Dezentrale Lüftung
Lüftung dezentral – günstig aber nicht perfekt
Die Wohnraumlüftung ist seit dem ersten Artikel zu diesem Thema in der Energiedepesche 3/1990 immer wieder ein wichtiges und stets aktuelles Thema. Je besser die Wände gedämmt und je dichter die Fugen sind, umso wichtiger wird die Lüftung: Für den Energieverbrauch und für die Wohnhygiene.
(23. Juni 2017) „Die meisten Menschen glauben, sie verstünden etwas vom Lüften, nur weil sie bisher nicht erstickt sind!“, seufzte einmal ein Energieberater. Selbst Architekten sanieren heutzutage noch Häuser, ohne eine Lüftungsanlage einzubauen. Sie wissen es oftmals nicht besser. Dabei benötigt jeder Mensch pro Stunde 30 Kubikmeter Frischluft, sonst steigt die CO2-Konzentration im Raum an – mit nachteiligen Folgen für die Konzentrationsfähigkeit.
Auch gibt jeder Mensch 0,7 bis 1,4 Liter Feuchtigkeit pro Tag an die Luft ab. Hinzu kommt die durch Zimmerpflanzen, Waschen und das Kochen freigesetzte Feuchtigkeit, die ebenfalls nach außen abtransportiert werden muss.
Nach einer Sanierung sollte ein Haus luftdicht sein. Wände atmen entgegen anderslautenden Mythen ohnehin nicht. Also ist neben richtigem Heizen ausreichendes Lüften eine wichtige Aufgabe eines jeden Hausbewohners. Das hat sich aber noch nicht herumgesprochen. Ist es zu kalt, so friert man und zieht einen Pullover an oder kümmert sich um die Heizung. Schlechte Luft im Innenraum merkt man aber häufig nur, wenn man gerade von außen hereinkommt.
Jedoch sinken Konzentrationsfähigkeit und Laune bei schlechter Luft. Weil kein Mensch jede Stunde alle Fenster zur Lüftung öffnet, sollte man die Luftqualität durch eine Lüftungsanlage sichern.
CO2-Messgeräte
Der Bund der Energieverbraucher e. V. verleiht an seine Mitglieder kostenfrei CO2-Messgeräte. Damit kann man schnell herausfinden, ob in einem Raum genug frische Luft ist und wie oft gelüftet werden muss, damit die Luftqualität in einem gesunden Bereich bleibt. Die Auswertung durch viele Mitglieder zeigt folgendes: Bei Messungen im Schlafzimmer steigt die CO2-Konzentration selbst bei gekipptem Fenster in den Nachtstunden ständig an, mit nachteiligen Folgen für die Schlafqualität.
Wärmerückgewinnung
Stets frische Luft fast ohne Energieverlust, das leistet eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Wärme der verbrauchten Luft wird genutzt, um die frisch in den Raum strömende Luft anzuwärmen. Heutzutage sollte eine Wärmerückgewinnung eine Selbstverständlichkeit sein. Der Markt bietet eine Fülle von günstigen und erprobten Geräten an.
Staatliche Förderung
Der Einbau einer Lüftungsanlage wird mit staatlichen Fördermitteln unterstützt: Durch die KfW in den beiden Förderprogrammen „Energieeffizient Sanieren“ mit 10 bis 15 Prozent der Kosten und im Programm „Energieeffizient Bauen“ sowie in NRW durch Landesmittel aus dem Programm progres.nrw mit rund 2.000 Euro. Fördervoraussetzung ist ein Lüftungskonzept nach DIN 1946, das von einem Fachmann erstellt wurde. Das Europäische Testzentrum für Wohnungslüftungsgeräte (TZWL) bietet solche Gutachten inklusive zweistündiger Beratung beispielsweise zum Preis von 246 Euro zzgl. MwSt. an.
Lüftungsarten
Es gibt gebäudezentrale, wohnungszentrale und dezentrale Lüftungsanlagen. Zentrale Lüftungsanlagen sind langlebiger, leiser und effizienter, jedoch deutlich teurer in der Nachrüstung in bestehenden Gebäuden, da Lüftungskanäle verlegt werden müssen. Typischerweise wird in Bad und Küche verbrauchte Luft abgesaugt und in Wohn- so wie Schlafzimmern Frischluft eingeleitet. Dezentrale Lüftungsgeräte sind deutlich günstiger, jedoch lauter. Auch sind die Frischluftmengen dezentraler Anlagen oft nicht ausreichend.
Bei den dezentralen Geräten unterscheidet man zwei Systeme: Kontinuierlich arbeitende Zu-/Abluftsysteme haben zwei Luftöffnungen: Eine für die Zuluft und eine für die Abluft. Zwischen Zu- und Abluft tauscht ein Wärmetauscher die Energie. Bei Systemen mit Umschaltlüftung oder Pendellüftung wird die Luftrichtung etwa alle 90 Sekunden gedreht. Weitere Geräte im gleichen Raum oder Nebenräumen werden im Gegentakt geschaltet.
Energielabel
Es empfiehlt sich, nur Lüftungsgeräte mit einer DiBt-Zulassung anzuschaffen. Alle Geräte müssen eine Energiekennzeichnung tragen. Dort ist neben dem Energieeffizienzwert auch ein Geräuschwert in Dezibel (dB) bei 70 Prozent der Maximalleistung angegeben und die Lüftungsleistung in Kubikmeter je Stunde.
Die Label sind in Energieeffizienzklassen von A+ bis G eingeteilt, wobei A+ den besten Wert darstellt.
Wie viel Frischluft braucht der Mensch?
Bei acht Prozent CO2 in der Atemluft tritt der Tod bereits nach 30 bis 60 Minuten ein. Bei 1,5 Prozent CO2 (15.000 ppm) nimmt das Atemvolumen um 40 Prozent zu. Aber bereits mit 0,3 Prozent CO2 (3.000 ppm) überschreitet man den sogenannten MAK-Wert, gesundheitliche Schäden sind dann nicht auszuschließen. Als akzeptierte Obergrenze für die CO2-Konzentration werden 0,1 Prozent CO2 (1.000 ppm) angenommen (Pettenkofer-Zahl).
Pro Person und Stunde rechnet man auf Grundlage der DIN 1946 mit einem Frischluftbedarf von 30 Kubikmetern, um die Pettenkofer-Zahl nicht zu überschreiten. Für Einzelbüros sind sogar 40 Kubikmeter je Person und Stunde vorgeschrieben.
Eine kleine Rechnung belegt diesen Wert: Der Mensch atmet rund neun Liter Luft jede Minute aus. Die ausgeatmete Luft enthält vier Prozent CO2. Das sind rund 21 Liter CO2 je Person und Stunde. 30 Kubikmeter hinausströmende Luft mit der maximal empfohlenen Belastung von 0,1 Prozent (Pettenkofer-Zahl) enthalten 30 Liter CO2. Die von außen nachströmenden 30 Kubikmeter Frischluft bringen bei 0,035 Prozent (350 ppm) CO2 Umgebungsluftbelastung rund 10,5 Liter CO2 neu mit hinein. Per Saldo werden folglich 19,5 Liter CO2 hinaustransportiert. Das entspricht nahezu der ausgeatmeten CO2-Menge. Auch bei der Sauerstoffkonzentration unterscheiden sich eingeatmete und ausgeatmete Luft um rund vier Prozent. Wenn also genug CO2 abgeführt wird, kommt auch ausreichend benötigter Sauerstoff hinzu. Der CO2-Gehalt der Luft ist damit in doppelter Hinsicht ein guter Indikator für die Luftqualität.
Kritik von Energieexperte Klaus Michael
Zu dezentralen Lüftern mit Wärmerückgewinnung habe ich eine ambivalente Einstellung. Sie ermöglichen fraglos gegenüber reiner Fensterlüftung in einem ansonsten luftdichten Haus eine Verringerung aller Feuchterisiken, weil sie eine Mindestlüftung bewirken, die sonst oft zu gering ausfällt, weil die Menschen weder Feuchte noch CO2 riechen können. Sie sind aber insgesamt nicht mit der Leistung einer wohnungszentralen oder hauszentralen Lüftungsanlage vergleichbar. Dies hat insbesondere drei Gründe:
- Bei Platzierung an gegenüber liegenden oder ums Eck verlaufenden Wänden bewirkt Winddruck auf einer Hausseite und damit Windsog auf der anderen Seite einen erheblichen Rückgang der im Laborversuch „bemerkenswert hohen“ Wärmerückgewinnung, weil die kleinen Ventilatörchen nicht gegen den natürlichen Wind ankommen.
- Tagsüber stehen in Wohnungen mit mehreren Bewohnern die Zimmertüren oft auf, sodass mehrere kleine Luftmengen sich zu einer ausreichenden Gesamtluftmenge ergänzen und sich in der Summe ein ausreichender Luftaustausch ergibt. Nachts werden aber meist die Zimmertüren der Schlaf- und Kinderzimmer geschlossen.
- Kleingeräte leisten die benötigte Luftmenge für einen Schlafraum ohnehin meist nicht und wenn doch, dann nur auf höchster Stufe, die jedoch so laut ist, dass sie im Schlafraum nicht nutzbar sind. Das heißt in der Konsequenz, dass eine ausreichende nächtliche Luftversorgung bei geschlossener Zimmertür und geschlossenem Fenster mit den meisten dieser Kleingeräte in einem Schlafzimmer nicht sinnvoll möglich ist. Die Geräte bewirken dann keine normgerechte Luftversorgung, sondern verringern nur die schlechte Luftqualität um ein gewisses Maß.
Dieser Mangel fällt vielen Menschen im Übrigen gar nicht auf, da sie es nicht gewohnt sind, morgens gut ausgeschlafen zu sein und auch gar nicht wissen, dass fehlende Morgen-Munterkeit oft nicht nur Folge von Arbeit, Alkohol oder Schlafmangel, sondern viel häufiger (vor allem in Stadtwohnungen mit lauter Umgebung und nachts geschlossenen Fenstern) die Folge von zu hoher CO2-Konzentration im Schlafraum wegen Frischluftmangel ist.
Klaus Michael | Energieexperte und Geschäftsführer des Niedrig-Energie-Instituts