Etappensieg für AKW-Betreiber
Von Louis-F. Stahl
(5. März 2021) Der Kohle- und Atomstromkonzern Vattenfall hatte mit seiner Klage gegen die Regelungen zum Atomausstieg vor dem Bundesverfassungsgericht teilweise Erfolg. Wie die Richter in Karlsruhe mit Beschluss vom 29. September 2020 feststellten, hat der Bundesgesetzgeber die vom Gericht bereits am 6. Dezember 2016 für verfassungswidrig befundenen Regelungen im Atomgesetz nicht rechtskonform korrigiert. Insbesondere rügte das Gericht, dass Deutschland nicht die erforderliche Genehmigung der EU-Kommission zur Änderung des Atomgesetzes eingeholt habe und damit die 16. Novelle des Gesetzes von 2018 zur Umsetzung der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes von 2016 nie in Kraft getreten sind. Insgesamt attestiert das Bundesverfassungsgericht damit dem Wirtschaftsministerium und der Bundesregierung grobe handwerkliche Fehler im Gesetzgebungsprozess. Den Energiekonzernen stehen für ihre in gutem Glauben an die von der Politik einstmals zugesagten Laufzeitverlängerungen, die mit dem Atomausstieg zurückgenommen wurden, ein angemessener Ausgleich zu, so das Gericht abschließend. Wie hoch diese Entschädigungen ausfallen, ist noch ungeklärt.
Vattenfall verklagt Deutschland darüber hinaus aktuell vor dem Internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) auf eine Entschädigung in Höhe von rund 4,5 Milliarden Euro wegen der Abschaltung seiner beiden AKW in Brunsbüttel und Krümmel. Die beiden Atomkraftwerke gerieten 2007 in die Schlagzeilen, nachdem am gleichen Tag erst im AKW Brunsbüttel ein Kurzschluss mit Notabschaltung des Reaktors stattfand und nur wenige Stunden später im AKW Krümmel ein Feuer ausbrach. Die Atomaufsicht sowie auch die örtlichen Behörden wurden über die Ausmaße beider Störfälle erst verzögert und dann unzureichend informiert.
Den Steuerzahler dürften die jetzt beschlossenen Entschädigungszahlungen Schätzungen zu Folge rund eine Milliarde Euro kosten.
Entschädigung für Vattenfall und RWE
Von Louis-F. Stahl
(29. Oktober 2018) Am 28. Juni 2018 beschloss der Bundestag einen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Entschädigung der AKW-Betreiber RWE und Vattenfall. Damit setzt die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Dezember 2016 um (Az. 1 BvR 2821/11, 1456/12, 321/12). Damals bestätigten die Karlsruher Richter zwar grundsätzlich die Zulässigkeit des Atomausstiegs von 2011, attestierten dem Gesetzgeber jedoch grobe handwerkliche Fehler bei der konkreten Ausgestaltung des Ausstiegs. Der Eingriff in das Eigentum der Konzerne sei teilweise „unzumutbar, teilweise auch gleichheitswidrig“ erfolgt. Dem Gesetzgeber wurde von den Verfassungsrichtern auferlegt, bis zum 30. Juni 2018 eine „angemessene Entschädigung, Laufzeitverlängerungen oder einen anderweitigen Ausgleich“ für die Atomkonzerne auf den Weg zu bringen.
Den Steuerzahler dürften die jetzt beschlossenen Entschädigungszahlungen Schätzungen zu Folge rund eine Milliarde Euro kosten. Im Verlauf der Debatte wurde auch argumentiert, dass eine Laufzeitverlängerung für drei Atommeiler um jeweils knapp drei Monate die Entschädigungszahlung vermeiden könnte. Abgesehen von der AfD betonten jedoch die Vertreter aller Parteien, dass der Weg des schnellstmöglichen Atomausstiegs weiterhin gewährleistet und konsequent fortgeführt werden soll.
Die aktuellen Schadenersatzklagen der Atomkonzerne entlarven deren Geschäftsmoral.
Der Atomausstieg und sein Missbrauch
Die aktuellen Schadenersatzklagen der Atomkonzerne entlarven deren Geschäftsmoral. Es ist nämlich kein Schaden eingetreten, der zu ersetzen wäre. Ein kritischer Kommentar von A. N. Greifer.
(21. Juni 2016) Die einst großen Energieversorger sind wieder in den Schlagzeilen. Sie klagen jetzt gegen alles, was ihnen unangenehm ist: Die Brennelementesteuer, den längst beschlossenen Atomausstieg, protestierende Verbraucher sowieso und demnächst wohl auch gegen die Nachhaftung für AKW-Lasten.
Todeskampf gegen den Wandel
Die einst stolzen nationalen Champions sind zu Pennystocks geschrumpft. Aus marktbeherrschenden Großversorgern sind Lobbyistenbüros mit angeschlossenem Kraftwerksbetrieb im Todeskampf gegen den Wandel geworden. Das ist nicht Folge der Energiewende, sondern eines mit Boni belohnten Missmanagements. Hunderte von engagierten Bürgern hervorgebrachte Genossenschaften haben gezeigt, wie die Energiewende einfach und wirtschaftlich tragfähig funktioniert.
Das Eigenkapital der Konzerne deckt mittlerweile nur noch gerade so die Verbindlichkeiten. Die Rückstellungen für die Folgekosten des AKW-Betriebs stecken in den Assets, deren Wert von Tag zu Tag sinkt. Der Kursverfall der Aktien spiegelt das knallhart wider. Die Lage ist nicht nur ernst, sondern bedrohlich nah an der Zuständigkeit von Insolvenzverwaltern.
Gabriel hilft beim Bremsen
Das Geschäft bricht weg, es muss Geld her, egal wie. Und es muss auch dem Wandel Einhalt geboten werden, die Erneuerbaren und die böse Eigenversorgung müssen endlich ausgebremst werden. Sie riefen: Haltet den Dieb! Und der Lobbyisten bester Freund, Sigmar Gabriel, hat mit den EEG-Novellen auch versucht, den „Dieb“ zu bremsen. RWE und E.on wird das nicht mehr retten.
Klage gegen Moratorium
Greifen wir uns die Klagen gegen das unter dem Eindruck der Fukushima-Ereignisse erfolgte AKW-Moratorium heraus: Diese Klagen auf Schadenersatz sind offensichtlich unbegründet. Gegenstand ist der entgangene Gewinn aus dem Verkauf von Strom, der durch die erfolgte Abschaltung der AKW nicht erzeugt werden konnte. Die Frage ist nun, ob es für diesen Strom überhaupt einen Bedarf gegeben hat und dieser sich – gewinnbringend (!) – hätte verkaufen lassen.
Genau daran bestehen angesichts der zusätzlichen Kraftwerksreserve auf Braunkohlenbasis und weiter bestehenden Überkapazitäten an fossilen Kraftwerken erhebliche Zweifel. Sehen wir uns die Strompreisentwicklung ab dem Frühjahr 2011 an: Die Branche hat damals mit Nachdruck davor gewarnt, dass es durch die AKW-Abschaltungen zu Engpässen kommen würde und die Versorgungssicherheit akut gefährdet sei. Nichts davon ist eingetreten, Deutschland exportierte mehr Strom als vorher und die Preise sind nicht gestiegen, sondern eingebrochen.
Keine entgangenen Erlöse
Daraus ergibt sich die Frage, welche Erlöse den Unternehmen durch das AKW-Moratorium überhaupt entgangen sein sollen. Die Nachfrage war und ist geringer als das Angebot, was bedeutet, dass jede Kilowattstunde, die zusätzlich auf den Markt kommt, zwangsläufig zu einem entsprechend weiteren Preisrückgang führt. Die Unternehmen hätten zwar ohne Moratorium einen höheren Absatz (verkaufte Strommengen) haben können, aber hätten keinen höheren Umsatz erzielt und haben damit keine ergangenen Erlöse zu beklagen.
Verhandlungsmasse aufbauen
Die Unternehmen wissen vermutlich selbst genau, dass die Argumentation mit entgangenen Erlösen auf schwachen Füßen steht. Die Klagen sollen daher viel eher dazu dienen „Verhandlungsmasse“ aufzubauen, um diese in einen Deal mit der Politik bezüglich der AKW-Folgelasten einbringen zu können. Nach dem Motto: Klagerücknahme gegen Geld – in diesem Fall Freistellung von zumindest einem Teil der milliardenschweren Rückbau- und Endlagerkosten. Mit solchen Deals hat man in der Energiewirtschaft viel Erfahrung.
Erinnert sei an den Deal zur Fusion E.on-Ruhrgas in 2002: Klagerücknahme gegen die – rechtlich fragwürdige – Ministererlaubnis zur Fusion. Für 100 Millionen Euro haben die Wettbewerber letztlich ihre Klage dann verkauft, eine moderne Form der Korruption und der Missachtung sowohl der Gerichte als auch geltenden Rechts.
Fazit
In einem Rechtsstaat gilt, dass die Stärke des Rechtssystems über dem vermeintlichen Recht des Stärkeren steht. Deshalb werden alle diese Klagen wenig Erfolg haben. Hoffen wir, dass die Richter sehr genau hinsehen.
Die EU-Kommission hat sich ins laufende Schiedsgerichtsverfahren zwischen der schwedischen Vattenfall und der Bundesrepublik Deutschland über die finanziellen Folgen des deutschen Atomausstiegs eingeschaltet.
Vattenfall-Klage: EU greift ein
(13. Dezember 2015) Die EU-Kommission hat sich ins laufende Schiedsgerichtsverfahren zwischen der schwedischen Vattenfall und der Bundesrepublik Deutschland über die finanziellen Folgen des deutschen Atomausstiegs eingeschaltet.
Bei dem Verfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington fordern die Schweden wegen der Abschaltung der Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel knapp 4,68 Milliarden Euro. Die EU-Kommission wurde nun vom ICSID als „Amicus Curiae“ beziehungsweise Streithelfer zugelassen. Sie bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Klage vor dem Schiedsgericht. Es sei nicht mit EU-Recht vereinbar, wenn ein Unternehmen aus einem EU-Mitgliedsland ein anderes EU-Mitglied vor einem Schiedsgericht in den USA verklagt, heißt es aus Brüssel. Solche Streitfälle müssten im Rahmen des Binnenmarkts gelöst werden.
Beide Atomkraftwerke gerieten 2007 in die Schlagzeilen, nachdem im Kraftwerk Brunsbüttel erst ein Kurzschluss stattfand und nur wenige Stunden später im zweiten Meiler ein größeres Feuer ausbrach. Mangelnde Transparenz des Atomkonzerns gegenüber der Öffentlichkeit aber auch den Aufsichtsbehörden sowie erneute Pannen bei Wiederanfahrversuchen im AKW Krümmel führten letztendlich zur endgültigen Stilllegung beider Kraftwerke.
DIW: Ausstieg fast preisneutral
(13. Juli 2012) Der Atomausstieg führe nicht notwendig zu höheren Strompreisen, vor allem, wenn der Verbrauch nicht ansteige, so das Fazit einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für Greenpeace durchführte und die auf www.greenpeace.de veröffentlicht wurde.
Das DIW untersuchte, wie sich der Ausstieg auf Preise, Klimaschutz und Kraftwerksinvestitionen in Deutschland und Europa auswirkt. Ergebnis: Die Großhandelsstrompreise werden minimal steigen. Bei einer wirkungsvollen Effizienzpolitik, die den Verbrauch stabil hält, können die restlichen Kraftwerke die Nachfrage überwiegend befriedigen. Die Effizienzpolitik kann den Preiseffekt des Ausstiegs abfedern und mittelfristig gegenüber der KKW-Laufzeitverlängerung senken.
Zudem sorge der Ausbau erneuerbarer Energien dafür, dass sich die Börsenpreise trotz steigender Gas- und Kohlenpreise kaum erhöhten, hieß es: 2020 kostet 1 kWh Großhandelsstrom dem DIW zufolge trotz Ausstieg 5,1 Cent, wenn sich der Stromverbrauch stabilisiert und der Emissionshandel schwach bleibt. Bei einer Laufzeitverlängerung ohne begleitende Effizienzmaßnahmen liege der Preis genau so hoch, so das DIW.
Für 2030 deute sich sogar ein Preisvorteil des Ausstiegs an: Flankiert von Stromsparmaßnahmen werde 1 kWh 6,5 Cent kosten, während der Preis bei weiter laufenden KKW und fehlender Energieeffizienz bei 7 Cent liege, so das Institut, das daraus schließt, dass die positiven Wirkungen von Energieeffizienzverbesserungen unterschätzt werden.
Laufzeiten der Atomkraftwerke
(18. Juli 2011)
Kernkraftwerke | Stand nach Verlängerung |
Stand heute |
Neckarwestheim I | 2019 | Abgeschaltet |
Neckarwestheim II | 2036 | 2022 |
Philippsburg I | 2020 | Abgeschaltet |
Philippsburg II | 2032 | 2019 |
Isar I | 2019 | Abgeschaltet |
Isar II | 2034 | 2022 |
Grafenrheinfeld | 2028 | 2015 |
Gundremmingen B | 2030 | 2017 |
Gundremmingen C | 2030 | 2021 |
Biblis A | 2020 | Abgeschaltet |
Biblis B | 2020 | Abgeschaltet |
Unterweser | 2020 | Abgeschaltet |
Grohnde | 2032 | 2021 |
Emsland, Lingen | 2034 | 2022 |
Brunsbüttel | 2020 | Abgeschaltet |
Krümmel, Geesthacht | 2033 | Abgeschaltet |
Brokdorf | 2033 | 2021 |
Quelle: Folie 11, Vortrag "Rechtliche Bewertung der jüngsten Entwicklungen um die gesetzliche Festlegung der Laufzeiten" am 25. Juni 2011 in Berlin von Rechtsanwalt Dr. Olaf Däuper, Kanzlei BBH
Ausstieg geht
(18. Juni 2011) Der Atomausstieg bis 2022 erhöht weder den CO2-Ausstoß noch den Strompreis. Das ergab eine Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und der Universität Leipzig im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mit neuen Gaskraftwerken sinke der CO2-Ausstoß weiter, da Gas bei der Verbrennung nur halb so viel CO2 emittiere wie Kohle. Der Börsenstrompreis werde bis 2015 um 0,9 auf 5,9 Cent je kWh ansteigen. Dann dämpfe der Zubau erneuerbarer Energien den Preis und er falle bis 2030 wieder aufs Niveau von 2010, prognostiziert die Studie. Eine Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit sei nicht zu befürchten.
Ein Komplettausstieg aus der Kernenergie in Deutschland ist sogar schon binnen drei bis sieben Jahren möglich. Das ergab eine gemeinsame Studie der TU Berlin, TU Dresden und des europäischen Hochschulinstituts in Florenz. Sie untersuchte neben der Versorgungssicherheit erstmals auch die Auswirkungen auf die Hochspannungsnetze in Deutschland und in den Nachbarländern.
Wegen des Zubaus von je 10 GW konventioneller und regenerativer Kraftwerke bis 2013 seien keine Versorgungsengpässe zu erwarten. Zusätzliche Strommengen könnten aus den Niederlanden, Österreich und Polen bezogen werden. Atomstromimporte aus Frankreich oder Tschechien seien nicht notwendig, hieß es.
Hoffentlich entscheiden keine Parteispenden darüber, ob der Atomausstieg klappt oder nicht.
Bitte abschalten
Hoffentlich entscheiden keine Parteispenden darüber, ob der Atomausstieg klappt oder nicht. Denn die Kernkraft-Lobby will mit allen Mitteln das Abschalten ihrer Kraftwerke verhindern. Dabei ist Atomkraft längst ein Auslaufmodell: Das Kampagnen-Netzwerk Campact nennt die fünf wichtigsten Argumente gegen eine Laufzeitverlängerung.
(11. März 2010)
1. Der Atommüll strahlt weiter
Jedes Jahr fallen in deutschen Atomreaktoren etwa 450 Tonnen radioaktiver Müll an. Für eine sichere Entsorgung über Millionen Jahre kann niemand garantieren. Welche gravierenden Probleme schon nach drei Jahrzehnten auftauchen, zeigen die vor kurzem bekannt gewordenen katastrophalen Zustände im Endlager Asse bei Salzgitter: Wasser tritt in das Bergwerk ein und droht, die schwach- und mittelradioaktiven Rückstände ins Grundwasser und schließlich in die Umwelt zu schwemmen.
2. Das Risiko steigt
Die Atomkraftwerke, die in nächster Zeit abgeschaltet werden sollen, wurden in den 70er-Jahren gebaut, ihre Technik ist auf dem Stand der 60er-Jahre. Je älter ein Kraftwerk, desto häufiger werden Störfälle. Auch hat spätestens seit dem 11. September 2001 die Bedrohung durch Terroranschläge zugenommen. Gegen einen gezielten Flugzeugabsturz sind die Anlagen gar nicht oder nicht ausreichend geschützt.
Außerdem verfügen immer mehr Länder über das Wissen und die Technik, zivile Kernbrennstoffe oder Rückstände aus den Reaktoren für die Herstellung von Atomwaffen zu verwenden. Die Gefahr, dass eine Atombombe gezündet wird, steigt, je mehr Länder in Krisenregionen über diese Waffe verfügen. Nur wenn wir die Nutzung der Risikotechnik Atomenergie beenden, können wir glaubwürdig weltweit für einen Verzicht auf ihre zivile und militärische Nutzung werben.
3. Hemmschuh für Erneuerbare
Die ineffiziente und zentralistische Energieerzeugung der Konzerne ist das größte Hindernis, das einer dezentralen und flexiblen Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien entgegensteht. Nach einem Beschluss über eine Laufzeitverlängerung würden die Konzerne mit aller Macht versuchen, die Ausbaudynamik der erneuerbaren Energien zu stoppen, um Stromüberkapazitäten zu verhindern. Das wäre das Ende der Energiewende, noch bevor sie richtig begonnen hat.
4.Atomkraft macht Strom nicht billiger
Mit abgeschriebenen und hoch subventionierten Atomkraftwerken lässt sich in der Tat Strom billig erzeugen - für unter zwei Cent pro Kilowattstunde. Doch dieser Strom kommt nicht günstig beim Kunden an, sondern wird zu dem Wert verkauft, der sich an der Leipziger Strombörse bildet. Den Preis von derzeit etwa sieben bis acht Cent bestimmen die Kraftwerke mit den höchsten Produktionskosten.
„Die CDU muss sich gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will."
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in der Süddeutschen Zeitung.
Die Differenz zwischen billig erzeugtem Atomstrom und dem Marktpreis füllt die Konzernkassen: Jedes Jahr, in dem die 17 deutschen Atommeiler weiterlaufen, beschert den Unternehmen einen zusätzlichen Gewinn von rund zehn Milliarden Euro. Um die Zustimmung der Politik zur Laufzeitverlängerung zu erkaufen, wollen sie einen Teil davon für klimafreundliche Technologien einsetzen. Doch für eine größere Dynamik beim Ausbau erneuerbarer Energien braucht es nicht in erster Linie mehr Geld, sondern weniger Blockaden durch die Konzerne - etwa beim Netzausbau für Offshore-Windanlagen.
5. Die Versorgung bleibt sicher
Für den Fall, dass Deutschland aus der Atomkraft aussteigt und gleichzeitig auf neue Kohlekraftwerke verzichtet, malt die Atomlobby eine Stromlücke an die Wand. Doch eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) zeigt: Wenn wir den Stromverbrauch bis 2020 um elf Prozent senken, erneuerbare Energien auf knapp 30 Prozent der Stromerzeugung ausbauen und 25 Prozent des Stroms in modernen Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung produzieren, ist die Versorgung gesichert. All dies ist zu erreichen, wenn der politische Wille vorhanden ist.
Der Atomkonsens
Es gibt viele gute Gründe für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Im Jahr 2000 einigte sich deshalb die rot-grüne Bundesregierung mit den Energiekonzernen auf eine Begrenzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke - leider mit einem sehr weiten Zeithorizont. Bisher gingen nur die veralteten Kraftwerke Stade und Obrigheim vom Netz. Jetzt erst beginnt der Atomkonsens zu greifen: Die Kraftwerke Biblis A und B, Neckarwestheim und Brunsbüttel sollen abgeschaltet werden. Weitere würden bald folgen. Deshalb machen die Energiekonzerne massiv Druck, die Laufzeiten der Anlagen zu verlängern und den Ausstieg auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben.
Von der neuen schwarz-gelben Bundesregierung erhoffen sich die Unternehmen eine Neuverhandlung der Laufzeiten. Politiker und Verbraucher wollen sie mit dem Versprechen ködern, einen Teil ihrer Gewinne für erneuerbare Energien und niedrigere Stromkosten zu verwenden. Verbraucher sollten daher jetzt deutlich machen, dass sie eine Verlängerung der Laufzeiten oder gar neue Kraftwerke nicht akzeptieren.
Kaum ein Thema hat die Atomkraftgegner so polarisiert, wie die Konsensbeschlüsse zum Atomenergieausstieg.
Der Ausstieg: Top oder Flopp?
Kaum ein Thema hat die Atomkraftgegner so polarisiert, wie die Konsensbeschlüsse zum Atomenergieausstieg.
Von Anthea Peters
Am 14.Juni 2000 unterzeichneten die Bundesregierung und vier EVUs nach zweijährigen Gesprächen ihre Vereinbarungen zum Ausstieg aus der Atomenenergie. Eigentlich ein großer Erfolg, doch in Deutschland überwiegen die kritischen Stimmen. Die einen trauern um das vorschnelle Ende der Supertechnik. Und die Atomkraftgegner fühlen sich durch einen halbherzigen Ausstieg, der ihnen nicht weit und schnell genug geht, betrogen.
Beim Lesen des Konsenspapiers wird schnell klar, dass der Atomwirtschaft eine möglichst komfortable Absicherung des Weiterbetriebs ihrer Atomkraftwerke zugesichert wurde. Der Bau neuer Atomkraftwerke war sowieso nicht geplant und der Betrieb der deutschen Atomkraftwerke war ohnehin begrenzt, auch wenn die Betriebsgenehmigungen unbefristet sind. Zwar "respektieren die EVU die Entscheidung der Bundesregierung, die Stromerzeugung aus Kernenergie geordnet beenden zu wollen" und sie akzeptieren auch eine befristete Nutzung der Anlagen ohne Entschädigung. Dafür muß die Bundesregierung ihrerseits aber den ungestörten Betrieb der Kernkraftwerke, wie auch deren Entsorgung gewährleisten. Für viele Atomkraftgegner, die jahrelang mit guten Argumenten gegen die Atomenergie demonstriert haben, ist dieser Konsens eine herbe Enttäuschung.
Die Restlaufzeiten - kein konkretes Ende in Sicht
Doch immerhin, die Laufdauer der Atomkraftwerke wurde mit diesem Vertrag offiziell befristet. Die Restlaufzeit der Atomkraftwerke berechnet sich nicht in Jahren, sondern für jede Anlage in Strommengen. Zeitweilige Betriebsunterbrechungen wie z.B. aufgrund von Störfällen oder Sicherheitsmängeln gehen dabei nicht zu Lasten der Betreiber. Je mehr Ausfallzeiten ein Reaktor hat, desto länger kann er also im Betrieb bleiben. Weil die Restlaufzeiten flexibel sind, können die Unternehmen sie zwischen den einzelnen Anlagen hin und her verschieben, also von unwirtschaftlicheren Anlagen auf wirtschaftlichere. Durch diese Flexibilität ist es nicht möglich, ein verbindliches Enddatum für den Ausstieg zu nennen. Durch geschicktes Schieben ist so die Fortführung der Atomenergie bis in die Mitte des 21. Jahrhunderts gewährleistet.
Bei der Umrechnung von Restlaufzeiten in Reststrommengen wird von einer Gesamtlaufzeit von 32 Jahren pro Kraftwerk ausgegangen. Das heißt, jedes Atomkraftwerk darf die Strommenge erzeugen, die es innerhalb von 32 Jahren produzieren könnte. Die Zeit, die ein Atomkraftwerk bereits gelaufen ist, wird von dieser Restlaufzeit abgezogen. Die 19 laufenden Atomkraftwerke dürfen demnach bis zu ihrer Stillegung zusammen noch ungefähr genau so viel Strom produzieren, wie sie es bereits in derVergangenheit getan haben. Es wird also nochmal so viel Atommüll anfallen wie bisher.
Wenn man davon ausgeht, dass die Reaktoren in der Vergangenheit durchschnittliche nur 78% der potentiellen Stromerzeugen erzielten, bleibt mit der festgelegten Reststrommenge im Mittel jedoch noch eine Gesamtlaufzeit von 36 Jahren. Diese Unstimmigkeit liegt in den Besonderheiten des Berechnungsverfahrens für die Reststrommenge. So wird der Probebetrieb, die ein Kraftwerk durchlaufen muß, nicht mitgezählt. Diese Zeit beträgt in der Regel 2 bis 16 Monate. Auch erfolgt dieUmrechnung von der Restlaufzeit in Reststrommenge nicht, indem man die durchschnittlich erzeugte Strommenge aller Jahren nimmt, sondern es wird mit dem Durchschnitt aus den fünf besten Jahren zwischen 1990 und 1999 gerechnet. Außerdem wird ein Aufschlag von 5,5% dazu addiert, da sich die Jahresproduktion durch technische Optimierungen und Effizienzsteigerungen noch erhöhen kann.
Für das Atomkraftwerk Obrigheim, das demnächst abgeschaltet werden müsste, da es im März 1969 den Leistungsbetrieb aufgenommen hat, wurde eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2002 vereinbart. Bei Mühlheim-Kärlich, das durch Gerichtsbeschluss abgeschaltet wurde, wird von einer virtuellen Laufzeit von elf Jahren ausgegangen, die das Unternehmen RWE auf andere Atomkraftwerke übertragen kann. Im Gegenzug dazu verzichtet RWE auf eine Klage gegen das Land, dass unter der CDU-Regierung eine Genehmigung erteilte, die rechtlich keinen Bestand hatte.
Die unzufriedenen Stimmen, die aus dem linken Flügel der Grünen laut werden, kritisieren vor allem die langen Restlaufzeiten. Noch im März dieses Jahres war auf dem Parteikongress in Karlsruhe eine Gesamtlaufzeit von höchstens 30 Jahren als Limit und Vorgabe verabschiedet worden. Dass mit dem Konsens auch diese Festlegung über den Haufen geworfen wurde, verärgerte viele Parteimitglieder. Die Grünen-Partiechefin Antje Radcke lehnte die Vereinbarung offen als nicht akzeptabel ab. Durch den Kompromiss mit 32 Jahren Gesamtlaufzeit für die deutschen Meiler werden "sämtliche Positionen der Partei" aufgegeben, so Radcke. Außenminister Joschka Fischer ist da ganz anderer Meinung. "Wir dürfen (...) nicht weiter in der Selbstblockierung verharren, weil wir uns von bestimmten Gründungsmythen, die mittlerweile kontraproduktiv geworden sind, nicht verabschieden wollen.", so der Günen-Politiker.
Sicherheitsüberprüfungen nur alle zehn Jahre
Den Atomkraftwerken in Deutschland wird ein "international gesehen hohes Sicherheitsniveau" bestätigt. Dennoch ist mit einem Absinken der Sicherheit während der Restlaufzeit zu rechnen. Denn eine Nachrüstung, gebunden an den Stand von Wissenschaft und Technik, wird nicht ausdrücklich genannt. Lediglich das jetzige Sicherheitsniveau sei zu halten. Auch die in den Koalitionsverhandlungen noch jährlich vorgesehenen Sicherheitsüberprüfungen sind vom Tisch. Während ein Auto alle zwei Jahre zum TÜV muß, gibt es für Atomkraftwerke nur noch alle zehn Jahre eine vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfung. An der Festlegung der Rahmenbedingungen für diese Überprüfungen sind die Betreiber selbst direkt beteiligt.
Neues Entsorgungskonzept mit großen Zugeständnissen
Das bisherige Entsorgungskonzept für Atommüll ist laut Koalitionsvertrag gescheitert. So wurde in den Konsensverhandlungen zusammen mit den EVUs nach neuen Lösungen gesucht. Bei den Atomkraftwerken werden demnach Zwischenlager errichtet. Der Nachweis, der über eine Vorsorge im Punkte Entsorgung geführt werden muss, wird dieser Regelung angepasst. So gilt künftig das Abstellen der Behälter auf dem Reaktorgelände als anerkannter Entsorgungsnachweis.
Ab dem 1. 7. 2005 wird die Entsorgung von Brennelementen auf die direkte Endlagerung beschränkt. Bis zur Inbetriebnahme der Standortlager sind weiterhin Atommülltransporte nach Gorleben, Ahaus oder zu Wiederaufbereitungsanlagen zulässig. Mit der Genehmigung wird noch im Herbst 2000 gerechnet.
Die prinzipielle Eignung von Gorleben als Endlagerort wird bestätigt und auch die Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben wird genehmigt, aber auf die Reparatur schadhafter Behälter eingeschränkt. Der Schacht Konrad soll ebenfalls genehmigt werden. Doch um eine gerichtliche Überprüfung vor der Inbetriebnahme zu ermöglichen, wird der Antrag auf Sofortvollzug zurückgenommen. Entschädigungs- oder Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit Gorleben oder dem Schacht Konrad werden nicht geltend gemacht. Die Kosten, um Gorleben offen zu halten, tragen die EVU.
Der Ausstieg: eine demokratische Lösung?
Die Bundesregierung hat in den Konsensverhandlungen beinahe jede Forderung der EVU übernommen. Doch damit nicht genug: Sie lässt sich nun auch bei der Umsetzung des Konsens von den Atomkraftbetreibern kontrollieren. Diese werden am Leitfaden für die Sicherheitsüberprüfungen mitarbeiten, Mitglied in der ständigenKoordinierungsgruppe zur Durchsetzung der Transporte sein und auch gemeinsam mit der Regierung die Umsetzung der Vereinbarung in dieAtomgesetznovelle beraten. Außerdem wird noch eine hochrangige Arbeitsgruppe berufen, die sich aus drei Vertretern der beteiligten EVU und drei Vertretern der Regierung zusammensetzt. Diese wird dieUmsetzung der Konsensbeschlüsse begleiten (Monitoringgruppe).
Atom- und Kohleausstieg: Schmutzige Kraftwerke abgeschaltet
Von Louis-F. Stahl
(23. Mai 2022) Zum 31. Dezember 2021 wurden die Atomkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C sowie die Braunkohleblöcke Neurath B, Niederaußem C und Weisweiler E abgeschaltet. Am 1. April 2022 folgte der Braunkohleblock Neurath A. Die Stilllegungen erfolgten entsprechend den Fahrplänen des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes sowie des Atomausstiegsgesetzes.
Damit sind in Deutschland aktuell nur noch die drei Atommeiler Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 am Netz. Deren Abschaltung hat entsprechend dem Atomausstiegsgesetz bis zum 31. Dezember 2022 zu erfolgen. Mit Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wurden zuweilen Laufzeitverlängerungen und ein Wiederanfahren der zum Jahreswechsel abgeschalteten AKW gefordert. Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, strafte die Forderungen mit dem Urteil ab, dass diese „intellektuell nur schwer nachvollziehbar“ seien. Die Betreiber der bereits abgeschalteten Kraftwerke wiesen Forderungen nach einem Wiederanfahren unter Verweis auf fehlende Brennelemente, abgelaufene Sicherheitsüberprüfungen, mangelndes Personal und weitere Sachgründe entschieden zurück. Auch ein Weiterbetrieb der noch laufenden AKW über den geplanten Abschalttermin am 31. Dezember 2022 sei nicht möglich, da Brennelemente Lieferzeiten von rund zwei Jahren hätten und die erforderlichen Maßnahmen für ein Bestehen der notwendigen „Periodischen Sicherheitsüberprüfungen“ nach aktuellem Stand der Technik schier Unsummen kosten würde. Unbeirrt von diesen Sachargumenten forderte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Konzern E.on als Betreiber des AKW Isar 2 abermals auf, eine Laufzeitverlängerung des noch in Betrieb befindlichen Reaktors um fünf Jahre zu prüfen. Die Antwort des E.on-Vorstandsvorsitzenden Leonhard Birnbaum könnte unmissverständlicher kaum ausfallen: „Atomkraft hat in Deutschland keine Zukunft, Punkt!“