Preise für Fernwärme zu hoch: Sammelklagen
Damit sich Energieverbraucher auch künftig für Fernwärme entscheiden, bedarf es fairer Preise. Eine aktuelle Studie zeigt viele Missstände auf. Sie fordert, dass sich Medien und Politik stärker für die Fernwärmekunden einsetzen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) führt aktuell zwei Sammelklagen gegen die Fernwärmeanbieter Hansewerk und Eon durch.
Von Michael Herte
(4. Juni 2024) Mit Fernwärme zu heizen ist bequem. Doch anders als beispielsweise Gaskunden können Fernwärmenutzer den Energielieferanten nicht wechseln oder einfach auf eine andere Art zu heizen umstellen. Denn die Versorgungsgebiete sind Monopole einzelner Anbieter und oft werden die Anwohner zum Anschluss und zur Nutzung von Fernwärme gezwungen. Seit 2021 mussten Verbraucher drastische Preiserhöhungen hinnehmen mit Nachzahlungen von mehreren Tausend Euro. Sie wurden 2023 durch die Preisbremse von 9,5 Cent pro kWh bei Fernwärme nur zeitweise abgemildert.
Fernwärmenutzer können den Energielieferanten nicht wechseln oder einfach auf eine andere Art zu heizen umstellen.
Preisgleitklausel
Der VZBV hat im Dezember 2023 anhand einer Untersuchung von Preisdaten aus 31 Fernwärmenetzen Preisunterschiede von mehr als 100 % ermittelt. Eine Hauptursache dafür liegt in ungeeigneten Preisformeln: Die Unternehmen berechnen ihre Preiserhöhungen mit einer mathematischen Formel, der Preisgleitklausel. Hierbei werden Indizes mit eingerechnet. Bereits durch die Auswahl dieser Kennzahlen können die Fernwärmeunternehmen ihre eigenen Risiken minimieren und sich hohe Erträge sichern, so die aktuelle Studie von Werner Siepe. Zwar hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Leitlinien für die Auswahl geeigneter Indizes herausgebildet, doch diese werden augenscheinlich nicht befolgt. Siehe dazu das Rechtsgutachten im Auftrag des VZBV.
So hat das Bundeskartellamt laut Pressemitteilung vom 16.11.2023 ein Verfahren gegen sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchliche Preissteigerungen bei der Fernwärme im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 eröffnet. Bislang hat die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle im Fernwärmebereich Energieverbraucher kaum vor überhöhten Preisen geschützt. Das ist bereits im Rahmen der Verbraucherschutzministerkonferenz im Februar 2021 erkannt worden.
Aktuell warnt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Energieversorger davor, ihre Monopolstellung im Fernwärmebereich auszunutzen und überhöhte Preise zu verlangen. Viele Stadtwerke haben im letzten Jahr hohe Gewinne erzielt.
Abhilfeklage
Konkret zur Tat geschritten ist der VZBV mit Abhilfeklagen gegen zwei Fernwärmeanbieter. Mit einer Abhilfeklage können erstmals gebündelt – „einer für alle” – (Rück-)Zahlungsansprüche von Verbrauchern, die auf demselben Sachverhalt oder auf einer Reihe vergleichbarer Sachverhalte beruhen, gegenüber einem Unternehmen gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Sammelklagen richten sich aktuell gegen Eon und Hansewerk Natur. Beide Fernwärmeanbieter haben ihre Preise in den letzten Jahren drastisch erhöht. Aus Sicht des VZBV sind die Preiserhöhungen nicht gerechtfertigt gewesen. Die Klagen sollen dafür sorgen, dass die beiden Versorger ihre Abrechnungen rückwirkend anpassen und den Kunden das daraus resultierende Guthaben erstatten. Die Teilnahme an der Klage ist kostenlos und schützt Teilnehmer vor der Verjährung ihrer Ansprüche. Betroffene, die an der Klage teilnehmen wollen, müssen sich im Klageregister des Bundesamts für Justiz anmelden.
Ein Termin für das Ende der Anmeldefrist steht noch nicht fest; eine Anmeldung ist noch drei Wochen nach der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichts möglich. Durch die Nutzung des Klage-Checks können betroffene Personen feststellen, ob sie sich einer Klage anschließen können. Die Webseite des VZBV liefert weitere Antworten und einen vorgefertigten Text für die Anmeldung zu den Klagen gegen Eon und Hansewerk.
Weitere Informationen auch auf Energieverbraucher.de.