Hilfe für Prosumenten
Dank der zunehmenden Verbreitung kleiner Stromerzeugungsanlagen entwickeln sich immer mehr Energieverbraucher von reinen Stromkonsumenten zu kleinen Energieversorgern, die sich mit selbst produziertem Strom versorgen und sogar die großen Stromkonzerne beliefern. Die Clearingstelle EEG hilft den „Prosumenten“ bei rechtlichen Streitigkeiten.
Von Louis- F. Stahl
(23. Juni 2012, ergänzt am 07. September 2012) Wer eine Solarstromanlage oder ein Windrad installiert und wenigstens einen Teil der produzierten Energie selbst nutzt, gewinnt ein Stück Unabhängigkeit von den steigenden Strompreisen. Damit entstehen jedoch auch rechtliche Verpflichtungen und Ansprüche gegenüber dem Netzbetreiber. Doch schon bei der Frage, wer welchen Stromzähler für die neue Anlage installieren darf, gibt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dem Bürger leider keine klare Antwort.
Funktion der Clearingstelle
Der Gesetzgeber hat durch das Bundesumweltministerium eine Clearingstelle einrichten lassen, um solche praktischen Fragen bei der Anwendung des EEG zu klären. Die Clearingstelle EEG gibt mit ihren Hinweis- und Empfehlungsverfahren generelle Hinweise zu Fragen des Betriebs von Erzeugungsanlagen. Die Ergebnisse dieser Verfahren sowie häufig gestellte Fragen von Verbrauchern mit einer kleinen Stromerzeugungsanlage sind öffentlich auf der Webseite der Clearingstelle EEG abrufbar. Bei konkreten Streitigkeiten zwischen Anlagen- und Netzbetreibern bietet die Clearingstelle zudem kostenlose Votums- und Einigungsverfahren für eine schnelle und unbürokratische außergerichtliche Streitlösung ohne Anwaltszwang.
Eine individuelle rechtliche Beratung wie bei einem Fachanwalt für Energierecht kann die Clearingstelle EEG den Hilfesuchenden natürlich nicht bieten. Aufgrund ihrer umfangreichen Datenbanken ermöglicht die Clearingstelle EEG jedoch allen Ratsuchenden, Themen selbst zu recherchieren, und weist bei Anfragen auf passende Empfehlungen hin. Betreiber von fossil befeuerten stromerzeugenden Heizungen gehen jedoch bislang leer aus: Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen darf die Clearingstelle für sie nicht tätig werden.
Einspeisen und selbst abrechnen?
Er ist einer der führenden Experten im Energierecht und seit 2007 als Jurist bei der Clearingstelle EEG tätig: Dr. iur. Martin Winkler beantwortet häufige Fragen von Energieverbrauchern mit einer kleinen Erzeugungsanlage.
Dr. iur. Martin Winkler
ED: Herr Dr. Winkler, viele Netzbetreiber behaupten, dass Kleinanlagenbetreiber nicht berechtigt sind, eigene Ernte- und Einspeisezähler installieren zu lassen. Stimmt das?
Winkler: So pauschal ist das nicht richtig. Bei Anlagen, die vor dem 1. Januar 2012 in Betrieb genommen worden sind, können die Betreiber wählen, ob sie den Netzbetreiber oder einen fachkundigen Dritten, beispielsweise einen Elektro-Meister, damit beauftragen. Die Rechtslage für in diesem Jahr in Betrieb genommene Anlagen klären wir gegenwärtig in einem Empfehlungsverfahren.
ED: Dürfen die Betreiber von Kleinanlagen dem Netzbetreiber selbst eine Rechnung für den in das Netz eingespeisten Strom stellen oder müssen sie die kostenpflichtige Abrechnung vom Netzbetreiber akzeptieren?
Das kommt darauf an, ob der Anlagenbetreiber mit einem Einspeisevertrag die kostenpflichtige Abrechnung durch den Netzbetreiber „bestellt“ hat. Gibt es keinen Einspeisevertrag, so können die Betreiber den Strom selbst gegenüber dem Netzbetreiber abrechnen. Sie sollten es auf jeden Fall bis zum 28. Februar des Folgejahres tun, da sie sonst ihre Vergütungsansprüche verlieren können!
ED: Dürfen die Betreiber älterer Anlagen mit Volleinspeisung auf eine Eigenverbrauchsnutzung umsteigen?
Die Regelungen zum vergüteten Eigenverbrauch gelten nur für PV-Anlagen, die ab dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommen worden sind. Nach einem Gesetzentwurf zur Änderung des EEG, über den gegenwärtig der Bundesrat berät, ist eine Abschaffung der Vergütung des Eigenverbrauchs für PV-Anlagen mit einer Inbetriebnahme nach dem 31. März 2012 vorgesehen. Auch bei älteren oder neueren PV-Anlagen ist eine Eigenverbrauchsnutzung möglich, ein Vergütungsanspruch für den selbst verbrauchten Strom besteht für diese Anlagen jedoch nicht. Insbesondere nach Auslaufen der 20-jährigen Einspeisevergütung ist eine Eigenverbrauchsnutzung auch ohne Vergütung eine prüfenswerte Option.
ED: Können auch stromerzeugende Heizungen (BHKW) und PV-Anlagen mit kombiniertem Eigenverbrauch an einem Hausanschluss betrieben werden?
Ja, das ist grundsätzlich möglich. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf die richtige Anordnung der Zähler zu richten. Einzelheiten hierzu enthält die auf der Webseite der Clearingstelle EEG abrufbare Empfehlung mit dem Aktenzeichen 2011/2/2.
ED: Herr Dr. Winkler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Zweitfunktion als Schiedsgericht
(8. September 2012) Seit Beginn des Jahres 2012 hat die Clearingstelle EEG noch eine weitere Kompetenz: Bei Fragen zur Anwendung des EEG kann sie im Einzelfall neben Einigungs- und Votumsverfahren auch schiedsrichterliche Verfahren durchführen.
Fungiert die Clearingstelle EEG als Schiedsgericht, entfaltet ihr Schiedsspruch zwischen den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils, ist also verbindlich.
Ein Vorteil liegt darin, dass die Clearingstelle die Möglichkeit hat, Beweise zu erheben: Sie kann unter anderem Zeugen vernehmen, Sachverständige hinzuziehen und Gutachten einholen. Deshalb eignet sich ein schiedsrichterliches Verfahren insbesondere in Fällen, in denen sich Anlagen- und Netzbetreiber über Tatsachen streiten, die einen Anspruch auf Vergütung oder Netzanschluss/Kapazitätserweiterung begründen können. Das schiedsrichterliche Verfahren ist ebenfalls ideal, wenn es darum geht, Hinweise oder Empfehlungen des EEG auf den konkreten Einzelfall anzuwenden, oder wenn es um einfache Rechtsfragen geht.
Für das schiedsrichterliche Verfahren fallen derzeit keine Verfahrensentgelte an. Alle sonstigen Kosten, insbesondere für eine etwaige Beweiserhebung, müssen die Parteien tragen.