Klimaleugner
„Männer, die die Welt verbrennen“
Der erfolgreiche Spiegel-Kolumnist und Buchautor Christian Stöcker beschreibt in seinem gerade erschienenen Buch den Einfluss der fossilen Lobby auf Politik und Gesellschaft und ihre erstaunlichen Propagandaerfolge. Die öffentliche Diskussion braucht dringend eine „Fakteninfusion“, so Stöcker im nachfolgenden Interview.
(10. Juli 2024)
Energiedepesche: Herr Stöcker, welchen Einfluss nehmen Männer, die die Welt verbrennen, auf unsere Welt?
Christian Stöcker: Wir leben in einer Welt, in der eine vergleichsweise kleine Gruppe von Personen, Unternehmen, Institutionen große Macht ausübt. Allen voran die Öl-, Gas- und Kohlebranche, aber auch diesen Branchen gewogene, mit ihnen finanziell verbundene, von ihnen finanzierte oder korrumpierte Medienunternehmer, Politikerinnen und Politiker, Lobbyisten, Wissenschaftler, Agenturen,
Anwaltskanzleien, Thinktanks und Stiftungen, Medienschaffende, Prominente, Industrieverbände und einige wenige extrem reiche Menschen.
Prof. Dr. Christian Stöcker, Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei Spiegel online.
Energiedepesche: Handelt es sich nur um Männer?
Christian Stöcker: Die meisten, die an diesem Netzwerk beteiligt sind, sind Männer. Daher der Titel dieses Buches, der dem einen oder der anderen polemisch vorkommen mag. Die Ziele dieser Männer sind erschreckend simpel: Es geht darum, für möglichst lange Zeit möglichst viel Geld damit zu verdienen, fossile Brennstoffe aus der Erde zu extrahieren und zu verkaufen, um so noch reicher und mächtiger zu werden.
Energiedepesche: Wie nehmen sie Einfluss auf den Diskurs?
Christian Stöcker: Die Welt weiß längst, dass CO2-Emissionen die Atmosphäre aufheizen. Doch RWE und insbesondere US-Konzerne finanzierten über viele Jahre mit Hunderten von Millionen, wenn nicht Milliarden Dollar eine oft sehr aggressive Kampagne, um diese Tatsache zu verschleiern. Sie ließen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attackieren, drängten Politiker aus dem Amt, etablierten das Narrativ, dass es sich bei friedlichem Klimaprotest um „Terror“ handele, verheimlichten Daten, simulierten breite Unterstützung, kauften Studien und vermeintlich unabhängige Fürsprecher. Dass sie damit inzwischen aufgehört hätten, ist ein Irrtum – lediglich die Strategien haben sie geändert.
Energiedepesche: Welche Gewinne macht die Öl- und Gasbranche?
Christian Stöcker: Die Öl- und Gasbranche hat seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar pro Tag Gewinn – nicht Umsatz! – gemacht. Jeden Tag, sieben Tage die Woche, seit über 50 Jahren. Der Autor dieser Studie über fossile Gewinne schreibt darüber: „Es ist eine riesige Menge Geld. Man kann damit jeden Politiker, jedes System kaufen, und ich glaube, das ist auch geschehen. Es schützt [die Öl- und Gasproduzenten] vor politischer Intervention, die ihre Aktivitäten beschränken könnte.“
Energiedepesche: Wie verhält es sich mit den Subventionen für fossile Energien?
Christian Stöcker: Bis heute gelingt es den Profiteuren der Klimakrise, nicht nur atemberaubende Gewinne mit der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu machen. Sie bekommen dafür auch noch gewaltige Mengen an Steuergeldern. Die Fossilbranchen, die eine Billion Dollar Gewinn im Jahr machen, bekommen dafür 1,3 Billionen Dollar explizite Subventionen. Diese Verzerrung ist aberwitzig. Dass sie selbst gut informierten Leuten unbekannt ist, ist ein erstaunlicher Propagandaerfolg der Fossilindustrie und ihrer Handlanger in Politik und Medien.
Energiedepesche: Ist das der Öffentlichkeit nicht längst bekannt?
Christian Stöcker: Um das abzuschätzen, habe ich in den vergangenen Wochen Hunderten gut informierten Menschen Fragen über die Energiewirtschaft gestellt: über die Gewinne und Subventionen der Öl- und Gasindustrie, den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Ausbeute an richtigen Antworten war erschütternd.
Auch die guten Nachrichten dringen nicht durch: 80 Prozent der im Jahr 2022 weltweit neu zugebauten Kapazität zur Stromerzeugung waren erneuerbar. Und der erneuerbare Zubau wuchs im Anschluss daran, 2023, noch einmal um 50 Prozent. Das ist weitgehend unbemerkt geblieben.
Die Fossilindustrie ist bemerkenswert erfolgreich darin, Informationen, die für sie selbst peinlich oder unangenehm sind, die ihre Narrative stören könnten, aus dem öffentlichen Diskurs und damit den Köpfen der Wählerinnen und Wähler herauszuhalten. Teile der Politik helfen dabei mit ständigen Scheindebatten, Nebelkerzen und echter Desinformation fleißig mit („E-Fuels“, „Wasserstoffheizung“, „Kohlewinter“, „Blackout-Gefahr“ …). Deshalb passiert selbst in demokratischen Gesellschaften bei Weitem nicht genug, um die Katastrophe abzubremsen oder gar aufzuhalten.
Energiedepesche: Welche Folgen wird der Klimawandel haben?
Christian Stöcker: Was die Klimaforschung vorhergesagt hat, tritt ein. Das spricht für die Qualität der Prognosen, aber gegen unsere Fähigkeit, aus den Prognosen die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Wir stehen erst am Anfang der Klimakrise. Klimabedingte Katastrophen vernichten schon jetzt Jahr für Jahr Milliardenwerte und töten mindestens Tausende, vermutlich eher Zehntausende von Menschen und ein Vielfaches an Tieren. Aber vorerst wird es immer schlimmer werden: tödliche Hitzewellen, Monsterstürme, Dürrekatastrophen, Wasserknappheit hier, Extremregen dort und in der Folge Hungersnöte, absterbende Korallenriffe, zerstörte Ökosysteme auch an Land, massenhaftes Artensterben, gigantische Waldbrände, Erdrutsche, durch auftauenden Permafrost bedingte Bergstürze, schmelzendes Polareis, steigender Meeresspiegel ...
Die Wanderungsbewegungen der Gegenwart, von denen sich industrialisierte, reiche Regionen wie Nordamerika oder Europa schon heute überfordert fühlen, werden sich im Vergleich zu dem, was bevorsteht, winzig ausnehmen.
Energiedepesche: Wie wird es weitergehen mit den CO2-Emissionen?
Christian Stöcker: Die Öl- und Gasvorräte, über die all die börsennotierten und staatseigenen Unternehmen noch verfügen, übersteigen um ein Vielfaches das Restbudget, das wir noch an CO2 in die Atmosphäre blasen können, um die Erwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten unter 1,5 oder auch nur unter 2 Grad zu halten. Sowohl die Staaten, denen diese Vorräte gehören, als auch die Investoren, deren Geld in diesen Konzernen steckt, müssen daher dringend dazu gebracht werden, das CO2 im Boden zu lassen. Es gilt, gewaltige Mengen fiktiven Geldes zu vernichten, um die realen menschlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Im Moment ist davon wenig bis nichts zu sehen. Im Gegenteil, die größten Öl- und Gasfirmen des Planeten planen Investitionen in Höhe von über 850 Milliarden Euro, um weitere Quellen zu erschließen.
Energiedepesche: Sind Wärmepumpen wirklich ein Fortschritt?
Christian Stöcker: Als jemand, der seit mehr als zehn Jahren in einem mit einer Wärmepumpe beheizten, sehr behaglichen Haus wohnt, kann ich aus Erfahrung sagen: Die Behauptung, diese Heiztechnik sei „laut und hässlich“, ist absoluter Nonsens. Die Fakten lauten: Wärmepumpen funktionieren sehr wohl bei kalten Außentemperaturen, in Bestandsgebäuden, in Altbauten ohne Fußbodenheizung und auch ohne aufwendige Renovierung (aber natürlich noch besser in gut gedämmten Gebäuden). Sie erzeugen sehr angenehme Temperaturen und funktionieren auch in Wohnungen und Wohnblöcken, nicht nur in Einfamilienhäusern. Dass ständig vielerorts das Gegenteil behauptet wird, ist sehr im Interesse der Gasbranche, die ihr Netz unbedingt weiter betreiben und weiter mit Gas Geld verdienen will, Klimakatastrophe hin oder her.
Energiedepesche: Wie teuer kommt uns der Abschied von den fossilen Energien?
Christian Stöcker: Die immer wieder gestellte dumme Frage nach den „Kosten“ der Energiewende ist ein Erfolg von rücksichtslosem fossilem Lobbyismus. Richtig müsste es ohnehin nicht „Kosten“, sondern „Investitionen“ heißen. Investitionen, die sich sehr schnell rechnen, und zwar gleich doppelt: Sie sparen schon mittelfristig jede Menge Geld ein, und sie helfen, die weitere Eskalation der Klimakrise zu verhindern.
Der Diskurs über die energieökonomische Zukunft Deutschlands und der Welt braucht dringend eine massive Fakteninfusion. Das ist nicht nur existenziell für einen funktionierenden demokratischen Diskurs – sondern auch für die wirtschaftliche Zukunft dieses Landes.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stöcker.
• Die Quizfragen von Christian Stöcker: www.bdev.de/stoeckerfragen
Die Antworten auf unsere Fragen stammen aus dem neuen Buch von Christian Stöcker, „Männer, die die Welt verbrennen“ (soeben erschienen im Ullstein Verlag), und seiner wöchentlichen Kolumne „Der Rationalist“ auf Spiegel Wissenschaft.
In dem Buch belegt Stöcker seine Ausführungen mit zahlreichen Quellen, die wir hier nicht wiedergeben konnten.
Die Fossilwirtschaft geht nicht kampflos unter. Nicht mehr der Klimawandel wird nunmehr geleugnet, sondern unsere Fähigkeit, mit ihm fertigzuwerden. Doch Veränderungen sind möglich. Wenn wir die Hoffnung bewahren und unsere Verletzlichkeit wahrnehmen.
Hoffnung ist überwundene Verzweiflung
Die Fossilwirtschaft geht nicht kampflos unter. Nicht mehr der Klimawandel wird nunmehr geleugnet, sondern unsere Fähigkeit, mit ihm fertigzuwerden. Doch Veränderungen sind möglich. Wenn wir die Hoffnung bewahren und unsere Verletzlichkeit wahrnehmen.
Ein Kommentar von Aribert Peters.
(26. März 2024) Die US-Forscherin und Harvard-Professorin Naomi Oreskes schreibt: „Alles, was wir wissen, steht im Widerspruch zu praktisch allem, was wir tun. Der Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung als Ganzem und Extremwetterereignissen ist erwiesen, Ereignissen, die Menschen töten, ihre Häuser zerstören und ganze Gemeinden überfluten. Und trotzdem wird immer mehr Öl, mehr Gas, mehr Kohle gefördert. … Man könnte mit Amitav Ghosh von einer ‚großen Umnachtung‘ sprechen. In vielen Teilen der Welt gibt es einen echten politischen Willen zu handeln. Und die nötige Technologie ist weitgehend vorhanden, anders als es vielleicht vor 20 Jahren der Fall war. Dies ist also eine wirklich existenzielle Bedrohung für die Öl- und Gasindustrie. Diese Branche wird alles tun, um sich zu schützen. Sie wird nicht kampflos untergehen und uns notfalls alle mit in den Abgrund reißen.“
Die Fossilfirmen machen jeden Tag weltweit einen Gewinn von einer Milliarde Dollar. Und sie beeinflussen gravierend das Meinungsbild in Deutschland. Der Springer-Konzern gehört zu 36 % der US-Beteiligungsgesellschaft KKR, die mit Öl- und Gashandel hierzulande Milliardengewinne macht. Erinnern wir uns an die mediale Hasskampagne gegen das neue Heizungsgesetz, das entsprechend dem Koalitionsvertrag Heizen mit Gas beenden wollte. Der Gasbranche wären 33 Milliarden Euro Gewinn jährlich verloren gegangen.
Lokale Lösungen
„Zunächst ist es tieftraurig, wie viel unbegründete Hoffnung wir in diese internationalen COP-Verhandlungen gesetzt haben (COP: Conference of the Parties, jährlich stattfindende Weltklimakonferenz; d. Red.). Aber den Traum von der großen Lösung aufzugeben, kann doch auch befreiend sein: Wenn wir uns mehr auf das Lokale, das Regionale und das Nationalstaatliche konzentrieren, können wir etwas bewirken“, sagt Oreskes. Ein Beispiel dazu ist die Energiewende in Uruguay.
Die neue Leugnung
Christiana Figueres, die Architektin des Pariser Klimaschutzabkommens, führt in ihrem Podcast Outrage & Optimism aus: „Die alte Klimaleugnung besagte, dass es keinen Klimawandel gibt. Nun, das ist kläglich gescheitert, denn es gibt inzwischen einfach zu viele Beweise. Aber die neue Leugnung ist noch beängstigender. Sie räumt den Klimawandel zwar ein, leugnet aber, dass wir etwas dagegen tun können.“ Nach einer Analyse des Guardian stieg die Zustimmung zur neuen Klimaleugnung auf YouTube von früher 35 auf nun 70 %. Die Botschaft lautet nun: „Wir können nichts tun. Wir haben nicht die Kapazität. Wir haben nicht die Mittel. Wir haben nicht die Technologie.“
„Warum sind wir darauf reingefallen?“, fragt Christina Figueres und beklagt: „Es handelt sich um koordinierte Kampagnen über Jahrzehnte hinweg, finanziert von nicht demokratischen Regierungen und einigen sehr verantwortungslosen Akteuren aus dem privaten Sektor.“ Oder mit den Worten von US-Senator Bernie Sanders: „Denn sie wollen das Gegenwärtige erhalten, das so unglaublich vorteilhaft ist für das eine Prozent der Reichen.“ Er warnt: „Glaube ihnen nicht. Eine Änderung ist möglich.“
„Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe“
Die französische Philosophin Corine Pelluchon schreibt: „Was wir benötigen, ist nicht Optimismus, sondern Hoffnung. … Hoffnung setzt voraus, dass wir uns mit unserer eigenen Fehlbarkeit und Verletzlichkeit auseinandersetzen und auch das Böse zur Kenntnis nehmen.“ („Die Durchquerung des Unmöglichen. Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe“, Literatur ED 01/2024 Seite 39)
Und weiter führt sie aus: „Die Klimadepression, die die Psyche überflutet, rührt daher, dass man die Gefahr vorausahnt und nicht versteht, warum es weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene einen Aufschrei gibt. … Der Zweifel am Wert einer Zivilisation, die zu einer solchen Katastrophe führt, erschüttert all unsere Gewissheiten. Dieser Zweifel zwingt uns auch dazu, unsere Werte grundlegend neu zu definieren, um zu formulieren, was uns wichtig ist. … Die Bewusstwerdung, dass ein Kollaps möglich ist, bedeutet, das Unmögliche zu durchqueren, da wir mit dem Abgrund konfrontiert sind und gezwungen werden, die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft zu akzeptieren.“
Überwundene Verzweiflung
„Zu verzweifeln ist leicht, Verzweiflung ist eine Versuchung“, mahnt Corine Pelluchon, fährt dann aber fort: „Nur eine Energie, die stärker ist als die Verzweiflung, kann sie auslöschen. … Die Hoffnung liefert die Energie, um ein neues Zeitalter hervorzubringen. … Hoffnung ist überwundene Verzweiflung. Hoffnung bringt sich auf demütige und zugleich entschlossene Weise zum Ausdruck. Sie ist weit entfernt von jeglicher hochtrabenden Rede, mit der wir unsere Gewissheit über die Lösungen für die enormen Herausforderungen unserer Zeit zur Schau stellen. Hoffnung erfordert das Aushalten des Negativen und das Erkennen der extremen Ungewissheit, in der wir uns befinden.“
Wir können auf so viele Beispiele zurückblicken, in denen es hieß, dass eine Veränderung nicht möglich sei. Und sie kam dennoch. „Alles erscheint unmöglich, bis es vollbracht ist“, sagt Nelson Mandela.
Klimaleugner haben die Oberhand. Sie verhindern mit Falschinformationen und Verharmlosungen eine dringend notwendige Politik, die den Klimawandel dämpft. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Eine Wende wäre noch möglich.
Es wird eng für uns Menschen
Klimaleugner haben die Oberhand. Sie verhindern mit Falschinformationen und Verharmlosungen eine dringend notwendige Politik, die den Klimawandel dämpft. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Eine Wende wäre noch möglich.
Fakten und Überlegungen von Aribert Peters.
(14. März 2020) Neue Windkraftanlagen werden in Deutschland seit einem Jahr kaum noch errichtet. Der Deckel für den Photovoltaikausbau wurde bisher nicht aufgehoben. Wer selbst erneuerbaren Strom dezentral erzeugen und gemeinschaftlich nutzen möchte, wird mit Auflagen, Abgaben und Umlagen behindert (siehe „Auf dem Weg zum Prosumer“). Die Photovoltaikfabriken sind bereits Ruinen, die Windbranche liegt im Sterben, aber mit Datteln 4 geht im Jahr 2020 in Deutschland ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. Die Klimaneutralität ist auf 2050 vertagt.
Offensichtlich haben die Klimaleugner in der Politik die Oberhand. Die Wissenschaft dagegen ruft den globalen Klimanotstand aus, der zu sofortigem Handeln zwingt. Die Kluft zwischen Einsicht und Handeln wird für unsere Gesellschaft und unsere Spezies gefährlich groß.
Konkrete Klimafakten
Zunächst einige Fakten. Beginnen wir mit dem heute bereits Beobachtbaren:
- Durch die Sonnenstrahlung gelangt viel Energie auf die Erde, je Quadratmeter 300 Watt in unseren Breiten – gut für Solaranlagen, schlecht fürs Klima.
- Die globale CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist in den letzten 150 Jahren von 280 auf über 415 ppm angestiegen und steigt beschleunigt weiter an.
- Weltweit wurde im Jahr 2018 mehr CO2 emittiert als jemals zuvor.
- Durch die höhere CO2-Konzentration in der Atmosphäre wird die Wärmestrahlung von der Erde in den Weltraum gebremst. Die Energiebilanz ist gestört und die Erde wärmt sich ständig weiter auf. Die diesem Sachverhalt zugrundeliegende Physik ist seit dem Jahr 1824 bekannt und empirisch vielfach bestätigt.
- Die globale Temperatur ist weltweit gegenüber der vorindustriellen Zeit um 1 °C angestiegen und steigt beschleunigt weiter an.
- Naturkatastrophen nehmen durch die Erderwärmung deutlich zu: Extremwetter, Trockenheit, Unwetter, Feuer, Korallensterben. Erhöhte Windgeschwindigkeiten und Niederschläge von tropischen Wirbelstürmen sowie Zunahmen von extremen Wellen verschärfen in Kombination mit dem Meeresspiegelanstieg Extremwasserstände und Gefahren an Küsten.
- Das Grönlandeis, das Nordmeereis, das Nordpolareis, das Südpoleis und die Gletscher schmelzen.
- Ozeane erwärmen sich und haben mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme im Klimasystem aufgenommen. Seit 1993 hat sich die Geschwindigkeit der Ozeanerwärmung mehr als verdoppelt.
- Der Golfstrom hat sich um 15 Prozent abgeschwächt.
- Die Meeresspiegel steigen weltweit mit zunehmender Geschwindigkeit an, verursacht durch abschmelzendes Eis von Nord- und Südpol, von Gletschern sowie durch die Erwärmung und Ausdehnung von Ozeanen.
- Die Permafrostböden schmelzen, und zwar schneller als vorhergesagt.
- Die Ozeane erwärmen sich wesentlich langsamer als das Land. Deshalb folgt aus einer kurzfristigen Temperaturerhöhung von zwei Grad tatsächlich eine verzögerte Erhöhung um drei bis vier Grad.
Erwartbare Entwicklungen
Die Menge an Kohlendioxid, die in den nächsten Jahren ausgestoßen wird, entscheidet darüber, wie stark sich unser Klima verändern wird. Was wir entscheiden zu tun und wie schnell wir den gemeinsamen Willen dafür aufbringen können, ist eine Ungewissheit, die alle anderen Ungewissheiten in den Schatten stellt.
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ein Klima-Think-Tank haben ein interaktives Werkzeug programmiert, das zeigt, mit welchen Aktionen die Pariser Klimaziele doch noch eingehalten werden können.
en-roads.climateinteractive.org
Die Erde wird sich bis Ende des Jahrhunderts um 2,8 °C erwärmen, wenn die Regierungen bei ihren bisher zugesagten Emissionsminderungen bleiben. Das ist doppelt so viel, wie im Paris-Abkommen vereinbart wurde. Deutschland gehört mit seinem Klimaschutzpaket zu den 16 Ländern mit höchst unzureichenden Emissionsminderungszusagen. Dies hat der vom Bundesumweltministerium geförderte Climate-Action-Tracker (CAT) zusammengestellt (siehe auch Grafik auf Seite 14).
climateactiontracker.org
Paris-Abkommen
Der jüngste Bericht des Weltklimarates IPCC kommt zu folgenden Erwartungen für die kommenden Jahre:
- Die grönländischen und antarktischen Eisschilde verlieren mit zunehmender Geschwindigkeit an Masse.
- Der Meeresspiegel steigt weiter mit zunehmender Geschwindigkeit. Extremwasserstände, die historisch selten sind, werden bis 2050 an vielen Orten mindestens einmal pro Jahr auftreten, insbesondere in tropischen Regionen. Die zunehmende Häufigkeit von Hochwasserständen kann an vielen Orten schwerwiegende Folgen haben.
- Ozeane werden wärmer und sauerstoffärmer. Marine Hitzewellen und extreme El Niño- und La Niña-Ereignisse werden häufiger. Die thermohaline Zirkulation (globale Meeresströmungen) werden sich weiter abschwächen.
Wenn wir mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 Prozent unter einer weltweiten Temperaturerhöhung von 1,5 °C bleiben wollen, wie es das Paris-Abkommen vorsieht, dann dürfen wir nach dem jüngsten Bericht des IPCC nur noch eine beschränkte Menge an CO2 emittieren.
Fakten sind nicht verhandelbar
Greta Thunberg erklärte am 23. Juli 2019 vor der französischen Nationalversammlung: „Dieses Budget ist in 8,5 Jahren verbraucht. Viele Wissenschaftler halten diese Budgets für zu hoch, aber immerhin sind sie international anerkannt durch den IPCC: Kein Politiker hat diese Zahlen je erwähnt oder zur Kenntnis genommen. Es scheint, als würden diese Zahlen gar nicht existieren. […] So bleibt die unangenehme Aufgabe bei uns Kindern, diese Zahlen zu verkünden. Dafür werden wir gehasst, bedroht, verspottet, ausgelacht von gewählten Parlamentariern, Journalisten und Geschäftsleuten. Sie alle möchte ich fragen: Haben Sie eine andere Zahl, die uns das Klimaziel erreichen lässt? […] Wenn Sie wissen, wie bald das verbleibende CO2-Budget aufgebraucht sein wird, dass praktisch nichts getan wird und dass nicht einmal die CO2-Budgets zur Kenntnis genommen werden, dann sagen Sie mir bitte, was Sie diesbezüglich tun. […] Weit entfernt liegende Daten für CO2-Freiheit zu
verkünden, schadet mehr, als es hilft. Denn in keinem Land werden dazu konkrete Schritte unternommen. Das größte Problem ist nicht das Nichtstun, sondern Aktionen, die Änderungen vortäuschen, ohne wirklich etwas zu ändern.“
Video: Greta Thunberg speech in Assemblée Nationale
Klimaleugner und Klimaskeptiker
„Klimaleugner und eine Mehrheit von Politikern verharmlosen die Folgen der Temperaturerhöhung nach dem Motto: ‚Es wird schon nicht so schlimm werden, wir werden das schon schaffen.‘ Das ist eben leider nicht so. Wir sehen, wie dramatisch schon die Folgen der gegenwärtigen Temperaturerhöhungen sind“, so der Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf in einem Video-Interview. „Der Mensch verdrängt gerne unangenehme Wahrheiten, zum Beispiel wenn ein Schuldgefühl ausgelöst wird. Oder, wenn Ohnmachtsgefühle aufkommen. ‚Dieses Problem ist so groß und unlösbar, da will ich mich lieber gar nicht damit beschäftigen. Weil ich ja gar nichts daran ändern kann‘. Und es gibt hartnäckige Leugner der Fakten, mit denen man nicht reden kann. Die meisten Menschen sind einfach nur verunsichert, sind aber grundsätzlich für Argumente offen.“
„Die Skeptiker kommen in den Medien im Vergleich zu ihrer Bedeutung in der Wissenschaft weit überproportional zu Wort. Sie werden oft auch unwidersprochen wiedergegeben und damit salonfähig gemacht. Natürlich kann jeder seine eigene Meinung haben. Aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten. Medien sind der Wahrheit verpflichtet wie die Wissenschaft auch. Die meisten Menschen denken, die Wissenschaft sei gespalten in der Frage, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt. Tatsächlich sind sich 99 Prozent der Klima-forscher in dieser Frage einig. Dass dies nicht in der Öffentlichkeit ankommt, hat mit der Medienberichterstattung zu tun, die immer wieder diese Scheinkontroversen hochhält, sodass viele Menschen glauben, das sei in der Forschung noch umstritten“, konstatiert Prof. Rahmstorf.
Glaube oder Realitätsverklärung?
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am 23. Januar 2020 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos: „Wie versöhne ich diejenigen, die an den Klimawandel einfach nicht glauben wollen, die so tun, als wäre es eine Glaubensfrage? Für mich gibt es eine völlig klare Evidenz durch wissenschaftliche Daten. Wir müssen die Fakten mit den Emotionen versöhnen.
Das setzt zumindest voraus, dass man miteinander spricht. Die Unversöhnlichkeit und Sprachlosigkeit, die zum Teil herrscht zwischen denen, die den Klimawandel leugnen und denjenigen, die ihn sehen und darum kämpfen, ihn zu beherrschen, die macht mir Sorge und die muss überwunden werden. Die Sprachlosigkeit ist größer als im Kalten Krieg.“
Damit liegt Frau Merkel richtig, auch wenn sie die mit dem Paris-Abkommen übernommenen Verpflichtungen Deutschlands ignoriert und die Auslöschung der deutschen Solarindustrie und der Windkraftindustrie zu verantworten hat.
Kipppunkte und Klimanotstand
Die Idee weltweiter Kipppunkte wurde vom IPCC schon vor 20 Jahren definiert. Diese großmaßstäblichen abrupten und nicht umkehrbaren Änderungen klimabestimmender Faktoren (kurz ‚Kipppunkte‘, englisch ‚Tipping--Points‘) wurden damals nur bei einer Erwärmung um mehr als 5 °C für wahrscheinlich gehalten. In den neuesten IPCC-Berichten wird nunmehr selbst bei einer Erwärmung zwischen 1 und 2 °C das Überschreiten von Kipppunkten für möglich gehalten. Da wir bereits heute eine Erwärmung von 1 °C beobachten und die menschenverursachten CO2-Emissionen weiter jährlich zunehmen, ist selbst das 2-Grad-Ziel nicht mehr einzuhalten.
Was also vor zwei Jahren im bekannten „Hothouse-Artikel“ noch als „Worst-Case--Szenario“ bezeichnet wurde, wurde in einem Artikel derselben Autoren vor einem Jahr schon durchaus für möglich gehalten.
Bei aller Vorsicht in den Formulierungen („könnte“, „möglicherweise“) schreiben die Autoren in der Zeitschrift Nature im November 2019: „Das weltweit verbleibende Emissionsbudget für eine 50:50 Chance, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, könnte bereits fast vollständig aufgebraucht sein“.
Das Tückische an den Kipppunkten ist, dass sich die Änderungen, einmal überschritten, nicht mehr beeinflussen oder rückgängig machen lassen. Die Prozesse verstärken und beschleunigen sich von selbst. Die Kipppunkte sind nicht unabhängig, sondern beeinflussen sich gegenseitig wie fallende Dominosteine.
Ein Beispiel: Der brennende Amazonas setzt CO2 frei, was zu einer zusätzlichen Erwärmung führt, was wiederum andere Kipppunkte wie schmelzende Permafrostböden oder Eisschmelzen beeinflusst. Das schnelle Schmelzen des grönländischen Eisschildes und die weitere Abschwächung des Golfstroms könnten den westafrikanischen Monsun destabilisieren und Dürren in der afrikanischen Sahelzone auslösen. Die Wissenschaftler sprechen von einer „globalen Kaskade“.
Handeln, statt zu zweifeln!
Weitere 30 Kippelemente mit Einfluss auf das Klima sind in der wissenschaftlichen Literatur analysiert worden. Die Wissenschaftler konstatieren dazu: „Einige Ergebnisse der neuesten Klimamodelle deuten auf eine wesentlich höhere Klimasensitivität hin als in früheren Modellen. Aus unserer Sicht deuten die Beweise aus den Kipppunkten darauf hin, dass wir uns in einem Zustand des planetarischen Notstands befinden: Sowohl das Risiko als auch die Dringlichkeit der Situation sind akut. Wir sind der Auffassung, dass die verbleibende Interventionszeit, um ein Kippen zu verhindern, bereits gegen null geschrumpft sein könnte.“ Mit anderen Worten: Sofortiges Handeln ist möglich und notwendig.
Die Sonne schickt uns genug Energie, damit wir schon bald die fossilen Energien nicht mehr brauchen. Die Sonne droht uns aber auch zu verderben, wenn wir das nicht sofort tun. Dringender denn je müssen die erneuerbaren Energien ausgebaut und die Energieeffizienz erhöht werden. Weiter wie bisher geht nicht, ist nicht akzeptabel.
Wikipedia: Leugnung der menschengemachten globalen Erwärmung
Argumente der Klimaleugner widerlegt
„Das Klima hat sich schon immer geändert“
Richtig, aber durch unser Handeln erwärmen wir das Klima in wenigen Jahren stärker, als es jemals der Fall war, seit es Menschen gibt. Und wir kippen wichtige Klimastabilisatoren, was zu gravierenden und unumkehrbaren Klimaänderungen führt, siehe Klimageschichte und unten.
„Wir können ja doch nicht schnell genug klimaneutral werden“
Falsch! Prof. Volker Quaschning dazu im Interview mit „Jung und Naiv“: „Wir kennen eine Lösung, mit der wir in 15 Jahren klimaneutral werden können. Und diese Lösung ist auch bezahlbar. Dann lasst uns doch einfach diese Lösung umsetzen.“
„Wir Deutschen können ja doch nichts ändern ohne die anderen Länder“
Richtig, aber wir müssten zumindest unsere mit dem Paris-Abkommen eingegangenen Verpflichtungen einhalten, was wir derzeit nicht tun. Und es gibt selbst unter den entwickelten OECD-Staaten 21 Länder, die mehr und teilweise auch viel mehr tun als Deutschland.
Wir befinden uns in einer Krisensituation der Klima- und Menschheitsgeschichte. Der Klimawandel wird immer drastischer.
Bericht aus dem Tollhaus
Wir befinden uns in einer Krisensituation der Klima- und Menschheitsgeschichte. Der Klimawandel wird immer drastischer. Dennoch wird durch die Menschen mehr und mehr CO2 ausgestoßen und immer mehr fossile Energie verbraucht. Gleichzeitig geht die Verleugnung des Klimawandels und die Hetze gegen die Energiewende weiter.
Von Aribert Peters
(17. Oktober 2018) Am Klimawandel kann man heute nicht mehr zweifeln. Zu offensichtlich ist er für Jeden spürbar. Die Temperaturen der vergangenen Jahre sprechen eine klare Sprache, die auch ohne jede Klimawissenschaft unmissverständlich ist. Der Klimawandel ist keine Prognose, über die man diskutieren könnte. Sondern unleugbare Realität. Der Klimawissenschaft verdanken wir die Einsicht, dass der menschenverursachte CO2-Ausstoß den Klimawandel verursacht hat.
Die CO2-Emissionen haben weltweit seit 1990 um 53 Prozent zugenommen und steigen ständig an. Selbst im Jahr 2017 sind die Emissionen nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA wieder um 2,1 Prozent angestiegen.
Deutschland als Klimasünder
Die Emissionsminderungen und Effizienzsteigerungen, zu denen sich Deutschland verpflichtet hatte, finden einfach nicht statt. Das belegt das aktuelle Monitoring der Energiewende (siehe Kasten). Die Verbrennung fossiler Energien nimmt Jahr für Jahr deutlich zu. Zwei Drittel des Verbrauchs entfallen auf Öl und Gas. Ebenso steigt folglich auch die Förderung für noch mehr Verbrauch von Erdöl sowie Erdgas.
Wie sieht es mit Ihrer persönlichen CO2-Bilanz aus?
Der CO2-Rechner des Umweltbundesamts sagt es Ihnen in wenigen Minuten: www.uba.co2-rechner.de
Ein Rückgang der weltweiten Ölförderung ist jedoch unvermeidlich, weil es sich um nur begrenzt verfügbare Vorräte handelt. Es spielt keine Rolle, wann diese Verknappung stattfindet, weil sie unvermeidlich ist und mit naturwissenschaftlicher Sicherheit eintreten wird. Damit wird ein rascher Preisanstieg von Öl einhergehen, der weltweit eine Verknappung und Verteuerung von Nahrungsmitteln nach sich ziehen wird – auch der Klimawandel selbst reduziert die Ernten und treibt die Preise. Aber allein schon, um den Klimawandel zu stoppen, dürfen wir die fossilen Energien nicht sämtlich verbrennen.
Wir stehen vor dem globalen Ruin. Warum können wir diese fundamentalen Einsichten nicht wahrhaben und die Konsequenzen daraus ziehen? Warum nutzen wir nicht die letzte Verschnaufpause, den uns die derzeit günstigen Energiepreise und die günstige Wirtschaftssituation bietet, um uns von fossilen Energien zu verabschieden?
Der Tollhauseffekt
Eine gute Antwort gibt das nun auch ins Deutsche übersetzte Buch „Der Tollhauseffekt“ (Originaltitel: „The Madhouse Effect“). Der Klimaforscher Michael Mann und der Karikaturist Tom Toles haben es gemeinsam verfasst, die Cartoons sind integraler Bestandteil des Buches. Die Übersetzer Matthias Hüttmann und Herbert Eppel schreiben über ihre Motivation: „Letztlich geht es bei der Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels um nichts weniger, als um die Zukunft aller existierenden Spezies auf dem Planeten Erde und natürlich auch unsere eigene Zukunft. Und wie schon Hans Jonas feststellte: Es gibt weniger ein Recht künftiger Menschen auf Glück, sondern vielmehr eine Pflicht gegenüber der Zukunft der Menschheit“. In dem Buch geht es um die Schmutzkampagnen, die gegen die Klimawissenschaft laufen. Hunderte Millionen Dollar werden jährlich von meist fossilen Interessengruppen ausgegeben, um die Zweifel am Klimawandel zu schüren. Oft von denselben Personen, die bisher die Schädlichkeit des Rauchens als unbewiesen abstritten. „Die Schwemme an bezahlter oder politisch motivierter Propaganda ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie und ein Rückfall hinter die Zeit der Aufklärung. Sie ist eine Gefahr für die Lebensgrundlagen der Menschheit“ schreibt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmsdorf in seinem Vorwort zu dem Buch. Wir geben nachfolgend wesentliche Inhalte des Buches mit freundlicher Genehmigung in Zitaten wieder:
„Die grundlegenden Fakten sind nun klar und im Wesentlichen unbestritten. Es ist an der Zeit, das Feuer zu löschen. Von Präsidenten über Premierminister bis zum Papst wachen die Menschen endlich auf, um sich der Realität und der Herausforderung zu stellen [...] Aber jedes Mal, wenn wir in der Vergangenheit zu erkennen begannen, dass wir handeln müssten, sind die Urheber von Verwirrung und Verleugnung angetreten, um uns abzubremsen und in die Irre zu führen. Dieses Mal müssen wir den Kurs beibehalten und alles richtig machen. Es wird keine weiteren Gelegenheiten mehr geben [...] Trotz der späten Stunde und der monumentalen Herausforderung glauben wir, dass es noch Zeit und Hoffnung gibt [...] Wenn wir den eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, könnte es unser Schicksal sein, einen unbewohnbaren Planeten mit zerstörten Ökosystemen und einem andauernden, unvorhersehbaren Chaos zu hinterlassen. Aber es gibt eine alternative Zukunft [...] Es ist an der Zeit, endlich dem Tollhaus zu entkommen“.
Erdrückende Beweislast
„Es wird immer Unsicherheiten geben, was aber nicht als Ausrede für Untätigkeit dienen darf. Denn damit würde man sich dem Irrtum hingeben, dass wir nichts wissen, weil wir nicht alles wissen […] Angesichts der überwältigenden Beweise dafür, dass CO2 die Wärme zurückhält, wir auf dem besten Weg sind, die CO2-Konzentration bei Mitte des Jahrhunderts zu verdoppeln und eine beispiellose Veränderung unseres Klimas wahrscheinlich die Folge sein wird, wenn wir so weitermachen, sollte die Beweislast wirklich auf der Seite derjenigen liegen, die das Gegenteil behaupten [...] Die Kritiker sollten beweisen, dass eine Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre [...] keine nennenswerten Auswirkungen habe […] Die Kosten der Untätigkeit sind schon längst weitaus höher als die Kosten von Gegenmaßnahmen [...] Die Zeit läuft nun gegen uns“.
„Die Grundlagen der Klimawissenschaft sind eigentlich sehr einfach und waren es schon immer: Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre fängt die Wärme ein und wir fügen der Atmosphäre ständig mehr CO2 hinzu. Der Rest sind Details“.
„Das nächste Mal, wenn Ihnen Ihr streitsüchtiger Onkel, den sie jedes Jahr zu Weihnachten sehen, erklärt, dass der Treibhauseffekt eine ‚umstrittene neue—Wissenschaft‘ ist, dann erinnern Sie ihn daran, dass es sich vielmehr um grundlegende Erkenntnisse der Physik und Chemie handelt, die fast zwei Jahrhunderte zurückreichen. Bereits Joseph Fourier – derselbe Wissenschaftler, der das Gesetz der Wärmeleitung und die Fourier-Reihe der Mathematik entdeckte – erkannte, dass bestimmte Gase in der Atmosphäre, wie etwa CO2, als Wärmefalle fungieren. Wir bezeichnen diesen Sachverhalt deshalb als ‚Treibhauseffekt‘. Und auch Svante Arrhenius – derselbe Wissenschaftler, der uns vor mehr als einem Jahrhundert die Definition von Säure beschert hat – stellte fest, dass wir durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Menge an CO2 in der Atmosphäre erhöhen und das als Reaktion darauf die Temperatur der Erde ansteigt […] Vor der industriellen Revolution kamen auf eine Million Teile in der Atmosphäre etwa 280 Teile (ppm) CO2. Heute haben wir die 400 ppm-Marke überschritten. Die Erde hat sich daraufhin um 1 °C erwärmt [...] Beim derzeitigen Tempo, mit dem wir fossile Brennstoffe verbrennen, werden wir die CO2-Konzentration bis Mitte des Jahrhunderts verdoppeln und etwa 550 ppm erreicht haben [...] Arrhenius schätzte, dass diese Verdoppelung die Temperatur auf der Erde um 5 °C erhöhen würde. Wir sehen es ihm nach, dass seine Berechnungen mit Bleistift und Papier nicht so präzise waren wie jene, die auf Klimamodellsimulationen der leistungsstärksten Supercomputer basieren.“
Das Vorsorgeprinzip
„Selbst konservativere Schätzungen lassen den globalen Meeresspiegel bis zum Ende dieses Jahrhunderts um etwa einen Meter ansteigen, wobei 1,5 bis 1,8 Meter nicht auszuschließen sind.“
„Ungewissheit ist ein Grund dafür, definitiver und schneller zu agieren, da die Auswirkungen des Klimawandels aufgrund der Wahrscheinlichkeitsverteilung sogar noch weitaus schlimmer sein können, als wir derzeit vorhersagen. Wir selbst treffen im Alltag ähnliche Vorkehrungen: Denn obwohl die Wahrscheinlichkeit, jemals einen Hausbrand zu erleben, relativ gering ist, schließen wir Feuerversicherungen ab. Im Gegensatz dazu ist es beinahe sicher, dass wir gefährliche und irreversible Veränderungen in unserem Klima erleben werden, wenn wir mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe fortfahren“.
Rückkoppelungen verstärken Klimawirkungen
„Heute geben wir durch die Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe diesen Kohlenstoff über einen Zeitraum von 100 Jahren wieder an die Atmosphäre ab. Das Ganze geschieht etwa eine Million Mal schneller als das natürliche Einlagern“.
„Wenn man die CO2-Konzentration verdoppelt, liegt der direkte Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt bei etwa 1 °C, was an sich beherrschbar wäre. Allerdings führt die Erwärmung durch die sogenannte Wasserdampfrückführung zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre. Das Problem: Wasserdampf ist ein noch stärkeres Treibhausgas als CO2 und bringt eine zusätzliche Erwärmung von 1,5 °C mit sich. Dazu kommt noch, dass das Abschmelzen des Eises zu einer erhöhten Absorption des Sonnenlichts durch die Erdoberfläche führt. Diese Rückkoppelung bewirkt eine weitere Erhöhung von 0,5 °C. Es sind also diese positiven Rückkoppelungen, die eine bescheidene Erwärmung zu einer potenziell katastrophalen Erwärmung (3 °C) machen“.
Gut bezahlte Ignoranz
„Nachdem (der Weltklasse-Physiker) Frederick Seitz Ende der 1970er Jahre aus der akademischen Welt ausgeschieden war, erhielt er mehr als 500.000 Dollar vom Tabakgiganten R.J. Reynolds für seine Bemühungen bei der Verharmlosung der Gesundheitsgefahren des Tabaks [...] In seiner anschließenden Funktion als Vorsitzender von GMI kassierte er von anderen Unternehmen, darunter dem fossilen Energiekonzern Exxonmobil, Gelder, um die Bedrohung durch den Klimawandel herunterzuspielen. Was das Geld anbelangt, so bleibt der bekannte Upton-Sinclair-Witz: ‚Es ist schwierig, einen Mann dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängt, dass er es nicht versteht‘ relevant.“
„Dabei geben Journalisten unter Umständen auch abwegigen Minderheitsmeinungen den gleichen Stellenwert wie dem Mainstream-Denken, auch und gerade wenn es um politisch brisante Themen wie den Klimawandel geht. Dabei drückt man sich allerdings davor, im Streit zwischen Wissenschaft und Anti-Wissenschaft Wissen zu vermitteln und Stellung zu beziehen. Denn wenn es um Fragen der Wissenschaft geht, sind eben nicht alle Standpunkte gleich. Es gibt objektive Wahrheiten: die Erde ist nicht flach, die Evolution ist eine beobachtbare Tatsache und der Klimawandel ist real und wird von Menschen verursacht.“
Was ist zu tun?
Die Handlungsempfehlungen der Buchautoren stimmen erstaunlich genau mit denen der deutschen Expertenkommission zur Energiewende überein:
„Die Preisfestsetzung von Kohlenstoff ist keine unfaire, willkürliche Strafsteuer. Sie setzt lediglich einen legitimen Preis für ein ernsthaft gefährliches Abfallprodukt fest, das derzeit kostenlos in unsere gemeinsame Atmosphäre entsorgt wird. Es ist nicht anders, als einen Preis für das Sammeln von Müll zu zahlen, anstatt die Leute ihre Sachen auf die Straße werfen zu lassen. Die Preisfestsetzung von Kohlenstoff ist ein marktorientierter Ansatz zur Lösung des Problems, so dass auch politische Konservative in der Lage sein sollten, ihn zu unterstützen. Unterstützen Sie Erneuerbare Energien und einen Preis für Kohlenstoff und stimmen Sie für Vertreter, die das Gleiche tun werden.“
Der Klimaleugner Trump
„Im August 2017 verursachte der Hurrikan Harvey die schlimmsten Überschwemmungen, die jemals bei einem Sturm in den Vereinigten Staaten registriert wurden. Harvey tauchte Houston bis zu 1,5 Meter tief in Wasser. Er verursachte mit mehr als 150 Milliarden Dollar mehr Schaden als der Hurrikan Katrina oder der Supersturm Sandy“.
„Die Gouverneure der größten US-Staaten, darunter Jerry Brown aus Kalifornien, Andrew Cuomo aus New York und Terry McAuliffe aus Virginia, sowie die Bürgermeister von mehr als 100 Städten, darunter New York, Los Angeles, Philadelphia und Houston, haben sich zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Pariser Vertrag bereit erklärt. Tatsächlich scheint es nun so, als könnten die Vereinigten Staaten ihre Pariser Verpflichtungen, mit oder ohne die Unterstützung von Trump erfüllen“.
Fazit des Tollhauseffektes
„Das Bewusstsein der Menschheit für ihre natürliche Umwelt ist wieder wachgerüttelt worden. Die Natur hat uns ihre Kraft und Bedeutung, wie auch an unseren Platz in ihr erinnert. Unsere Erkenntnis, was für ein großartiges, natürliches Zuhause wir auf diesem Planeten haben, kommt sehr spät. Es ist an der Zeit, unser Erbe zu retten“.
Energiewende-Monitoring
Deutschland wird nach Einschätzung eines Expertengremiums nicht nur sein Klimaschutzziel für das Jahr 2020 deutlich verpassen, auch das Ziel für 2030 rückt in immer weitere Ferne. Denn von 2017 bis 2030 müssten die jährlichen Treibhausgasemissionen dreimal stärker gesenkt werden als in den Jahren von 2000 bis 2017“, heißt es in der Stellungnahme der Kommission zum sechsten Monitoring-Bericht der Bundesregierung.
Zwischen 2013 und 2016 nahmen die Treibhausgasemissionen nicht ab, sondern sogar zu! Das schreibt Franzjosef Schafhausen, ein leitender und langjährig für Emissionsminderung verantwortlicher Beamter des Bundesumweltministeriums. Inzwischen im Ruhestand, benennt er in einem Artikel öffentlich auch die Verantwortlichen (ZNER 6/2016, S. 443-446).
„Der Verkehrsbereich hat nicht geliefert, ganz im Gegenteil. Die Energiewirtschaft erbringt die zugesagten Minderungen nicht, sondern verschiebt Minderungsbeiträge auf andere Sektoren. Die skandalösen Vorgänge vom November 2016 sind unvergessen: Ein mühsam in der Regierung abgestimmter Minimalkompromiss wird nach der Verabschiedung von Wirtschaftsminister Gabriel erneut blockiert. Deutschland blamiert sich öffentlich auf der COP22 in Marrakesch. Die letzte Chance auf Glaubwürdigkeit fiel dem Lobbyismus zum Opfer, der auch schon die Regierungspolitik der vergangenen Jahre geprägt hat.“
Deutschland hat einer Studie zufolge bis Ende März schon so viel klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) ausgestoßen, wie nach dem Pariser Klimaabkommen für ganz 2018 erlaubt wäre. Damit stoße Deutschland voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder viermal so viele klimaschädliche Gase aus, wie nach dem Pariser Klimaschutzabkommen erlaubt.
Energiewendegegner in Deutschland
Das Buch „Der Tollhauseffekt“ stellt das Wirken der Klimaleugner in den USA dar. In Deutschland heißt der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und die Minderung von CO2-Emissionen „Energiewende“. Obwohl eine breite Bevölkerungsmehrheit hinter der Energiewende steht, wird sie von konservativen Zeitungen wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) und „Die Welt“ schlechtgeredet. Das belegt ein Papier des renommierten Rechtsanwaltes Dr. Peter Becker „Mit vollem Rohr dagegen: Die FAZ und die Energiewende“.
Dr. Becker ist Autor des Buches „Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne“, Gründer von Becker Büttner Held, einer führenden energierechtlichen Rechtsanwaltskanzlei und Vorsitzender der Vereinigung von Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen. Abgenickt vom Herausgeber schreiben die FAZ-Journalisten gegen die Energiewende an. Es vergeht kein Tag, an dem nicht ein Artikel die Energiewende madig macht. Auf derselben Linie argumentiert die Tageszeitung „Die Welt“ gegen die Energiewende. „Damit werden gewichtige Teile der deutschen Wirtschaft und Politik ständig beeinflusst, man kann auch sagen gesteuert“, so Becker.
Fehlinformation und Irreführung
Es ist unübersehbar, dass die Klimaleugner und Energiewendegegner auch in Deutschland sehr aktiv sind und wirksam agieren. Die energiewirtschaftlichen und energierechtlichen Zusammenhänge sind hoch komplex und erfordern viel Sachkunde. Einseitige Berichterstattung fällt deshalb nur wenigen Experten auf. Und tatsächlich ist die Energiewende handwerklich schlecht gearbeitet und wird zu Recht kritisiert. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kempfert beschreibt in ihren Büchern, „Das fossile Imperium schlägt zurück. Warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen“ und „Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole“, wie die Lobby der Energieversorger und ihre politischen Vertreter uns mit irreführenden Behauptungen und Fehlinformationen überschütten. „Das könnte sogar rechtswidrig sein. Denn nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Presse zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Gemessen daran dürfte die Generallinie der Berichterstattung – die Energiewende treibt die Kosten der Stromversorgung in die Höhe – unzulässig sein“, so Peter Becker.
Fazit
Franzjosef Schafhausen (siehe Kasten „Energiewende-Monitoring“) schreibt: „Teile der Union laufen Sturm gegen eine wirksame Klimaschutzpolitik und verbünden sich dabei mit den Wirtschaftsverbänden, den Gewerkschaften und wesentlichen Teilen der SPD. Der Nutzen einer konsequenten Klimaschutzpolitik wird dabei völlig ausgeblendet: Minderung der Energieimporte und damit höhere Versorgungssicherheit, höhere Wertschöpfung im Inland und damit mehr Arbeitsplätze, Vermeidung von Klimaschäden, Anreiz für neue technische Lösungen“.
Um das Erdklima zu stabilisieren, brauchen wir eine fundamentale Umorientierung und Umstrukturierung nationaler und internationaler Institutionen. Zu diesem Schluss kommt auch eine aktuelle Studie zu den Kipppunkten des globalen Klimas.
- Aktuelle Studie zu Klima-Kipppunkten
- Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: Auf dem Weg in die "Heißzeit"?
- IEA-Angaben zu CO2-Emissionen
- Informationen über Klimaleugner
- Versteckter Lobbyismus
Der Tollhauseffekt: Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht
Prof. Michael E. Mann, Tom Toles (Autoren) Matthias Hüttmann, Herbert Eppel (Übersetzer) 1. Juli 2018 | 270 Seiten | Verlag Solare Zukunft ISBN: 978-3933634467 | 24,90 Euro
Matthias Hüttmann gewährt Mitgliedern im Bund der Energieverbraucher e.V. einen Rabatt in Höhe von 10 Prozent auf den regulären Buchpreis, wenn sie das Buch direkt bestellen. Dazu müssen Sie lediglich Ihre Mitgliedsnummer angeben. www.dgs-franken.de/bestellungen
Was verleitet Menschen dazu, erwiesene Fakten und einen weltweiten wissenschaftlichen Konsens zur Klimakrise leichtfertig beiseite zu wischen? Warum sind Zweifel an der Klimakrise so bequem, so wirkungsvoll und so verheerend?
Berechtigte Zweifel an den Zweifeln
Was verleitet Menschen dazu, erwiesene Fakten und einen weltweiten wissenschaftlichen Konsens zur Klimakrise leichtfertig beiseite zu wischen? Warum sind Zweifel an der Klimakrise so bequem, so wirkungsvoll und so verheerend?
Ein Kommentar von Aribert Peters.
(12. November 2020) Die Klimaleugner organisieren weltweit eine Beharrungsbewegung, die jeden Wandel ablehnt. Sie sind gut finanziert und organisiert durch die direkten Lobbyisten sowie als „Think-Tanks“ getarnte Lobbyorganisationen der Fossilenergien und ultrakonservativer Parteien.
Deren Einflussnahme auf Politik und Medien ist inzwischen gut dokumentiert, zum Beispiel im Artikel „Marionetten der Fossilwirtschaft“ von Dr. Eva Stegen. Zur Vertiefung zu diesem Artikel möchte ich Ihnen das im Juni 2020 ganz frisch erschienene Buch „Die Klimaschmutzlobby – Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen“ der beiden freien Journalistinnen Susanne Götze und Annika Joeres empfehlen. Dieses Werk zeigt die Verbindungen von Industrie, Politik und Klimakrisenleugnern minutiös auf. Die Autorinnen haben bis tief in die Szene der Klimaleugner hinein recherchiert. Es zeigt sich, dass Klimakrisenleugner keine kleine versprengte Gruppe von irrelevanten Spinnern sind, sondern im Bundestag, im Europaparlament, in Lobbygruppen, in neoliberalen Think-Tanks und an Hochschulen sitzen. Selbst im Bundeswirtschaftsministerium ist eine der Abteilungsleitungen für Energiepolitik entsprechend besetzt und nutzt ihre Weisungsbefugnis, um die Arbeit der Energieabteilung entsprechend zu steuern.
Video: Interview mit Susanne Götze und Annika Joeres
Großer Einfluss der Leugner
Obwohl sich die Positionen der Klimaleugner gegen die Fakten nicht verteidigen lassen, haben sie enormen Einfluss auf Politik und Gesellschaft – sie verhindern so eine angemessene Reaktion auf die Klimakrise. Die Argumente sind grotesk falsch, unsinnig und wissenschaftlich unhaltbar. Sie werden aber geschickt vorgetragen, richtige Fakten werden hingegen falsch gedeutet und verdreht, es wird weggelassen und gelogen. Dieser toxische Mix wird mit großem medialen und -finanziellen Aufwand flächendeckend verbreitet, bis in die Schulen hinein. Sogar bis heute. Das kann man beispielsweise nachlesen in den Papieren: „Die CO2-Schwindelei“ von 2019, aber auch im „Klimamanifest 2020 der Werte-Union“. Viele Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und der „Welt“ halten die Klimakrise selbst heute noch für eine Erfindung von Linken und Grünen.
Der Klimawandel in 20 Worten:
- Er ist real
- Wir sind die Ursache
- Er ist gefährlich
- Die Fachleute sind sich einig
- Wir können noch etwas tun
Quelle: Was wir heute übers Klima wissen – Basisfakten, die in der Wissenschaft unumstritten sind. Kostenfreies eBook herausgegeben vom Deutschen Klima-Konsortium, der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, dem Deutschen Wetterdienst, dem Extremwetterkongress Hamburg, der Helmholtz-Klima-Initiative und klimafakten.de
Bedrohung der Wahrheit
„Die Schwemme an bezahlter oder politisch motivierter Propaganda ist nicht nur eine Gefahr für die Demokratie und ein Rückfall hinter die Zeit der Aufklärung. Sie ist eine Gefahr für die Lebensgrundlagen der Menschheit“ schreibt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf. Rahmstorf erhielt sogar persönliche Drohmails. Seiner Familie werde etwas passieren, wenn er den Mund nicht halte. Und er ist nicht der Einzige, der mit Hasskommentaren bedroht wird.
Rhetorische Tricksereien
Die Wissenschaftsleugner bedienen sich oft derselben rhetorischen Tricks, sei es beim Leugnen der Klimakrise, des Coronavirus, der Evolutionstheorie oder der Schädlichkeit des Rauchens. Meist handelt es sich um grobe Pauschalisierungen auf Stammtischniveau wie „die Wissenschaft ist korrupt“, oder um falsche Verallgemeinerungen wie „Helmut Schmidt hat geraucht und ist 97 geworden“, die als allgemeingültig dargestellt werden. Auch die Suche nach einer einfachen Erklärung für komplexe Zusammenhänge oder gar Zufälle lässt Verschwörungstheorien sprießen wie Unkraut. Bullshit-Gläubige und Bullshit-Quellen haben laut empirischen Untersuchungen charakterliche Gemeinsamkeiten: Grobe Selbstüberschätzung gepaart mit oberflächlichem Denken. Es lohnt sich, die Techniken der Wissenschaftsverleugnung zu kennen.
Ein Blick in die Natur
Eine kleine Anekdote: Als Gleitschirmflieger weiß ich, dass im Siebengebirge bei Bonn wie auch in anderen Wäldern Deutschlands die Wälder seit ein paar Monaten verheerend aussehen. Infolge jahrelangen Wassermangels konnten sich die Bäume nicht mehr gegen den Borkenkäfer wehren. Gigantische Waldflächen fielen der Trockenheit bereits zum Opfer. Traurige Ironie: Sogenannte Bürgerinitiativen, gut vernetzt mit den Klimaleugnern, hatten 2013 bis 2018 unter Berufung auf das durch Windkraftanlagen gefährdete Landschaftsbild den Bau von Windkraftanlagen in genau den Waldgebieten verhindert, die es jetzt auch infolge der Klimakrise nicht mehr gibt. Die Vögel, die man durch die Verhinderung von Windkraft schützen wollte, bedanken sich.
Klimawandel oder Klimakrise?
Ist Ihnen aufgefallen, dass ich bisher das Wort „Klimawandel“ in diesem Text vermieden habe? Das Wort „Klimawandel“ ist angesichts der aktuellen Ereignisse eine Beschönigung aus der Klimaleugner-Ecke. Ein Wandel ist schön, eine Erwärmung ist es eigentlich auch. Eine zivilisationsgefährdende globale Erwärmung ist eine tödliche Gefahr und darf nicht kleingeredet werden. Das Foto oben zeigt keinen Wandel, sondern die Klimakrise – eine Katastrophe.
Die Kunst des Zweifelns
Zweifel an der Klimawissenschaft sind eine beliebte Rechtfertigung fürs Nichtstun. Zweifel gelten aber auch als Grundelement des Erkenntnisfortschritts und der Wissenschaft. Wissenschaft beruht auch auf Zweifeln. Aber nicht jeder Zweifel ist wissenschaftlich und sinnvoll. Ein sinnvoller Zweifel muss begründet sein. Und er muss nachvollziehbar und überprüfbar sein. Wissenschaftlicher Zweifel setzt voraus, dass man mit der kritisierten Wissenschaft vertraut ist. Ein Bauchgefühl, eine Intuition oder eigene Unwissenheit als Zweifel anzuführen, ist hingegen weder logisch noch wissenschaftlich. Dennoch hat jeder das Recht auf Zweifel. Aber nicht jeder Zweifel verdient es auch gehört, ernst genommen und diskutiert zu werden. Es gibt also Zweifel erster und zweiter Klasse. Man sollte Zweifel am Zweifel hegen, der eigentlich gar kein echter Zweifel ist. Leider wird allzu oft ein unverdächtig wirkender Zweifel missbraucht, um wirtschaftlich motivierte Widerstände gegen Veränderungen durchzusetzen.
bdev.de/zweifelkrise
Fazit
Die Anfälligkeit der Gesellschaft für die Thesen der Klimaleugner lässt sich gut durch eine Reihe sich verstärkender Faktoren erklären: Die Interessen der Fossilindustrie, die Käuflichkeit von Politik, den Widerstand der Etablierten gegen Veränderungen und die Neigung von Menschen, lieber alles beim Alten zu lassen und nichts zu tun.
Die Klimaschmutzlobby: Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen
Susanne Götze und Annika Joeres | 2. Juni 2020 | 304 Seiten | 2. Auflage | Piper Verlag | ISBN: 978-3492070270 | 20,00 Euro
Heißzeit: Mit Vollgas in die Klimakatastrophe – und wie wir auf die Bremse treten
Prof. Dr. Mojib Latif | 29. Juni 2020 | 224 Seiten | Verlag Herder | ISBN: 978-3451386848 | 20,00 Euro
Briefwechsel mit einem Leser
Lieber Aribert Peters,
wenn ihr auch, wie viele gekaufte Medien, weiterhin das Narrativ der Regierung jetzt auch noch mit dem nicht vorhandenen CO2 Problem (Klimaschwindel) pusht, brauche ich euch nicht mehr. Diese Masse an Lügen, welche seit 2020 immer deutlicher wird, kann ich nicht mehr ertragen. Es ist ein einfaches, herauszufinden, dass es keine C02 Problem gibt. Ebenso, dass hier Problem selbst inszeniert oder herbeigeredet oder geschrieben werden.
Man nennt es wohl auch Propaganda. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Selbst ernannten "Experten" haben wir lang genug eine Bühne gegeben. Natürlich werden die, die das erkennen als Verschwörungstheoretiker abgekanzelt, oder gar als rechtsradikal. Aber auch das gab es schon einmal in unserer Geschichte. Man muss da nicht mitmachen ebensowenig wie bei dem Genderwahn. Wir wollen das nicht mehr und viele andere Menschen auch nicht. Vielleicht kommt hier ja mal Besinnung und ein Hinterfragen.
Liebe Grüße
Torben Beuthien
Lieber Herr Beuthien,
danke für Ihre Mühe, die Sie sich für Ihre Antwort gemacht haben. Sie schrieben in ihrer ersten Mail: Es ist ein einfaches, herauszufinden, dass es keine C02 Problem gibt. Ebenso, dass hier Problem selbst inszeniert oder herbeigeredet oder geschrieben werden.
Sie haben sich die Mühe gemacht, mir auf meine Nachfrag zu antworten.
Warum also gibt es kein CO2-Problem, oder anders herum: Warum gibt es ein CO2-Problem?
Wir sollten hier wirklich nur über die Sache reden, und nicht darüber, wer warum was gesagt oder verschwiegen hat.
Viele Fakten finde ich hier https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffdioxid_in_der_Erdatmosph%C3%A4re
Sie schreiben: „CO2 ist schwerer als Luft - sinkt also nach unten. Wie soll es da Treibhauseffekt verursachen?“
Die Messung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erfolgt auf dem Mauna Loa, 3300 Meter über dem Meeresspiegel. Wenn Ihr Argument zuträfe, dürfte es dort gar kein CO2 geben. Und: Warum soll das CO2 in Bodennähe keinen Einfluss auf den Treibhauseffekt haben?
„CO2 FOLGT der Wärme und nicht umgekehrt. D.h., erst wenn es wärmer wird, gibt es mehr CO2.“
Wie kommen Sie darauf? Wenn Co2 ein Treibhausgas ist, dann stimmt das nicht!
Sie schreiben: „- Ohne CO2 keine Fotosynthese
- Ohne Fotosynthese kein Sauerstoff
- Ohne Sauerstoff kein Leben
Ohne CO2 sterben alle Lebewesen, Bäume und Pflanzen! Je mehr CO2, desto blühender die Landschaften, umso mehr Artenvielfalt und umso mehr Nahrung für alle!
Warum wird wohl sonst CO2 massenhaft in holländische Gewächshäuser eingeleitet?“ Damit haben Sie völlig recht!
Sie schreiben „Klima-Notstand? Arktis war vor zwei Millionen Jahren bis zu 19 Grad wärmer als heute!
Während der frierende Bürger die angekündigte “globale Erwärmung” schmerzlich vermisst, weil er seine Heizkosten nicht zahlen kann, fabulieren Anhänger der Klimasekte weiterhin vom Ende der Welt. „
Die Klimageschichte zeigt folgendes:
Wenn wir uns also auf den Zeitraum der menschlichen Zivilisation beschränken, dann hatte wir in dieser Zeit ein stabiles Klima, was wir eben jetzt hinter uns lassen. Das bezieht sich auf die globalen Mittelwerte, natürlich gab es immer höhere oder tiefere Temperaturen auf der Erde, was aber an der hier betrachteten Durchschnittstemperatur der Erde nichts ändert. Sollten Sie hier andere Untersuchungen kennen, dann lassen Sie es mich bitte wissen.
Sie schreiben: „Das Narrativ sagt: Schon ein, zwei Grad Erwärmung sollen verheerende Konsequenzen haben – überschwemmte Kontinente und aussterbende Spezies werden in Aussicht gestellt. Dass auf dem Planeten Erde auch lange vor der Existenz des “klimaschädlichen” motorisierten „Bösmenschen“ alles andere als klimatischer Stillstand herrschte, würde man gern ignorieren – doch ab und an rutscht selbst Mainstream-Medien wie dem Guardian die Wahrheit heraus…“
Die bereits festzustellende Erderwärmung führt schon heute zu Waldbränden, Überschwemmungen, Dürren, usw in ungekanntem Ausmaß. Wenn Sie das alles für zufällig halten, dann hört allerdings unsere Austauschmöglichkeit auf. Denn auf eine solche Verleugnung von täglich wahrnehmbarer Wirklichkeit kann ich nur mit Kopfschütteln reagieren, nicht mehr mit Argumenten.
Der IPCC schreibt: Die Konzentrationen von CO2, Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) haben Werte erreicht, die in den letzten 800.000 Jahren beispiellos sind, und es besteht eine hohe Gewissheit, dass die aktuellen CO2-Konzentrationen seit mindestens 2 Millionen Jahren nicht erlebt wurden. Concentrations of CO2, methane (CH4), and nitrous oxide (N2O) have increased to levels unprecedented in at least 800,000 years, and there is high confidence that current CO2 concentrations have not been experienced for at least 2 million years. (AR6 TS 2.2)
Sie schreiben: „Nehmen wir mal an, das gesamte Eis würde schmelzen. Ein Horrorszenario, welches aufgemalt wird. Gibt es dann tatsächlich eine Erhöhung des MEERESSPIEGELS?
Im flüssigen Zustand hat Wasser doch eine geringere Ausbreitung als im gefrorenen. Die Verdrängung bleibt aber doch gleich. „
Wenn jedoch das Antarktiseis heute über dem Meeresspiegel liegt, dann führt sein Schmelzen sehr wohl zu einem Meeresspiegelanstieg.
Sie schreiben“ Der CO2- Anteil in der Atmosphäre soll sich um 0,03 % in den letzten 100 Jahren auf 0,04 % erhöht haben. Also um nur 0,01 %.“
Von 0,03 auf 0,04 ist ein Anstieg von 33 Prozent! (3/4=1,33), denn 0,04 ist eine um 33 Prozent höhere Zahl als 0,03! Tatsächlich ist der CO2 Anteil angestiegen von 280 (vorindustriell) auf 419 (aktuell) um rund 50 Prozent.
Der IPCC schreibt: Von 1750 bis 2019 hat sich CO2 um 131,6 ± 2,9 ppm (47,3%) erhöht. Die hundertjährige Veränderungsrate von CO2 seit 1850 hat in den letzten 800.000 Jahren kein Vorbild (Abbildung TS.9), und die schnellsten Veränderungsraten der letzten 56 Millionen Jahre waren mindestens viermal niedriger (geringe Gewissheit) als von 1900 bis 2019. Over 1750–2019, CO2 increased by 131.6 ± 2.9 ppm (47.3%). The centennial rate of change of CO2 since 1850 has no precedent in at least the past 800,000 years (Figure TS.9), and the fastest rates of change over the last 56 million years were at least a factor of four lower (low confidence) than over 1900– 2019. (AR6 TS 2.2)
Sie schreiben: „Davon (0,01 %) produziert die Natur selbst etwa 96%.
Der Rest (also 4%) solle vom Menschen sein. Das wären 4 % von 0,01 % also 0,0004 %.“
Das sehen Sie richtig. Allerdings sind diese 96% im Gleichgewicht, also es werden jährlich genau diese 96% emittiert in der Natur und absorbiert, also Gleichgewicht! Wenn jetzt jährlich anthropogen 4% dazukommen, dann haben Sie in 10 Jahren schon eine Erhöhung um 40%! Und es kann aufgrund der Isotope des zusätzlichen CO2 gezeigt werden, dass dies auch so ist.
Sie schreiben „Das wären 4 % von 0,01 % also 0,0004 %.“
Auch kleine Anteile können eine grosse Wirkung haben: Ähnlich könnte man argumentieren „Die Ibuprofenpille kann Ihnen nicht helfen: sie entspricht nur 3 ppm Ihres Körpergewichts (200mg bei einer 60 kg schweren Person). Ihre Kinder können das Wasser trinken, es enthält nur Spuren von Arsen (0,01 ppm sind der Grenzwert laut WHO und der amerikanischen Umweltbehörde EPA).“
https://skepticalscience.com/translationblog.php?n=963&l=6
Über die Daten aus der Erdgeschichte sprachen wir schon oben.
Auch beeindruckt es mich wenig, wer schon einmal was gesagt haben soll. Wir sollten selbst uns ein Bild machen. Auch die von Ihnen zitierten Videos überzeugen mich nicht. Ich habe als Diplomphysiker eine gesunde Grundlagenbildung und habe auch als Gutachter für den IPCC Einblick in die Arbeitsweise dieser Institution. Ich habe nicht die geringsten Zweifel an deren Arbeit.
Es gibt aber noch grundsätzliche Argumente für eine emissionsfreie Energieversorgung:
Eine emissionsfreie Energieversorgung ist nicht nur möglich, sondern sogar deutlich günstiger, als das fossile Modell. Deshalb liegt es nicht nur im Interesse der Verbraucher sondern auch der Umwelt und der Volkswirtschaft, diesen Weg schnell zu gehen.
Wenn Sie mir zugestehen, dass doch etwas dran sein kann am menschengemachten Klimawandel, zumindest mit einem gewissen Prozentsatz x, dann sollten wir doch alle gemeinsam dieses X Prozent Risiko aus der Welt schaffen, wenn man damit zugleich Deutschland einen Wettbewerbsvorteil in der Welt verschaffen kann.
Ich konnte also leider auch mit Ihrer Hilfe nicht herausfinden, warum es „offensichtlich kein CO2 Problem“ gibt. Und ich habe Ihnen auch im einzelnen gezeigt, warum mich Ihre Argumente nicht überzeugen konnten.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Aribert Peters
Marionetten der Fossilwirtschaft
Von 13.950 nach wissenschaftlichen Standards erstellten Studien kommen 13.926 zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Klimawandel real ist und von uns Menschen verursacht wird.* Trotz dieses überwältigenden wissenschaftlichen Konsenses sind Klimaskeptiker und Klimawandelleugner im Internet und unseren Medien allgegenwärtig. Wie kommt das?
Von Dr. Eva Stegen
(6. November 2020) Unsicherheit und Zweifel an der Existenz der globalen Erwärmung säen im Internet in erster Linie sich selbst als Experten ausgebende Laien, die eine Weltverschwörung wittern und Thesen von konservativen Think-Tanks sowie PR-Agenturen und Influencern aufgreifen. Eine Filterblase aus sich selbst gegenseitig bekräftigenden Verschwörungstheoretikern gibt den Verwirrten das trügerische Gefühl, selbst mit den abstrusesten Positionen im Recht zu sein. Dabei gehen sie selbst einer Verschwörung gegen die Wahrheit auf den Leim, wie im Folgenden gezeigt werden soll.
FUD-Spirale für Profit und Aufmerksamkeit
Die Strategie dahinter ist einfach, aber bestechend: Durch das Säen von Furcht, Ungewissheit und Zweifeln (englisch „Fear, Uncertainty and Doubt“, kurz „FUD“) auf breiter Front werden Menschen verunsichert und letztendlich selbst „skeptisch“, was wiederum die gläubigen Klimawandelleugner als Bestätigung empfinden und ihre Anstrengungen zur „Aufklärung“ der „Schlafschafe“ intensivieren. Dass sich die Wissenschaft unabhängig von der zunehmend desinformierten Bevölkerung weiterhin zu 99,8 Prozent einig ist, dass der Klimawandel real und menschengemacht ist, spielt in der Internet-Filterblase der Klimawandelleugner keine Rolle.* Hier reichen die 0,2 Prozent der den Klimawandel verneinenden Wissenschaftler, die immer wieder unter Ausblendung jeglicher Statistik von Skeptikern sowie Leugnern zitiert werden und durch genau diese Aufmerksamkeit eine ihre Position verfestigende Bestätigung erfahren.
„Es ist schwierig, jemandem etwas verständlich zu machen, wenn sein Einkommen davon abhängt, es nicht zu verstehen.“
Upton Sinclair, 1935
Trump dir die Welt, wie sie dir gefällt
Er ist dumm, laut, selbstgefällig und verlogen. Alle wissen es. Man sieht seine Berater innerlich zusammenbrechen, während er irgendeinen Unfug von sich gibt. Und jedes Mal geht ein neuer Aufreger um die Welt, nicht zuletzt, weil es vielen Menschen das gute Gefühl gibt, diesem Kleinkind, gefangen im orangefarbenen Körper eines alten Mannes, kognitiv überlegen zu sein. Doch was hat er mit der Energiewende in Deutschland zu tun?
Vögel, die Windkraftanlagen erschießen sollen und die Forcierung des Ausbaus sauberer Kohlekraftwerke. So lässt sich die Energiestrategie des US-Präsidenten zusammenfassen.
Pro Kohle, kontra Windenergie
„Es ist saubere Kohle und wir haben die modernsten Verfahren, aber es ist eine ungeheure Energie, im Sinne dass, […] also militärisch. Ich denke, dass Kohle unzerstörbar ist. Sie können eine Pipeline in die Luft jagen, Sie können die Windräder in die Luft jagen. Wissen Sie, die Windräder […]“ Er zieht eine Grimasse und kreist mit dem Finger in der Luft. „Bom – Bom – Bom.“ Dann zielt er mit einem imaginären Gewehr: „PENG! Das ist das Ende des Windrads! Wenn die Vögel es nicht vorher töten. Die Vögel können es zuerst töten“. Ohne Atempause werden in der nächsten Volldrehung die Opfer- und Täter-Rollen ins Gegenteil verkehrt. Die Vögel, die gerade noch mit Leichtigkeit die Windräder gekillt haben, sind nun selbst Opfer – und zwar massenhaft: „Sie bringen so viele Vögel um. Wenn Sie unter diese Windräder schauen. Es ist wie ein Schlachtfeld. Diese Vögel.“ In der sich anschließenden Salve von unfertigen Halbsätzen und kruden Assoziationsketten arbeitet Trump die üblichen, x-fach widerlegten Mythen zur Windkraft ab, die man auch immer wieder von Windkraftgegnern in Deutschland hört. Nur eines muss man zumindest einigen der hiesigen Windkraftkritiker zugutehalten: sie äußern sich oft nicht in Ansätzen so stupide, wie es der US-Präsident tut. Für so jemanden schämen sich selbst die eigenen Parteigenossen. Mit so einem möchte man nicht zusammen gesehen werden.
Was hat Trump mit der Windkraft hierzulande zu tun?
Und doch, es gibt Zusammenhänge zwischen den von Trump wiedergekäuten Phrasen und dem organisierten Energiewende-Widerstand in Deutschland. Die Strippen verlaufen von den US-amerikanischen Öl-, Gas-, Kohle- und Chemie-Milliardären über als „Institut“ oder „Think-Tank“ getarnte Lobbyorganisationen wie dem „The Heartland Institute“, das Spenden der Industrie einwirbt, um damit die Verbreitung von Zweifeln am Klimawandel zu finanzieren. Zu diesen US-Organisationen zählt auch das „Committee for a Constructive Tomorrow“ (CFACT), das unter anderem von Chrysler, ExxonMobil, Chevron und den rechts-libertären Koch Brothers finanziert wird. Über seinen Ableger in Jena, CFACT Europe e.V. und dessen Ausgründung EIKE e.V., die Speerspitze der deutschen Klimaschmutzlobby, verlaufen die transatlantischen Verbindungslinien. Die Abkürzung EIKE steht für „Europäisches Institut für Klima und Energie“. „Institut“ ist dabei kein geschützter Begriff. Jede Pommesbude dürfte sich auch „Institut für thermisch behandelte Feldfrüchte“ nennen.
Eng verwobene Strukturen
Recherchen des ARD-Magazins Monitor belegten vor zwei Jahren, dass es damals unter der Adresse Unstrutweg 2 in Jena kein Büro gab, sondern nur ein Klingelschild mit der Aufschrift „EIKE e.V.“, direkt darunter an derselben Klingel ein Aufkleber vom „TvR Medienverlag“. EIKE-Präsident Dr. Holger J. Thuß verlegt über diesen TvR-Verlag den Verschwörungstheorien nahe Klimaleugner-Bücher. Das dafür genutzte Jenaer Postfach 11 01 11 bietet offensichtlich ausreichend Platz für die Post an den TvR-Verlag, an CFACT-Europe und an das EIKE „Institut“. Der Historiker Thuß, der 2005 über „Freiheit und Ordnung“ promovierte, wird in den USA als Experte in Umweltfragen bei der prominentesten, industriefinanzierten Denkfabrik „The Heartland Institute“ gelistet, in einer Reihe mit dem Merchant of Doubt von zweifelhaftem Weltruhm, dem 2020 verstorbenen Fred Singer und dem Klimawandel-Skeptiker Paul K. Driessen. Im Gründungsjahr des TvR-Verlags 2006 erschien ebenda das von Thuß übersetzte Buch „Öko-Imperialismus: Grüne Kraft – schwarzer Tod“, das 2003 von Driessen verfasst wurde. Driessen gilt laut TvR-Verlag „weltweit als Experte für das Thema ‚Öko-Imperialismus‘ und ist Senior Politikberater von CFACT und CFACT Europe“.
Verwirrende Gemengelage: Es ist für Unbedarfte kaum zu durchschauen, wie verstrickt das Netzwerk ist, deren Strippenzieher das positive Image der Energiewende in Deutschland zerstören möchten. Ein Blick in das Impressum von EIKE, CFACT Europe und des TvR-Medienverlags offenbarte bis vor Kurzem, dass alle drei Organisationen im selben Postfach residierten.
Zu den fossilatomaren Schriften des TvR-Verlags zählt auch das Buch „Strom ist nicht gleich Strom“, in dem EIKE-Vizepräsident Michael Limburg niederschrieb „Warum die Energiewende nicht gelingen kann“. Der 80-jährige ist gleichzeitig als Vize im Bundesfachausschuss Energie der AfD Mitgestalter der Energie- und Klimapolitik der Partei. Den Rechtspopulisten gelingt immer wieder die Kunst, sich einerseits gegen die Klimawissenschaft zu positionieren, um so die fossilen Energien schönzureden und andererseits die Anhänger der Atomkraft lauthals zu unterstützen, die wiederum ihre Lieblingstechnik als besten Klimaschützer bewerben.
Feindbild Windkraft
Der größte Feind der alten fossilatomaren Energiewirtschaft ist schnell ausgemacht: Es ist die Windkraft, die als Zugpferd der Erneuerbaren Energien nach Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) sehr schnell derart hohe Stromproduktionsraten lieferte, dass es die alten Energien empfindlich zu spüren bekamen. Im Jahr 2019 lieferte die Windkraft rund ein Viertel der Netto-Stromproduktion, im ersten Halbjahr 2020 waren es gut 30 Prozent. So ist es nur folgerichtig, dass sie zuvorderst bekämpft wird und die Klimaleugner von EIKE eine ganze Litanei an Schriften über die sogenannten „Fakten und Quellen zu Windkraft“ veröffentlichen.
Das Astroturf-Netz
Von hier führen die Spuren zu den bundesweiten Anti-Wind-Organisationen „Windwahn“, „Gegenwind“, diversen sogenannten „Landschaftsschutz“-Vereinen und dem Lobby-Netzwerk „Vernunftkraft“, das unter anderem Anleitungen zu Leserbriefen und Buchempfehlungen gibt, beispielsweise zu in AfD-Kreisen gefeierter Lektüre aus dem TvR-Verlag. Unter dem Stichwort „Erste Hilfe“ bekommen Anti-Windkraft-Gruppen und Einzelpersonen Leitlinien zur Verhinderung von Windrädern an die Hand. „Vernunftkraft“ vermittelt Referenten und vernetzt über eine interaktive Karte mehrere hundert Anti-Windkraft-Gruppen in Deutschland, die vom Glaubwürdigkeits-Bonus von Bürgerinitiativen profitieren, aus der Zeit, als Bürgerinitiativen noch von unten, aus der Mitte der Bevölkerung entstanden sind.
Ein Kessel Buntes zum Energiewende-Bashing aus den TvR Verlag: Ganz am Anfang stand die Übersetzung von „Eco-Imperialism – Green Power, Black Death“ von US-Klimaskeptiker und CFACT-Mitglied Paul K. Driessen.
Kraft der Unvernunft
Vernunftkraft-Vertreter dürfen dem Bundeswirtschaftsminister in seinem privaten Garten beim Kaffeekränzchen die Nachteile der Windkraft erläutern. Der erste Vorsitzende von Vernunftkraft, Nikolai Ziegler, geht im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ein und aus. Das bringt sein Job als Referent im BMWi mit sich. Er hält nichts von der Energiewende. Als er vom ARD-Magazin Monitor zum Klimawandel befragt wurde, kam er ins Schlingern: „Das mit der überwältigenden Mehrheit [Anm. d. Red.: der Wissenschaftlerinnen, die den menschengemachten Klimawandel nicht anzweifeln] ist ja so eine Sache. Diese 97 Prozent, die da zitiert werden, da halte ich nichts davon. Erst mal wurden da im wesentlichen Leute befragt, die irgendwie schon in dieser Klimawissenschaft drin sind.“ Ziegler sieht keinen Interessenkonflikt, obwohl er in mehreren Anti-Energiewende-Vereinen aktiv ist, auch im Bundesverband Landschaftsschutz (BLS) und im verbandsklageberechtigten Verein für Landschaftspflege und Artenschutz (VLAB).
Klangvoll-suggestive Vereinsnamen
Ein Punkt im äußersten Südwesten der Vernunftkraft-Karte verlinkt zur „Landschafts- und Naturschutz-Initiative Schwarzwald e.V.“ (LANA), vormals „Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwaldes e.V.“. Auch das klingt nach Landschaftsschutz, ist aber – nicht nur gemäß Satzung – Windkraft-Verhinderung mit integriertem Kanal für steuerlich absetzbare Spenden. Auch der LANA e.V. ist verbandsklageberechtigt, er bekam dafür den Segen des baden-württembergischen Umweltministeriums, obwohl die „gemeinnützige“ Verhinderung von Windenergieanlagen der Zielsetzung des Koalitionsvertrags der schwarz-grünen Landesregierung diametral entgegensteht. Aus Vereinsdokumenten wird ersichtlich, dass man nach dem Schlüssel suche, wie Windräder zu verhindern sind. „Dann wären wir am Ziel und könnten die Auflösung des Vereins beschließen.“
Die braunkohlefreundliche Gewerkschaft IG BCE will gemeinsam mit Energiekonzernen im „Innovationsforum Energiewende“ den „Fehlsteuerungen im energiewirtschaftlichen Bereich entgegenwirken […] und für mehr Aufklärung sorgen“.
Vom Schwarzwald-Hauptquartier werden 16 Untergruppen zentral koordiniert, im Prinzip so, wie es der Windkraftgegner und Tunnelbohr-Gigant Martin Herrenknecht gedanklich organisiert hat: „mit einer schlagkräftigen Bürgerbewegung über die Energiewende generell diskutieren und etwas gegen diesen Wahnsinn erreichen“. Sehr rational gedacht, so kann jede neue Bürgerinitiative die immer gleichen Referenten für ihre Zwecke aufs Podium stellen, dieselben Argumentationsleitfäden nutzen, denselben Landschaftsarchitekten für erschreckende Fotomontagen beauftragen, denselben Infraschall-Betroffenen als Überraschungsgast auf immer andere Bühnen bitten, denselben Zahnarzt als Infraschall-Experten vorschieben.
Kapitale Unterstützung bekommen die Windkraft- und Energiewende-Gegner vom sogenannten Innovationsforum Energiewende e.V. (If.E). Ebenso wie die unter dem Dach des Vernunftkraft e.V. versammelten Ortsgruppen will auch das If.E „Fehlsteuerungen im energiewirtschaftlichen Bereich entgegenwirken und in einer breiten Öffentlichkeit für mehr Aufklärung sorgen“. In der Mitgliederliste finden sich lauter große Namen der fossilen Wirtschaft: Vertreter von IG BCE, RWE, LEAG, BP, Uniper, MIBRAG, E.on, und auch der Public-Affairs-Direktor der Hydro Aluminium Deutschland GmbH, der als Rechtsanwalt seit Jahren Windkraftgegner in ganz Deutschland unterstützt.
Geisterfahrer
Es ist kaum zu vermuten, dass die braven Bürger in all den Ortsgruppen wissen, vor wessen Karren sie sich spannen lassen. Wenn der Puls erstmal steigt, bei der Vorstellung, ein Windrad sei gefährlicher als Autoabgase, Pestizide oder eine radioaktive Wolke, verliert man die großen Zusammenhänge schonmal aus dem Blick. Es springt einem ja auch nicht direkt ins Auge, dass es neben den einheimischen Partikularinteressen auch die milliardenschwere amerikanische Öl-, Gas-, Kohle- und Atomindustrie gibt, die nach Fukushima mit schreckgeweiteten Augen auf ein florierendes Erneuerbare-Energie-Wirtschaftswunder mit beneidenswerter Akzeptanz in Energiewende-Deutschland starrte. Dabei ist mittlerweile für das Heartland Institute der Nachweis erbracht, dass man dort mit Geld-Angeboten aus der deutschen Fossil-Industrie ein routiniert geschnürtes PR-Strategie-Paket bekommen kann, inklusive Verschleierung der Geldströme und diskret untergebrachten Wunsch-Schlagworten. Inhalte gegen Geld. In einer Undercover-Recherche bekamen Journalisten vom Recherchenetzwerk Correctiv dieses zweifelhafte Angebot schriftlich. Jede der ideologischen, finanziellen und personellen Verbindungen zwischen Big-Oil, den milliardenschweren US-Klimaleugner-Organisationen über EIKE bis zur AfD im Bundestag ist belegt.
ZDF Frontal21-Video: Klimawandel-Leugnern auf der Spur: Die Strategie des Heartland-Instituts
Die AfD-nahe Influencerin gehört zum Angebots-Portfolio der Heartlandlobby, wie Recherchen von „Correctiv“ ergeben: „Ein Thema pushen, das machen wir für viele Spender. Hier habe ich Naomi, die macht einen richtig guten Job.“
Energiewende-Germany: Der perfekte Albtraum
Für die US-Lobby und ihre Merchants of Doubt muss es der perfekte Albtraum gewesen sein, was sich zu EEG-Boom-Zeiten in Germany tat: ein Industrieland verabschiedet sich von der Atomkraft, ohne dafür mehr Kohlestrom zu brauchen. Die Erneuerbaren entwickeln sich zu einem Jobmotor, die Preise für Solarmodule und Windkraftanlagen rauschen in den Keller.
Über 100 Länder führten eine Einspeisevergütung nach deutschem EEG-Vorbild ein. Internationale Fernsehteams traten sich an den Vorzeigeorten der Energiewende gegenseitig auf die Füße. Delegationen aus aller Welt pilgerten nach Energy-Germany und klopfen den Energiewende-Aktiven auf die Schultern: “Hey you guys in Germany do a really great job!“ Das war für einige ein ganz neues Gefühl, mal kollektiv als „Ihr Deutschen“ Zuspruch aus der ganzen Welt zu erfahren.
Für Lobby-Strategen, die seit Jahren einen ganzen Kontinent auf Kurs halten, die den Menschen dort mit milliardenschweren Kampagnen einbläuen, dass die gesamte Elite der Klimawissenschaftler Unsinn verzapfe und es einen Klimawandel nicht gäbe, obgleich ihre eigenen Forscher diesen bereits seit den 1950er Jahren untersuchen und belegen, müssen sich die Entwicklungen in Germany wie ein hochinfektiöses Virus angefühlt haben, das es mit allen Mitteln zu unterdrücken gilt. Wenn Germany einknickt, ist die schlimmste Gefahr durch die Energiewende gebannt.
* Der Geologe Dr. James Powel wertete für diese Erhebung sämtliche über die Suchmaschine „Web of Science“ unter den Suchworten „global warming“ sowie „global climate change“ auffindbaren Publikationen aus dem Zeitraum von 1991 bis 2012 aus, die nach den wissenschaftlichen Standards eines „Peer-Reviews“ veröffentlicht wurden. In einer neueren Erhebung im Zeitraum von Januar bis Juli 2019 fand sich keine wissenschaftliche Publikation mehr, die den menschengemachten Klimawandel noch verneint.
bdev.de/powelchart bdev.de/powelarticle
Dr. Eva Stegen ist seit 2004 Energiereferentin bei den Stromrebellen der Elektrizitätswerke Schönau und engagiert sich auch privat für einen Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft sowie für einen ambitionierteren Ausbau der Erneuerbaren. In ihrem Blog und auf Twitter reicht ihr Themenspektrum vom Klimaschal-Stricken bis zu Atom-U-Boot-Antrieben.