ED 04/21 Windkraftzubau: NRW bremst Energiewende (S.19)
Mini-Windpark im Vorgarten Miniwindräder rechnen sich in Deutschland kaum: Genehmigungs- und Materialkosten sind hoch, die Vergütung für die produzierte Energie ist dagegen viel zu niedrig

Mini-Windpark im Vorgarten

Miniwindräder rechnen sich in Deutschland kaum: Genehmigungs- und Materialkosten sind hoch, die Vergütung für die produzierte Energie ist dagegen viel zu niedrig. Von Nicole Weinhold, Redaktion Neue Energie.

(1. Oktober 2007) - Die aktuelle Diskussion um den Klimawandel und steigende Energiepreise lässt viele Menschen nach einer sauberen, unabhängigen Möglichkeit der Stromversorgung Ausschau halten. Die Solaranlage auf dem eigenen Hausdach ist eine Möglichkeit. Was kaum bekannt ist: Derselbe Effekt lässt sich auch mit einer kleinen Windkraftanlage erzielen.

Zu den bekannteren Kleinanlagen- Lieferanten gehört die Conergy AG. Das Hamburger Regenerativunternehmen hatte 2005 den Kleinwindanlagen-Hersteller Inventus übernommen, das Anlagendesign verbessert und verkauft seither 6-kW- und 7,5-kW-Anlagen mit dem Namen Easywind 6 AC beziehungsweise DC. Die Turbinen setzt Conergy in erster Linie bei Kunden rund um das Mittelmeer zur dezentralen Energieversorgung ein. In Deutschland kommen die kleinen Windmühlen dagegen bisher nur vereinzelt zum Einsatz.

Hohe Kosten und viel Bürokratie

Der Grund: Hierzulande sind Kleinwindräder schlicht nicht rentabel. Da ist einmal das Material: Für die Turbine liegen die Kosten je nach Fabrikat zwischen 1.500 und 5.000 Euro pro Kilowatt (kW) Leistung, rund 1.000 bis 3.000 Euro fallen für Netzanschluss und Mast an. Das Kilowatt kann demnach 2.500 bis 8.000 Euro kosten. Zum Vergleich: Bei den großen Maschinen lautet die Faustformel 1.000 Euro pro kW. Also sind die Kleinen bis zu achtmal teurer als Große. Dafür machen sie mehr Spaß und man hat bei entsprechender Verschaltung auch Strom, wenn das Netz mal ausfällt und der Wind weht.

Obendrauf kommen noch die Genehmigungskosten: "Wer hierzulande selbst Windenergie nutzen will, muss leider die gleichen bürokratische Hürden nehmen wie die großen Windkraftanlagen", weiß der Technologie-Direktor für Windkraft bei Conergy, Klaus Pötter, zu berichten. Die Behörden fordern nicht selten dieselben Gutachten wie für große Megawatt-Windräder, was in keiner Relation zum Preis der kleinen Windenergieanlagen steht, denn der Preis für jedes Schall- oder Schattengutachten würde die Kosten des Windrads selbst übertreffen. Allerdings verlangt nicht jede Behörde für die Genehmigung die genannten Gutachten. Das wird von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt. Wer Glück hat, bekommt die Genehmigung ohne jeglichen bürokratischen Aufwand - und ohne teure Gutachten.

In den USA gedeihen die Kleinmühlen - 9.000 wurden dort im letzten Jahr aufgestellt - in genau den Bundesstaaten, die eine gezielte Förderung durch Steuervorteile oder das sogenannte Netmetering verfolgen. Dabei speist der Windmüller den Strom, den er nicht selbst verbraucht, ins öffentliche Netz, während sich sein heimischer Stromzähler zugunsten der Energierechnung rückwärts dreht.

Auch Großbritannien fördert die Minis: Die Regierung finanziert fast 30 Prozent der Anlagenkosten über ein Programm für CO2-Einsparungen an Gebäuden. "Unser Auftragsbuch ist mit über 10.000 Bestellungen von Unternehmen und Privathaushalten gefüllt", sagt Marie Cairney vom Kommunikationsbüro des schottischen Kleinanlagen-Herstellers Windsave. Die schottischen Anlagen speisen ihre Energie direkt in den Stromkreis des Haushaltes, nicht ins Stromnetz. Das vermindert die Stromrechnung und vermeidet Bezugskosten - eine unbürokratische und faire Honorierung für die eigene Stromerzeugung.

EEG-Vergütung anheben

Die Beispiele aus Großbritannien und USA zeigen, dass die Minis mit einem attraktiven Vergütungsmodell bei gleichzeitigem Bürokratieabbau auch hierzulande eine Marktchance hätten. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) berücksichtigt sie bislang jedoch nicht angemessen, denn während Erzeuger von Solarstrom derzeit fast 50 Cent für die Kilowattstunde erhalten, müssen sich Windmüller mit etwa acht Cent zufrieden geben - entsprechend der EEG-Vergütung für Megawatt-Turbinen. Der Bundesverband Windenergie (BWE) fordert, die Vergütung bei der anstehenden EEG- Novelle mindestens auf die Höhe der heutigen Strombezugskosten von Haushaltskunden in Höhe von rund 20 Cent für die Kilowattstunde anzuheben. Noch besser, so die Meinung einiger Branchenvertreter, wäre die Gleichsetzung der kleinen Windkraft mit der Photovoltaik bei der EEG-Vergütung. Das Netmetering wird in Deutschland leider nicht diskutiert.

Markt leergefegt

Während Kunden auf eine angemessene Vergütung warten, muss sich mancher Hersteller beim Warten auf Komponenten gedulden. Derzeit erholt sich der gesamte Maschinenbausektor in Deutschland. Viele Unternehmen haben üppig gefüllte Auftragsbücher. Das führt dazu, dass kaum ein Zulieferer Interesse am Bau von neuen Komponenten für Miniwindräder hat. Falls der Hersteller doch einen Zulieferer findet, muss er mit Spitzenpreisen, Lieferverzögerungen und Qualitätsmängeln rechnen. Hohe Stückzahlen, mit denen man Zulieferer locken könnte, sind in der Kleinwindkraft selten zu finden.

 

In schöner Regelmäßigkeit tauchen stattdessen neue Modelle auf - doch selten etabliert sich eines. Manchmal leidet die Qualität darunter. "Im Moment gibt es nicht einen einzigen Hersteller, der eine zuverlässige und bewährte Technologie vorweisen kann. Die meisten haben nur gemeinsam mit Universitäten oder Forschungszentren einige Prototypen gebaut", sagt Luca Trevisiol, Hauptgeschäftsführer des italienischen Elektromotoren-Herstellers Lafert. Sein Unternehmen zählt zu den großen Generatoren-Lieferanten der Kleinwindindustrie. Ein Windmüller, der sich für das neueste Produkt auf dem Markt entschieden hat, könnte mit dessen Kinderkrankheiten und überhöhten Materialkosten konfrontiert werden. Bei etablierten Typen wie Aerocraft oder Whisper, die seit vielen Jahren auf dem Markt zu haben sind, habe der Kunde bessere Chancen, dass etwaige Schwächen bereits ausgemerzt sind.

Geräuschentwicklung

Dafür fehlt es dort womöglich an technischen Innovationen, was zum Beispiel den Geräuschpegel des Rotors anbelangt. Reinhard Caliebe hat den Bau von drei Großwindenergieanlagen in unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnort verhindert. In Nachbarorten hätte man zuvor schlechte Erfahrungen mit Schall und Schattenwurf gemacht, sagt er. "Aber ich sah ein, dass es eine Alternative geben musste. So bin ich auf die kleine Windkraft gekommen", erinnert sich Caliebe. Er hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und festgestellt: "Die Kleinen sind kein Stück leiser als die Großen." Nur, dass die Minis im Garten oder sogar auf dem Dach viel näher an den Wohngebäuden stehen als die Großwindmühlen, für die ein Mindestabstand von mehreren hundert Metern gilt. Kleinanlagen-Kenner Uwe Hallenga relativiert: "Ich habe mehrmals Kleinanlagen mit einfachen Geräten vermessen, und da waren in zehn Meter Abstand schon keine 45dBa zu messen." Die Minis müssen nach seiner Erfahrung nicht zwangsläufig laut sein.

Reinhard Caliebe kniete sich tief in das Problem hinein und entwickelte schließlich zusammen mit weiteren Partnern und der Hochschule Bremerhaven eine Windkraftanlage mit 300 Watt. "Wir haben Schallmessungen gemacht - und es ließ sich nichts hören", stellt er stolz fest. Der Trick: Die Anlage dreht auf einer Vertikalachse statt horizontal und verfügt außerdem über verdrehte Blätter. Das macht sie besonders leise. Allerdings ist die Maschine mit 3.300 Euro nicht gerade billig. Anfang des Jahres hat er dann die Marc Power Systems GmbH gegründet - und im Herbst kommt eine 1-kW-Anlage auf den Markt. Ein weiterer Prototyp, dessen Tauglichkeit sich erst noch bewähren muss.

Vertikalachser gibt es schon lange in der Windkraft. Dennoch haben sie ihren Status als Exoten nie verloren. Grund: Die Rotoren arbeiten in etwa einem Viertel der Umlaufbahn ihrer Blätter im Drehkreis gegen die Strömung an. Der Wirkungsgrad liegt daher gewöhnlich niedriger als der von Horizontalachsern.

Hoher Mast nötig

Egal ob Horizontal- oder Vertikalachser, Gebäude, Pflanzen und Bäume bremsen teilweise den Wind ab und dämpfen damit auch die Stromausbeute. Das sollte man bei der Wahl der Masthöhe berücksichtigen. Für Gartenanlagen ist dieser sechs bis zwölf Meter hoch. Um Abschattungen zu vermeiden, sollte ein möglichst hohes Modell ausgewählt werden.

Nicht aufs Hausdach

Experten warnen aufgrund negativer Erfahrungen davor, die kleinen Anlagen auf Hausdächern zu montieren: Zum einen überträgt sich der Schall auf das gesamte Gebäude. Zum anderen besteht das Risiko, dass die Bausubstanz durch die Vibration des Rotors Schaden nimmt.

Weitere Infos: www.kleinwindanlagen.de

letzte Änderung: 16.10.2023