Gibt es den Klimawandel wirklich?
Die meisten Menschen sind davon überzeugt, dass der Klimawandel eine reale Bedrohung darstellt: Damit unser Planet bewohnbar bleibt, gilt es, die CO2-Emissionen aus Industrie und Landnutzung rasch zu reduzieren - oder? Immer wieder machen Kritiker Schlagzeilen, die eine völlig entgegengesetzte Ansicht vertreten. Sie sprechen von einer „Klimalüge" und einer „Klimahysterie". Ein kritischer Blick auf die Argumente der Klima-Skeptiker.
Von Aribert Peters
(12. September 2010) Es wird weltweit wärmer, und schuld daran ist der Mensch: Die Klimaänderung durch den Menschen gilt seit dem zweiten Sachstandsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) von 1995 als erwiesen. Die Berichte und ihre Thesen sind aber nicht unumstritten. So hat zum Beispiel das Nongovernmental International Panel on Climate Change (NIPCC) 2009 einen 868 Seiten starken Gegenbericht veröffentlicht. Grund genug, sich die Sachlage genauer anzusehen.
Die Fakten
- In den vergangenen 50 Jahren hat die mittlere Temperatur der Luft in der Nähe der Erdoberfläche eindeutig zugenommen.
- In den vergangenen 50 Jahren hat sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre um ein Viertel des Wertes vor der Industrialisierung erhöht.
- Mindestens ein großer Teil des Temperaturanstieges ist Folge der erhöhten CO2-Konzentration.
- Dass der Mensch die Zunahme der globalen CO2-Konzentration verursacht, ist wissenschaftlich nicht mehr umstritten.
- Es gibt sehr plausible Theorien und Modellrechnungen, wonach die Temperaturen weltweit weiter ansteigen werden und welche Folgen dies hat.
- Weder der Anstieg der Temperaturen, noch der steigende Meeresspiegel sind historisch einmalige Ereignisse.
Temperaturrekorde mehren sich
Über den globalen Anstieg der Durchschnitts-Temperaturen herrscht Einigkeit. So stellte das National Climate Data Center des US-Handelsministeriums für den Juni 2010 fest, dass die Oberflächentemperatur auf der Erde, Land und Wasser zusammengenommen, mit 16,2 Grad Celsius die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen war. Sie lag 0,68 Grad über dem Mittel des 20. Jahrhundert (15,5 Grad). Die höchste Temperatur davor wurde im Juni 2005 gemessen. Der Juni 2010 war der vierte wärmste Monat in Folge seit Beginn der Aufzeichnungen (März, April und Mai 2010 waren ebenfalls jeweils die wärmsten Monate). Es war damit der 304. Monat in Folge mit einer Temperatur, die über der mittleren Erdtemperatur des 20. Jahrhunderts lag. Der letzte Monat mit einer unterdurchschnittlichen Temperatur war der Februar 1985.
Treibhaus Erde
Ein häufiges Argument der Klimaskeptiker ist die Tatsache, dass der Anteil an CO2, den der Mensch verursacht, klein ist gegenüber den CO2-Mengen (hier als Tonnen Kohlenstoff angegeben), die zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre sowie den Pflanzen und der Atmosphäre ständig hin- und hergehen: Biomasse 120 Gigatonnen Kohlenstoff jährlich, Ozeane: 90 Gigatonnen.
Quelle: Hamburger Bildungsserver
Die fossile Verbrennung setzt jährlich 6,4 Gigatonnen Kohlenstoff frei. Schon eine geringfügige Verschiebung der Mengen, die Ozeane, Biomasse und Atmosphäre austauschen, lässt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ansteigen oder absinken. Zurzeit bleiben jährlich über drei Milliarden Tonnen Kohlenstoff im Jahresmittel zusätzlich in der Atmosphäre.
Erdtemperatur und CO2-Konzentration
Es gibt eine klare Wechselbeziehung zwischen CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der globalen Temperatur. Das sieht man aus den Entwicklungen der beiden Größen in der Vergangenheit. Allerdings ist die CO2-Konzentration der Erdtemperatur mit einer Verzögerung von rund 800 Jahren gefolgt.
Ursache könnte die große Menge an CO2 sein, die in den Weltmeeren gespeichert ist: Dort ist etwa 6.000-mal mehr CO2 gespeichert, als die Menschheit zurzeit jährlich ausstößt. Die Speicherfähigkeit der Ozeane ist stark von biogeochemischen Kreisläufen abhängig. Auch die Temperatur übt einen gewissen Einfluss darauf aus.
Schmutzige Wäsche
Die Debatte um den Klimawandel wird sehr emotional und heftig geführt. Befürworter und Kritiker bezichtigen sich gegenseitig der Lüge, der Unwissenschaftlichkeit und der Polemik. Immerhin stehen mit dem weltweiten Emissionshandel die Zweckmäßigkeit von Hunderten Milliarden Euro zur Debatte. Nebenbei: Auch Wissenschaftler, die den von Menschen verursachten Klimawandel nicht in Frage stellen, lehnen den Emissionshandel aus sachlichen Gründen ab.
Hacker haben im November 2009 viele Dokumente und Mails des Klimaforschungszentrums der University of East Anglia ins Internet gestellt (Climategate). Die von den Skeptikern vorgebrachten Verschwörungsthesen ließen sich damit jedoch nicht belegen. Der daraufhin eingesetzte Untersuchungsausschuss des britischen Unterhauses kam zu einem Freispruch für die Klimaforscher.
Sehr umstritten war das „Hockeyschläger-Diagramm" im dritten IPCC-Bericht von 2001. Es zeigt die Klimaabweichungen der vergangenen 1000 Jahre, die die Form eines Hockeyschlägers haben. Demnach erscheint das Klima der vergangenen Jahre deutlich wärmer als in der mittelalterlichen Warmzeit. Das Diagramm fand weite Beachtung und galt vielen als Beleg des Klimawandels. Die Aussagen des IPCC zur Wahrscheinlichkeit des menschlichen Einflusses hängen davon jedoch nicht ab, weil sich diese nur auf Messungen im 20. Jahrhundert bezogen. Andere Wissenschaftler modifizierten jedoch die Berechnungsmethode und Daten des Diagramms. Der vierte IPCC-Bericht schwächt die Aussage des Diagramms deshalb ab. Es ist demnach nicht mehr „sehr wahrscheinlich", sondern nur noch „wahrscheinlich", dass die Temperatur der Nordhalbkugel zurzeit höher ist, als in jeder anderen 50-Jahres-Periode der letzten 1.300 Jahre.
Weitere Informationen:
- www.nierswetter.de: Klimatische Erdgeschichte
- www.globalchange.gov: U.S. Climate Impacts Report - Full Report
- www.klimaskeptiker.info: Gibt es eine Gegentheorie?
- www.pik-potsdam.de: Alles nur Klimahysterie?
- www.agenda21-treffpunkt.de: Klimawandel, Klimaerwärmung, Klimageschichte
- www.bpb.de: Dossier Klimawandel
An einem Strang
Kommentar von Dr. Aribert Peters
Weltweit steigen die Temperaturen: Manche Regionen der Welt ertrinken geradezu, entweder, weil die Weltmeere steigen, oder, weil immer häufiger sintflutartige Regenfälle über sie niedergehen. In anderen Ländern drohen dagegen immer heißere, trocknere Sommer und Wüstenbildung.
So dramatisch sich diese Szenarien lesen: Für die Energiepolitik ist es unerheblich, ob der Mensch den Klimawandel verursacht oder nicht. Es ist eigentlich sogar egal, ob es einen Klimawandel überhaupt gibt: Der rasche Abschied von fossilen Energieträgern ist schlichtweg eine Überlebensfrage für die Menschheit, denn die gewaltigen Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, auf denen die heutige Zivilisation basiert, gehen zur Neige.
Energiesparer und Umweltbewusste wissen es schon länger: Dank erneuerbarer Energiequellen ist es möglich, ohne wesentliche Komfort- und Wohlstandsverluste ohne fossile Brennstoffe auszukommen. Der Umstieg von fossilen auf regenerative Energieträger ist eine gewaltige zivilisatorische Leistung, die alle unsere Kräfte erfordert. Wir müssen diesen Wandel rasch vorantreiben, denn wenn die fossilen Energieträger erst knapp werden, wird unsere Gesellschaft in einer Paralyse erstarren: Dann droht ein vollständiger Zusammenbruch der Zivilisation.
Umso besser, dass der Klimawandel ein weiteres Argument für den raschen Umstieg auf die Erneuerbaren bietet. Klimaschützer und die Befürworter der regenerativen Energien ziehen an einem Strang - ein erster Schritt auf dem mühsamen Weg, alle Kräfte zu bündeln, um den Umstieg endlich zu bewältigen.
Für die freundliche Durchsicht des Manuskripts danken wir Herrn Professor Hartmut Grassl, ehemaliger Direktor des Instituts für Physik am GKSS-Forschungs-zentrum bei Hamburg und emeritierter Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI). Seine Forschungsgruppe wurde 1998 mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.
Der Treibhauseffekt
Die Bezeichnung „Treibhauseffekt" rührt daher, dass die Erdatmosphäre im Prinzip wie das Glasdach eines Treibhauses wirkt: Kurzwellige Sonnenstrahlung durchdringt das Glas von außen nach innen, wandelt sich in langwelligere Wärmestrahlung um, die dann aber nicht mehr von innen nach außen gelangen kann, wodurch sich das Treibhaus aufheizt.
Nach dem gleichen Wirkungsmechanismus wird die Erde und ihre Atmosphäre erwärmt: Kurzwellige Strahlung von der Sonne trifft auf die Erdatmosphäre. Ein Teil wird ins Weltall reflektiert, ein anderer wandelt sich auf dem Weg durch die Atmosphäre in Wärmeenergie um, der Rest gelangt auf die Erde und wird dort teils wieder in die Atmosphäre reflektiert, teils erwärmt er die Erdoberfläche. Durch diese Prozesse wird die Strahlung langwelliger, was die Rückstrahlquote ins Weltall verringert.
Dieser „natürliche Treibhauseffekt" sorgt für eine globale Durchschnitts-Temperatur von ca. 15 Grad Celsius am Erdboden. Ohne ihn würde eine lebensfeindliche Kälte von -18 Grad Celsius herrschen. Zu etwa zwei Dritteln wird der „natürliche Treibhauseffekt" durch den Wasserdampf in der Atmosphäre verursacht.
Wechselvolles Klima
Die Geschichte der Erde ist von extremen Klimaschwankungen und -Änderungen des Meeresspiegels geprägt:
- Vor etwa 50 Millionen Jahren war die Erde völlig eisfrei.
- Vor etwa 600 Millionen Jahren war die Erde völlig mit Eis bedeckt.
- Vor etwa 20.000 Jahren, dem Höhepunkt der letzten Eiszeit, lag der Meeresspiegel 120 Meter unter dem heutigen Niveau und die Temperatur im globalen Mittel um fünf Grad Celsius unter der heutigen Temperatur.
- Vor rund 40 Millionen Jahren war der Meeresspiegel 60 Meter über dem heutigen Level und es war global drei Grad wärmer als heute.
- In den vergangenen 800.000 Jahren gab es zahlreiche starke Schwankungen der mittleren Erdtemperaturen um rund drei bis fünf Grad. Es hat in der Vergangenheit immer wieder kleinere Eis- und Warmzeiten gegeben. Geologisch gesehen können mindestens fünf große Eiszeitalter mit einer Dauer von jeweils etwa 15 bis 20 Millionen Jahren und dazwischen liegende langdauernde Warmzeiten unterschieden werden. Selbst innerhalb der Eiszeitalter wechselten sich kürzere Kalt- und Warmperioden ab. Während der letzten längeren Warmphase, dem sogenannten Eem-Interglazial, lagen die Durchschnittstemperaturen in Europa über den heutigen.
- Auch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre verlief analog zu den Temperaturschwankungen. Allerdings stieg die atmosphärische CO2-Konzentration nie über 280 ppm (parts per million, „Teilchen pro Million") und liegt heute bei 380 ppm. Aus einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 geht hervor, dass der CO2-Gehalt heute um fast ein Drittel höher liegt als jemals zuvor in den vergangenen 2,1 Millionen Jahren. Die Geochemikerin Bärbel Hönisch von der Columbia University und ihr Team gewannen diese Daten aus der chemischen Analyse der Kalkschalen fossiler Kleinstlebewesen.
- Um 1250 war es in England um 1,3 Grad wärmer als heute: Dort wurde sogar Wein angebaut - was auch heute wieder in zunehmenden Maße geschieht. Global gemittelt, liegt die heutige Durchschnittstemperatur jedoch über der von 1250.
- Im 14. Jahrhundert gab es eine kleine Eiszeit, die den Küstenverlauf stark änderte und kalte Sommer, Missernten sowie dramatische Bevölkerungsrückgänge zur Folge hatte.
- Wissenschaftler sagten im Mai 2008 im Fachmagazin Nature für die kommenden zehn Jahre eine Abkühlung auf der Nordhalbkugel voraus.