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Preiserhöhungen in der Grundversorgung

Eine von drei Verfassungsklagen nicht angenommen

Preiserhöhungen in der Grundversorgung: Eine von drei Verfassungsklagen nicht angenommen

(11. Oktober 2016) Der achte Senat des Bundesgerichtshofs hat mit seiner eigenwilligen Rechtsprechung einen Urteilsspruch des EuGH übergangen (Urteil vom 28. Oktober 2015, VIII ZR 13/12). Es ging um die Strom- und Gaspreiserhöhungen in der Grundversorgung. Gegen diese Entscheidung wurden drei Verfassungsbeschwerden eingelegt.

Die dritte Kammer des ersten Senats hat am 17. September 2016 entschieden, dass er diese Beschwerde nicht zur Entscheidung annimmt. Die beiden anderen Beschwerden liegen beim zweiten Senat (Az. 2 BVR 1396/16 und Az. 2 BVR 1131/16). Die Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden liegt bei zwei Prozent. Möglicherweise kommt das Bundesverfassungsgericht zum Ergebnis, dass der BGH den EuGH hätte fragen müssen. Es steht aber unabhängig davon auch jedem Instanzgericht frei, die vorgebrachten Zweifel auszuräumen, indem die kritisierten Urteile des BGH dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt werden. Materialien dazu hält der Bund der Energieverbraucher bereit.

Versorger in öffentlicher Hand

Falls ein Energieversorger mehrheitlich in öffentlicher Hand ist, dann finden die EU-Richtlinien direkte Anwendung.

Versorger in öffentlicher Hand

(11. September 2016) Falls ein Energieversorger mehrheitlich in öffentlicher Hand ist, dann finden die EU-Richtlinien direkte Anwendung und die Begründungskette des 8. Zivilsenats bricht in sich zusammen. Allerdings muss im Falle eines Prozesses der Verbraucher dieses Argument auch vortragen, sonst kann und darf es vom jeweiligen Gericht nicht berücksichtigt werden.

So erging es bereits einem Verbraucher: In einem Urteil vom 28.10.2015 (Az. VIII ZR 158/11) ging es um die Stadtwerke Hamm GmbH, die zu 100 Prozent der Stadt Hamm gehören und um die Stadtwerke Geldern GmbH, die sich zu 51 Prozent im Eigentum der Stadt Geldern befinden. Nur wurde diese Tatsache offenbar im Prozess nicht vorgetragen und es hat sich niemand direkt auf die EU-Richtlinien berufen.

In vielen Fällen sind die Energieversorgungsunternehmen trotz ihrer Rechtsform als GmbH oder Aktiengesellschaft keine rein privaten Unternehmen, sondern unterstehen als Kommunalunternehmen der jeweiligen Gemeinde staatlicher Aufsicht. So sitzen im Aufsichtsrat neben den obligatorischen Arbeitnehmervertretern oft viele Stadtverordnete, Bürgermeister und Kämmerer. Nach § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) gelten erhöhte Berichtspflichten bei der Prüfung des Jahresabschlusses, sobald 50 Prozent Gebietskörperschaften gehören. Viele weitere Kommunalvorschriften sind im Landesrecht der Bundesländer verankert und sehen eine besondere öffentliche Aufsicht über Unternehmen und Unternehmensanteile in öffentlicher Hand vor. Deshalb handelt es sich bei vielen Stadtwerken um kommunale Dienstleistungsunternehmen, die anders als rein privatwirtschaftliche Unternehmen dem Staat unterstehen.

Vor diesem Hintergrund sollte jeder Verbraucher eine direkte Anwendung der EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz und der EU-Richtlinien zur Strom- und Gasversorgung verlangen, und zwar unter Zitierung der EuGH-Urteile, die der BGH in obigen Urteil selbst nennt.

Weitere Informationen dazu.

BGH: Achter Senat gerät unter Druck

Bald ein Jahr ist es her, dass der achte Senat des Bundesgerichtshofes in einer unsäglichen Entscheidung unter Missachtung von Europarecht die Verbraucherrechte bei Preiserhöhungen beschnitten hat.

BGH: Achter Senat gerät unter Druck

Bald ein Jahr ist es her, dass der achte Senat des Bundesgerichtshofes in einer unsäglichen Entscheidung unter Missachtung von Europarecht die Verbraucherrechte bei Preiserhöhungen beschnitten hat. Der Widerstand bei Verbrauchern, Gerichten und auch in der Rechtswissenschaft wächst. Der BGH fürchtet jetzt, vor dem EuGH ein drittes Mal zu unterliegen.

(10. September 2016) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Unzulässigkeit von ungerechtfertigten Preiserhöhungen im Bereich der Grundversorgung mit seiner „ergänzenden Vertragsauslegung“ in der Entscheidung vom 28.10.2015 (Az. VIII ZR 13/12) umgangen. Auch mit Unterstützung vom Bund der Energieverbraucher e.V. ist gegen dieses verfehlte Urteil des BGH Verfassungsbeschwerde eingelegt worden (Az. 1 BVR 2917/15). Erfreulich ist, dass mittlerweile auch zwei weitere Verbraucher gegen diese BGH-Entscheidung den Gang zu unserem höchsten Verfassungsgericht eingeschlagen haben (Az. 2 BVR 1396/16 und Az. 2 BVR 1131/16).

Derzeit ist noch nicht absehbar, ob und wann das Bundesverfassungsgericht diese Beschwerden annehmen wird. Die Verfahrensdauer liegt zwischen drei Wochen und sieben Jahren. Ein Effekt ist jedoch bereits jetzt bemerkbar: Eine große Anzahl von Gerichten setzt Verfahren, die wegen der Anfrage beim Europäischen Gerichtshof zunächst ausgesetzt waren, weiterhin wegen der Verfassungsbeschwerde aus. Das ist ein fast einmaliger Vorgang im deutschen Zivilrecht, denn eine anhängige Verfassungsbeschwerde ist normalerweise kein Grund für eine Verfahrensaussetzung. Und Gerichte urteilen meist ebenso wie der BGH. Dieses mutige Verhalten der Instanzgerichte ist ein Beweis, dass auch die dort zuständigen Richter dem BGH in dieser Frage ein mangelndes Rechtsverständnis bescheinigen und sich ermächtigt fühlen, dem BGH nicht zu folgen. Als Verbraucher sollten wir dieser Haltung der Gerichte unseren Respekt bezeugen. 

Preiserhöhungen: der Streit hält an!

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Versorger die Strom- und Gaspreise erhöhen?

Preiserhöhungen: der Streit hält an!

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Versorger die Strom- und Gaspreise erhöhen? Über diese Frage tobt seit Beginn des Jahrzehnts ein erbitterter Streit zwischen Verbrauchern und Versorgern. Aber auch EuGH, BGH und Verfassungsgericht sowie die Fachwelt sind sich uneinig.

(21. Juni 2016) Der Energiewissenschaftler und frühere Direktor beim Bundeskartellamt, Prof. Kurt Markert, hat zum Stand der Auseinandersetzung in der Zeitschrift für das gesamte Energierecht (EnWZ, 2016, 195 ff.) eine ausführliche Darstellung der rechtswissenschaftlichen Debatte sowie entsprechenden Gerichtsurteilen veröffentlicht, deren Inhalt wir nachfolgend kurz darstellen.

Die EU-Klauselrichtlinie 93/13/EWG sowie die EU-Strom- und Gasrichtlinien von 2003 sowie 2009 stellen an Preiserhöhungen hohe Transparenzanforderungen. Werden diese nicht erfüllt, dann ist die Preiserhöhung nichtig und die Richtlinien verbieten auch eine nachträgliche Reparatur. Für die Verbraucher bedeutet dies, dass unwirksame Preiserhöhungen nicht bezahlt werden müssen und bereits geleistete Zahlungen zurückverlangt werden können.

Sonderkundenverträge: Nichtigkeitsfolgen durch Fristenlösung europarechtswidrig eingeschränkt

Für Sonderkundenverträge meinte der BGH früher, es sei ausreichend, wenn der Kunde rechtzeitig im Voraus über Preisänderungen informiert wird und das Recht der Kündigung erhalte, wenn er die Preisänderung nicht akzeptiere.

Dies hat der EuGH mit Urteil vom 21. März 2013 verworfen. Der Kunde müsse schon vor Vertragsschluss über Anlass und Modus möglicher Preisänderungen informiert werden, ansonsten seien Preiserhöhungen nichtig. Dies gelte auch rückwirkend ab dem 1. Juli 2004 für frühere Preiserhöhungen. Daraufhin hat der BGH seine frühere Ansicht aufgegeben und damit die Unwirksamkeit der früheren Preiserhöhungen eingeräumt (Urteil vom 31. Juli 2013). Der BGH hat dies allerdings mit der sogenannten „Fristenlösung“ eingeschränkt. Danach gelten Preiserhöhungen als vom Kunden akzeptiert, wenn er nicht spätestens innerhalb von drei Jahren nach der Erhöhung widersprochen hat. Es gibt erhebliche Zweifel, ob die Fristenlösung mit dem Europarecht vereinbar ist. Denn sie führt im Ergebnis dazu, dass unwirksame Preiserhöhungen dennoch zu zahlen sind. Genau dies aber verbietet das Europarecht. Dennoch hat sich der BGH geweigert, diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Damit wird den Verbrauchern der zuständige gesetzliche Richter entzogen, das in diesem Fall der EuGH – ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Dennoch hat (bisher) noch niemand dagegen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Tarif- und Grundversorgungsverträge: Neues inhaltsgleiches vertragliches Anpassungsrecht

Bei Tarifkunden war der BGH früher der Ansicht, dass das gesetzliche Preisanpassungsrecht, nach dem Kunden vorab über Preiserhöhungen informiert werden müssen, den europarechtlichen Transparenzanforderungen genügt. Der EuGH hat dies mit seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 jedoch klar verneint. Danach müssen Tarifkunden rechtzeitig vor Inkrafttreten jeder Preiserhöhung auch über deren Anlass, Voraussetzung und Umfang informiert werden. Dies ist noch immer weniger streng als die Anforderungen des EuGH an Preisänderungen für Sondervertragskunden, wo schon vor Vertragsabschluss über mögliche Preisänderungen informiert werden muss.

Erst ein Jahr nach dem EuGH-Urteil hat der BGH dies erstmals mit zwei Urteilen vom 28. Oktober 2015 umgesetzt. Darin kassiert der BGH zwar das alte gesetzliche Preisanpassungsrecht, ersetzt es jedoch durch ein inhaltsgleiches vertragliches Anpassungsrecht. Preiserhöhungen seien zulässig, wenn der Versorger damit eigene Kosten-stei-ge-rungen weitergibt, soweit sie nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausge-glichen werden. Er glaubt sich dazu auf dem Wege der ergänzenden Vertragsaus-legung berechtigt. Soweit die Preiserhöhungen über die Kostensteigerungen hinausgehen, sind sie unzulässig. Jedoch sind auch solche unzulässigen Preiserhöhungen durch die Fristenlösung des BGH geschützt.

Sowohl diese ergänzende Vertragsauslegung, als auch die Fristenlösung für sich genommen sind nicht europarechtskonform und würden vom EuGH abgelehnt. Obwohl dies offensichtlich ist, weigert sich der BGH, dem EuGH diese Fragen zur Entscheidung vorzulegen. Damit wird dem Verbraucher auch an dieser Stelle der ihm zustehende Richter, nämlich der EuGH, entzogen. Dieser Verfassungsverstoß ist derzeit als Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Az. 1 BVR 2971-15). Viele Instanzgerichte setzen entsprechende Gerichtsverfahren aus, um das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde ab-zuwarten. Allerdings könnte die Gerichte auch selbst direkt den EuGH anrufen.

Fazit

Sowohl die Fristenlösung des BGH, als auch das mit einer ergänzenden Vertragsauslegung begründete neue vertragliche Preisanpassungsrecht der Grundversorger für Tarifkunden sind europarechtswidrig. Sie rauben Verbrauchern den Schutz, der ihnen aufgrund europarechtlicher Regelungen zusteht. Dies wird über kurz oder lang vom Bundesverfassungsgericht oder vom EuGH neu entschieden werden, unter fairer Berücksichtigung von Verbraucherinteressen.

Nachsatz: Was sich daraus im konkreten Fall ergibt, dafür steht Mitgliedern des Bundes der Energieverbraucher die Anwaltshotline zur Verfügung.

Prof. Dr. Kurt Markert | Preisanpassung in der Strom- und Gasversorgung: Europarechtliche Transparenzanforderungen und ergänzende Vertragsauslegung, EnWZ 2016, S. 95 ff.

BGH-Urteil: Preisänderungsklauseln

In der Entscheidung ZR 360/14 hat der VIII. Zivilsenat eine von einem Versorger verwendete Klausel als einwandfrei beurteilt.

Preisänderungsklauseln

(18. März 2016) In der Entscheidung ZR 360/14 hat der VIII. Zivilsenat eine von einem Versorger verwendete Klausel als einwandfrei beurteilt. Die Formulierungen stellten den Anlass und den Modus der Preisänderungen so transparent dar, dass der Kunde die Änderungen anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen könne, so der BGH.

Ebenso würden die erforderlichen grundlegenden Informationen zur Berechnung künftiger Anpassungen angemessen dargestellt. Nach dem Urteil muss die Preisklausel keine abschließende Aufzählung, Erläuterung und Gewichtung sämtlicher Kostenfaktoren enthalten. Auch muss der Versorger Kunden nicht auf die Möglichkeit hinweisen, die Preisanpassung nach § 315 BGB überprüfen zu lassen. Damit ändert der BGH auch mit diesem Urteil seine Rechtsauslegung zum Nachteil der Verbraucher. In den vergangenen Jahren hatte der BGH stets intransparente Klauseln für unwirksam erklärt.

Stellungnahme von Prof. Kurt Markert:

Ob im Einzelfall per saldo Kostensenkungen eingetreten sind, die nach der Preisanpassungsklausel vom Versorger durch entsprechende Preissenkungen an den Kunden weitergegeben werden müssen, ist – anders als bei veröffentlichten Kostenfaktoren wie Steuern, Abgaben und Umlagen – insbesondere bei den Energiebezugskosten des Versorgers für den Kunden in aller Regel nicht transparent. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB geht aber nicht so weit, dass in einer Preisanpassungsklausel auch die Verpflichtung des Versorgers enthalten sein muss, dem Kunden nicht saldierte Kostensenkungen unverzüglich mitzuteilen. Versorger, die das genannte Informationsdefizit ihrer Kunden dazu ausnutzen, solche Kostensenkungen nicht in gleicher Weise wie Kostensteigerungen im Preis an ihre Kunden weiterzugeben, riskieren allerdings die Unwirksamkeit ihrer Preisforderungen. Wenn derzeit bei den Gaspreisen vieler Haushaltskundenversorger der Eindruck besteht, dass günstigere Einkaufspreise unter Berücksichtigung etwaiger gleichzeitig eingetretener Kostensteigerungen entgegen den Preisanpassungsregelungen in den Versorgungsverträgen nicht entsprechend an die Kunden weitergegeben wurden, ist es Aufgabe betroffener Kunden und der Verbraucherverbände, durch geeignete Schritte und erforderlichenfalls auch durch Musterprozesse dafür zu sorgen, dass die Versorger ihre Anpassungsverpflichtungen auch einhalten.

Zur vollständigen Stellungnahme 

Der BGH läuft Amok

Der Bundesgerichtshof hat mit einer neuen Rechtsauslegung die Rechtslage für den Preisprotest im Bereich der Grundversorgung von Strom und Gas grundlegend geändert.

Der BGH läuft Amok

Der Bundesgerichtshof hat mit einer neuen Rechtsauslegung die Rechtslage für den Preisprotest im Bereich der Grundversorgung von Strom und Gas grundlegend geändert. Welche neuen Verhaltensregeln sich daraus für Energieverbraucher ergeben, erläutert Rechtsanwältin Leonora Holling.

(17. März 2016) Mit Urteil vom 28. Oktober 2015 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch bei Nichtanwendung der Vorschriften der Grundversorgungsordnung, da diese EU-rechtswidrig sind, dem Energieversorger ein Preisänderungsrecht zusteht. Auch dann, wenn der Verbraucher der Preiserhöhung widerspricht. Allerdings kann die Angemessenheit der Preiserhöhung nach wie vor durch ein Gericht entsprechend § 315 Abs. 3 BGB überprüft werden. Es ist sogar möglich, dass dieses Gericht selbst erneut den Europäischen Gerichtshof bei der Prüfung anruft, wenn es von einer nicht EU-rechtskonformen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgeht.

Leonora Holling | Buchautorin, Mitglied im Vorstand des Bundes der Energieverbraucher und hundertfach erfolgreiche Verbraucheranwältin

Verbraucher können daher grundsätzlich den Preisprotest wie früher fortsetzen. Aber: Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes werden viele Gerichte dazu neigen, die Rechtsauffassung des BGH ungeprüft zu übernehmen, wodurch eine Überprüfung der Preise in der Praxis nicht mehr stattfinden könnte. Wer den Preisprotest also fortführt, muss jetzt eher damit rechnen, durch seinen Versorger verklagt zu werden,  da die Versorger darauf hoffen, dass viele Gerichte kritiklos dem BGH folgen werden. Allerdings könnte das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Bundesgerichtshof noch aufheben (siehe Streit um EEG-Befreiungen und Verfassungsbeschwerde eingelegt).

Das Urteil des BGH hat wohl alle etwas ratlos hinterlassen. Es ist zu hoffen, dass das noch nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist. Das Urteil ist einfach zu weit von einer gleichgewichtigen Berücksichtigung der Interessen der Verbraucher und der Energieunternehmen entfernt.

Überprüfbarkeit der Kalkulation

Durch die vom BGH vorgegebene Beschränkung der Überprüfbarkeit auf das letzte Glied der Lieferkette (sogar Ex Beschaffungsaktivität!) bleiben auch weiterhin die vorgelagerten Teile der deutschen Lieferkette rechtsfreier Raum. Eine solche Ausklammerung der nachgelagerten Teile der Lieferkette zugunsten der vorgelagerten Teile kommt  einem Freibrief zum Missbrauch gleich.

Wenn ohne öffentliche Ausschreibung Lieferaufträge über mehrere Millionen Euro pro Jahr über Jahre hinweg freihändig an Freunde oder Anteilseigner zu geheimen Konditionen vergeben werden und Jahresboni sowie andere Vorteile verdeckt zurückfließen, öffnet das Tür und Tor für Missbrauch.

Eigentumsrechte der Verbraucher verletzt

Das Urteil scheint auch nicht mit den im Grundgesetz garantierten Eigentumsrechten vereinbar zu sein. Unter RZ 80 gesteht das Gericht den Energieunternehmen zu, nicht nur Betriebskosten in seine Preise einzukalkulieren sondern auch Erträge, um  „die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu erhalten“. Dabei beruft sich der BGH auf das Ziel der Preisgünstigkeit aus § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes. Allerdings schreibt dieser § 1 auch eine verbraucherfreundliche Versorgung vor, die der BGH nicht erwähnt. Der Verbraucher soll mit seinen Preisen auch geplante künftige Investitionen ermöglichen, die sich dann im Eigentum des Energieunternehmens befinden. Das geht nicht. Wenn der Verbraucher Anlagen vorfinanziert, stehen ihm auch die entsprechenden Eigentumsrechte und die mit der späteren Nutzung erzielten Gewinne anteilig zu – siehe zum Beispiel Beteiligungen an Windparks usw.

Wenn ich eine Wohnung miete, muss ich die Kosten (Abschreibung, Fremdkapitalzins, Eigenkapitalzins, Wartung, Verwaltung) und angemessenen Gewinn des Eigentümers tragen, ich muss ihm aber nicht zusätzlich den Bau einer weiteren Wohnung finanzieren.

Ich bin seit Jahren Mitglied im Bund der Energieverbraucher. Dass der Verein jetzt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des skandalösen Urteils des BGH vom 28. Oktober 2015 einschaltet, darüber kann ich jubeln. Chapot und Danke!
Friedrich Rosenschon, Bad Hersfeld

Die Kündigung der Grundversorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ist unzulässig.

Versorger können Protestkunden nicht die Grundversorgung kündigen, um damit höhere Preise durchzusetzen.

Die Kündigung der Grundversorgung wegen wirtschaftlicher Unzumutbarkeit ist unzulässig.

(29. Februar 2016) Versorger können Protestkunden nicht die Grundversorgung kündigen, um damit höhere Preise durchzusetzen. Denn dadurch würde die Problematik der Preiserhöhung umgangen. Und es gäbe dann keine Überprüfungsmöglichkeit für die Preise mehr, so formuliert das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ähnlich hatte auch das Landgericht Kiel im Juli 2015 geurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde zurückgenommen.

Sat. 1 über Gaspreisprotest

(03. Februar 2016) AKTE-Sendung vom 02.02.2016 "Wenn ihre Gasrechnung viel zu hoch ist"

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letzte Änderung: 19.04.2023