Eigenen Strom herstellen und vermarkten
Wer selbst Strom herstellt, kann ihn selbst verbrauchen oder an andere verkaufen. Damit wird er rechtlich nicht nur zum Unternehmer, sondern zu einem Energieversorgungsunternehmen. Genauso gut können Verbraucher sich mit anderen Verbrauchern gemeinsam in der Stromerzeugung engagieren. Oder sich an schon bestehenden Stromerzeugungsgemeinschaften beteiligen.
Von Aribert Peters und Louis-F. Stahl
(11. Januar 2017) Die Eigenerzeugung von Strom ist wirtschaftlich interessant, weil die Stromerzeugung für sich genommen günstiger als der Strombezug aus dem Stromnetz ist. Denn der Großteil der Kosten beim Strombezug aus dem Netz besteht aus Steuern, Abgaben und Renditen der großen Stromkonzerne sowie der Netzbetreiber. Die Möglichkeiten, selbst Strom zu erzeugen, sind dabei vielfältig: Der Strom kann durch eine Photovoltaikanlage, ein Blockheizkraftwerk oder auch durch ein kleines Windrad erzeugt werden. Doch der Staat hat die Bremse angezogen. Damit die eigene oder gemeinschaftliche Stromerzeugung nicht plötzlich allzu attraktiv wird, hat er die gemeinschaftliche Stromerzeugung in letzter Zeit mit einer Fülle von finanziellen und rechtlichen Lasten erschwert. Dies führt zu einer Komplexität der Eigenstromerzeugung, die für Laien kaum mehr zu durchblicken und nachzuvollziehen ist.
Welche rechtliche und technische Gestaltung im Einzelfall die Richtige ist, hängt von den örtlichen Gegebenheiten und der Struktur der interessierten Verbraucher ab. In der Energiedepesche ist die Vermarktung gemeinsam erzeugten Stroms schon öfter ausführlich technisch und rechtlich thematisiert worden (siehe ED 2013/4 und 2014/1). Mit diesem Beitrag geben wir einen aktuellen Überblick. Dabei ist die Unterscheidung verschiedener Rollen von erheblicher Bedeutung: Bei jeder Anlage gibt es einen Investor (I), einen Betreiber (B), einen Gebäudeeigentümer (G), in oder auf dessen Gebäude sich die Anlage befindet und schließlich einen oder mehrere Stromletztverbraucher (V). Dabei kann eine Person gleich mehrere der zu besetzenden Rollen übernehmen.
Mit dem Summenzählermodell können mehrere Parteien in einem Haus oder mehreren benachbarten Häusern mit dem Strom aus einer Erzeugungsanlage versorgt werden. Die von der PV oder einem BHKW erzeugte Strommenge wird von einem Erzeugungszähler (ZPV) gemessen. Die Überschusseinspeisung und der Zusatzstrom aus dem Netz wird mit einem 2-Richtungs-Zähler (ZRZ) erfasst. Dabei kann es immer nur einen Netzverknüpfungspunkt (HAK) geben, auch wenn sich die Kundenanlage über mehrere Häuser erstreckt. Die Anbindung weiterer Häuser muss über eigene Erdkabel erfolgen (orangefarbene Linie). Jede Wohneinheit verfügt auch weiterhin über einen eigenen Stromzähler (ZN1-ZN8). Eine bilanzielle Abrechnung von extern versorgten Letztverbrauchern ist möglich.
Eigenverbrauch und Netzeinspeisung
Ein Verbraucher investiert für sein eigenes Haus in eine Anlage, betreibt diese Anlage und verbraucht den erzeugten Strom. Hier fallen alle vier Rollen zusammen. Der erzeugte Strom wird im Hausnetz verbraucht, der überschüssige Strom wird ins Stromnetz eingespeist und erhält dafür eine Vergütung nach dem EEG oder KWKG.
Sinnvoll kann es zudem sein, den Überschussstrom in einer Batterie für den späteren Eigenverbrauch zu speichern. Dadurch kann der Anteil des selbst genutzten Stroms erhöht werden. Für bereits vor dem 1. August 2014 in Betrieb genommene Anlagen ist auf den selbst genutzten Strom keine EEG Umlage zu zahlen. Für später errichtete Anlagen bis maximal 10 kW Generatorleistung besteht eine Freimenge von jährlich 10.000 kWh. Für darüber hinausgehende Strommengen ist eine anteilige Eigenverbrauchs-EEG-Umlage zu zahlen.
Stromverkauf an Nachbarn und Mieter
Wird der Überschussstrom hingegen an einen Nachbarn – auch im eigenen Haus – verkauft, ist sogar die volle EEG-Umlage in Höhe von 6,88 Cent je kWh (2017) zu zahlen. Nicht zu leisten ist hingegen die Stromsteuer in Höhe von rund 2 Cent je Kilowattstunde. Diese „Begünstigung“ steht jedoch derzeit auf dem Prüfstand und könnte zukünftig wegfallen.
Durch eine Energielieferung wird der Anlagenbetreiber rechtlich zu einem „Energieversorger“. Eine Anzeige dieser Tätigkeit bei der Bundesnetzagentur ist nicht erforderlich. Es gelten jedoch bestimmte Anforderungen an die Belieferungsverträge, den Inhalt von Rechnungen und bestimmte Verbraucherschutzvorschriften (siehe §§ 5, 41, 42, 111a und 111b EnWG). Für die Abrechnung des gelieferten Stroms und der Abgrenzung von „Eigenverbrauch“ und „Lieferung“ bedarf es zudem eines „Messstellenbetreibers“ für die Stromzähler. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Mieterstrom“. Bei der Belieferung von Nachbarhäusern müssen faktisch immer eigene Stromleitungen verlegt werden. Würde der Strom durch das öffentliche Stromnetz „durchgeleitet“, so wären Netznutzungsentgelte, diverse Umlagen und Konzessionsabgaben zu zahlen. Der Preis für eine solche Durchleitung kleiner Strommengen wäre im Ergebnis deutlich höher, als der normale Strombezug aus dem Netz.
Erzeugungsanlage mieten statt kaufen
Wer die Investition in eine Erzeugungsanlage scheut, kann auch eine Anlage von einem Investor mieten. Der Gebäudeeigentümer oder -bewohner kann trotzdem Betreiber der Anlage seine und ist somit Eigenversorger. Entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Anlageneigentümer und den Gebäudebewohnern müssen dafür vertraglich festgehalten werden. Wichtig ist, dass das wirtschaftliche Risiko vom Anlagenbetreiber getragen werden muss. Der Zusatzstrombezug, die Zahlung der Einspeisevergütung und gegebenenfalls Kosten für Erdgas bei einem BHKW müssen folglich vom Anlagenbetreiber verantwortet werden. Alle anderen Regelungen gelten, als wäre der Betreiber auch der Eigentümer und sind oben beschrieben unter „Eigenverbrauch und Netzeinspeisung“.
Dachfläche mieten
Eine andere Perspektive ergibt sich, wenn man eine PV-Anlage auf einem fremden Dach errichten will, weil man kein eigenes Dach hat oder dort schon eine Anlage errichtet wurde. Dann mietet man eine Dachfläche für 50 bis 100 Euro je Quadratmeter und Jahr für 20 Jahre. Das sollte grundbuchlich abgesichert sein. Wenn sich im Haus Abnehmer für den Strom finden, kann auch eine Belieferung der Bewohner stattfinden – dann ist freilich die volle EEG-Umlage zu zahlen.
Die Eigentumsfrage
Gehört die Erzeugungsanlage dem Gebäudeeigentümer, einer Privatperson, einer Eigentümergemeinschaft oder einem Zusammenschluss von Privatpersonen als „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“? Möglicherweise hat sich ein Zusammenschluss auch als Energiegenossenschaft gegründet, um eine Erzeugungsanlage zu errichten oder zu betreiben. Die oben angesprochenen Themen müssen wie dargestellt geregelt werden, egal in welcher Rechtsform der Eigentümer dasteht.
Stadtwerke helfen
Einige Stadtwerke bieten Hilfe bei der Errichtung einer PV-Anlage auf dem eigenen Dach. Sie übernehmen gegen Gebühr die Errichtung und den Betrieb der Anlage. Selbst die Investitionskosten übernehmen einige Stadtwerke und bekommen dafür den erzeugten Strom, der dann zu vergünstigten Bedingungen im Gebäude verkauft wird. Dafür wird natürlich eine entsprechende Rendite seitens der Stadtwerke erwartet.
Dienstleister
Gleiches gilt für Dienstleister wie beispielsweise Discovergy, Buzzn Localpool und Energy Consulting Meyer, welche Hausbesitzern und Anlagenbetreibern helfen, Strom an ihre Mieter zu liefern. Das Angebotsspektrum dieser Dienstleister reicht von allgemeinen Beratungsleistungen, über die Verhandlung mit Bewohnern und dem Netzbetreiber über Vertragsvorlagen, Abrechnungsvorlagen, die Messung des Stroms bis hin zum Full-Service-Paket einschließlich Rechnungslegung und Inkasso. Es ist also genau zu prüfen, welche Aufgaben man zu welchen Kosten und Konditionen extern erledigen lassen möchte und welche Aufgaben man auch selbst erledigen kann und will. Wer neu in die Materie einsteigt, der kann das in der Regel nicht abschätzen. Wer sich in dieser Situation in vollständige Abhängigkeit von einem Stadtwerk oder einem Dienstleister begibt, macht unter Umständen einen folgenschweren und kaum wieder gutzumachenden Fehler. Deshalb bietet der Bund der Energieverbraucher seinen Mitgliedern mit dem „Prosumerzentrum“ sogar kostenfrei eine Beratung in Grundsatzfragen.