Klimapolitik
Klimaschädliche Werbung: Medienstaatsvertrag verletzt
(10. November 2024) Laut einer aktuellen Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) wirbt knapp ein Drittel aller TV-Spots für klimaschädliche Produkte. Demnach verstößt diese Werbepraxis gegen den Medienstaatsvertrag, der die Förderung umweltschädigender Verhaltensweisen durch Werbung untersagt. Werbung muss helfen, klimaschonendere Produktions- und Konsumweisen zu fördern. Sie arbeitet oft mit Argumenten und persuasiven Strategien, die die Klimaschädlichkeit des Produkts unsichtbar machen oder sogar ins Gegenteil verkehren: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein verbrauchsintensiver Hybrid-SUV mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben.
• www.bdev.de/obs
Subventionen: Schädliche Klimawirkungen
(23. Oktober 2024) Eine bisher unveröffentlichte Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt erstmals detailliert, wie stark staatliche Subventionen und Steuervergünstigungen in Deutschland den CO2-Ausstoß erhöhen und welche Sektoren am meisten profitieren. 2020 beliefen sich klimaschädliche Subventionen auf mindestens 35,8 Milliarden Euro, wobei der Verkehrssektor mit 24,8 Milliarden Euro den größten Anteil hatte. Würden diese Subventionen bis 2030 beibehalten, könnten sie zusätzliche 156 Millionen Tonnen CO2 verursachen. Gleichzeitig führten andere Subventionen zu Einsparungen von etwa 250 Millionen Tonnen CO2.
Die Studie wurde von sechs Forschungsinstituten erstellt und zeigt die Ambivalenz staatlicher Förderung: Während diese einerseits Emissionen verringern soll, fördern andere Maßnahmen wie etwa Steuervergünstigungen auf Dieselkraftstoff und Dienstwagen den CO2-Ausstoß erheblich. Besonders problematisch sind diese Begünstigungen im Energiesektor. Die Studie macht keine konkreten Reformvorschläge.
• www.bdev.de/subventionen
Guardian-Umfrage zum Klima: IPCC-Experten und -Expertinnen schockiert
(20. September 2024) Die weltweit führenden Klimawissenschaftler der Organisation Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gehen davon aus, dass die globalen Temperaturen bis zum Jahr 2100 um mindestens 2,5 °C über das vorindustrielle Niveau ansteigen, was „die international vereinbarten Ziele sprengen und katastrophale Folgen für die Menschheit und den Planeten haben wird“, berichtet die Zeitung The Guardian und setzte die Nachricht auf die Titelseite. Nach einer von Damian Carrington durchgeführten Umfrage unter den IPCC-Wissenschaftlern rechnen fast 80 % mit einem solchen Szenario.
Begleitet haben sie ihre Prognosen mit drastischen Worten wie „hoffnungslos, gebrochen, wütend, verängstigt, überwältigt“: „Wir haben unsere wissenschaftliche Arbeit geleistet, wir haben diesen wirklich guten IPCC-Bericht erstellt und – es hat keinen Unterschied in der Politik gemacht.“ Die Welt, die sich einige der Befragten für die Zukunft vorstellen, ist erschreckend: Hungersnöte, Konflikte, Massenmigration. Die nach ihrer Meinung wirksamste Maßnahme, die die Menschen ergreifen können: die Wahl von Politikerinnen und Politikern, die den Klimaschutz unterstützen.
Als Hindernisse werden ausgemacht: Lobbyarbeit der Interessenvertreter fossiler Brennstoffe, Desinformation und Ungleichheit. Die meisten IPCC-Experten halten fehlende finanzielle Mittel nicht für ein Problem. Ein Viertel von ihnen hat an Klimaprotesten teilgenommen. Wichtig sei, dass man nicht aufgebe. Es gebe Fortschritte beim Klimaschutz, und „jedes Zehntel Grad macht viel aus – das bedeutet, dass es immer noch sinnvoll ist, den Kampf fortzusetzen“, so ein Umfrageteilnehmer. „Ich bin überzeugt, dass wir alle Lösungen haben, die für einen 1,5-Grad-Pfad erforderlich sind, und dass wir sie in den kommenden 20 Jahren umsetzen werden. Aber ich fürchte, dass unsere Maßnahmen zu spät kommen könnten und wir einen oder mehrere Klimakipppunkte überschreiten.“
• www.bdev.de/guardianipcc
Sachverständigenrat für Umweltfragen: CO2-Budget aufgebraucht
(8. September 2024) In einem unlängst veröffentlichten Kurzpapier aktualisiert der Sachverständigenrat für Umweltfragen seine Berechnungen zum verbleibenden deutschen CO2-Budget. Es umfasst die Menge an CO2-Emissionen, die Deutschland jährlich bei einer international gerechten Verteilung des globalen Budgets maximal ausstoßen dürfte, um die Erderhitzung auf 1,5 °C zu begrenzen. Das deutsche CO2-Budget ist bereits jetzt aufgebraucht und seit Kurzem überschritten.
• www.bdev.de/srubudget
UBA und Expertenrat: Wo steht Deutschland beim Klimaschutz?
(31. Juli 2024) Das Umweltbundesamt (UBA) hat Deutschlands CO2-Emissionen untersucht und bilanziert. „Deutschland ist auf Kurs – erstmals“, jubelte Robert Habeck. Jedoch ist der von der Bundesregierung eingesetzte unabhängige Expertenrat für Klimafragen anderer Meinung. „Wir gelangen zu einer anderen Einschätzung wesentlicher Annahmen“, so der Chef des Expertenrats Hans-Martin Henning. Der Projektionsbericht der Bundesregierung sei so nicht haltbar, die Regierung viel zu optimistisch. „Es muss von einer Zielverfehlung ausgegangen werden“, so Henning. Eine Feststellung im Sinne des geänderten Klimaschutzgesetzes, für das nicht die Einschätzung der Regierung zählt, sondern die des Expertenrats. Hielte man an diesem Kurs fest, würden die Klimaziele 2030 und auch 2040 nicht erreicht. Eine langfristige Strategie fehle.
Wird auch im nächsten Jahr das Ziel verfehlt, muss die Regierung laut Gesetz nachsteuern. Oder Emissionszertifikate kaufen, was Milliarden kosten würde. Der Expertenrat empfiehlt daher sofortiges Handeln. Insbesondere der Verkehrs- und der Gebäudebereich emittieren zu viel CO2.
Klimaschutzgesetz Niedersachsen: Klimaneutral bis 2040
(8. Mai 2024) Das Bundesland Niedersachsen hat im Dezember 2023 sein Klimaschutzgesetz verschärft und sich damit ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Das novellierte Gesetz sieht die Treibhausgasneutralität bis 2040 vor. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 75 % und bis 2035 um 90 % reduziert werden. Zu den wesentlichen Punkten des Gesetzes zählen die Schaffung eines unabhängigen Klimarates, der die Landesregierung beraten wird, und die Verpflichtung von Kommunen, ein Klimaschutzmanagement einzuführen. Klimaschutz sei in Niedersachsen damit künftig kommunale Pflichtaufgabe und werde vom Land auch dauerhaft finanziell unterstützt. Ab diesem Jahr finanziere das Land beispielsweise mit insgesamt 11,7 Millionen Euro pro Jahr die kommunale Wärmeplanung und das Erstellen von Klimaschutzkonzepten in den Kommunen. Auch wird der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft gestärkt und der Abbau von Torf langfristig verboten. Die Windenergieflächen werden bis 2026 von 1,1 auf 2,2 % verdoppelt.
Novelle Klimaschutzgesetz: Fehlendes Sofortprogramm verfassungswidrig
(18. September 2023) Eine aktuelle Veröffentlichung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kritisiert die Bundesregierung scharf: Die Nichtvorlage der Sofortprogramme zur Novelle des Klimaschutzgesetzes könnte gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Wird die Klimakatastrophe zugelassen, stellt das einen Bruch der Verfassung dar. Davon ist nicht nur die „Letzte Generation“ überzeugt, sondern auch eine Gruppe renommierter Verfassungs- und Völkerrechtsexperten. Knapp 60 Professoren aus ganz Deutschland haben öffentlich Stellung bezogen: „Wir fordern als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verfassungs- und Völkerrechts die gesetzgebenden Organe des Bundes auf, das Klimaschutzgesetz nicht abzuschwächen. Wir fordern die Bundesregierung auf, ein effektives Klimaschutzprogramm mit ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele und damit der völker- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu beschließen.“
Deutschland, deine Klimaziele
Die Klimaschäden nehmen zu. Auch in Deutschland wird spürbar, was der Weltklimarat in seinem Bericht schreibt: Versäumter Klimaschutz ruiniert das Leben künftiger Generationen unumkehrbar. Der Expertinnen- und Expertenrat für Klimafragen bestätigt: Die Regierung kommt ihren Verpflichtungen zum Schutz von Leben und Umwelt nicht nach.
Von Aribert Peters
(10. Juli 2023) Unterlassener Klimaschutz heute verletzt die Rechte künftiger Generationen in unvertretbarem Ausmaß. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus eine Verpflichtung zum Handeln der Regierung abgeleitet.
Der deutsche Staat ist zum Klimaschutz verpflichtet:
- durch Art. 20a des Grundgesetzes,
- durch den Beitritt zum Pariser Klimaabkommen und
- durch das Klimaschutzgesetz.
Jedoch handelt die Bundesregierung nicht entsprechend dieser Verpflichtungen. Wie schon im Jahr zuvor lagen die berichteten Emissionswerte für den Verkehrs- und Gebäudesektor auch 2022 oberhalb der im Klimaschutzgesetz für das Jahr vorgegebenen Zielmarke. Im Gebäudesektor wurde das Ziel bereits das dritte Jahr in Folge verfehlt. Laut § 8 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) müssen die zuständigen Ministerien nun innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen. Das ist bisher nicht geschehen.
Auch die von der Bundesregierung selbst eingesetzten Expertenkommissionen sind sich einig darin, dass die Regierung für den Klimaschutz zu wenig tut.
- Der ExpertInnenrat für Klimafragen hat am 17. April die Ergebnisse seiner Überprüfung der Emissionsdaten 2022 veröffentlicht.
- Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat im Mai ein Sondergutachten veröffentlicht: „Politik in der Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern“.
Es besteht also aller Grund, gegen die Untätigkeit der Regierung in Sachen Klimaschutz zu protestieren. Der BUND hat deshalb die Bundesregierung verklagt auf Einhaltung der geltenden Gesetze.
Die Journalistin und Kabarettistin Sarah Bosetti bringt es in einem Video sehr deutlich auf den Punkt mit folgenden Worten: „Wenn die Erde sich um mehr als 1,5 Grad erwärmt, wird es hier ein bisschen ungemütlich. Es drohen Hungersnöte, Pandemien, Hitzewellen, Dürren, Artensterben, steigender Meeresspiegel und Flüchtlingsströme ungekannten Ausmaßes. Und weil das noch nicht genug ist, ist der Spaß nicht umkehrbar. Wenn bestimmte Kipppunkte erst mal erreicht sind, dann kippt das Klima nicht mehr zurück. Das wollen wir nicht. Deshalb haben 2015 fast alle Staaten der Welt in Paris beschlossen, dass bei 1,5 Grad Erwärmung Schluss sein soll, höchstens bei 2 Grad.“
In der ZDF-Satiresendung „Bosetti will reden!“ bringt die Journalistin und Kabarettistin Sarah Bosetti vieles auf den Punkt.
Deutschland und der Rest der Welt
Deutschland hat das Paris-Abkommen auch mit beschlossen. Acht Jahre später zu sagen: „Ja, aber China“ bringt also gar nichts. Deutschland ist nur für 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich und kann das Problem also niemals alleine lösen. Aber erstens ist Deutschland ein wirtschaftlich und politisch so starkes Land, dass es durchaus Einfluss auf andere Staaten hat. Zweitens ist der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß immens hoch und drittens: So ist das nun mal bei knapp 200 Staaten auf der Welt. Die Verantwortung ist in so viele kleine Teile zersplittert, dass sich niemand zuständig fühlt, die Splitter aufzuheben. Obwohl eigentlich alle zuständig sind.
Das sei wie in einer Wohngemeinschaft, sagt Sarah Bosetti. Man braucht einen Putzplan, an den sich alle halten, sonst verdreckt die Küche. Der weltweite Putzplan ist das Abkommen von Paris. Und der deutsche Putzplan ist der wunderbare Artikel 20a des Grundgesetzes. Er verpflichtet nämlich den deutschen Staat, die Lebensgrundlagen auch künftiger Generationen zu schützen. Die Frage ist also nicht, ob wir das Klima retten wollen. Denn für den Fall, das wir das Wollen zwischendurch vergessen, müssen wir sogar. Die Frage ist: wie?
Unzureichende Maßnahmen zur CO2-Reduktion
Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll, bis 2030 soll der Treibhausgasausstoß um 65 % gegenüber 1990 verringert werden. Das Problem ist: Das reicht nicht für das Paris-Ziel. Die CO2-Emissionen müssten bis 2030 um mindestens 70 % reduziert werden. Zugleich ist es aber so, dass mit den aktuellen Maßnahmen sogar die 65 % nicht erreicht werden.
Die Bundesregierung, die laut Grundgesetz dazu verpflichtet ist, die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu schützen, hat sich also ein Ziel gesteckt, das nicht ausreicht, und beschließt nun Maßnahmen, die nicht mal ausreichen, um das Ziel zu erreichen, das nicht ausreicht. Da kann man sich schon mal fragen, warum wir nicht alle mit Tomatensoße werfen. Aber das fragen wir uns nicht. Wir fragen uns lieber, was wir daran ändern können.
Minderungen unzureichend – harte Emissionsbegrenzungen notwendig
(27. Januar 2023) Der Expertenrat für Klimafragen wurde mit dem Klimaschutzgesetz 2020 installiert. Er hat jetzt sein erstes Zweijahresgutachten vorgestellt. Die Bilanz ist klar: Ohne einen Paradigmenwechsel sind die Klimaziele bis 2030 nicht zu erreichen. „Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren, „Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“ Diese enormen Minderungen bedeuten nicht mehr einfach nur mehr Anstrengungen, sondern einen Paradigmenwechsel., so Ratsmitglied Thomas Heimer. Das bisherige Ausbautempo bei Solar- und Windenergieanlagen, Wärmepumpen oder der Elektromobilität wird laut dem Zweijahresgutachten bei weitem nicht ausreichen, um die jeweils anvisierten Ausbauziele der Regierung zu erreichen. Zudem wird deutlich, dass im gleichen Maße der Abbau des fossilen Kapitalstocks im Gebäude- oder Verkehrssektor, beispielsweise von Öl- und Gasheizungen oder des fossilen Pkw-Bestands, notwendig wäre, um die Klimaziele auf diesem Wege zu erreichen.
Der Rat fordert eine harte Begrenzung zulässiger Emissionsmengen. Politische Steuerung hätte dann nicht mehr die primäre Aufgabe, Emissionen zu steuern, sondern die dafür umso größere Herausforderung, den Wandel so zu gestalten, dass er für Wirtschaft und Gesellschaft ökonomisch und verteilungspolitisch tragfähig ist.
Zufällig ausgeloste Bürger wurden eingeladen, Empfehlungen für die Klimapolitik Deutschlands zu erarbeiten. Die Ergebnisse des Bürgerrates Klima liegen nunmehr vor.
Ergebnisse des „Bürgerrates Klima“
Zufällig ausgeloste Bürger wurden eingeladen, Empfehlungen für die Klimapolitik Deutschlands zu erarbeiten. Die Ergebnisse des Bürgerrates Klima liegen nunmehr vor. Sie fordern unter anderem, dem Klimaschutz und insbesondere dem Erreichen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens höchste Priorität einzuräumen.
Von Aribert Peters
(9. August 2021) Innerhalb von wenigen Jahren, darüber herrscht weitestgehend Einigkeit, muss die Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Es gibt mehr als genug Potenzial für Wind- und Sonnenenergie sowie auch die benötigten Flächen für eine erneuerbare Energieversorgung von ganz Deutschland. Die Kosten dafür sind sogar geringer als bei einer weiteren Nutzung der fossilen Energien. Wie dieser Umstieg geschafft werden soll, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. In der Wahlkabine am 26. September 2021 haben die Bürger nicht viel Zeit zum Nachdenken und Diskutieren. Und auf dem Wahlzettel stehen keine konkreten Sachfragen zur Auswahl.
Bürgerrat Klima
Wie die Bürger entscheiden würden, wenn sie sich Zeit zum Diskutieren und Nachdenken nehmen, das hat ein „Bürgerrat Klima“ gerade herausgefunden. 160 Bürger zufällig ausgewählte Bürger wurden in den Bürgerrat berufen. Nach Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildungsstand entsprechen diese Bürger dem Bundesdurchschnitt. Sie diskutierten in 12 Videokonferenzsitzungen, wie Deutschland sozial, wirtschaftlich und ökologisch faire Klimaziele umsetzen kann. Aufzeichnungen dieser Sitzungen sind als Video verfügbar. Die Bürger wurden von ausgewiesenen Experten beraten. Der Bürgerrat Klima wurde im Herbst 2020 vom Verein „BürgerBegehren Klimaschutz“ und den „Scientists for Future“ initiiert. Seine Empfehlungen wurden an die deutsche Regierung übergeben.
Verjüngungskur der Demokratie
Bürgerräte wollen die Demokratie nicht ersetzen, sondern verbessern. Als „Verjüngungskur der Demokratie“ bezeichnete sie die Süddeutsche Zeitung. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie spricht von der „vierten Gewalt“, der „Konsultative“, die neben der Legislative, der Exekutive und der Judikative Platz finden müsse. Bürgerräte haben in anderen Ländern bereits wichtige gesellschaftliche Veränderungen angestoßen. Eine Studie des Umweltbundesamts beschreibt zahlreiche dafür mögliche Partizipationsmodelle und erörtert viele damit zusammenhängende Fragen.
Unmögliches möglich gemacht
Bürgerbeteiligung im Klimaschutz gab es schon einmal: Bereits am Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sollten im Jahr 2015 Bürger und Verbände mitwirken, hatten am Ende jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf den Klimaschutzplan. Im Endbericht der Prognos AG wird es „grundsätzlich kaum für möglich gehalten, ein repräsentatives ‚Abbild‘ der Gesellschaft [...] herzustellen“. Genau diese damals unterstellte Unmöglichkeit ist den Organisatoren des Bürgerrates Klima gelungen. Zufällig ausgewählte Bürger aus vollkommen unterschiedlichen sozialen Milieus haben sich nach eingehender Diskussion auf Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels einigen können. Kaum einer von ihnen hatte sich vorher eingehender mit dem Klimawandel beschäftigt. Und doch waren alle bereit, sich über etliche Tage in dieses Thema zu vertiefen und kamen zu den gleichen Schlussfolgerungen und Forderungen an die Politik.
Politik versagt beim Klimaschutz
Gerade bei Energiewende und Klimaschutz agiert die Regierung seit Langem verdächtig einseitig zugunsten der Wirtschaft: Steuerbefreiungen, Fusionsgenehmigungen, Subventionen, mangelhafte Aufsicht durch Wettbewerbs- und Aufsichtsbehörden sind inzwischen an der Tagesordnung. Was der Bundestag bisher zum Klimaschutz beschlossen hat, wurde vom Bundesverfassungsgericht als für kommende Generationen unzureichend und daher verfassungswidrig zurückgewiesen. Die Regierungskoalition bremst seit vielen Jahren den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Verkehrswende. Regierung, Abgeordnete und Verwaltungen stehen unter dem Einfluss von Energiekonzernen: Von einfachen Beamten, die nur noch von den Konzernen vorgelegte Gutachten abnicken, über Ministerien, die Gesetzentwürfe der Wirtschaft blind übernehmen bis hin zu Abgeordneten, die ihr Hauptgehalt durch Beratungsverträge und Aufsichtsratsposten bestreiten. Gerade deshalb muss die Bürgermeinung Eingang in die politischen Entscheidungen unseres Landes finden.
- Lobbypedia: Gerhard Schröder
- energieverbraucher.de: Lobbyismus
- Die Grünen/EFA im EU-Parlament: Revolving Doors And The Fossil Fuel Industry
Bürgerräte als Lösung
Insbesondere bei der Energiewende und dem Kampf gegen den Klimawandel ist eine von der Industrie und finanzieller Einflussnahme unabhängige Politik wichtig – wie sie in Bürgerräten erarbeitet und abgestimmt wird. Im Kern geht es um die Machtfrage, die von Ihnen liebe LeserInnen zu entscheiden ist: Nicht nur in der Wahlkabine im September 2021, sondern auch beim bürgerschaftlichen Engagement darüber hinaus.
Bundestagswahl ist Klimawahl
Der Bund der Energieverbraucher versteht sich als überparteiliche Verbraucherschutzorganisation. Aus diesem Grund gibt der Verein zur Bundestagswahl keine konkreten Wahlempfehlungen ab, sondern regt dazu an, die persönliche Wahlentscheidung nicht leichtfertig – „wie immer“ – zu treffen, sondern genau zu überdenken, wem man seine Stimme gibt. Zur Information möchten wir Ihnen folgende Angebote besonders empfehlen:
Auszug aus den Empfehlungen des Bürgerrates Klima
In thematisch fokussierten Untergruppen des Bürgerrates wurden Empfehlungen erarbeitet und abschließend vom Plenum abgestimmt. Zu den Beschlüssen zählen zehn Leitsätze, die eine überwältigende Zustimmung von im Mittel 94 Prozent gefunden haben. Bei den 84 detaillierten Empfehlungen betrug die zustimmende Mehrheit durchschnittlich 90 Prozent. Im Ergebnis kann man feststellen, dass sich die Bürger in den Sachfragen einig sind. Aus Platzgründen können wir nachfolgend nur die wichtigsten Entscheidungen auszugsweise wiedergeben. Sie können den vollständigen Abschlussbericht mit allen Empfehlungen auf 106 Seiten als PDF abrufen.
Übergeordnete Leitsätze
Die CO2-Steuer soll als Pro-Kopf-Pauschale an alle Bürger rückerstattet werden. Zur Anpassung der Höhe dieser Steuer gab es keinen Beschluss. Klimadividende und Steuererleichterungen sollen je nach Einkommen für soziale Gerechtigkeit bei der Klimawende sorgen. „Mir ist wichtig, dass die soziale Gerechtigkeit nicht unter der Klimapolitik leidet“, sagte ein Teilnehmer dazu.
- Das 1,5-Grad-Ziel ist nicht verhandelbar und hat oberste Priorität!
- Der Klimaschutz dient dem Allgemeinwohl und hat Priorität vor Einzelinteressen: Große Unternehmen müssen verpflichtet werden, im Sinne von Klimaschutz und Gemeinwohl zu handeln. Klimafreundlichkeit muss attraktiv und erstrebenswert sein. Klimaschädigendes Verhalten ist zu besteuern und zu sanktionieren.
- Es soll ein verbindlicher CO2-Preis für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft eingeführt werden, dessen Einnahmen vorrangig in den Ausbau klimaneutraler Infrastruktur investiert werden sowie eine Pro-Kopf-Pauschale zum sozialen Ausgleich der Mehrausgaben.
- Das Wahlalter soll auf 16 Jahre herabgesetzt werden, damit die Politik stärker unter Druck gesetzt wird, im Sinne nachfolgender Generationen zu handeln.
- Klimaneutrale Firmen sollen vom Staat einen Wettbewerbsvorteil eingeräumt erhalten.
- Erneuerbare Energieträger sollen immer günstiger als fossile Energieträger sein. Dies soll durch Förderung und/oder Besteuerung sichergestellt werden.
Energieversorgung
- Bis 2035 soll der Strom in Deutschland vollständig aus erneuerbaren Energiequellen stammen, der Kohleausstieg soll auf das Jahr 2030 vorverlegt werden.
- Bis 2035 soll die Energieversorgung aller Sektoren in Summe zu 70 Prozent aus Erneuerbaren erfolgen, bis 2040 zu 90 Prozent.
- Alle Kommunen sollen bis 2023 einen Plan für die Klimaneutralität bis 2030 entwickeln.
- Jedes Bundesland soll mindestens zwei Prozent seiner Fläche für PV- und Windkraftanlagen bereitstellen.
- Ab 2022 soll die Nutzung von Dachflächen für PV-Anlagen schrittweise verpflichtend eingeführt werden.
- Landwirtschaftliche Flächen und Wasserflächen sollen für die Stromgewinnung genutzt werden. Bereits versiegelte Flächen sollen für PV-Anlagen genutzt werden.
- Der Ersatz von alten durch neue Windkraftanlagen darf nicht weiter bürokratisch und ordnungsrechtlich behindert werden.
- Der Eigenverbrauch von PV-Strom soll vereinfacht und gefördert werden.
- Die Befreiung energieintensiver Industrien von der EEG-Umlage soll rückgängig gemacht werden.
Mobilität
- Der öffentliche Verkehr, Radverkehr und Fußverkehr muss Priorität vor dem motorisierten Verkehr haben und im Fernverkehr der Bahnverkehr Vorrang vor dem Flugverkehr.
- Ein allgemeines Tempolimit fordert die Mehrheit der Teilnehmer: 120 km/h auf Bundesautobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h in Innenstädten.
- Zur Stärkung des Radverkehrs muss in den nächsten 5 bis 10 Jahren die Infrastruktur für Fahrräder massiv ausgebaut werden.
- Die Erstzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor soll bis 2027, spätestens 2030 eingestellt werden.
Wärmeversorgung von Gebäuden
- Eine verpflichtende kostenlose Sanierungsberatung für alle Gebäude mit Einschätzung durch eine Sanierungsampel soll eingeführt werden.
- Unschädliche und ökologische Baustoffe sollen gefördert werden.
- Die Finanzierung energetischer Gebäudesanierung von Wohngebäuden ist ab 2023 auf vier Säulen zu stellen: Der Mieteranteil soll 10 Prozent, der Eigentümeranteil 20 Prozent, der kommunale Anteil 20 Prozent und Bundesbeitrag 50 Prozent betragen.
- Der Gesetzgeber soll ein Einbauverbot von fossilen Öl- und Gasheizungen ab 2026 erlassen.
Ernährung und Landwirtschaft
- Die Subventionspolitik der Landwirtschaft soll sich künftig an Kriterien der Klimafreundlichkeit orientieren.
- Die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln ist zu reduzieren.
- Die Emissionen durch Tierhaltung sollen bis 2030 um 50 Prozent verringert werden.
- Werbung für klimaschädliche sowie ungesunde Produkte und insbesondere, wenn sie an Kinder gerichtet ist, sollte verboten werden.
Bisherige Klimaschutz- und Energiewendeziele werden mit dem neuen Koalitionsvertrag aufgegeben und neue Ziele nur vage angedacht.
Regierungskoalition ohne Klimaplan
Bisherige Klimaschutz- und Energiewendeziele werden mit dem neuen Koalitionsvertrag aufgegeben und neue Ziele nur vage angedacht. Statt direkt eine CO2-Abgabe zu vereinbaren, verrennt sich das Papier in technischen Sackgassen und politischen Allgemeinplätzen.
Eine Analyse mit konkreten Handlungsvorschlägen von Dr. Peter Becker und Martin Lohrmann.
(27. Juni 2018) Die Regelungen im Koalitionsvertrag zur Energiewende und zum Klimaschutz sind traurig: Das Klimaschutzziel für 2020 wird aufgegeben. Damit wird zugleich der deutsche Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen ausgehöhlt. Die neuen Ziele sind nur allgemein beschrieben. Die Wege dorthin soll eine Kommission unter dem Namen „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ erst noch finden. Bis dies geschieht und daraus möglicherweise ein Gesetz entsteht, wird noch viel Zeit vergehen und Lobbyismus betrieben werden.
Verdopplung der Stromproduktion
Die Aussagen zur Energiewende enttäuschen noch mehr. Ein Anteil von etwa 65 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 wird „angestrebt“. Wünschenswert sei die Deckung des „zusätzlichen Strombedarfs zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr, in Gebäuden und in der Industrie“. Man ahnt: Die haben sich tatsächlich schon mit der Sektorenkopplung befasst! Aber dass für eine Sektorenkopplung, die die Klimaschutzziele zu erreichen erlaubt, eine Verdopplung der Stromproduktion nötig ist, kann man nirgends lesen.
Power-to-X
Auch bekennt sich die Regierung zu Power-to-X. Allerdings ohne konkrete Vorschläge für die Lösung der bestehenden Herausforderungen. Einen kritischen Blick auf Power-to-Gas liefert beispielsweise der Aufsatz „Wasserstoff aus Strom beziehungsweise Power-to-Gas – das umwelt- und klimabelastende, teure und unnötige Beschäftigungsprogramm für Atom- und Kohlekraftwerke“ von Dr. Hartmut Euler. Volltext-PDF: bdev.de/eulerpower
Konkrete Unverbindlichkeit
Ein wichtiger Grund für die Unverbindlichkeit der Aussagen ist nicht nur der politische Dissens, sondern die hohe Komplexität des Stoffs. So liegt der Zusammenhang zwischen der Einführung einer CO2 -Abgabe und der Strom- beziehungsweise Energiebesteuerung nicht auf der Hand. Dieser Beitrag soll Ihnen dazu Denkansätze liefern und zur Diskussion anregen.
Dr. Peter Becker ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Energierecht, Schriftleiter der Zeitschrift für Neues Energierecht (ZNER) und Ehrenpräsident der deutschen Sektion der „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“.
CO2 -Abgabe
Die Forderung nach Einführung einer „wirksamen CO2 -Bepreisung in dieser Legislaturperiode“ findet viel Unterstützung. Denn es gibt gute Gründe für eine solche CO2 -Steuer. Andere Steuern können und sollten dafür abgeschafft werden. Die Erneuerbaren und die Verbraucher würden davon profitieren – mehr Gerechtigkeit wäre die Folge. In der letzten Ausgabe der Energiedepesche wurden bereits viele wichtige Argumente zusammengetragen, die für eine CO2 -Steuer an Stelle der jetzigen Strom- und Energiesteuern sprechen (Energiedepesche 1/2018, S. 22-25). Als schnelle Übergangslösung, bis zur Umsetzung dieses grundlegend neuen Konzeptes, könnte aber auch eine besser gestaltete Energiesteuer dienen.
Aktuelle Strom- und Energiesteuer
Durch das Energiesteuergesetz werden seit dem Jahr 2008 sämtliche fossilen Energieträger belastet, die zur Wärmeerzeugung oder als Kraftstoff verwendet werden. Fossile Energieträger, die der Stromerzeugung dienen, werden hingegen nicht der Energiesteuer unterworfen, weil sie der Stromsteuer unterliegen. Anders als die Energiesteuer wird jedoch bei der Erhebung der Stromsteuer nicht nach der Herkunftsquelle des Stroms und der Klimaschädlichkeit unterschieden; vielmehr belastet die Stromsteuer undifferenziert jeglichen Strom, der dem öffentlichen Netz entnommen wird.
Martin Lohrmann ist Volkswirt und beschäftigt sich seit 1978 mit Energieprojekten, aktuell hauptsächlich mit der Bürgerenergiebewegung. Für mehr als 50 Nahwärme-Projekte erstellte er Machbarkeitsstudien zusammen mit Bürgern vor Ort. www.wirtschaft-umwelt.de
Kritik an der Stromsteuer
Sowohl der Deutsche Industrie- und Handelskammertag als auch der Verbraucherzentrale Bundesverband fordern inzwischen, dass die Stromsteuer auf den Prüfstand gestellt werden muss, weil die Strompreise seit Einführung der Steuer massiv gestiegen sind und jeder Verbraucher daher ohnehin zu Effizienzmaßnahmen gezwungen sei. Mit der Stromsteuer werde keine positive Lenkungswirkung mehr erreicht. Die Steuer wirke jetzt vielmehr kontraproduktiv, weil sie Unternehmen und Verbrauchern Mittel für die Durchführung von Investitionen in Effizienzmaßnahmen entziehe.
Parallel dazu fordern für den Klimaschutz engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie nicht wenige kleine und große Unternehmen, dass mangels wirksamem europäischem CO2 -Emissionshandel auch in Deutschland eine nationale CO2 -Steuer nach dem Vorbild von Frankreich, Schweden, Schweiz, Großbritannien oder anderen Staaten erhoben werde, um die Verbrennung von fossilen Energieträgern zurückzudrängen und den Umstieg auf erneuerbare Energien finanziell anzureizen.
Belastungsumschichtung
Vor dem Hintergrund der Zusatzbelastungen, die auf private und gewerbliche Verbraucher durch Netzausbau, Ökostromausbau und Reservekraftwerksaufbau in den nächsten Jahren zukommen, können nur sinnvoll wirkende Belastungsumschichtungen eine breite bürgerschaftliche und geschäftliche Unterstützung finden. Dieses kann eine Belastungsumschichtung sein, welche zu einer Verringerung der Spreizung zwischen den sehr niedrigen Strombeschaffungskosten der privilegierten Industrieunternehmen und den viel höheren Strompreisen für nicht privilegierte Unternehmen und private Verbraucher führt.
Fossile Energien besteuern
Nötig ist eine Belastungsumschichtung, mit der der Strom aus erneuerbaren Energien entlastet und der aus fossilen Energien belastet wird. Es geht um die Beseitigung einer gravierenden Unwucht im Marktdesign: Sie besteht darin, dass der Gesetzgeber dem Strom der konventionellen Bestandsanlagen keine Umlagen aufbürdet, die dessen externe Kosten (Klimafolgen, Gesundheits- und Umweltschäden, Atommüllentsorgung usw.) kompensieren. Demgegenüber können die inzwischen sehr kostengünstigen Stromangebote der Solar- und Windkraftanlagen mit ihren geringen Folgekosten gar nicht bei den Verbrauchern ankommen. Dieser Strom wird durch das EEG in großen und wachsenden Mengen ohne Preisuntergrenze auf den Spotmarkt gelenkt und drückt den Börsenpreis auf ein irreal niedriges Preisniveau, das keinerlei Impulse für Investitionen liefert. Andererseits müssen die EE-Anlagen durch Finanzierung über die EEG-Umlage über Wasser gehalten werden und stehen damit fälschlich als Preistreiber da. Dieses bizarre Spiel kann und darf nicht mehr beliebig weiterbetrieben werden.
Gerechte Energiesteuer statt Stromsteuer
Die Stromsteuer wird abgeschafft oder von derzeit 2,05 Cent je kWh auf die von der EU vorgegebenen Mindestbesteuerung von 0,05 Cent/kWh abgesenkt. Im Gegenzug werden durch das Energiesteuergesetz endlich auch die fossilen Energieträger, die der Stromerzeugung dienen, mit der Energiesteuer belastet. Die Steuersätze für Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Erdöl werden so festgelegt, dass sie die Mengen an CO2 widerspiegeln, die durch die Verbrennung von einer Energieeinheit des jeweiligen Energieträgers freigesetzt werden.
Ziel: Preisneutralität
Ziel muss sein, dass bei Zugrundelegung der fossilen Energiemengen, die im Jahr 2017 für die Stromerzeugung eingesetzt wurden, ein Steueraufkommen von 6,6 Mrd. Euro herauskommt.
Eine so angelegte Steuerreform ist aufkommensneutral und bezogen auf die gesamte nachgefragte Strommenge preisneutral. Die so gesetzte Energiesteuer verändert die Wirkungen des Marktes. Sie verteuert die Brennstoffkosten des Stroms aus fossilen Energien in sämtlichen Linien der Strombeschaffung, sei dies die Stromeigenerzeugung durch Großverbraucher, der Stromdirekteinkauf von Großverbrauchern bei Großkraftwerken oder der Stromeinkauf an der Strombörse. Das Preisniveau an der Börse steigt zudem wieder an, soweit es in den Zeiten von knappem Solar- und Windstrom durch die konventionellen Grenzkostenkraftwerke gesetzt wird. Eine sinkende EEG-Umlage ist die unmittelbare Folge. Der tatsächliche Strompreis der konventionellen Bestandskraftwerke wird sichtbar. Die stark privilegierten Stromgroßverbraucher werden die maßvoll höheren Stromkosten tragen können. Die große Zahl der nicht privilegierten Unternehmen und privaten Verbraucher bezahlt für den Strom aus fossilen Energien zwar ebenfalls einen höheren Beschaffungspreis. Insgesamt fällt ihre Stromrechnung aber kleiner aus, weil die Stromsteuer wegfällt und die EEG-Umlage sinkt.
Ziel: Flexibilisierung
Auch die Flexibilitätsoptionen, deren Entwicklung derzeit durch die niedrigen Preise für fossil erzeugten Spitzenlaststrom gehemmt wird, erhalten einen marktgetriebenen Anschub. Soweit Strom aus fossilen Energieträgern erzeugt wird, würde durch die vorgeschlagene neue Energiesteuergestaltung eine effiziente Brennstoffnutzung erzwungen. Die Stromerzeugung in Kraft-Wärme-Kopplung erhält marktgetriebene Unterstützung. Im KWK-Modus betriebene Gaskraftwerke können sich gegenüber den Kohlekraftwerken behaupten.
Der Gesetzgeber muss handeln
Wer das Marktdesign nicht ändern will, bleibt im Förderdschungel hängen, verspielt hohe Kostensenkungspotenziale beim Ausbau der erneuerbaren Energien, täuscht die Öffentlichkeit über die wahren Kosten der fossilen Energien und kann die Klimaschutzziele nicht erreichen. Es ist höchste Zeit zum Handeln!
Gibt es ein Grundrecht auf Klimaschutz, auf die Erhaltung unserer Erde, auf eine Lebensgrundlage für kommende Generationen? Ist der Gesetzgeber verpflichtet, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen? Auf diese Fragen hat das Bundesverfassungsgericht am 29. April 2021 mit einer Grundsatzentscheidung zum Klimaschutz überraschend eindeutige Antworten gegeben.
Grundrecht auf Klimaschutz
Gibt es ein Grundrecht auf Klimaschutz, auf die Erhaltung unserer Erde, auf eine Lebensgrundlage für kommende Generationen? Ist der Gesetzgeber verpflichtet, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen? Auf diese Fragen hat das Bundesverfassungsgericht am 29. April 2021 mit einer Grundsatzentscheidung zum Klimaschutz überraschend eindeutige Antworten gegeben.
Von Louis-F. Stahl
(10. Mai 2021) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. März 2021 entschieden, dass das am 12. Dezember 2019 in Kraft getretene Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) keine hinreichenden Maßnahmen zur Einhaltung der Klimaschutzziele aus dem Paris-Abkommen enthält, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat. Darüber hinaus erfülle der Staat mit den Inhalten des Gesetzes nicht seine Pflicht, den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit seiner Bevölkerung zu gewährleisten. Die Richter in Karlsruhe erklärten § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG sowie Anlage 2 zum KSG, daher die nationalen Klimaschutzziele sowie die zulässigen Jahresemissionsmengen, für unvereinbar mit den sich aus Artikel 2 und Artikel 20a des Grundgesetzes ergebenden Grundrechten. Die Entscheidung wurde am 29. April 2021 öffentlich bekannt gegeben (Az. 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20).
So, oder so ähnlich, hätte die Verkündung in Karlsruhe am 29. April 2021 ausgesehen – wenn nicht die Coronapandemie derartige Zusammenkünfte unmöglich machen würde. Daher sehen Sie an dieser Stelle ein Symbolbild.
Die Eindeutigkeit, mit der das Gericht die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes an sich aber auch die Untätigkeit des Gesetzgebers insgesamt feststellte, hat selbst die Beschwerdeführer überrascht, die dem Gericht die Verfassungsbeschwerde angetragen hatten. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber mit seinem Beschluss verpflichtet, bis Ende 2022 grundgesetzkonforme gesetzliche Regelungen zum Klimaschutz und konkreten Emissionsreduktionszielen zu schaffen.
Grundgesetz, Artikel 20a
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
Ebenfalls überraschend sind die Reaktionen von den für das ungenügende Klimaschutzgesetz verantwortlichen Politikern, die jetzt so tun, als hätten sie mit dem Gesetz, das sie selbst auf den Weg gebracht und beschlossen haben, nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts zu tun. Regierungssprecher Steffen Seibert (CDU) lobte das vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über das Handeln seines Dienstherren als „wegweisend“, Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) stellte klar, dass beim „Klimaschutz schnell mehr passieren muss“ und postulierte: „Bremser und Blockierer haben nichts mehr zu sagen“. Der sich vermutlich durch diese Äußerung angezählt fühlende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kommentierte, er „glaube, dass niemand Verständnis hat, wenn wir uns gegenseitig die Verantwortung zuschieben.“ Woraufhin Regierungssprecher Seibert ankündigte, dass die Bundesregierung alles daransetzen werde, dem Bundestag noch vor der Bundestagswahl ein neues Klimaschutzgesetz vorzulegen.
Das Bundesverfassungsgericht folgt mit seiner Entscheidung der Rechtsprechung anderer Nationalgerichte. Im Jahr 2015 hatte beispielsweise in den Niederlanden ein nationales Gericht in Den Haag der Stiftung „Urgenda“ Recht gegeben. Die Niederlande müssen ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 25 Prozent statt nur um 17 Prozent verringern, urteilte das Gericht. Die niederländische Regierung ging dagegen in Revision. Im Dezember 2019 bestätigte das oberste Gericht der Niederlande das ursprüngliche Urteil und gab damit der Klimaklage statt. In Frankreich verurteilte das oberste Verwaltungsgericht „Conseil d‘État“ im November 2020 die französische Regierung nachzuweisen, dass sie sämtliche notwendigen Klimaschutzmaßnahmen ergreift, die zur Einhaltung des Klimaschutzübereinkommens von Paris notwendig sind.
Historische Betrachtung des Bundes-Klimaschutzgesetzes
Spitzenpolitiker von CDU/CSU und SPD sowie auch die Vertreter der Bundesregierung lobten das vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über das Bundes-Klimaschutzgesetz und ihre bisherige Klimaschutzpolitik. Schenkt man diesen Äußerungen Glauben, müsste man annehmen, die Klimaschutzpolitik der letzten Jahre und das Bundes-Klimaschutzgesetz seien vom Himmel gefallen oder gar von der Opposition heimlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die Geschichte ist natürlich – aller spontanen Amnesie zum Trotz – ganz anders. Ein kurzer Rückblick:
Der zwischen CDU/CSU und SPD nach der Bundestagswahl von 2017 geschlossene Koalitionsvertrag verpflichtete die Regierungskoalition zur Schaffung eines Klimaschutzgesetzes bis zum Ablauf des Jahres 2019. Jedes Ressort sollte mit Hilfe einer Expertenkommission Vorschläge zu sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen erarbeiten, die im Klimaschutzgesetz verankert und sodann durch das jeweilige Ressort umgesetzt werden sollten. In Summe sollten mit dem Gesetz die notwendigen Maßnahmen in nationalem Recht umgesetzt werden, die notwendig sind, damit Deutschland seine im Rahmen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.
Als Erstes verwarf Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die bereits sehr zurückhaltenden Empfehlungen seiner Expertenkommission für CO2-Einsparungen als „gegen jeden Menschenverstand“ und legte seinen Expertenrat auf Eis. Die Expertenkommission für den Gebäudebereich von Minister Horst Seehofer (CSU) wurde durch diesen erst gar nicht zu einer Sitzung einberufen, sodass Seehofer weder Kritik an seiner Politik noch den Vorschlag von konkreten Zielen oder zu ergreifenden Maßnahmen erdulden musste.
Obwohl die CDU/CSU-geführten Ministerien größtenteils nicht an dem Gesetz mitarbeiteten, legte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am 18. Februar 2019 einen vorsichtigen Gesetzentwurf vor, der bereits hinter den allermeisten Erwartungen zurückblieb. Dennoch blockierten die unionsgeführten Ministerien die weitere Bearbeitung des Gesetzentwurfes im Bundeskabinett. Am 27. Mai 2019 leitete das Umweltministerium aufgrund der dreimonatigen Untätigkeit von Bundeskanzleramt und Bundeskabinett selbst die Ressortabstimmung zwischen den Ministerien ein, um das Gesetz endlich auf den Weg zu bringen. Das von Helge Braun (CDU) geführte Bundeskanzleramt untersagte daraufhin öffentlich die „Versendung [des Entwurfs] an Länder und Verbände“. Erst im Oktober 2019 wurde das inzwischen an allen Ecken und Enden entschärfte Klimaschutzgesetz schlussendlich im Bundeskabinett verabschiedet. Nach dem Beschluss des Gesetzes durch den Bundestag blockierten die unionsgeführten Länder nochmals ein Begleitgesetz zu steuerrechtlichen Aspekten des Klimaschutzgesetzes im Bundesrat und setzten mit Hilfe eines Vermittlungsausschusses eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie die Streichung von Sonderregeln für neue Windkraftanlagen durch. Diese Regelungen standen im Widerspruch zum eigentlichen Gesetzesziel: dem Klimaschutz.
Auszüge aus den Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses zum Klimaschutz
Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit […] schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die […] Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.
Artikel 20a verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität. […] Als Klimaschutzgebot hat Artikel 20a eine internationale Dimension.
Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. […] Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.
In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags […] hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel […] dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.
Art. 20a ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll. […] Der Schutzauftrag des Art. 20a schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.
Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.
Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist.
Entscheidung im Volltext: bdev.de/klimaschutzurteil
Jede freigesetzte Tonne CO2 verstärkt den Klimawandel und verursacht volkswirtschaftliche Folgekosten, deren konkrete Höhe unter Experten heftig umstritten ist. Es gibt allerdings auch Klimaschutzmaßnahmen, die unabhängig von ihrem Klimaschutzeffekt volkswirtschaftlich einen Gewinn erwirtschaften.
Klimaschutz zum Nulltarif
Jede freigesetzte Tonne CO2 verstärkt den Klimawandel und verursacht volkswirtschaftliche Folgekosten, deren konkrete Höhe unter Experten heftig umstritten ist. Es gibt allerdings auch Klimaschutzmaßnahmen, die unabhängig von ihrem Klimaschutzeffekt volkswirtschaftlich einen Gewinn erwirtschaften – und dennoch nicht umgesetzt werden.
Von Louis-F. Stahl
(14. Februar 2020) Selbst die klimaskeptische Expertenkommission der US-Regierung streitet den Fakt nicht ab, dass die Freisetzung von Klimagasen globale Schäden nach sich zieht und bezifferte diese Kosten auf umgerechnet rund 40 Euro pro Tonne. Die Experten des Weltklimarates kommen auf rund 170 Euro pro Tonne und das Umweltbundesamt errechnete jüngst 180 Euro pro Tonne.
Vermeidungskosten
Statt über die Folgekosten von CO2-Emissionen zu streiten, lässt sich auch berechnen, was die Vermeidung der Freisetzung einer Tonne CO2 durch Klimaschutzmaßnahmen kostet. Das Ergebnis ist verblüffend: Viele Klimaschutzmaßnahmen kosten volkswirtschaftlich betrachtet nichts, sondern haben einen positiven Effekt für die Wirtschaft. Selbst dann, wenn man die (dadurch eingesparten) CO2-Emissionen unberücksichtigt lässt. Zu diesem Ergebnis kommt eine bisher kaum beachtete Studie von Prognos und der Boston Consulting Group.
Hebelwirkung
Besonders wirksam wäre die „Verkehrsmittelverlagerung“ von der Straße auf Bahn, Binnenschiffe und Fahrräder. Allein dies würde volkswirtschaftlich, zusätzlich zur CO2-Vermeidung, rund 170 Euro pro vermiedener Tonne CO2 sparen – die Kosten für neue Infrastrukturen schon abgezogen. Weitere Maßnahmen mit sofortigem volkswirtschaftlichem Gewinn sind laut der Studie der Ausbau der Windkraft sowie Effizienzmaßnahmen in der Industrie (siehe Nummern 1 bis 9 in der Grafik).
Nulltarif
Berücksichtigt man die Folgekosten von CO2-Emissionen und rechnet diese gegen die „Vermeidungskosten“, zeigt sich, dass selbst bei konservativ angenommenen Folgekosten in Höhe von 40 Euro pro Tonne CO2 die Maßnahmen bis einschließlich Nummer 15 in der Grafik zum Nulltarif zu haben sind. Hält man die vom Weltklimarat und dem Umweltbundesamt angesetzten Folgekosten von 170 bis 180 Euro je Tonne CO2 für realistisch, dann wäre die Umsetzung aller dargestellten Maßnahmen nicht nur ein Gewinn für das Klima, sondern auch volkswirtschaftlich von Vorteil! Bleibt nur eine Frage: Wann kommt diese Information bei den politischen Entscheidern an?