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Versorger am digitalen Pranger

Wenn Energieversorger gesetzeswidrig den Strom abdrehen, sind die Betroffenen oft ohnmächtig. Das soll sich jetzt ändern

Versorger am digitalen Pranger

Wenn Energieversorger ihren Kunden gesetzeswidrig den Strom abdrehen, sind die betroffenen Verbraucher oft ohnmächtig. Nicht betroffene Kunden und Politiker erfahren indes nichts von diesen miesen Machenschaften. Das soll sich jetzt ändern: Die Dokumentationsstelle für ENERGIEUNRECHT nennt betroffene Unternehmen öffentlich.
Von Wulf Kannegießer

(8. Dezember 2008) - Meckern ist jetzt keine Kunst: Angesichts der aktuellen Preisentwicklungen für Gas und Öl haben Verbraucher wenig zu lachen. Wer sich gegen teils dramatische Preiserhöhungen nicht bloß zu Wort meldet, sondern zur Wehr setzt, den beschleicht schnell das Gefühl, dass der kleine David im biblischen Kampf gegen den Riesen Goliath beschlichen haben muss.

Seit rund zwei Monaten begnügt sich der Bund der Energieverbraucher e. V. nicht mehr nur mit Meckern. Er hat eine Dokumentationsstelle ENERGIEUNRECHT eingerichtet, die Fälle von ungesetzlichen Versorgungssperren sammelt und veröffentlicht. In einem ersten Schritt erarbeitete der Verein dazu formale Voraussetzungen, um jegliche Art von illegalen Maßnahmen zu erfassen, mit denen Versorger ihren Kunden das Leben schwer machen.

Fragebogen im Internet

Dazu entstand zunächst ein Fragebogen im Internet. Dieser gibt Betroffenen die Möglichkeit, ihren Fall in fast 50 Teilbereichen präzise zu schildern und der Dokumentationsstelle ENERGIEUNRECHT alle nötigen Daten zu liefern, um alle Fälle katalogartig zu erfassen - und die Tricks der Versorger besser aufzudecken.

Schweigsame Versorger

In den meisten seither gemeldeten Fällen gelang es dem Verein anhand der detaillierten Kundendaten, Kontakt zum jeweiligen Versorger aufzunehmen und zum jeweiligen Fall konkrete Fragen zu stellen. Allerdings hielt sich die Mitwirkungsbereitschaft der bisher kontaktierten Versorger auffällig in Grenzen. Meist blieben Mails zu speziellen Kundennummern und -fällen ohne Antwort. Dennoch konnte die Dokumentationsstelle durch die Auswertung detailliert ausgefüllter Fragebögen widerrechtliche Verhaltensmuster der einzelnen Versorger aufdecken.

Wichtige Details

Je mehr Detail-Fragen geschädigte Kunden beantworteten, desto effizienter gelingt diese Auswertung im Einzelfall -und desto kürzer ist die Zeitspanne, bis zur Nachfrage bem Versorger. Dabei zeigten sich jedoch auch die ersten Probleme. So hat eine Familie aus Thüringen in ihrer Fallschilderung an die Dokumentationsstelle kaum ein Viertel der aufgelisteten Fragen beantwortet. Müssen die Mitarbeiter wichtige Eckdaten umständlich per Telefon oder gar schriftlich beim Versorger erfragen, verzögert sich nicht nur die Bearbeitung und Bewertung des gemeldeten Falls, sondern wird nahezu unmöglich. Das gilt insbesondere für Betroffene, die darauf verzichten, ihre Kontaktdaten vollständig anzugeben. Wie himmelschreiend das Unrecht auch sein mag, das einem Kunden widerfahren ist - ohne eine Adresse, Telefonnummer oder Mail-Anschrift ist es für die Dokumentationsstelle nahezu unmöglich, Nachfragen zu stellen, Angaben zu präzisieren oder Einblick in Vertragsunterlagen zu nehmen. Das aber sind die Grundvoraussetzungen dafür, dass die Dokumentationsstelle wirksam tätig sein kann.

Keine Hilfestellung möglich

Das Konzept der Dokumentationsstelle sieht nicht vor, betroffenen Energiekunden zu helfen. Etliche Kunden lassen sich in ihrem jeweiligen Fall bereits anwaltlich vertreten, sind also fachgerecht beraten und teils auch schon vor Gericht erfolgreich gegen ihre Versorger. Die Dokumentationsstelle will vielmehr die Einzelfälle bündeln und somit bei den Verantwortlichen das Bewusstsein für Energieunrecht schärfen. Langfristig hofft der Verein, Politiker und Verantwortliche auf das Thema aufmerksam zu machen, wovon wiederum alle betroffenen Kunden profitieren.

Diskretion ist Ehrensache

Die betroffenen Kunden müssen keine Bloßstellung befürchten. Hier genügt auch nach rechtlicher Prüfung eine umschreibende Darstellung, zum Beispiel über einen 46-jährigen Angestellten aus Itzehoe mit zwei schulpflichtigen Kindern und einer schwer erkrankten Ehefrau. Diese Eckdaten reichen bei der Internet-Veröffentlichung völlig aus, um Besonderheiten einer Energiesperre zu beschreiben.

Alle Betroffenen können angedrohte oder tatsächliche Versorgungssperren der Dokumentationsstelle mitteilen: Im Internet unter www.energieunrecht.energieverbraucher.de oder den schriftlichen Fragenbogen anfordern bei Bund der Energieverbraucher e.V., Frankfurter Str. 1, 53572 Unkel. Eine Mitgliedschaft im Verein ist dafür nicht erforderlich.

80-Jähriger erleidet Schlaganfall nach Stromsperre

Verbraucherverband fordert Konsequenzen

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

80-Jähriger erleidet Schlaganfall nach Stromsperre

Stadtwerke Hannover wollen Differenzierung bei Härtefällen prüfen

(6.November 2008) Nach dem dramatischen Fall eines 80-jährigen Rentnerehepaars aus Hannover wollen die dortigen Stadtwerke jetzt ihre Vorgehensweise bei Härtefällen überprüfen. Dem Ehepaar war wegen Zahlungsrückständen am 30. Oktober 2008 der Strom gesperrt worden. Noch am gleichen Tag erlitt der Rentner einen Schlaganfall. Auf Nachfrage vom Bund der Energieverbraucher e.V. erklärte der stellvertretende Stadtwerke-Sprecher Carlo Kallen heute, die Stadtwerke Hannover würden den Fall zum Anlass nehmen, um zu prüfen, ob soziale Härtefälle künftig "differenziert zu betrachten" seien.

Firmen-Sprecher Kallen betonte zugleich, die Stromsperre für das Rentnerpaar sei aus Sicht der Stadtwerke rechtlich zulässig gewesen. Auch sei ein Zusammenhang zwischen der Stromsperre und dem unmittelbar folgenden Schlaganfall des 80-Jährigen nicht erwiesen. Trotzdem wolle das Versorgungs-Unternehmen wegen der "akuten öffentlichen Brisanz" des Falles jetzt prüfen, ob freiwillig auf die Durchsetzung gerichtlicher Verfügungen verzichtet wird, falls soziale Gesichtspunkte eine Energiesperre als unzumutbar erscheinen lassen.

Sperren sind nach Ansicht vom Bund der Energieverbraucher e.V. grundsätzlich unzulässig gegenüber Hochbetagten, schwerwiegend Kranken, Schwerbehinderten, Kinderreichen, Schwangeren oder bei Kleinstkindern im Haushalt. Der Dachverband der Versorgungswirtschaft geht bisher allerdings davon aus, dass bei einer Sperre soziale Gesichtspunkte nicht zu berücksichtigen seien.

Der Bund der Energieverbraucher e.V. fordert daher den Gesetzgeber auf, schleunigst entsprechende Verordnungen nachzubessern. Soziale Härtefälle müssen von einer Sperre ausgenommen sein. Das ist schon nach geltendem EU-Recht zwingend vorgeschrieben. Viele Versorger sind sich ihrer Verantwortung bewusst und berücksichtigen bereits soziale Härten. Zur Dokumentation von ungerechtfertigten Versorgungssperren hat der Bund der Energieverbraucher e.V. eine nationale Erfassungsstelle Energieunrecht eingerichtet. Dort werden ungerechtfertigte Versorgungssperren geprüft und gesammelt.

Das 80-jährige Ehepaar aus Hannover verfügt nach Zahlung der Restforderung inzwischen wieder über Strom.

Energieverbraucher stellen 'schwarze Schafe' der Versorger an den Internet-Pranger

Bundesweit erste Dokumentationsstelle für widerrechtliche Versorgungssperren eingerichtet

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(27. August 2008) Um die Fälle illegaler Versorgungssperren für Strom und Gas bundesweit zu dokumentieren und auszuwerten, schafft der Bund der Energieverbraucher e.V. im September 2008 eine eigene Zentralstelle in Düsseldorf. Alle Einzelfälle, in denen Strom- und Gasanbieter ungerechtfertigt Versorgungssperren verhängen oder ankündigen, werden künftig dokumentiert. Die Ergebnisse der Fall-Überprüfungen werden dann im Internet veröffentlicht. Bei dem bundesweit bisher einmaligen Projekt handelt es sich nach Worten von Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, um "ein höchst wirkungsvolles Instrument, um über den Einzelfall hinaus auch strukturiertes Vorgehen und ungesetzliche Praktiken diverser Energieanbieter aufzuzeigen". Peters warb deshalb bei den Strom- und Gas-Kunden bundesweit um rege Mithilfe.

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Alle Verbraucher, die von einer zu Unrecht verhängten Versorgungssperre betroffen sind, können sich demnach an die Zentralstelle wenden, per Email an energieunrecht@energieverbraucher.de oder über ein eigens dafür eingerichtetes Internet-Formular unter www.energieunrecht.energieverbraucher.de (unten).

Die Zentralstelle "Energieunrecht" holt zu jedem Einzelfall eine Stellungnahme des Versorgers ein und bewertet unter juristischer Fach-Anleitung, ob es sich um eine ungesetzliche Sperre handelt. Rechtsverstöße der Anbieter werden im Internet dokumentiert sowie an die zuständigen Aufsichtsbehörden weitergeleitet. Eine darüber hinausgehende konkrete Hilfe für die Betroffenen entspricht nicht der Zielsetzung des Dokumentationsbüros "Energieunrecht", die vollständig vom Bund der Energieverbraucher e.V. getragen wird.

Zum Auftakt führte die Zentralstelle bereits erste Fachgespräche zur Abstimmung der Bewertungskriterien. Daran werden vor Eröffnung des Dokumentationsbüros auch das Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesverband der Gas- und Stromversorgungsunternehmen, das Bundeskartellamt sowie die Bundesnetzagentur und Verbraucherverbände beteiligt.

letzte Änderung: 25.03.2015