Effizienz
Energieeffizienz und Einsparverpflichtungen
Ohne wirksame Energieeinsparungen ist die Energiewende nicht zu schaffen. Zwei Berichte der Internationalen Energieagentur beleuchten die Effizienzfortschritte weltweit. Deutschland verfehlt seine Effizienzziele. Doch die Politik weigert sich, Einsparverpflichtungen einzuführen. Deutschland hat sich dadurch weltweit aus der Diskussion verabschiedet.
Von Aribert Peters
(29. Januar 2018) Der erste Report der Internationalen Energieagentur (IEA) beschreibt die weltweite Erfolgsgeschichte der Energieeffizienz. Ein zweiter Bericht der IEA konzentriert sich auf marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente für die Erhöhung der Energieeffizienz. Zu den 29 IEA-Mitgliedsländern gehören neben den meisten EU-Staaten auch viele wichtige Industriestaaten der Welt, nicht jedoch Russland und China.
Energieeffizienz nimmt weltweit zu
Weltweit hat sich die Energieeffizienz deutlich erhöht. Die Effizienzerhöhung hat dazu geführt, dass der Gesamtenergieverbrauch aller 29 IEA-Mitgliedsländer seit 2007 abnimmt und derzeit auf dem Niveau von 1990 liegt. Die weltweite Energieintensität, also die zur Herstellung einer Einheit Bruttosozialprodukt notwendige Energie, hat allein im Jahr 2016 um 1,8 Prozent abgenommen. Seit dem Jahr 2010 hat sich die Energieintensität jährlich um durchschnittlich 2,1 Prozent vermindert. Das ist ein signifikanter Fortschritt gegenüber der Periode zwischen 1970 und 2010, in der die Abnahme bei 1,3 Prozent jährlich lag. Die Abnahme der Energieintensität bedeutet, dass mit der gleichen Energiemenge mehr Güter hergestellt werden können.
IEA-Zahlen für Deutschland
Einige Zahlen für Deutschland, wie sie die IEA aufbereitet hat:
Der Gesamtenergieverbrauch Deutschlands nimmt seit dem Jahr 2000 Jahr für Jahr ab. Das gilt für den Primärenergieverbrauch und auch für den Endenergieverbrauch.
Die Importabhängigkeit lag 2015 bei 62 Prozent und damit höher als je zuvor, trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien.
Mit der 2016 gegenüber 2010 eingesparten Energie könnte man so viele Güter herstellen, wie in der EU insgesamt erzeugt wurden. Durch die Effizienzsteigerung verlangsamt sich die Zunahme der weltweiten Treibhausgasemissionen.
Die weltweiten CO2-Emissionen hätten ohne Effizienzsteigerungen gegenüber dem Jahr 2014 um rund zehn Prozent höher gelegen, weil mehr Energie verbraucht worden wäre. Auch die Versorgungssicherheit hat durch Effizienzsteigerungen zugenommen.
Allein in Deutschland und Großbritannien konnten durch effizienzbedingt geringere Energieverbräuche gegenüber dem Jahr 2000 die Gasimporte aus Russland um 30 Prozent verringert werden. Die Gasimporte Deutschlands liegen um 0,5 Exajoule (EJ) unter der Menge, die seit 2000 ohne Effizienzsteigerungen importiert worden wäre und die Ölimporte ebenfalls um 0,5 EJ niedriger. Durch die Effizienzsteigerungen wurden weltweit Energiemengen im Wert von 2,2 Mrd. US-Dollar (USD) eingespart, allein 1.1 Mrd. USD in China und 0,5 Mrd. USD in den USA.
Weitere interessante Einzelheiten aus dem Bericht: Der Verkauf der wesentlich effizienteren Elektroautos hat im Jahr 2016 weltweit um 40 Prozent zugenommen. Weltweit wurden für Energieeffizienz im Jahr 2016 231 Mrd. USD ausgegeben, allen voran die Gebäudesanierung.
Die Studie untersucht auch die Stromeinsparungen in Japan nach dem Tsunami von 2011 und der darauffolgenden Abschaltung aller Atomkraftwerke. Bereits vor dem Tsunami war die japanische Stromintensität 9 Prozent geringer als die der übrigen IEA-Länder. Dennoch konnte Japan noch gewaltige zusätzliche Einsparungs- und Effizienzpotenziale sehr kurzfristig verwirklichen. Aber auch die Privathaushalte sparen durch die Effizienzsteigerung: In Deutschland gegenüber 2000 rund 580 USD je Haushalt.
Effizienzverpflichtungen
Auf dem G7-Treffen der Energieminister 2016 im japanischen Kitakyúshú wurden Einsparungen als „erste Energiequelle“ bezeichnet. Die IEA wurde aufgefordert, einen Bericht über marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente (Market Based Instruments, kurz MBI), etwa Effizienzverpflichtungen für Energieversorger oder Auktionen zu erarbeiten. Dieser Bericht liegt nunmehr vor und stellt die weltweit gemachten Erfahrungen mit diesen Instrumenten zusammen.
2016 gab es weltweit 50 solcher Programme. 18 Prozent der weltweiten Energielieferungen werden durch solche Programme abgedeckt. Die Stärke solcher Programme wird als Prozentsatz der jährlich zu erzielenden Einsparungen berechnet. Sie betrug im Jahr 2016 rund 0,4 Prozent weltweit und hat sich während der vergangenen Dekade verdoppelt. Die Kosten für die Einsparung einer Kilowattstunde liegen, ohne Einrechnung des Umweltnutzens solcher Programme, im weltweiten Durchschnitt unter 0,03 USD je Kilowattstunde. Die Kosten der Einsparung liegen damit sehr deutlich unter den Kosten der Erzeugung. In den meisten MBI-Programmen ist die ausgelöste Investitionssumme dreimal höher, als die Programmkosten, weil zusätzliche Investitionen bei den Verbrauchern angestoßen werden.
Vorteile von Energieeffizienzverpflichtungen:
- Das System kombiniert die Vorteile von Steuern und Subventionen.
- Die Adressaten haben volle Handlungsfreiheit und können daher den kostengünstigsten Weg wählen.
- Sie erlauben eine flexible Festlegung von Einsparzielen.
- Sie mobilisieren die gesamte Versorgungskaskade und mobilisieren dort Effizienzspielräume.
- Sie legen Standards und Ziele für Energieeffizienz fest.
- Die entstehenden Märkte für weiße Zertifikate führen zu einer weiteren Optimierung der Einsparungen, erfordern jedoch auch Kontrollen.
Energieeffizienzverpflichtungen in den USA
Ein Bericht der Forschungsinstitute RAP und Adelphi fasst die Effizienzprogramme der USA zusammen. Die ambitioniertesten Energieeffizienzverpflichtungen haben Einsparziele in Bezug auf die abgesetzte Energiemenge von 3 Prozent pro Jahr im Strombereich und gut 1,2 Prozent im Gasbereich. Die Programme unterscheiden sich jedoch nicht nur hinsichtlich der Ambitionen – das Design ist je nach Bundesstaat unterschiedlich gestaltet.
Grundsätzlich gibt es vier Designoptionen, welche in den USA präsent sind:
- Verpflichtung der regulierten Energieversorger: Dieses Modell findet sich in den meisten Bundesstaaten. Die Energieversorger sind zur Finanzierung und Umsetzung der Energiesparziele verpflichtet und haben relativ viel Flexibilität bezüglich der Umsetzungsstrategien.
- Verpflichtung einer neuen oder bestehenden Behörde: Dieses Modell gibt es beispielsweise im Bundesstaat New York. Dort ist die staatliche New York State Energy Research and Development Authority (NYSERDA) damit betraut, Energieeffizienzmaßnahmen und -programme zu fördern und zu koordinieren. Diese Maßnahmen sowie die Arbeit der Behörde werden durch eine Abgabe auf den Stromverbrauch finanziert.
- Verpflichtung eines Energieeffizienzdienstleisters: Vermont und Maine haben ein solches Design gewählt. Efficiency Vermont wurde im Jahr 2000 als Non-Profit-Organisation zur Umsetzung der Verpflichtung in Vermont gegründet. In Maine wurde 2004 ein ähnliches Modell umgesetzt. Die umgesetzten Maßnahmen werden über eine Netzabgabe finanziert. Diese fließt in einen Energieeffizienzfonds, der als Budget der Organisation dient. Zusätzlich erhält die Organisation Abgaben aus dem Emissions- und Kapazitätshandel.
- Verpflichtung der regulierten Energieversorger – Ausführung jedoch ausschließlich durch Energiesparcontracting-Unternehmen: In diesem Modell, welches beispielsweise in Texas existiert, dürfen die Energieverteiler die Einsparmaßnahmen nicht selbst ausführen, sondern müssen unabhängige Drittanbieter, sogenannte Project Sponsors, damit beauftragen. Die Project Sponsors installieren bei den Endkunden Energieeffizienzmaßnahmen, für die sie von den Energieversorgern Erfolgsprämien erhalten.
Seit vielen Jahren werden die Kosten der Effizienzverpflichtungen systematisch vom Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) und ACEEE erhoben und verglichen. Die Kosten werden in US-Dollar pro eingesparte Kilowattstunde über die Lebensdauer der umgesetzten Maßnahmen dargestellt (levelized costs).
Die von den Verbrauchern über die Energiepreise getragene Umlage finanziert in der Regel nur ca. 40 Prozent der Gesamtkosten der umgesetzten Maßnahmen. Weitere 60 Prozent der Kosten werden von geförderten Endverbrauchern als Eigenanteil selbst aufgebracht.
Effizienzverpflichtungen in Europa
In der EU sind die Effizienzvorschriften in einer Energieeffizienzrichtlinie (EED) aus dem Jahr 2012 gebündelt.
Die wichtigsten Bestimmungen der Effizienzrichtlinie:
- Festlegung nationaler Energieeffizienzziele für 2020.
- Sanierungsrate für Regierungsgebäude von 3 Prozent pro Jahr.
- Verpflichtende Energieeinsparung der Mitgliedstaaten im Zeitraum 2014 bis 2020 von jährlich durchschnittlich 1,5 Prozent.
- Verpflichtende Durchführung regelmäßiger Energieaudits in großen Unternehmen.
- Verpflichtende Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse für den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung bei Neubau oder Modernisierung von Kraftwerken und Industrieanlagen.
Das von der Richtlinie geforderte Effizienzverpflichtungssystem kann auch durch andere Einsparungen ersetzt werden. In der Hälfte aller EU-Staaten gibt es Energieeffizienzverpflichtungen. Ein Bericht fasst die Programme aller EU-Staaten zusammen, Deutschland fehlt darin. In vielen Ländern können Firmen ihre Einsparungsverpflichtungen erfüllen, indem sie sogenannte „weiße Zertifikate“ kaufen, also nachgewiesene Einsparungen an anderer Stelle oder durch andere Personen. Einen solchen Handel gibt es bereits in Frankreich, Italien, Polen sowie in einigen Bundesstaaten Australiens.
Carsten Müller, Mitglied des Bundestags, seit 2010 ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) meint:
„Energieeffizienz muss in der kommenden Legislaturperiode die entscheidende Rolle in der Klima- und Energiepolitik einnehmen. Nur so kann das Energiesystem wirtschaftlich sinnvoll klimaverträglich umgebaut werden.“
In Italien werden die weißen Zertifikate seit 2005 gehandelt. Dort müssen Versorger mit mehr als 50.000 Kunden entweder selbst Einsparungen auslösen, oder anderswo Energieeffizienzprojekte implementieren. In Italien wird der größte Anteil der Einsparungen in der Industrie erzielt. Dort haben die Unternehmen die Verpflichtung, einen Energiemanager zu benennen. Seitdem diese Energiemanager mit ihren Projekten weiße Zertifikate erlangen können, sind sie wertvoll für die Unternehmen und die Umsetzung boomt. Vorreiter in Europa ist immer noch Dänemark mit einer jährlichen Einsparverpflichtung von über 2 Prozent.
Energieeffizienz in Deutschland
Bei der Umsetzung der Effizienzrichtlinie hat sich Deutschland viel Zeit gelassen. Das deshalb von der EU-Kommission gegen Deutschland eröffnete Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 20140319) wurde durch Beschluss der Europäischen Kommission am 26. Mai 2016 eingestellt.
Der nationale Energieeffizienz-Aktionsplan (NEEAP) 2017 berichtet über Einsparfortschritte in Deutschland. Damit erfüllt Deutschland seine Verpflichtungen aus der Effizienzrichtlinie. Dort wird über zahlreiche Initiativen zur Erhöhung der Effizienz berichtet, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt geblieben sind. Beispielsweise das Instrument der „Energieeffizienzfonds“. Ob die im Plan genannten Einsparungen auch tatsächlich erreicht werden, muss jedoch bezweifelt werden.
Die Bundesregierung hat 2016 ein „Grünpapier zur Energieeffizienz“ erarbeitet und zur Diskussion gestellt. Allerdings wird darin nur sehr allgemein über Ziele diskutiert.
Die Expertenkommission zum Monitoring der Energiewende sieht bei der Energieeffizienz buchstäblich rot. Die bis 2020 gesteckten Effizienzziele lassen sich nicht mehr erreichen. Die Energieproduktivität wollte die Regierung zwischen 2008 und 2050 pro Jahr um 2,1 Prozent erhöhen. Faktisch wurden witterungsbereinigt nur 1,1 Prozent erreicht. Um das Ziel bis 2020 zu erreichen, müsste man jetzt eine Steigerung um jährlich 3,5 Prozent schaffen. Eine wenig wahrscheinliche Wendung.
Der Stromverbrauch sollte zwischen 2008 und 2020 um zehn Prozent sinken. Im Jahr 2015 war der Stromverbrauch um 3,8 Prozent geringer als 2008, das sind pro Jahr betrachtet nur 0,6 Prozent Fortschritt. Um das Ziel bis 2020 noch zu erreichen, müsste der Stromverbrauch insgesamt um 6,4 Prozent und jährlich um 1,3 Prozent zurückgehen. Um das zu erreichen, sind erhebliche zusätzliche Anstrengungen notwendig, so die Experten.
Weitere Informationen:
- Energy Efficiency 2017: bdev.de/ieaee17
- Snapshot of Energy Efficiency Obligations schemes in Europe, 2017 update: bdev.de/eeos17
76% Einsparung - Effiziente Ventilatoren
Im tropischen Nordaustralien sind viele Ventilatoren im Einsatz. Kein Wunder, dass man dort neue energiesparende Ventilatoren erfunden hat. Der neu entwickelte Ventilator arbeitet mit einem Permanent-Magneten statt einem Elektromagneten im Rotor. Der Motor arbeitet mit höherem Wirkungsgrad und geringerem Verschleiß. Neben der komplizierten elektronischen Steuerung hat das australische Forscherteam auch neuartig geformte Windpropeller entworfen und getestet. Durch die besondere Form der Propeller erreicht man denselben Luftstrom mit der halben Drehzahl eines üblich geformten Propellers. Die Einsparungen betragen pro Jahr und Ventilator 270 kWh und vermindern den Verbrauch um 61 %, durch die neuartigen Rotorblätter sogar 76 %. Das System eignet sich auch hervorragend für eine Versorgung mit Gleichstrom, da dadurch der sonst notwendige Gleichrichter entfallen kann.