gegen ihn klagen kann, da der Mieter keinen Vertrag mit ihm hat und der Vermieter keinen eigenen Schaden erlitten hat.
Praxisbeispiel – wie es ablaufen könnte
  1. Der Mieter stellt fest, dass seine Heizkosten stark gestiegen sind, und verlangt vom Vermieter Einsicht in die Vertragsunterlagen des Wärmelieferanten.
  2. Es stellt sich heraus, dass die Preisleitklausel im Wärmeliefervertrag unwirksam ist.
  3. Der Mieter verlangt eine Korrektur der Betriebskostenabrechnung und argumentiert, dass die weitergegebenen Kosten aufgrund der unwirksamen Klausel nicht gerechtfertigt sind.
  4. Der Vermieter erkennt das Problem, hat aber selbst keinen finanziellen Schaden, da er die Kosten nur durchreicht.
  5. Anstelle eines Rechtsstreits zwischen Mieter und Vermieter wird die Drittschadensliquidation genutzt:
    • Der Vermieter klagt gegen den Wärmelieferanten auf Rückzahlung der überhöhten Kosten unter Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation.
    • Die zurückgezahlten Beträge kommen dem Mieter zugute, weil die Betriebskostenabrechnung entsprechend angepasst werden muss.

      In dieser Konstruktion tuen sich noch zwei weitere Vorteile auf.

  1. Längere Fristen: Anders als bei der Betriebskostenabrechnung (Einwendungsfrist: 12 Monate) gelten hier die allgemeinen Verjährungsregeln nach §§ 195, 199 BGB , die eine Verjährung erst nach drei Jahren vorsehen. Dadurch können Mieter auch rückwirkend zu viel bezahlte Beträge zurückfordern.
  2. Kein Konflikt mit dem Vermieter - in der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt empfiehlt es sich nicht, einen anders lösbaren Konflikt mit dem Vermieter auszutragen. Ohne diese Drittschadensliquidation müsste der Mieter den rechtswidrigen Teil des Wärmepreises einbehalten und würde den Vermieter zur Klage oder sogar zur Kündigung des Mietvertrages zwingen.
    Zwar ist davon auszugehen, dass bei einer tatsächlich rechtswidrigen Preisklausel in dem Fernwärmevertrag der klagende Vermieter vor Gericht hinsichtlich seines Zahlungsanspruches unterliegt und der Mieter am Ende zu seinem Recht auf einen korrekten Preis für die Fernwärme kommt, doch kann es ein zeitraubendes und risikoträchtiges Unterfangen werden. 

Fazit: Energieverbraucher, die ihre Fernwärme über den Vermieter abrechnen, sollten den Wärmeliefervertrag prüfen lassen.  Bei fehlerhaften oder unwirksamen Preisanpassungsklauseln sollten Sie den Vermieter auf die Möglichkeit der Drittschadensliquidation hinweisen, um gemeinsam gegen überhöhte Heizkosten vorzugehen. Ob sich dieser Lösungsansatz vor Gericht behauptet, wird sich zeigen. Der Bund der Energieverbraucher bleibt aufmerksam. 

letzte Änderung: 19.03.2025