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Landläufig genießt die Fern- oder Nahwärme nicht den besten Ruf. Dass es auch positive Beispiele gerade unter Kostenaspekten gibt, sollte nicht verschwiegen werden.

Fernwärme für Neubaugebiete: Die günstige Alternative?

Landläufig genießt die Fern- oder Nahwärme nicht den besten Ruf. Dass es auch positive Beispiele gerade unter Kostenaspekten gibt, sollte nicht verschwiegen werden. In Frankfurt wurden hierfür die Stifte gespitzt.
Von Gerd Prohaska und Werner Neumann, Energiereferat der Stadt Frankfurt am Main

(12. Dezember 2003) Der Anrufer war empört. "Jetzt zwingt mich die Stadt durch eine Satzung dazu, mich an die teure Fernwärme anzuschließen. Dabei ist doch Erdgas so billig."

Kurz nach Baubeginn im "Frankfurter Bogen", einem Neubaugebiet mit zirka 2.000 geplanten Wohneinheiten, großteils in Einfamilienhausbauweise im Stadtteil Preungesheim, häuften sich derartige Anrufe beim städtischen Energiereferat. Hintergrund: die Stadt Frankfurt am Main hat mit einer kommunalen Satzung für dieses Baugebiet einen so genannten "Anschluss und Benutzungszwang" zugunsten einer Fernwärmeversorgung erlassen.

Will also die Kommune ihre Klimaschutzziele von den Häuslebauern finanzieren lassen? Mitnichten - zuvor waren die Kosten für Erdgas- oder Fernwärmeheizung verglichen worden. Und dabei zeigte sich, dass Fernwärme preisgünstiger ist.

Transparenz der Gesamtkosten erforderlich

Um letztendlich Transparenz in die mitunter nicht ganz triviale Diskussion "Wärmepreise - Wärmekosten" zu bringen, werden wir im Folgenden sämtliche Kosten der Fernwärmeversorgung am Beispiel eines Einfamilienhauses mit denen einer "normalen" Erdgasheizung vergleichen.

Ähnlich wie bei einem Auto die Benzinkosten, bestehen die Kosten für warme Räume und warmes Wasser nicht nur aus dem vom Versorgungsunternehmen abgerechneten so genannten Arbeitspreis für die gelieferte Energieeinheit. Nur mit einem Liter Benzin kommt man nicht weit - mit einem Kubikmeter Erdgas wird das Haus nicht zerstörungsfrei warm.

1115_Heizkostenvergleich Erdgas Fernwärme Einfamilienhaus

Jahreskostenvergleich Erdgas Zentralheizung / Fernwärme aus Sicht des Hausbesitzers 

Um zu der eigentlich gewünschten Dienstleistung zu kommen, bedarf es noch einiger Investitionen, Absicherungen werterhaltender Maßnahmen und Infrastrukturvorleistungen. Beim Auto sind das Anschaffungspreis (+ Zinsen), Steuer, Versicherung, TÜV, ASU, Inspektion, Garagenmiete und die Benzinkosten. Bei der Wärmeversorgung, sei es nun Fernwärme, Erdgas, Heizöl oder Holzpellets, sind es Heizkessel/Wärmetauscher, Schornsteinfeger, Wartung und Ähnliches.

Merke

Es reicht nicht, einfach nur die Brennstoffkosten (Arbeits- und Grundpreis) zu vergleichen - maßgeblich für einen realen Vergleich sind nur die Vollkosten des gesamten Heizungsystems!

Berechnung der Vollkosten

Um in strittigen Fragen die jeweiligen Beheizungssysteme finanziell vergleichen zu können, werden sämtliche Investitionen in Jahreskosten umgewandelt (annuisiert) und zu den jährlich anfallenden Betriebskosten (= Preis für gelieferte Energieträger) und Nebenkosten (= Wartung, Kaminfeger) addiert. So ergibt sich ein Jahreskostenvergleich auf Vollkostenbasis, der letztendlich Aufschluss über die wahren Jahreskosten der Dienstleistung, Beheizung gibt.

Nach folgendem Berechnungsschema wurde und wird bei nahezu jeder Fernwärmeplanung für Neubaugebiete der letzten zehn Jahre in Frankfurt am Main ein Heizsystemvergleich erstellt. Nur wenn sich ein Kostenvorteil zugunsten der Fernwärmeversorgung (auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung, KWK) ergibt, strebt die Stadt eine Umsetzung dieser Versorgungsvariante an.

Dies kann durch privatrechtliche Verträge mit Investoren, aber auch durch eine kommunale Satzung geschehen. Allein in Frankfurt am Main gibt es dafür mittlerweile über 16 realisierte Beispiele für Wärmenetze mit Kraft-Wärme-Kopplung (Fernwärme oder Nahwärme mit Blockheizkraftwerk).

Zusammenfassend nach Kostengruppen aufgeteilt fasst die unten stehende Tabelle die Berechnungsergebnisse zusammen.

Zusammenfassender Jahres-Kostenvergleich Erdgas Zentralheizung / Fernwärme

Die Vollwärmekosten betragen bei Erdgas 10,4 Cent pro Kilowattstunde, bei Fernwärme 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Unter Berücksichtigung aller Kosten müssen für eine Beheizung mit Erdgas zum Beispiel in einem Einfamilienhaus pro Jahr zirka 1.400 Euro aufgebracht werden, für die Fernwärme nur zirka 1.280 Euro. Ersparnis: 120 Euro pro Jahr durch Fernwärme!

1115_Berechnungsergebnisse des Heizkostenvergleichs

Fazit

Gerade für Neubaugebiete mit einem überschaubaren Entwicklungshorizont kann sich eine Nah-/ Fernwärmelösung für Investoren und Hausbesitzer sowie für Mieter als die wirtschaftlichere Alternative erweisen. Umweltfreundlicher ist sie gegenüber herkömmlichen Erdgas oder Heizöl Zentralheizungen allemal. Im hier vorgestellten Beispiel "Frankfurter Bogen" werden die CO2-Emissionen durch den Einsatz der KWK um zirka 25 bis 30 Prozent beziehungsweise um zirka 2.000 Tonnen im Jahr reduziert.

Neben handfesten Kostenvorteilen für die Hausbesitzer (120 Euro Ersparnis pro Jahr) gibt es noch weitere Gründe, die für ein zentrales KWK-Versorgungssystem sprechen:

  • Hohe Versorgungssicherheit. Zentralen Heizkraftwerken fällt die Umstellung auf alternative Brennstoffe allemal leichter als Hunderten von Einzelgebäuden.
  • Keine Verbrennung im Haus, weil die Wärme "gebrauchsfertig" geliefert wird
  • Geringer Betriebs- und Wartungsaufwand, weil technisch ausgereifte, wenig störanfällige Bauteile eingesetzt werden.
  • Optimale Nutzung der eingesetzten Energie, weil Strom und Wärme gemeinsam in Heizkraftwerken (HKW) erzeugt werden, daher Schonung der Energievorräte.
  • Wegfall der Schadstofferzeugung beim Verbraucher, weil keine Verbrennung im Haus erfolgt. Abgaskontrollen und Rußmessung beim Verbraucher durch den Schornsteinfeger entfallen.
  • Kein Wettbewerbsnachteil: Die Wärmepreise sind, wie auch die Erdgaspreise, an den Ölpreis gekoppelt. Dies sichert ein Vertrag der Kommune mit dem Versorger.
Wärmepreise
  • Wer nur mit Öl oder Gas heizt, vergisst leicht die "zweite Hälfte", die Kapitalkosten. Der Wärmepreis besteht nur etwa zur Hälfte aus Verbrauchskosten.
  • Bessere Dämmung reduziert die Verbrauchskosten und erhöht die Fixkosten. Oft ist die Verbrauchskostensenkung höher als der Fixkostenanstieg.
  • Die Wärmekosten in Cent je Kilowattstunde liegen bei gut gedämmten Häuser höher, auch, weil die Fixkosten der Heizung auf einen geringeren Verbrauch verteilt werden müssen. Die gesamten Heizkosten gut gedämmter Häuser dürften aber geringer sein.
  • Fernwärmepreise sind untereinander durchaus vergleichbar. Man sollte sich darüber klar sein, dass Baukostenzuschüsse und Kosten des Hausanschlusses darin nicht enthalten sind.
  • Die geringeren Fixkosten der Fernwärme entlasten Vermieter. An diesem Vorteil sollten auch Mieter teilhaben. Denn Mieter müssen auch die höheren Verbrauchskosten tragen. Der Mietwert fernwärmebeheizter Wohnungen dürfte entsprechend unter dem Mietwert von Wohnungen liegen, deren Wärmekosten für Mieter systembedingt geringer sind.

Aktuelle Fernwärmepreise aus dem Preisvergleich der Arbeitsgemeinschaft der Fernwärmeversorger (AGFW) vom 1. April 2003:

Mittlerer gewichteter Fernwärmepreis im Bundesgebiet ist 57,68 Euro inklusive Mehrwertsteuer pro Megawattstunde (= fünf Cent pro Kilowattstunde), in den neuen Bundesländern 62,60 Euro pro Megawattstunde, alte Bundesländer: 55,80 Euro pro Megawattstunde.

Dieser Preis beinhaltet Arbeits- und Leistungspreis sowie Messkosten/Abrechnung für einen wärmegedämmten Altbau und eine Abnahme von jährlich 300 Megawattstunden. Bezogen auf den Quadratmeter Wohnfläche ergibt sich ein Durchschnittspreis von 98,60 Cent monatlich.

letzte Änderung: 22.09.2016