Uruguays Energiewende – eine geglückte Umsetzung

Uruguay ist ein Vorreiter im Übergang zu erneuerbaren Energien. Die Umstellung des Energiesystems brachte in den vergangenen 15 Jahren nicht nur wirtschaftlichen Erfolg, sie reduzierte auch die Armut im Land. Man entschied sich gegen die Atomkraft. Uruguay versorgt sich heute zu über 90 % aus Erneuerbaren.
Von Aribert Peters und Sascha Beetz

(8. April 2024) Die Energiewende ist eine globale Herausforderung. Während sich die großen Industrienationen mit Konferenzen und Diskussionen beschäftigen, schaffte ein kleines Land die Umstellung auf erneuerbare Energien im Stillen. Die Geschichte des Umbruchs ist vor allem auch jene eines Atomphysikers, der sich gegen die Atomkraft entschied.

 ED 01/2024 Uruguays Energiewende – eine geglückte Umsetzung (S.19) 

Die Versorgung durch Erneuerbare lässt in Uruguay die Armutsquote schrumpfen.

Die Herausforderung: Abhängigkeit von importiertem Erdöl

Vor gut 15 Jahren basierte die Energiewirtschaft Uruguays noch stark auf importiertem Erdöl. Der plötzliche Preisanstieg belastete das Land so stark, dass der damalige Präsident Tabaré Vázquez nach Lösungen suchte. So traf er auf den Atomphysiker Ramón Méndez Galain, der einen Plan für die Energiewende des Landes aufstellte.

Die Vision: Ein Atomphysiker setzt auf Windkraft statt Atomenergie

„Ich hatte 14 Jahre lang im Ausland gearbeitet und als ich zurückkam, gab es die Energiekrise. Aber die einzige Lösung, die die Leute anboten, war, ein Atomkraftwerk zu bauen – das war alles“, erinnert sich Galain. „Ich war Atomphysiker und konnte das Problem ein wenig beurteilen.“ Er kam zu dem Schluss, Kernenergie sei nicht die Lösung.

Die Umsetzung: Windkraft als zentraler Pfeiler der Strategie

Er veröffentlichte stattdessen ein Papier, in dem er darlegte, dass man besser vollständig auf Windkraft setzen solle. Bald darauf erhielt er einen Anruf. Er wurde eingeladen, Uruguays Energieminister zu werden und seinen Plan umzusetzen. „Stellen Sie sich meine Überraschung vor“, sagt Galain, „es war verrückt. Aber ich tat etwas noch Verrückteres: Ich habe angenommen.“

Uruguay

Das südamerikanische Land ist etwa halb so groß wie Deutschland und hat nur 3,5 Millionen Einwohner. Sein Pro-Kopf-Energieverbrauch ist rund halb so groß wie hierzulande. 

Der Erfolg: Uruguay fast komplett von Fossilen unabhängig

Das Projekt entwickelte sich trotz großer Skepsis zu einer Erfolgsgeschichte. Das Land bezieht zwischen 90 und 98 % seines Energiebedarfs aus Erneuerbaren. Heute arbeiten 50.000 Menschen mehr im Energiesektor als vor der Umstellung. Deshalb geht es Uruguay wirtschaftlich besser denn je. Das Land besitzt das höchste Bruttoinlandsprodukt des Kontinents. Die Mittelschicht wuchs im Zuge der Energiewende stark. Dadurch schrumpfte die Armutsquote von 60 auf gerade mal 10 %.

Klimaschutz als positiver Nebeneffekt

Für die Umstellung auf Erneuerbare errichtete das Land rund 50 Windparks. Zusätzlich ließ Galain die Wasserkraft ausbauen. Seine Überzeugungsarbeit stützte der Atomphysiker nicht auf den Klimawandel. „Ich habe den Leuten gesagt, dass dies die beste Option ist, selbst wenn sie nicht an den Klimawandel glauben. Es ist die billigste Option und macht dabei unabhängig von unkalkulierbaren Schwankungen (der Ölpreise; d. Red.).“ Und Uruguay schafft das alles komplett ohne Batterie- oder Pumpspeichersysteme. 

Wirtschaftlicher Aufschwung und der Weg in die Zukunft

Trotz der nahezu autarken Stromversorgung in Uruguay sanken die Energiekosten für die Einwohner kaum. Mit dem Lebensstandard stieg auch der Energieverbrauch. Größere Fernseher, mehr Klimaanlagen – all das führte dazu, dass die Stromrechnung gleich blieb. Galain verweist darauf, dass der Preis pro kWh im Vergleich zur fossilen Stromerzeugung sank. Jetzt macht sich Uruguay an die nächste Herausforderung. Das Land stellt aktuell den öffentlichen Nahverkehr auf E-Antrieb um.

Rede des Energieministers Galain: „This country runs on 98 percent renewable electricity“

letzte Änderung: 07.02.2017