ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)
Nicht nur grünen Strom gibt es. Rund 30 bundesweite Gasanbieter verkaufen Erdgas mit einem Biogas-Zusatz.

Wie grün ist Biogas wirklich?

Nicht nur grünen Strom gibt es. Rund 30 bundesweite Gasanbieter verkaufen Erdgas mit einem Biogas-Zusatz. Doch daran scheiden sich die Geister: Für die einen ist es der Hoffnungsträger schlechthin, für die anderen das Übel in Person. Informationen und Fakten zum Thema.

(3. September 2011) Pflanzen wandeln Sonnenlicht in chemische Energie um – die Biomasse. Was liegt näher, als diesen Prozess einfach umzukehren, also aus Biomasse wie Holz, Stroh oder Pflanzenresten wieder Energie zu gewinnen? Energie aus Biomasse stellte 2009 70 Prozent der Energieerzeugung aus Erneuerbaren.

1090 Grafik Bedeutung der Bioenergie innerhalb der erneuerbaren Energien 2009

Biogas ist ein Gemisch aus 60 Prozent Methan (CH4), 35 Prozent CO2, drei Prozent Wasserdampf sowie geringe Anteile von Schwefel und Ammoniak. Die Zusammensetzung hängt sehr stark vom eingesetzten Rohstoff ab. Es ähnelt damit dem Erdgas, das zu rund 95 Prozent aus Methan besteht, jedoch nur einen geringen CO2-Anteil hat.

Gut fürs Klima

Das Öko-Institut hat die Treibhausgas-Emissionen von konventionellen Treibstoffen und von Biokraftstoffen verglichen. Ergebnis: Rapsöl, Biodiesel und Bioethanol halbieren die Treibhausgas-Emissionen gegenüber konventionellem Treibstoff.

Erzeugung von Biogas

Biogas entsteht aus der Vergärung nachwachsender Rohstoffe wie zum Beispiel Mais, zu geringen Teilen auch landwirtschaftliche Reststoffe wie Gülle, Mist, Schlachthofabfällen, Essens- und Pflanzenresten. Es werden aber auch gezielt deshalb Pflanzen angebaut (nachwachsende Rohstoffe), um sie dann zu Biogas zu vergären. Es gibt in Deutschland rund 7.000 Biogasanlagen. Ihre Zahl wächst rasant: Im Jahr 2009 waren hierzulande erst 4.671 solcher Anlagen in Betrieb.

Regionale Akzeptanz

Oft protestieren Anwohner gegen neue Biogasanlagen. Sie befürchten Geruchsbelästigungen und sogar Explosionsgefahr. Doch eine korrekt betriebene Biogasanlage stinkt nicht. Gülle aus Tierhaltung ist nach einer Vergärung in der Biogasanlage sogar wesentlich weniger geruchsbelastend und eignet sich besser als Dünger.

Biogasanlagen sind zudem eine wichtige Quelle regionaler Wertschöpfung und schaffen Arbeitsplätze und Einkommen. Das gilt auch für Entwicklungsländer, in denen Biogasanlagen wichtige Quellen regionaler Entwicklung darstellen und gleichzeitig die Abhängigkeit vom Import fossiler Energieträger vermindern.

Verstromung von Biogas

Das Biogas wird vielfach direkt am Erzeugungsort in einem Motor verstromt. Die dabei entstehende Wärme nutzt man entweder zum Heizen oder kühlt sie weg. Im Jahr 2011 wurden rund 13 Terawattstunden oder elf Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien aus Biogas erzeugt. Wer Strom aus Biogas produziert, erhält nach dem neuen EEG ab dem 1. Januar 2012 eine über 20 Jahre feste Einspeisevergütung, wenn mindestens 60 Prozent der entstehenden Wärme genutzt werden. Doch im Umkreis von Biogasanlagen finden sich häufig nur Felder und Wälder. Nur wenige Siedlungen könnten die Überschusswärme aus der Biogasverstromung verwerten.

Biogas ins Erdgasnetz

Kann die Abwärme der Stromerzeugung nicht genutzt werden, sollte man das Biogas ins Erdgasleitungsnetz einspeisen. Es muss allerdings zuvor aufbereitet werden: Das Biogas muss dazu gereinigt werden, CO2 muss herausgetrennt werden und man muss es auf den Druck der Erdgasleitung bringen. Man spricht dann von „Biomethan". Biomethan und Erdgas sind chemisch identisch, stammen jedoch aus unterschiedlicher Kinderstube.

2010 wurden von 44 Anlagen bereits drei Terawattstunden aufbereitetes Biogas ins Erdgasnetz eingespeist. Das sind 0,3 Prozent der fossilen Erdgasmengen. Bis 2020 sollen es nach den Zielen der Bundesregierung 60 Terawattstunden sein.

Die Herstellungskosten für Biomethan liegen laut dem Biogas-Monitoring-Bericht 2011 der Bundesnetzagentur zwischen 1,3 Cent und 9,3 Cent je Kilowattstunde. Der Erdgasimportpreis lag 2010 bei durchschnittlich zwei Cent je Kilowattstunde.

1090 Biogas-Anlage

Anders als bei der Einspeisung von erneuerbarem Strom ins Stromnetz gibt es für die Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz derzeit keine Mindestvergütung. Allerdings sind die Gasnetzbetreiber dazu verpflichtet, Biomethan in ihr Gasnetz aufzunehmen, und müssen die Betriebskosten der Gasaufbereitung sowie die Netzanschlusskosten übernehmen.

Wer Biogas einspeisen will, muss also selbst einen Käufer oder Händler für sein Biomethan finden, der einen akzeptablen Preis zahlt. Dabei muss er Verträge mit dem Gasnetzbetreiber, mit dem Gashändler und eventuell mit dem Gaskäufer aushandeln und abschließen – ein komplexes Geschäft, für das Biogas-Produzenten meist einen Anwalt benötigen. Man stelle sich vor, die Windkraftbetreiber und PV-Anlagenbesitzer müssten sich selbst ihre Stromkäufer suchen.

Warum Strom und Gas derart unterschiedlich behandelt werden, ist nicht nachvollziehbar: Nur eine gesetzlich garantierte Mindestvergütung analog zum Strom könnte den Ausbau der Biogaserzeugung und Einspeisung verstetigen und beschleunigen.

Vermarktung von Biomethan

Biomethan findet im Gasnetz verschiedene Abnehmer: die Betreiber von Blockheizkraftwerken, die Beimischung zu Gaskraftstoffen für Fahrzeuge und Heizgasabnehmer, etwa Privathaushalte. Die Betreiber von Blockheizkraftwerken stehen vor der Wahl: Sie können Biomethan aus dem Gasnetz beziehen und sich ihren Strom nach dem EEG vergüten lassen. Dazu müssen sie jedoch mindestens 60 Prozent der entstehenden Wärme nutzen. Alternativ können sie sich nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vergüten lassen. Finden sie einen Stromabnehmer, ist letztere Variante für sie meist günstiger.

Bei Fahrzeugen, die mit Autogas fahren, ist ein Biomethan-Anteil von zehn Prozent möglich und führt zu einer Steuerbefreiung für das getankte Gas. Die Abnahmemengen sind aber nur gering.

Vergleich zur Photovoltaik

In Deutschland scheint die Sonne im Jahresmittel mit einer Leistung von 110 Watt je Quadratmeter. Der Wind hat je Quadratmeter eine Leistung von drei Watt und die Photosynthese liefert aus der Sonne 0,2 Watt je Quadratmeter. Die Photosynthese nutzt also nur ein halbes Tausendstel der ankommenden Solarenergie. Merke: Biomasse sollte in höchstem Maße sparsam und effizient für unseren Energieanspruch eingesetzt werden, auch weil sie zugleich die Lebensgrundlage aller Organismen ist.

Ein simpler Vergleich der Stromerträge pro Hektar Fläche zeigt ebenfalls, wie die Prioritäten liegen: Ein Maisfeld erbringt über eine Biogasanlage und anschließende Stromerzeugung 25 Megawattstunden Strom, eine Solaranlage auf der Fläche bis 500 Megawattstunden. Die PV-Anlage liefert also 20-mal mehr Strom – allerdings nur bei Sonnenschein und im Sommer deutlich mehr als im Winter. Eine Biogasanlage dagegen produziert ganzjährig Strom und kann Gas oder Strom gezielt bei Bedarf liefern.

Der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt ist Heizgas. 38 Gasanbieter verkaufen Erdgas mit einer Beimischung von Biomethan. Die Beimischung liegt zwischen zehn und 100 Prozent, etwa bei der Bodensee Energie Friedrichshafen. Andere Gasanbieter vermarkten Erdgas, das sie auf dem Papier „klimaneutral" gemacht haben, in dem sie entsprechende Zertifikate zukauften. Der Nutzen dieser Vorgehensweise ist jedoch äußerst fraglich. Lichtblick vermarktet Gas mit einem Biomethan-Anteil von fünf Prozent, bei Naturstrom kann man zwischen zehn, 20 und 100 Prozent Biomethan wählen. Viele Anbieter bleiben aber auf dem teuren Biomethan sitzen.

Wer als Verbraucher Biomethan bezieht, bekommt – genau wie bei Öko-Strom – genau denselben Gasmix aus der Leitung wie zuvor. Doch anders als bei Ökostrom führt jeder Kubikmeter gekauftes Biomethan dazu, dass mehr Biogas ins Netz eingespeist wird.

Synthetisches Erdgas

Überflüssiger Strom kann auch dazu dienen, Methan beziehungsweise Erdgas künstlich herzustellen: Elektrizität spaltet Wasser auf in Wasserstoff und Sauerstoff (Elektrolyse). Aus Wasserstoff und CO2 wird dann Methan und Sauerstoff erzeugt. Man spricht von synthetischem Erdgas (SNG) oder – wenn der Überschuss-Strom aus Photovoltaik – beziehungsweise Windkraftanlagen stammt – von Solar- beziehungsweise Windmethan. Für die Entwicklung dieses Verfahrens erhielt der französische Chemiker Paul Sabatier im Jahr 1923 den Chemie-Nobelpreis. Das Verfahren wird derzeit unter der Bezeichnung „Solarfuel" in Testanlagen beim Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) in Stuttgart erprobt. 2013 soll die erste große Anlage in Werlte im Emsland in Betrieb gehen. Sie schluckt 6,3 Megawatt Strom und ist 250-mal größer als die Testanlage von ZSW. Die Förderung von synthetischem Erdgas soll künftig der Förderung von Biogas gleichgestellt werden.

Bis zu 15 Prozent Wasserstoff kann man auch direkt ins Erdgasnetz einspeisen, ohne das Gas zuvor in Methan umzuwandeln. Das früher übliche Stadtgas hatte sogar einen Wasserstoffanteil von 50 Prozent und wurde durch Vergasen von Kohle erzeugt. Später verdrängte das günstigere Erdgas diese Mischung.

Das Gasnetz als Speicher

Der enorme Charme von synthetischem Methan liegt in seiner guten Speicherbarkeit: Das Erdgasnetz ist ein ohnehin vorhandener riesiger Speicher. Es könnte den gesamten Windstrom eines Kalenderjahres aufnehmen. Seine Speicherfähigkeit entspricht dem Jahresstromverbrauch aller deutschen Haushalte.

Der große Nachteil ist jedoch der hohe Energieverlust bei der Umwandlung, die 20 bis 40 Prozent der eingesetzten Energie beansprucht. Bei der Rückwandlung von Methan in Strom gehen nochmals mehr als 60 Prozent Energie verloren. Die Umwandlungskosten für Power-to-Gas liegen derzeit bei rund sieben Cent je Kilowattstunde. Die Stromkosten fallen dabei jedoch nicht ins Gewicht, weil nur Strom genutzt wird, der ansonsten gar nicht erzeugt und ins Netz eingespeist werden würde. Das lässt auch die hohen Umwandlungsverluste verschmerzen. Wenn eine Umwandlungsanlage allerdings nur dann läuft, wenn zu viel Strom im Netz ist, arbeitet sie mit geringer Auslastung und entsprechend hohen Kosten.

Biokraftstoffe der zweiten Generation

Wenn eine Pflanze wächst, wandelt sie das Sonnenlicht in chemische Verbindungen um. Teilweise handelt es sich dabei um leicht verwertbare Zucker, etwa wie in Früchten, oder wertvolles Fett, etwa in den Samen der Rapspflanze. Doch wenn man nur das Pflanzenöl verwendet, bleibt der größte Teil der von der Pflanze durch Sonnenlicht erzeugten Biomasse-Energie ungenutzt, nämlich Wurzel, Stroh und Blätter.

Biokraftstoffe der zweiten Generation nutzen daher die gesamte Pflanze einschließlich der bisher ungenutzten Teile. Dadurch löst man das Dilemma zwischen der Nutzung der Pflanze als Nahrungsmittel und als Energielieferant: Das Korn dient als Nahrungsmittel, die restliche Pflanze als Energierohstoff.

Das klingt ideal, wird in der Praxis jedoch kaum gemacht, denn die Techniken zur Umwandlung von Pflanzenabfällen in Kraftstoff stecken noch in den Kinderschuhen. Beim Raps allerdings ist der sogenannte Rapskuchen schon heute ein beliebtes Futtermittel.

Benzin aus Sonnenkraft?

Bis vor kurzem waren sich Wirtschaft und Politik einig, dass die Zukunft dem Biomass-to-Liquid-Verfahren (kurz: BtL) gehört. Dabei werden Pflanzenreste vergast, um daraus Benzin zu gewinnen: das sogenannte „sun-fuel". Choren-Industries versuchte, eine Pilotanlage zur Verflüssigung von Pflanzenabfällen in Freiberg/Sachsen zu bauen. Doch im Juli 2011 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Allerdings wollte man bei Choren Holz verflüssigen zu einem Preis von vier Euro je Liter. Das ist wenig sinnvoll, da Holz auch direkt in Heizungen Öl ersetzen kann. Für die Herstellung musste mehr Energie eingesetzt werden, als das Endprodukt später enthält.

Das Industrieunternehmen Verbio hat ein Verfahren entwickelt, um aus Stroh und anderen Pflanzenresten Biogas und Bioalkohol herzustellen. Es wird im industriellen Maßstab bereits in Zörbig und Schwedt eingesetzt. Dadurch steigt der Energieertrag je Flächeneinheit um 50 Prozent. Gleichzeitig verbraucht die Herstellung 40 Prozent weniger Energie.

Flüssiger Biotreibstoff: Bioethanol

Aus pflanzlichen Reststoffen oder Energiepflanzen kann durch Vergärung auch Ethanol - umgangssprachlich: Alkohol (C2H5OH) – erzeugt werden. Bioenthanol kann auch durch Vergasung aus Biomasse hergestellt werden.

Im Gegensatz zu gasförmigem Biogas ist Bioethanol flüssig und daher einfacher zu lagern und zu transportieren. Bioethanol kann einfach zum Kraftstoff zugemischt werden, es entsteht das vieldiskutierte E10. Aber es gibt auch E5, E20 oder sogar E100. 2010 stammten bereits ein Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs aus Bioethanol. Und während sich die Gemüter noch um das verrufene E10 erhitzten, gibt es bereits zahlreiche Autos, die problemlos mit E85 fahren – sogenannte Flexible Fuel Vehicles, etwa von Ford.

1090 Biogas-Anlage

Bioethanol kann übrigens ähnlich wie Methan auch synthetisch direkt aus Strom und CO2 erzeugt werden. Entsprechende Verfahren sind zwar im Labormaßstab verfügbar, großtechnisch jedoch nicht erprobt.

Pflanzenöl und Biodiesel

Werden Pflanzen nicht vergärt oder vergast, sondern deren Samen ausgepresst, entsteht Pflanzenöl. Das kann man bei Aldi oder einer Ölmühle kaufen und damit in der Küche braten. Genauso gut kann man es – theoretisch – in einem Diesel-PKW oder LKW in den Tank schütten. Daneben gibt es aus Pflanzenöl industriell hergestellen Biodiesel. Bereits gut vier Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs stammen heute aus Biodiesel. Doch der Boom dieser Kraftstoffform ist vermutlich vorbei: War Pflanzenöl zunächst noch völlig von der Mineralölsteuer befreit, wurde 2006 die Steuerbefreiung aufgehoben. Ab dem 1. Januar 2012 unterliegen Pflanzenöl und Biodiesel sogar dem vollen Minerölsteuersatz (47 Cent je Liter). Das bedeutete den frühen und schnellen Tod für Pflanzenöl als Kraftstoff. Ab 2012 bekommt Strom aus Pflanzenöl nicht einmal mehr eine Vergütung aus dem EEG.

Literatur: Mediathek der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.

Energiebilanz

Sehr aufschlussreich ist ein Vergleich zwischen dem Energieaufwand für den Anbau und die Ernte und die Aufbereitung mit dem Energieinhalt des Treibstoffs. In einer Studie von 2008 unterscheidet das Öko-Institut den Einsatz fossiler Energieträger und von Energie in Form von Pflanzen. Auch Prof. Ernst Schrimpff, Weihenstephan, macht Angaben zur Energieeffizienz der Bioenergieproduktion.

Für die Herstellung einer Kilowattstunde Kraftstoffäquivalent ist folgender Einsatz an Energie notwendig:

Energieeffizienz Energieeinsatz zur Erzeugung einer Kilowattstunde
Fossil Pflanzlich Insgesamt
Öko-Institut
Schrimpff
Biodiesel 0,3 1 1,3 0,3
Pflanzenöl 0,3 0,9 1,2 0,14
Ethanol (Brasilien) 0,2 4,6 4,9 0,8
Ethanol (Weizen) 0,5 1 1,5 0,8
Biomethan (Mais) 0,4 1,6 2 0,8
Tank oder Teller?

Am Stammtisch und in ähnlichen Diskussionsrunden findet Energie aus Biomasse meist keine Gnade: Es heißt häufig, der Energieeinsatz für die Gewinnung von beispielsweise Biodiesel oder Ethanol übersteige die Ausbeute. Zudem ist oft die Rede von verheerenden Umweltfolgen und das Argument, man würde den Armen der Welt das Brot wegnehmen, um damit hier Auto zu fahren. Was ist wirklich dran an diesen Argumenten? Die Energiedepesche hat die Fakten recherchiert.

Es ist ein trauriger Fakt: Während wir Biosprit tanken, verhungern Millionen Menschen. Aber Hunger ist ein Armutsproblem, kein Flächenproblem. Die Ursache für den Hunger der Welt liegt nicht in unserem Tank, sondern in der ungleichen Verteilung von Reichtum zwischen und in den Ländern der Erde. Auch stimmt es nicht, dass die Anbauflächen von Bioenergie und Nahrungsmittel weltweit konkurrieren: Global werden selbst in Zukunft nicht alle Agrarflächen für die Nahrungsmittelproduktion gebraucht. Etwa zwei Prozent der weltweit genutzten Agrarflächen dienen gegenwärtig der Produktion von Biokraftstoffen. Auf der anderen Seite benötigt man 60 Prozent aller Ernteerträge für die Futtermittelproduktion. Und etwa die Hälfte der weltweiten Agrarflächen werden noch ineffizient bewirtschaftet.

Es heißt also nicht, „Tank oder Teller" – obwohl die Menschheit fraglos vor der Herausforderung steht, alle Menschen auf der Erde satt zu bekommen. Aber der Ausbau von Bioenergien verursacht keinen Hunger, weder bei uns, noch in der übrigen Welt.

In Deutschland wachsen derzeit auf elf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen Energiepflanzen. Bis 2020 könnte sich dieser Anteil gut verdoppeln. Doch selbst dann steht in Deutschland genug Fläche für Nahrungs- und Futtermittelproduktion zur Verfügung. Und die hierzulande geltende Nachhaltigkeitsverordnung stellt sicher, dass auch importierte Biostoffe ökologischen Kriterien genügen.

Weitere Argumente hier: Biosprit ist besser als sein Ruf

 Download Schrimpff Energiepflanzen-Nahrungsmittel 

Anmerkung von Prof. Schrimpff:

Der öko-soziale Wert von Biogas-Anlagen

Biogas-Anlagen, die ausschließlich mit Mais- und /oder Hirse-Silage betrieben werden, sind problematisch:

  • Sie stellen langjährige Monokulturen mit nur geringer Biodiversität dar,
  • zusätzlicher Flächenanspruch führt häufig zu Pachtpreiserhöhungen.

Zur Zeit werden einige Alternativen angedacht bzw. schon umgesetzt.

Ebenfalls problematisch sind:

  • Zucker- bzw. Energierüben anstelle von Mais auf Löß-Böden höchster Qualität
  • Zwar erreicht man mit Rüben etwa die gleichen Biogas-Erträge, aber sie sind auch Monokulturen mit sehr geringer Biodiversität.
  • Ferner führen sie zu mehr Problemen mit Bodenverdichtung wegen größerer Achslasten vor allem bei der Ernte (Gewicht der Rüben!).

Mais-, Hirse- und Rüben-Kulturen erfordern einen hohen Bearbeitungsaufwand, wurzeln nicht sehr tief und führen bei konventionellen Anbauverfahren zu erheblicher Bodenerosion.

Perspektivisch wesentlich vorteilhafter wären:

  • Grünland-Schnitt als Biogas-Substrat (z.B. im Allgäu, nach Aufgabe von Milchkuh- oder sogar Rinderhaltung),
  • Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum L.), ein mehrjährig. Korbblütler,
  • Topinambur (Helianthus tuberosus L.), ebenfalls mehrjähriger Korbblütler,
  • Artenreicher Kleegras-Anbau,
  • Anbau von Wildkraut-Blühmischungen (z.B. in Veitshöchheim & Aulendorf).

Es handelt sich um mehrjährige Bestände, die nur anfangs Bodenbearbeitung und Düngung und über die Jahre kaum Pflege erfordern, die ganzjährig eine Boden-bedeckung ermöglichen, also bodenschonender sind, und deren Blühangebot und Bodenbiodiversität erheblich größer ist, als bei den vorgenannten einjährigen Kulturen. Die Bodendurchwurzelung ist tiefgründiger und Bodenerosion kommt so gut wie nicht vor.

Das gegenwärtige Problem ist, dass deren Ertragsleistung hinsichtlich Biogas bisher noch unter Mais und Rübe liegt. Die Erfahrungen mit den vier Letztgenannten sind noch gering, weitere Versuche bzw. Züchtungen werden aber Ertragssteigerungen in den nächsten Jahren bringen.

Die wahre Sinnhaftigkeit von Biogas-Anlagen

Immer noch wird in vielen Regionen die anfallende Rohgülle aus Ställen unvergoren auf die Felder ausgebracht. Diese Praxis ist besonders in Siedlungsnähe wegen des starken Gülle-Gestankes, der auf Mercaptane, Indole, Skatole, Schwefelwasserstoff und Ammoniak zurückgeht, sehr lästig und umweltschädlich (Ammoniak steht im Verdacht für das Waldsterben mitverantwortlich zu sein!).

Eine Vergärung der Rohgülle in Biogas-Anlagen sollte deshalb zur Pflicht gemacht werden, denn die Biogasgülle ist nahezu geruchsfrei, dünnflüssiger und für Boden und Umwelt wesentlich wertvoller, wie J.A. Lutzenberger (1997:2-4)2 belegt.

Grundsätzlich sollten Biogas-Anlagen weniger mit dafür angebauten Energiepflanzen sondern mehr mit Gülle und organischen Abfällen wie Brot- und Speiseresten und Schlachthofsabfällen betrieben werden, also zur Verwertung und energetischen Nutzung von wasserreichen Bioabfällen dienen (trockene und faserreiche Rück-stände sollten besser kompostiert werden!). Dabei wäre dem Wert der Biogasgülle als hochwertigem Dünger und Vitalisierer von Kulturpflanzen im Sinne von Lutzenberger endlich mehr mehr Beachtung zu schenken. Solche Anlagen sollten in einer nachhaltigen Gesellschaft und zukünftig absoluten Vorrang haben!

Allerdings müsste der Trend zu immer größeren Anlagen (vor allem im Zusammenhang mit der Massentierhaltung) gebrochen werden. Denn die Nährstoffkreislaufe können dann nicht mehr sinnvoll geschlossen werden, wenn große Transporte der Futtermittel einerseits und der Abfallstoffe (Biogasgülle) andererseits die Energiebilanz solcher Anlagen erheblich verschlechtern.

Sofern die Abwärme von Biogas-Anlagen nicht sinnvoll genutzt werden kann, sollte die Veredlung von Biogas in Biomethan (Erhöhung des Methan-Gehaltes von ca. 60% bei Biogas auf über 90% im Biomethan) vorgenommen werden und dieses ins Erdgasnetz eingespeist werden. Inzwischen gibt es Aufbereitungs-Technologien, die auch bei mittleren und kleinen Biogas-Anlagen Anwendung finden können (z.B. das Membran-Tennverfahren aus Österreich 3) . Damit würde schrittweise Erdgas im Erdgasnetz durch Biomethan ersetzt werden.

Inzwischen gibt es erste Vereinbarungen für naturverträglichen Energiepflanzen-Anbau zwischen dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Biogasanlagen-Betreibern, die auf dem „10-Punkte-Papier Biogas" des NABU beruhen. Unter anderem soll die Lagerkapazität für Gärreste 9 Monate betragen, keine Fruchtart im Substratmix einen Anteil von mehr als 50% haben (Energiepflanzenvielfalt), kein Grünland umgebrochen werden sowie Extensivgrünland, Blühstreifen und ähnliche Ausgleichsflächen 10% der Anbaufläche ausmachen. Das ist sicher ein hoffnungs-voller Anfang, der mit der Forderung von mehrjährigen Mischkulturen ergänzt werden sollte.

Schlussfolgerungen

Im Kontext der zukünftigen Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien wird die Biogas-Erzeugung aus physikalischen Gründen (siehe 1. und 2.) eine untergeord-nete Rolle spielen. Dennoch ist und bleibt sie bedeutend, weil Biogas neben Holzgas (Gewinnung in Holzvergasungsanlagen) und Pflanzenölen (aus Samen & Früchten) gespeicherte Sonnenenergie darstellt, die dann gezielt und effizient eingesetzt werden kann, wenn Energie aus Sonne und Wind nicht verfügbar ist.

Zukünftige Biogas-Anlagen sollten vorrangig mit Gülle und Bioabfällen möglichst dezentral betrieben werden, um mit Hilfe der wertvollen Biogasgülle die kleinen Nährstoffkreisläufe vollständig schließen zu können und die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Sofern Energiepflanzen für die Biogas-Erzeugung angebaut werden, dürfen es in Zukunft keine einjährigen Monokulturen, sondern sollten es mehrjährige Mischkulturen (z.B. Kleegras, Wildkraut-Blühmischungen u.ä.) sein, die kaum Bodenbearbeitung und Düngung erfordern, dauerhafte Begrünung der Böden ermöglichen, daher keine nennenswerte Bodenerosion zulassen und größtmögliche Biodiversität in die Landschaft bringen.

Die Schließung von kleinen Nährstoffkreisläufen in einer naturnahen Landwirtschaft müsste Leitvorstellung sein. Biogas-Anlagen haben dann ihre volle Berechtigung!

Quellen

1 SCHRIMPFF, E. (2007): „Biomasse – massenhaft verfügbar?" in: bioland 10/2007, S. 8-9

2 LUTZENBERGER; J.A. (1997): „Gülle - Biogas - Pflanzengesundheit" unveröff. Manuskr., 10 Seiten

3 DANY, C. (2011): „Biomethan – Filtern auf molekularer Ebene" in: energie pflanzen 1/2011, S. 19-21

Prof. em Dr. Ernst Schrimpff, FH Weihenstepfan, 85350 Freising, eschrimpff@hotmail.com

letzte Änderung: 02.05.2024