Strom aus der Erde: Utopie oder Zukunft?
Das technische Potenzial der geothermischen Stromerzeugung in Deutschland liegt beim 600-fachen des deutschen Jahres-strombedarfs. Zu diesem Schluss kommt der Sachstandsbericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages. Anders als Wind und Sonnenenergie steht die Erdwärme zuverlässig zur Verfügung und ist deshalb für die Deckung der Grundlast der Stromerzeugung gut geeignet.
Für die technische Nutzung zur Stromerzeugung braucht man Heißwasser von mindestens 100 C. Bei einer Temperaturzunahme von etwa 30 K pro km Tiefe steht damit für die geothermische Stromproduktion ein Tiefenbereich von drei bis sieben Kilometer Tiefe zur Verfügung. Eine sieben Kilometer tiefe Bohrung stellt momentan in etwa die technische Bohrgrenze dar. Die in einem Gesteinsblock von 1 x 1 x 7 km 3 gespeicherte Wärme entspricht etwa zehn Prozent des deutschen Jahreswärmebedarfs.
In einzelnen Gebieten wird eine Temperatur von 100 C bereits in einem Kilometer Tiefe erreicht, z B. in Landau. Die höchsten Untergrundtemperaturen kommen im Oberrheingraben vor.
Temperaturverteilung in ca. 3.000 Meter Tiefe. Quelle: TAB Arbeitsbericht Nr. 84, Februar 2003, S. 20.
In der Karte sind die Temperaturen in 3.000 Meter Tiefe abgebildet. Man erkennt besonders günstige Gebiete südlich von Berlin, südöstlich von München und im Oberrheingraben. Die Karte wurde aus der umfangreichen Datenbank für Tiefenbohrungen des Instituts für Geowissenschaftlichen Gemeinschaftsaufgaben Hannover (GAA) zusammengestellt.
Die Erschließung
Die Erdwärme wird durch zwei Bohrungen erschlossen im Abstand von einem bis zwei Kilometern. Zwischen beiden Bohrungen zirkuliert das Wasser. Mindestens ein Kubikmeter Wasser pro Minute wird in die eine Bohrung mit einer Temperatur von 30 bis 50 Grad und einem Druck von maximal 80 bar in die Erde gepresst. Aus der zweiten Bohrung tritt das Wasser mit einer Mindesttemperatur von 100 C wieder aus.
Einmal vollständig abgekühlte Gesteinsformationen benötigen einige Jahrhunderte, um wieder die ursprüngliche Temperatur zu erreichen. Wenn die Nutzung des gewaltigen Erdwärmepotentials über tausend Jahre gestreckt wird, dann ist die Nutzung nachhaltig: Man entnimmt dann soviel Tiefenwärme, wie aus dem Erdinnern ständig nachströmt. Daraus ergibt sich ein jährliches technisches Angebotspotential von 300 TWh. Das entspricht 60 Prozent des derzeitigen deutschen Stromverbrauchs.
Die Erdwärme unterliegt keinen tages- und jahreszeitlichen Schwankungen und kann daher zur Bereitstellung von Grundlaststrom eingesetzt werden. Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das stimmig, da die Erdwärme hohe Kapitalkosten und geringe Arbeitskosten aufweist. Die gesamte Grundlast könnte durch Erdwärme bereitgestellt werden und die derzeitige Grundlaststromerzeugung aus Kohle und Atomenergie ersetzen. Die Erdwärme kann neben dem Strom auch gleichzeitig Wärme für Heizungszwecke und Einspeisung in Fernwärmenetze bereitstellen.
Gesteinsstimulation
Für die technische Machbarkeit der Erdstromerzeugung kommt es neben der Bohrtechnik auch auf die Stimulation an. Durch Stimulation wird die Wasserdurchlässigkeit des Gesteins verbessert: Aus dem Gestein wird dadurch ein Wärmetauscher. Denn man benötigt eine Mindestwassermenge von etwa einem Kubikmeter pro Minute zur Stromerzeugung. Beim HDR (Hot Dry Rock)-Verfahren erzeugt man durch hohen Druck unter Nutzung der Gesteinsspannungen mehrere Hundert Meter lange und bis zu zehn Millimeter breite Risse im Gestein. Durch Einspülen von Sand werden die Risse offen gehalten. Die Rissfläche kann bei einem Bohrlochabstand von einem Kilometer eine Fläche von fünf bis zehn Quadratkilometer betragen.
Die Stromerzeugung aus Erdwärme
Die Stromerzeugung arbeitet mit dem Clausius-Rankine-Verfahren mit organischen Arbeitsstoffen (Organic Rankine Cycle ORC). Im Unterschied zum Dampfturbinenprozess wird ein niedrigsiedendes organisches Arbeitsmittel statt Wasser eingesetzt. Die Wärme aus der Erde wird durch Wärmetauscher auf dieses Arbeitsmittel übertragen. Der Generator-Wirkungsgrad liegt bei Wasser mit hundert Grad bei acht Prozent.
Bis zur Hälfte des erzeugten Strom wird für den eigenen Strombedarf der Anlage, Förderung und Injektion des Warmwassers, verbraucht. Durch den geringen Wirkungsgrad fallen bei der Stromerzeugung große Mengen an Abwärme mit einer Temperatur von 70 C an. Die Wirtschaftlichkeit verbessert sich durch die Nutzung dieser Wärme ganz entscheidend. Die ORC-Technik ist ausgereift und international verbreitet. Dennoch gibt es ein gewaltiges anlagetechnisches Optimierungspotential, insbesondere durch die Wahl eines geeigneten Arbeitsmittels.
Eine viel versprechende Weiterentwicklung ist der so genannte "Kalina-Prozess". Hier wird ein Gemisch aus Ammoniak und Wasser als Arbeitsmittel eingesetzt. Der Wirkungsgrad ist deutlich höher gegenüber dem ORC-Verfahren, verbunden mit 30% geringeren Erzeugungskosten. Die Kalina-Technik steht jedoch noch am Anfang der Entwicklung. Eine erste Anlage wurde 2001 in Husavik/Island in Betrieb genommen, eine weitere in Steamboat Springs/Nevada.
Die Kosten
Die Kosten des Erdstroms liegen unter derzeitigen Bedingungen bei 22 Cent/kWh. Die Kosten für Bohrung, Stimulation und Pumpen machen dabei 70% aus, die restlichen Kosten entfallen auf die ORC-Anlage, die Wasserleitung und die Betriebskosten. Die Nutzung der Abwärme reduziert die Erzeugungskosten auf 18 Cent/kWh. Durch günstige Gesteinskonstellationen können die Erzeugungskosten auf ca. 8 Cent/kWh fallen.
Die Kosten des Erdstrom liegen deutlich über den Kosten anderer regenerativer Stromquellen mit Ausnahme der Photovoltaik. Anders als andere regenerative Systeme ist der Erdstrom verlässlich verfügbar. Backup-Systeme sind daher nicht notwendig und verbessern die Wirtschaftlichkeit. Der Erdstrom befindet sich in einem frühen Entwicklungs- und Einsatzstadium und weist deshalb noch große Entwicklungspotentiale zur weiteren Kostenverminderung auf.
Umweltverträglichkeit
Unter Umweltgesichtspunkten ist der Erdstrom sehr vorteilhaft, da nur sehr geringe Emission zuzurechnen sind. Auch ein Störfall bei der Erdstromerzeugung führt kaum zu Umweltschäden. Die Umweltbelastungen der Erdstromerzeugung sind nur gering.
Nachteilig bei der Erdstromerzeugung ist die geringe Planbarkeit und die noch relativ hohen Kosten.
Ein Szenario
Nimmt man an, dass fünf Prozent der Stromerzeugung durch Erdwärme bereitgestellt werden, dann wären hierfür 350 Anlagen mit einer Leistung von je 10 MW Leistung erforderlich. Je Kraftwerk müssten 70 Mio. Euro investiert werden. Es würden sich Stromgestehungskosten von sechs Cent je Kilowattstunde ergeben. Braunkohlekraftwerke erzeugen den Strom für 2,5 Cent/kWh.
Fazit
Die Technologie der geothermischen Stromerzeugung befindet sich noch weitgehend im Forschungs- und Entwicklungsstadium. Durch Weiterentwicklung lassen sich noch beträchtliche Potenziale für signifikante Kostenreduzierungen erschließen. Nur wenn es gelingt, diese Potenziale zu erschließen, eröffnen sich für die geothermische Stromerzeugung große Marktchancen in Deutschland.
Die staatliche Förderung muss für diesen Bereich noch ausgeweitet werden.
TAB Arbeitsbericht: Möglichkeiten geothermischer Stromerzeugung in Deutschland