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Archiv Energiewende aus 2015

Alle Meldungen und Artikel aus dem Jahr 2015

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Zu den aktuellen Artikel zu Energiewende

Energiepolitik ohne Rückhalt

Alle aktuellen Beschlüsse der Regierung gingen zu Lasten der Verbraucher

Energiepolitik ohne Rückhalt

(21. Dezember 2015) Ob Strommarkt, Digitalisierung oder KWKG – alle aktuellen Beschlüsse der Regierung gingen zu Lasten der Verbraucher, die damit auch 2016 Zahlmeister der Energiewende bleiben, so der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), Berlin. Solange die Kosten umgelegt werden, sei die Regierung großzügig und bediene die unterschiedlichsten Interessen von Kohlekraftwerken bis zu Erdkabeln.

Allein die Ausweitung der KWK-Förderung und die Einführung der Braunkohlereserve erzeugten jährliche Mehrkosten in Milliardenhöhe für die Kunden. Die Energiewende gelinge nur dann, wenn sie fairer finanziert wird, so der Verband. Laut einer forsa-Umfrage glauben nur 30%, dass die Regierung die Energiewende erfolgreich und bezahlbar umsetzt. 66% bezweifeln das. Zu Beginn der Legislaturperiode Ende 2013 lag die Zahl der Skeptiker bei 59%, nach der EEG-Reform Mitte 2014 bei 73%.

Strommarktdesign

Schmutziger Braunkohle-Deal

Strommarktdesign: Schmutziger Braunkohle-Deal

(27. Oktober 2015, geändert 15. Dezember 2015) Um das Zusammenspiel von konventioneller und erneuerbarer Energieerzeugung wirtschaftlich so zu regeln, dass immer genügend Strom zur Verfügung steht, hat die Bundesregierung einen Entwurf über ein „Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarkts“ (Strommarktgesetz) zur Diskussion gestellt. Die Grundzüge des Gesetzes wurden zuvor ­öffentlich in einem Grünbuch und einem Weißbuch diskutiert. Es geht vor allem um die Frage, ob künftig nur für die Stromerzeugung ein Preis bezahlt wird (Energy-only-Markt) und Regelleistung explizit von den Netzbetreibern ausgeschrieben wird oder ob künftig die reine Bereitschaft zur Stromerzeugung über einen Kapazitätsmarkt vergütet werden solle.

Grundsätzlich hat sich die Regierung zunächst gegen Kapazitätsmärkte neben dem bereits bestehenden Regelleistungsmarkt entschieden. Praktisch allerdings bezahlt die Bundesnetzagentur schon heute einige Kraftwerke dafür, dass sie für über die Leistungsfähigkeit des aktuellen Regelleistungsmarktes hinausgehende Netzlasten in Bereitschaft gehalten werden. Die Summen für diese Deals bleiben im Gegensatz zu den Ausschreibungen im Regelleistungsmarkt geheim. Mit dem neuen Braunkohle-Deal wird diese Mauschelei im großen Maßstab fortgesetzt. Jährlich bekommen die Braunkohleverstromer 230 Mil­lionen Euro dafür, dass Sie keinen Strom mehr herstellen. Insgesamt sind das 1,6 Milliarden Euro. Eine „große Sauerei“ schimpfen Stadtwerke und wollen dagegen recht­liche Schritte prüfen, so die Stadtwerke München und der Verbund Trianel.

Selbst das TAM-Journal der Energiebranche kommentiert kritisch: „Der neue Deal zwischen der Re­gierung und den Betreibern der Braunkohlekraftwerke steht sympto­matisch für die gesamte verfehlte Energiepolitik in Deutschland.

Den ­Betreibern die alten Schmutz­schleudern direkt abzukaufen und stillzulegen, heißt ja, dass die Regierung ihr eigenes Instrument Emis­sionshandel für untauglich erklärt. Zudem ist die Höhe der Entschädigungszahlungen ein Skandal. Hier ist nämlich nicht der aktuelle Wert der Assets der Ausgangspunkt, sondern ein fiktiver, der einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb samt kräftigem Profit unterstellt. Dazu kommt, dass das Geld ohne Gegenleistung bezahlt wird – auch wenn schon mal vorsorglich das Etikett „Reserven“ draufgeklebt wurde. Und zuletzt wird die bisherige Umver­teilung bei den Kosten der Energiewende einfach weitergeführt, weil schon wieder die Haushaltskunden über die Netzentgelte zur Kasse gebeten werden. Bleibt zu hoffen, dass die EU den Braten riecht, den Vorgang korrekt als illegal einordnet und verbietet“. 

Kohleausstieg bis 2040 machbar

IZES-Studie zum Kohleausstieg

Kohleausstieg bis 2040 machbar

(28. September 2015) In einer vom Wirtschaftsministerium Rheinland-Pfalz in Auftrag gegebenen Studie zum Kohleausstieg kommt das Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZES) in Saarbrücken zu dem Ergebnis, dass ein Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kohle bis zum Jahr 2040 möglich ist.

Die Stromversorgung in Deutschland sei auch dann gesichert, wenn parallel der Ausstieg aus der Kernenergie erfolge, so die Schlussfolgerung der rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Energieministerin Eveline Lemke. Sie widersprach damit der Kohleindustrie und der Bundesregierung, die seit Jahren erklärten, dass der Kohleausstieg nicht gleichzeitig mit dem Atomausstieg beginnen könne. Die Studie steht auf den Seiten des Wirtschaftsministeriums unter www.mwkel.rlp.de zum Download bereit.

"Schweigegeld" - Kohlekompromiss markiert Wandel der Energiepolitik

Massive Kritik am Kohlekompromiss

"Schweigegeld" - Kohlekompromiss markiert Wandel der Energiepolitik

(6. Juli 2015) "Dem sogenannten ‚Kohlekompromiss" vom 1. Juli 2015 schlägt von außerhalb der beteiligten und begünstigten Kreise massive Kritik entgegen.

Bemerkenswert ist auch konzeptioneller Wandel in der Energiepolitik insofern, wie unerwünschte Aktivitäten adressiert werden, nämlich durch Entschädigung und Belohnung für ihr Unterlassen und die Umlage der Ausgaben auf die Verbraucher,  ähnlich wie bei der Belohnung für erwünschter Aktivitäten nach EEG.

Paul Suding

Die weitere Erhöhung der Umlagen ist problematisch und außerdem kurzsichtig, da sie der Flexibilisierung der Strom-Märkte entgegensteht", schreibt der Energiewirtschaftler Paul Suding in seinem Kommentar.

Koalitionsbeschluss Energie empört Verbraucher

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. vom 3. Juli 2015

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Koalitionsbeschluss Energie empört Verbraucher

(3. Juli 2015) Mit Empörung hat der Bund der Energieverbraucher e.V. auf die aktuelle Koalitionsvereinbarung zur Energiewende reagiert.  Download Eckpunkte Bundesregierung Energiewende 01.07.2015 

Verbraucher werden über höhere Strompreise und Steuern zusätzlich belastet, die Stromversorger werden beschenkt. "Für die Energiewende, den Klimawandel und die politische Kultur ein neuer Tiefpunkt" kommentiert der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters.

Deutschland emittiert jährlich rund 800 Millionen Tonnen CO2. "Nicht einmal einen marginalen Minderungsbeitrag von 20 Millionen Tonnen davon verlangt die Regierung den Hauptverursachern ab. Statt dessen werden die Kraftwerksbetreiber künftig noch großzügiger als bisher für Kraftwerke bezahlt, die nicht mehr gebraucht werden" so Peters. 

Jobmotor

Energiewende macht Arbeit

Jobmotor: Energiewende macht Arbeit

(5. Juli 2015) Die erneuerbaren Energien gefährden keine Arbeitsplätze, sondern sorgen für einen Beschäftigungszuwachs in der Energiewirtschaft. Das berechnete DIW Econ, das Beratungsunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in der Studie „Die Beschäftigungseffekte der Energiewende“.

Die Nettobeschäftigungseffekte seien in den vergangenen Jahren positiv und das werde sich fortsetzen. Pro Jahr würden 18.000 zusätzliche Jobs geschaffen. Dies entspreche dem gesamten Beschäftigungsaufbau in der deutschen Chemieindustrie mit 16.800 oder dem Maschinenbau mit 16.850 Beschäftigten im Zeitraum von 2008 bis 2013.

Energiewende

Energiewende und Gesundheit

Energiewende und Gesundheit

(28. Juni 2015) Die Energiewende ändert unsere Gesellschaft tiefgreifend. Über die gesundheitlichen Folgen wird mitunter diskutiert, als wären Kraftwerksemmissionen und Autoabgase unbedenklich. Prof. Dr. Karl Ernst von Mühlendahl hat für die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin die gesundheitlichen Folgen der Energiewende diskutiert.

Elektromagnetische Felder in der Umgebung von Hochspannungsleitungen

Kinder, die zu Hause höheren magnetischen Flussdichten (über 0,3 Mikrotesla µT) ausgesetzt waren, haben eine geringfügig höhere Wahrscheinlichkeit, an Leukämie zu erkranken. Zum Vergleich: In 50 Meter Abstand von einer 400 kV-Leitung liegt die Belastung bei 2,5 µT, in 200 Meter Abstand bei 0,1 µT, Rasierapparat 3 cm Abstand 1000 µT, Elektroherd 30 cm Abstand 20 µT. Hinweise auf ursächliche Zusammenhänge gibt es nicht. Selbst wenn es  diese Zusammenhänge gäbe, würde eine erhöhte Magnetfeldbelastung nur etwa drei bis vier der jährlich 620 Kinderleukämiefälle erklären.

Quecksilbergehalt von Energiesparlampen

Die Bedenken, dass es beim Zerbrechen einer solchen Lampe in geschlossenen Räumen zu Vergiftungen kommen könnte, sind unberechtigt. Nach dem Zerbrechen reicht gutes Lüften und die sachgemäße Entsorgung der Scherben, weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich.

Beeinträchtigungen durch Windkraftanlagen – Infraschall im Frequenzbereich unter 20 Hertz

Eine Studie aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Schluss, dass zu den Gesundheitsfolgen ein Mangel an umweltmedizinisch orientierten wissenschaftlichen Studien besteht.

Laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die im November 2014 im „Journal of Occupational & Environmental Medicine“ veröffentlicht wurde, birgt das Wohnen in der Nähe von Windparks kein Risiko für die menschliche Gesundheit. Um Auswirkungen von niederfrequentem Schall, Infraschall und tonalem Klang auf die Lebensqualität zu bewerten, untersuchten die Autoren viele Regionen mit Windparks und prüften Fallstudien in Europa und den USA. Nach den Messungen lag der Schall von Anlagen deutlich unter der Hörbarkeit und der Lärm in Wohngebieten stammte sehr oft von anderen Lärmquellen wie dem Verkehr, wobei dann die Messwerte deutlich überschritten wurden.

Quelle: Gesundheitliche Folgen der Energiewende: Von Kindern und Kanarienvögeln.
Prof. Dr. Karl Ernst v. Mühlendahl, Dr. Matthias Otto, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte

VKU: Bürgerbeteiligung erforderlich

Erste Auswertungen einer Umfrage des VKU

VKU: Bürgerbeteiligung erforderlich

(27. Juni 2015) Die Bürgerbeteiligung ist für den Erfolg der Energiewende von zentraler Bedeutung, so das Stimmungsbild bei kommunalen und regionalen Energieversorgern. Das zeigen erste Auswertungen einer Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen und des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), Potsdam, unter den Stadtwerken im VKU. 91% schätzen die Bürgerbeteiligung für das Gelingen der Energiewende als "wichtig" oder "sehr wichtig" ein.

Die Umfrage zeigte auch, dass bei 86% der Unternehmen die Entscheidung, die Bürger in geplante Energieinfrastrukturvorhaben einzubinden, auf eigener Initiative beruht habe. 48% verwiesen auf die große Bedeutung der Kommunen. Finanzielle Gründe habe nur jedes fünfte Unternehmen als Beweggrund genannt, die Bürger an Energieinfrastrukturprojekten zu beteiligen, so der VKU. Insgesamt beteiligten sich von 765 angefragten Unternehmen knapp 100 und damit 13% an der Befragung.

Erneuerbare überholen Atomkraft

Im vergangenen Jahr erreichten die erneuerbaren Energien in Europa einen weiteren Meilenstein

Erneuerbare überholen Atomkraft

(26. Juni 2015) Im vergangenen Jahr erreichten die erneuerbaren Energien in Europa einen weiteren Meilenstein: Sie produzierten erstmals mehr Strom als die europäischen Kernkraftwerke, wie "pv magazine" berichtet.

Nun zeigt ein neuer Bericht der Solarpower Europe, dass die kumulierte PV-Leistung weltweit bis 2020 auf 540 GW steigen könnte. 2014 betrugen die Neuinstallationen 40 GW – ebenfalls ein neuer Rekord.

Ökostromnetz im Modell

Ergebnisse des Forschungsprojekts "Kombikraftwerk 2"

Ökostromnetz im Modell

(25. Juni 2015) Die aktuelle Projektinfo "Stabiles Netz mit 100% Ökostrom" (06/2015) des BINE-Informationsdienstes des Leibniz-Instituts für Informationsinfrastruktur GmbH (FIZ Karlsruhe) stellt die Ergebnisse des Forschungsprojekts "Kombikraftwerk 2" vor. Wissenschaftler hatten unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) nachgewiesen, dass erneuerbare Energien auch so genannte System Dienstleistungen übernehmen können. Sie stützen das Stromnetz, indem sie dafür sorgen, dass die bereitgestellte Energie zu jedem Zeitpunkt der Nachfrage entspricht.

Besteht die Stromversorgung zu 100% aus erneuerbarer Energie, reduziert sich die Trägheit des Netzes. Technisch sind Windenergie- und Solaranlagen so schnell, dass sie dies ausgleichen können. Die Leistungselektronik von PV-Anlagen kann Primärregelleistung in einigen Millisekunden bereitstellen, Windenergieanlagen benötigen rund fünf Sekunden. Um die Netzspannung unabhängig von der Jahreszeit innerhalb eines vorgegebenen Spannungsbandes zu halten, haben die Wissenschaftler eine Regelung für den Einsatz erneuerbarer Energien. Die BINE-Projektinfo ist kostenfrei beim BINE Informationsdienst von FIZ Karlsruhe erhältlich unter www.bine.info oder 0228 – 92379-0.

Elektroheizungen als Energiespeicher für die Energiewende?

Sinnvoll ist dagegen die gezielte Erzeugung von Elektrowärme nur mit Stromüberschüssen beispielsweise in Verbindung mit der Fernwärmeerzeugung.

Elektroheizungen als Energiespeicher für die Energiewende?

(19. Mai 2015) Seit langem ist bekannt, dass Elektroheizungen – auch in der Form von Elektrospeicherheizungen – energetisch sehr ineffizient sind. (Warum genau das so ist, erklärt ein Lexikon-Artikel.) Weitaus effizienter ist beispielsweise die Benutzung einer Elektrowärmepumpe, die mit dem Strom ein Vielfaches an Heizwärme erzeugen kann.

Nun wurde in der letzten Zeit mit manchen in der Presse herumgeisternden Meldungen der Eindruck erweckt, die Elektrospeicherheizungen würden im Rahmen der Energiewende plötzlich doch eine sinnvolle Rolle spielen können, und deswegen sei es womöglich gar nicht mehr anzustreben, diese möglichst schnell durch effizientere Heizungssystemen zu ersetzen. Dahinter steckt der an sich nicht falsche Gedanke, dass man nicht anders verwertbare Stromüberschüsse, wie sie durch den zunehmenden Ausbau der Windenergie und Photovoltaik immer häufiger werden, in solchen Heizungen doch immerhin einigermaßen nutzbringend verwerten könnte (→ Power to Heat). Unter Umständen können damit Stromnetze sogar entlastet werden, weil erzeugter Strom nicht mehr zu weiter entfernten Verbrauchern transportiert werden muss.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich die Sachlage freilich deutlich anders dar:

  • Soweit tatsächlich nicht anders nutzbare Überschüsse auftreten, ist es tatsächlich sinnvoll, diese wenigstens zur Wärmeerzeugung zu nutzen – auch wenn dabei der größte Teil der Exergie (also der “Qualität” der Energie) verloren geht. Es stellt sich aber die Frage, ob Elektrospeicherheizungen in kleinen Häusern hierfür die richtige Methode sind. Aus mehreren Gründen dürfte es meist sinnvoller sein, diese Wärmeerzeugung in großen sogenannten Elektrodenkesseln vorzunehmen, welche zeitweise die Wärmeerzeugung aus fossilen Energieträgern ersetzen (ggf. auch von Blockheizkraftwerken); betrieben werden sie z. B. von Stadtwerken und Fernwärmenetzbetreibern. Allenfalls ergänzend nutzt man Elektrospeicherheizungen mit der bereits vorhandenen Rundsteuertechnik – wohlgemerkt, ohne dass die Verbraucher jedoch einen finanziellen Vorteil erhalten.
  • Besitzer von Elektrospeicherheizungen können deswegen realistischerweise kaum darauf hoffen, durch Power to Heat finanzielle Vorteile zu erhalten, um ihre enormen Heizkosten wenigstens ein Stück weit auszugleichen.
  • Völlig verfehlt wäre zudem die Idee, die Erhaltung solcher Heizungen oder gar noch ein Zubau wäre irgendwie nutzbringend. Gerade Elektroheizungen verursachen nämlich maßgeblich das Problem, dass der Strombedarf im Winter deutlich höher ist und für begrenzte Zeit dann sehr hohe Erzeugungs- und Stromnetzkapazitäten benötigt werden. Wenn die Kraftwerkskapazitäten hierfür dann erhöht werden, tritt das genannte Problem zeitweiliger Stromüberschüsse erst recht auf!

Man kann das folgende Fazit ziehen:

  • Nichts gegen Power to Heat, solange es darum geht, Stromüberschüsse im Umfang von z. B. wenigen Prozent der Gesamterzeugung zu nutzen. Dafür taugen aber Elektrodenkessel besser als Elektrospeicherheizungen, und die Verbraucher sparen dabei ohnehin nichts.
  • Selbst wenn eine Elektroheizung gelegentlich mal mit Stromüberschüssen aus Windkraft betrieben werden kann, wird sie dadurch noch lange nicht effizient und umweltfreundlich, denn meist muss für sie ja eigens Strom aufwendig hergestellt werden – häufig übrigens besonders klimaschädlich mit Kohlekraftwerken. Es ändert sich also auch praktisch nichts daran, dass mit Elektroheizungen versorgte Verbraucher mit ihren hohen Heizkosten die Beschleunigung des Klimawandels mitfinanzieren.
  • Somit wird klar, dass Elektroheizungen gerade auch durch die Energiewende keineswegs plötzlich energiewirtschaftlich nützlicher, für ihre Betreiber attraktiver oder ökologisch weniger schädlich werden.

 Quelle: https://www.energie-lexikon.info/paschotta.html

Energiewende zu Ende gedacht

Ein Buch von Ulf Bossel

Energiewende zu Ende gedacht

Ein sensationell kluges und klarsichtiges Buch über die Energiewende hat kürzlich der Energiewissenschaftler Ulf Bossel veröffentlicht. Er hat 1978 das Wort von der Energiewende mit geprägt und Beiträge zum ersten Buch über die Energiewende 1980 geleistet. Sein neuestes Buch umfasst nur 170 Seiten und ist dennoch ein Augenöffner.

(7. April 2015)

Warum Energiewende?

Für die konventionelle Energieversorgung naht das Ende, nicht weil die Politik die Energiewende beschlossen hat, sondern weil sich das Versiegen der Vorräte und die technische Entwicklung nicht aufhalten lassen.

Ohne Energie läuft nichts. Wenn wir aber weiterhin so sorglos mit Energie umgehen, dann läuft bald nichts mehr. Die Energievorräte versiegen und das Klima leidet. Die Energiewende ist keine ideologisch begründete Wunschvorstellung, sondern aus physikalischen Gründen eine bittere Notwendigkeit, für die wir möglichst bald eine Lösung finden müssen.

Der Bauplan sollte stehen, bevor man mit den Baumaßnahmen beginnt. Zum Überleben der Menschheit muss sich der Umgang mit Energie grundlegend ändern. Ein stabiler Zustand kann nicht allein durch die Erschließung sauberer und langfristig verfügbarer Quellen geschaffen werden, sondern muss verbunden sein mit einer möglichst effizienten Nutzung der von der Natur geernteten Energie. Diese Energie wird vorwiegend dezentral geerntet und auch am Ort der Ernte eingesetzt. Die Selbstversorgung von Gebäuden, Betrieben, Kommunen und Regionen mit lokal gewonnener Energie ist sinnvoll und wird sich durchsetzen.

Die Energiewende ist wie ein Fußmarsch über die Alpen. Nordeuropäer müssen sich zuerst nach Süden wenden. Dann folgt immer ein mühsamer Anstieg, egal welchen Weg man wählt, bevor man den sonnigen Süden erreicht. Also machen wir uns unverzüglich auf den Weg.

1900 Ulf Bossel

Ulf Bossel hat an der ETH in Zürich Maschinenbau studiert, an der Universität von Kalifornien in Berkeley promoviert, war Professor in Syracuse (New York), Energieforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ist Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und lebt seit 1986 in der Schweiz.

1975 rechnete die Bundesregierung mit einer Zunahme des Energieverbrauchs von damals 340 MtSKE (Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten) auf 1.280 MtSKE im Jahr 2025. Ulf Bossel und sein Bruder Hartmut zeigten 1975 in einem ZEIT-Artikel, dass durch mehr Effizienz der Verbrauch auf 400 MtSKE begrenzt werden könnte. Das wurde damals als unrealistische Wunschvorstellung abgetan. Heute liegt der Verbrauch im wiedervereinigten viel größeren Deutschland bei lediglich 450 MtSKE.

Der Begriff der Nachhaltigkeit

Der „königlich sächsische Energieminister“ Hans Carl von Carlowitz hat 1713 den Begriff der Nachhaltigkeit für den Waldbau eingeführt, Bossel nennt das „Permanenz“: Einem Wald darf man nicht mehr Holz entnehmen, als wieder nachwachsen kann. Das ist ein exakt definierter Erhaltungssatz. Der 1987 von der Brundland Kommission geprägte Nachhaltigkeitsbegriff ist dagegen vage und unbestimmt: „Eine nachhaltige Entwicklung erfüllt die Bedürfnisse der heutigen Generation, ohne zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“.

Bossel besteht auf Permanenz, damit präzise Entscheidungen getroffen werden können. Permanenz lässt sich nicht teilen, nicht verhandeln und nicht steigern. Ein Prozess kann nur permanent sein, wenn auch alle seine Teilprozesse es sind.

Physik der Energiewende

Energie selbst ist keine direkt messbare Größe, sondern muss aus anderen messbaren Größen bestimmt werden. Unser Gehirn hat für Energie keine Messlatte. Energie ist – ohne Nennung von Faktoren – das Produkt von:

  • Kraft x Weg
  • Leistung x Zeit
  • Masse x Fallhöhe
  • Druck x Volumen
  • Masse x Quadrat der Geschwindigkeit
  • Strom x Spannung x Zeit
  • Masse x Temperaturdifferenz

Kohle, Öl und Holz sind keine Energie, sondern bei deren Verbrennung wird Energie freigesetzt. Eine Kilowattstunde Energie entsteht zum Beispiel bei der Verbrennung von 360 Gramm Rohbraunkohle, 79 Gramm Heizöl oder 25 Gramm Wasserstoff. Technisch gesehen ist auch das Volumen wichtig, das für die Gewinnung einer Kilowattstunde gebraucht wird. Hier ist Heizöl an der Spitze: 0,1 Liter Heizöl enthalten eine Kilowattstunde oder 14 Liter Wasserstoff mit 20 bar. Für den gleichen Energieinhalt benötigt man bei Wasserstoff, selbst auf 20 bar komprimiert, 44 mal mehr Speicherplatz als für trockenes Brennholz. Für die Verflüssigung von Wasserstoff bei minus 253 Grad Celsius werden etwa 40 Prozent seines Energieinhaltes benötigt. Flüssiger Wasserstoff taugt also aus praktischen Gründen kaum als Energieträger. Die Beimischung von Wasserstoff zu Erdgas verringert den Brennwert des Gemisches. Diese Beimischung ist daher nur in begrenztem Umfang möglich.

Ein Kubikmeter Wasser muss fast 400 Meter fallen, damit die kinetische Energie von einer Kilowattstunde verfügbar wird. Bei zehn Meter Fallhöhe sind es nur zwei Prozent einer Kilowattstunde.

Die Sonne liefert bei der Einstrahlung auf einen Quadratmeter bei wolkenlosem Himmel eine Leistung von 1,2 Kilowatt, in einer Stunde also mehr als eine Kilowattstunde. Gute PV-Anlagen können davon mehr als ein Viertel in Strom umwandeln. Für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom in einer Stunde braucht man also rund vier Quadratmeter. 

Überirdische und unterirdische Energien

Bossel unterscheidet unterirdische und oberirdische Energierohstoffe.  Unterirdische Energie ist ohne Permanenz – lediglich in vulkanischen Gebieten kann auch Geothermie permanent sein. Bei weiterhin exponentiell wachsendem Ölverbrauch wäre die Erde in 300 Jahren vollständig aufgebraucht, wenn sie vollständig aus Öl bestünde – das ist bekanntlich nicht der Fall.

Bis zum Beginn der Industrialisierung hat die Menschheit ausschließlich von überirdischen Energiequellen gelebt. Mit der Energiewende werden wir zu diesem Zustand zurückkehren müssen, allerdings gestützt auf fantastische Neuerungen, die uns erlauben, den heutigen Wohlstand ohne Einbußen zu erhalten.

Nach der Wende sind alle wesentlichen Energiequellen überirdisch. Oft wird sogar von „himmlischer“ und „höllischer“ Energie gesprochen. Überirdische Energieanlagen sind sichtbar, sie sammeln Solarstrahlen, wandeln Winde um oder nutzen Fließwasser. Die Energiewende ist deshalb zwingend mit einer visuellen Veränderung des Landschaftsbildes verbunden.

Drei Kategorien einer Energietechnologie

Bossel unterscheidet die „graue Energie“ für den Bau von Anlagen, die „Betriebsenergie“ für den Betrieb der Anlage und „braune Energie“ für den Energie- und Abfalltransport von der Quelle bis zur Senke.

Der Anteil brauner Energie steigt mit nachlassender Ergiebigkeit mit stetig zunehmender Geschwindigkeit an. Die Energiepreise folgen dem Anstieg der braunen Energie. Wenn wir zu lange mit der Energiewende warten, belasten die Energiekosten unser Leben schon bald so stark, dass wir die Energiewende aus Mangel an finanziellen und energetischen Ressourcen nicht mehr problemlos schaffen können.

Oft wird nur über Energiekosten und Wirtschaftlichkeit gesprochen, also über die finanzielle Seite. Wir haben aber ein Energieproblem zu lösen, kein Finanzierungsproblem oder Technologieproblem. Positive Gesamtenergiebilanzen sind das wichtigste Kriterium für die Gestaltung einer permanenten Energiezukunft.

Außerdem kann Energie mit amortisierten Anlagen fast zum Nulltarif geerntet werden, denn für Sonne und Wind werden keine Rechnungen gestellt.

1900 Grafik überirdische unterirdische Energiequellen

Die Speicherproblematik

Die Entkoppelung von Stromnachfrage und Stromangebot beziehungsweise von Lieferung und Verbrauch ist ein wesentlicher Baustein für das Gelingen der Energiewende. Diese Entwicklung wird unausweichlich kommen. Sie ist eng mit der Entwicklung der Photovoltaik verbunden, deren Siegeszug nicht aufzuhalten ist.

Auch wenn alle Häuser Null-Energie-Gebäude wären, die im Winter kaum noch Heizenergie benötigen, wird der Jahresgang des Energiebedarfs immer noch deutlich schwanken. Im Sommer kann Sonnenenergie im Überfluss geerntet werden, im Winter sind die Nächte lang und kalt. Dafür bläst der Wind im Winter kräftiger. Das wird voraussichtlich nicht für eine gesicherte Bedarfsdeckung reichen.

Die saisonale Speicherung von Sonnenstrom erfolgt über flüssige oder feste Kohlenwasserstoffe problemloser als über Wasserstoff. Die Umwandlung von Naturstrom in synthetische Energieträger ist jedoch mit hohen Energieverlusten verbunden und wirtschaftlich nicht sehr attraktiv.

Nach der Wende wird der Strom für Wärmepumpen im Winter knapp und deshalb teuer sein. Der Einsatz von elektrischen Wärmepumpen kann deshalb kein physikalisch sinnvolles Teilziel der Energiewende sein. Der Heizwärmebedarf muss insgesamt durch bauliche Maßnahmen stark reduziert oder ganz eliminiert werden.

Auch wird die saisonale Speicherung von Sonnenwärme diskutiert und technisch erprobt. Bei allen Jahresspeichern krankt die Wirtschaftlichkeit jedoch daran, dass die Speicher pro Jahr nur einmal gefüllt und einmal entleert werden. Die Investitionen müssen mit wenigen Speicherzyklen amortisiert werden. Die Kosten für die so gespeicherte Energie übersteigen die Kosten für eine gute Wärmedämmung um ein Vielfaches.

Auf eine Stromversorgung rund um die Uhr im Überfluss kann man sich künftig nicht mehr verlassen, sondern muss lernen, mit dem Stromangebot zu leben. Strom kann nicht immer geliefert werden, wenn der Verbraucher dies wünscht. Er steht jedoch im Überfluss kostengünstig zur Verfügung, wenn bei hoher Einspeisung Netzstrom „entsorgt“ werden muss. Die Lösung liegt also in einer Entkopplung von Stromlieferung und Stromnutzung. Das Nutzerverhalten muss sich an die geänderte Situation anpassen. Der Energieverbraucher wird schnell begreifen, dass niemand die Sonne oder den Wind anknipsen kann, sondern dass man mit den Tages- und Jahreszeiten leben muss. Ohne Verlust an Lebensqualität wird der Stromkonsument sein Leben automatisch mit dem Stromangebot synchronisieren. Eine solche Bewusstseinsänderung entschärft das Speicherproblem.

Im Endbereich sollten deshalb Stromspeicher installiert oder Elektroautos geladen werden. Der Stromversorger entscheidet, wann er die dezentralen Speicher befüllt. Der Stromverbraucher ist nicht mehr direkt mit dem Generator verbunden, sondern deckt seinen Bedarf aus einer Batterie, die vom Stromlieferanten befüllt wird.

Statt einer großen Batterie könnte man auch eine kleine Batterie zusammen mit einem Generator installieren, der mit Diesel oder Rapsöl betrieben wird, Kraftstoffe, die einfach zu lagern und auch nach der Energiewende noch zu annehmbaren Preisen erhältlich sein werden.

Es macht wenig Sinn, schreibt Bossel, nach neuen Energiequellen für die heutige Vergeudung von Primärenergie zu suchen. Die Energiewende bringt auch das Ende der ineffizienten Energiewirtschaft. Die Ineffizienz des heutigen Energiesystems ist physikalisch bedingt, weil man vorwiegend Kohle, Erdöl und Uran mit geringem exergetischen Wirkungsgrad einsetzt. Die Überlegungen Bossels zur Exergie sind unter Bund der Exergieverbraucher zu lesen. Bei der Verwendung von Wasserstoff als Energieträger ist nur ein Viertel des ursprünglich eingesetzten Stroms noch nutzbar, bei Methangas nur ein Sechstel.

Verkehrsbereich

Heute werden etwa drei Viertel der fossilen Endenergien zur Versorgung von Gebäuden und Fahrzeugen eingesetzt. Für diesen Energiebedarf wird man im Zuge der Energiewende andere Lösungen finden müssen, hier gibt es kein „Weitermachen wie bisher“. Im Verkehrsbereich werden Verbrennungsmotoren durch hocheffiziente Elektromotoren ersetzt, die mit Strom aus permanenten Quellen betrieben werden. Wie viele Kilometer kann ich mit Energie fahren, die von einer bestimmten Landfläche geerntet werden? PV-Strom ist Biodiesel um den Faktor 150 überlegen. Dieselbe Landfläche kann folglich ein Auto mit Biodiesel oder 150 Fahrzeuge mit Solarstrom versorgen.

Gebäudeheizung

Heizöl und Erdgas werden längerfristig nicht mehr zur Verfügung stehen und können für Heizungen nicht durch synthetische Energieträger ersetzt werden. Nachwachsende Rohstoffe sind in den benötigten Mengen nicht zu gewinnen. An vorderster Stelle steht deshalb die Verringerung der Heizwärme durch eine Verbesserung der Gebäudehülle. Wärmepumpen sind raffinierte und effiziente „elektrische“ Heizgeräte. Heizbedarf besteht vorwiegend in kalten Winternächten, wenn kein Solarstrom verfügbar ist. Mit dem Austausch des Heizkessels durch Wärmepumpen allein lässt sich eine langfristige Nutzung von Gebäuden nicht sicherstellen. Für die Energiewende muss ein anderer Weg gefunden werden.

348 1900 Kesselaustausch Wärmedämmung

Mit hervorragend guter Wärmedämmung von Außenwänden und Dach sowie dichten und mehrfach verglasten Fenstern lassen sich die Wärmeverluste so stark vermindern, dass sie durch die Wärmequellen im bewohnten Bereich gedeckt werden können. Die Lösung ist also einfach und machbar. Nullenergiehäuser existieren bereits. Sie haben sich schon vielfach bewährt.

Die Zukunft gehört dem Nullenergie-Haus oder sogar dem Nullenergie-Plus-Haus, also Gebäuden, die thermisch so gut eingepackt sind, dass der Einbau von Heizungsanlagen entfallen und der Stromverbrauch aus eigener Produktion mit Solarzellen gedeckt werden kann. Heizöl und Erdgas werden nicht durch synthetische Brennstoffe ersetzt, sondern konventionelle Gebäudehüllen werden durch solche mit vorzüglichen Dämmeigenschaften verdrängt. Sie bieten Komfort und Behaglichkeit ohne Fremdenergie. Solche Gebäude sind Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende.

In vielen Fällen ist es besser, alte Gebäude abzureißen und durch neue zu ersetzen, die den Nullenergie-Plus-Standard erfüllen.

Flächen und Landschaften

Bossel rechnet die Flächen nach, die für eine überirdische Energieernte notwendig sind. Rein rechnerisch könnte man den Strombedarf vollständig decken, wenn man alle bestehenden Dächer mit Solarzellen belegen würde, also Dachflächen mehrfach nutzt. Auch bei Windkraftanlagen ist Mehrfachnutzung möglich. Denn unter den Windrädern stehen die Flächen weitestgehend für eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Anlagen zur Energieernte aus überirdischen Quellen werden sichtbar sein. Das muss man akzeptieren, wenn man den Nachkommen eine gesicherte Energieversorgung hinterlassen möchte. Es ist wenig verständlich, dass die Energiewende gefordert, aber gegen visuelle Veränderungen der Umwelt gekämpft wird. Woher sonst soll die Energie der Zukunft kommen? Besonders erstaunt, dass ausgerechnet der Natur verbundene Personen mit Vehemenz nicht nur gegen Kohle- und Atomkraftwerke, sondern auch gegen Windkraft und Solaranlagen streiten, mit denen eine saubere und klimaneutrale Stromerzeugung und damit der Erhalt einer gesunden Umwelt gesichert wird.

Wende von unten

Die Energiewende geht alle an. Sie kann nicht verordnet werden, denn mündige Wähler sind in Energiefragen hochgradig sensibilisiert. Das Ziel der Energiewende ist und bleibt die langfristige Sicherstellung einer bezahlbaren Energieversorgung auf der Basis permanenter und sauberer Energiequellen. Die Wende muss von unten nach oben wachsen.

Die gesamte Energiewirtschaft kollabiert, nicht weil man die Energiewende verwirklicht hat, sondern weil das System nicht mehr mit fossilen Energieträgern gespeist werden kann. Weil alle Energieverbraucher mehr oder weniger von der Energiewende betroffen sind, muss umfassend und sachlich über die Notwendigkeit des Wendeprozesses informiert werden.

Technische und organisatorische Maßnahmen können jedoch nur dann erfolgreich sein und ohne Widerstand verwirklicht werden, wenn alle verstanden haben, dass die Energiewende weder ein ideologischer Wunschtraum noch ein Mittel zur Gewinnoptimierung der Energiekonzerne ist, sondern eine physikalische Notwendigkeit, die zum Wohle aller möglichst schnell erledigt werden muss.

Ein gut informierter Bürger steht im ersten Glied der Energiewende. Ohne Zweifel führt die Energiewende vorübergehend zu höheren Preisen pro Energieeinheit, denn die neuen Anlagen müssen amortisiert werden. Schon bald aber wird Strom wieder billiger, denn die Grenzkosten liegen für Sonne und Wind deutlich unter denen von Kohle und Uran. Auch kann jeder Energieverbraucher durch Verringerung seines Energiekonsums ein Anwachsen seiner monatlichen Energierechnung heute bereits begrenzen.

Das Zweitarif-Modell

Bossel schlägt vor, die EEG-Vergütung umzustellen auf einen festen Betrag zur Amortisation der Investitionen und eine Einspeisevergütung für den gelieferten Strom, die sich am aktuellen Strombörsenpreis orientiert.

Besonders interessant sind Bossels Gedanken zum Strommarkt: Die Betriebskosten von PV-Anlagen und Windkraftwerken sind extrem niedrig. Auf der anderen Seite werden thermische Kraftwerke zum Ausgleich der schwankenden Einspeisung in Bereitschaft gehalten mit geringen Laufzeiten und folglich hohen Erzeugungskosten. Die Drosselung der Naturstrom-Einspeisung ist nicht die richtige Lösung, denn das würde die Energiewende ausbremsen. Die Stilllegung aller thermischen Kraftwerke würde die Versorgungssicherheit opfern und kommt ebenfalls nicht in Frage. Das Problem muss über den Stromverkauf geregelt werden.

Bossel schlägt vor, den Strom in zwei Gütekategorien anzubieten. Hierfür werden Zweitarif-Zähler benötigt. Der freie Strombezug mit Leistungsgarantie (Kategorie A, ca. 30 ct/kWh) wird teurer, denn dafür müssen Kraftwerke mit geringen jährlichen Laufzeiten bereitgehalten werden. Dieser Strom kann jederzeit ohne zeitliche Einschränkung bezogen werden.

Daneben gibt es Strom aus volatilen Quellen zu günstigen Preisen (Kategorie B,  ca. 10 ct/kWh). Der Versorger garantiert die Liefermenge, aber nicht den Lieferzeitpunkt  Dieser Strom wird geliefert, wenn „zu viel Strom in der Leitung ist“.

Der heutige Umgang mit Nachtstrom wird also auf alle Tageszeiten ausgedehnt und mit Überflussstrom praktiziert. Mit Billigstrom können Verbraucher ihre Batteriespeicher füllen, Warmwasserspeicher aufheizen, Waschmaschinen starten, Wärmepumpen betreiben, Elektrofahrzeuge laden.

Die große Preisdifferenz zwischen beiden Stromkategorien schafft wirtschaftliche Anreize zur Nutzung des günstigen Stroms und zum Abbau des Bezugs von teurem Strom, also zum Abbau von Leistungsspitzen. Die gesetzliche Lieferpflicht gilt nur noch für Strom der Kategorie A. Die Stromkategorien unterscheiden nicht guten von schlechtem Strom. Sondern Strom, über dessen Lieferzeitpunkt der Kunde entscheidet und Strom, über dessen Lieferzeitpunkt der Versorger entscheidet. Beide Stromarten werden über dieselbe Leitung geliefert.

Ähnlich wie beim Nachtstrom hat der Verbraucher je einen Zähler für jede Stromkategorie, zwischen denen per Steuersignal umgeschaltet wird. Das sich viele Kleingeräte heute schon mit zwölf Volt Gleichstrom betreiben lassen, könnte diese Geräte  auch mit billigem Strom der Kategorie B gespeist werden, der in einer Zwölf-Volt-Hausbatterie zwischengespeichert ist.

Wenn mehr Leistung abgerufen wird, als zur Verfügung steht, dann wird nur noch der teurere A-Strom geliefert. Das vermindert die abgerufene Leistung und erhöht die Einspeisung, weil BHKW und Biomasseanlagen dann zusätzlichen Strom zu höheren Marktpreisen einspeisen. Wird mehr Strom eingespeist als abgerufen, dann wird auch die Einspeisung als B-Strom abgerechnet. Der Stromversorger kann also die Nachfrage bestimmen und an das Angebot anpassen. Das führt so zu einem Ausgleich und verbessert die Netzstabilität.

In seinem überaus lesenswerten Buch „Energiewende zu Ende gedacht – Was denn sonst?“ präsentiert Bossel viele wesentliche Zusammenhänge für das Verständnis der Energiewende und liefert wertvolle Denkanstöße für die Gestaltung des Wendeprozesses.

1900 Buchtitel Energiewende zu Ende gedacht

Energiewende zu Ende gedacht | (ISBN 3033047734) ist im Eigenverlag erschienen, kostet 25 Euro und kann bestellt werden bei Ulf Bossel, Morgenacherstrasse 2F, CH-5452 Oberrohrdorf, ubossel@bluewin.ch

Energiewende: Netzausbau oder Speicher?

Welche Beziehung besteht zwischen Erzeugung, Speicher und notwendigen neuen Trassen?

Energiewende: Netzausbau oder Speicher?

Über Stromtrassen wird ebenso heftig diskutiert wie über Stromspeicher. Welche Beziehung besteht zwischen Erzeugung, Speicher und notwendigen neuen Trassen? Einige interessante Thesen dazu lesen Sie auf dieser Seite.

(6. April 2015) „Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss nicht auf Stromspeicher warten“. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von „Agora Energiewende“, zu deren Unterstützern der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz (ehemaliges RWE-Übertragungsnetz) gehört. Allerdings setzt die Studie den umstrittenen massiven Ausbau des Übertragungsnetzes als Tatsache voraus. Gleichwohl kommt die Studie zum Ergebnis, dass es schon jetzt eines gesetzlichen Rahmens für die Markteinführung von Stromspeichern auf der örtlichen Netzebene bedarf.

Der Verein Eurosolar ist überzeugt, dass der rasche Ausbau dezentraler Stromspeicher den überzogenen teuren Netzausbau überflüssig machen würde. „Wenn wir eine wirkliche Energiewende wollen, brauchen wir Stromspeicher – so, wie ein vollständiges Haus ein Dach braucht. Warum also sollten wir viel Geld für ein zweites Badezimmer – sprich: teuren Übertragungsnetzausbau – verplempern, wenn wir das Dach sowieso brauchen?“ (Solarzeitalter Ausgabe 3/4  2014, S. 15).

Prof. Dirk Sauer vom Lehrstuhl für Speichersystemtechnik der RWTH Aachen favorisiert als Langzeitstromspeicher eine einfache Art des Power-to-Gas: Für jede Kilowattstunde Überflussstrom, die zum Heizen anstelle von Erdgas eingesetzt wird, bleibt im Gasnetz eine Kilowattstunde Energie als Methan zurück. Das ist genauso, als wenn der Strom zur Erzeugung des Gases eingesetzt worden wäre. Allerdings ist der Weg über die Wärmeerzeugung und das dadurch gesparte Gas um einen Faktor 20 günstiger und der Wirkungsgrad ist ein Drittel höher als bei einer Umwandlung von Strom in Gas. Solange also noch Erdgas oder Öl für die Bereitstellung von Niedertemperaturwärme in Haushalten oder Industrieunternehmen verbrannt wird, sind „Tauchsieder“ im Wassertank der mit Abstand effizienteste und kostengünstigste Weg des -„Power-to-Gas“. Prof. Sauer weist darauf hin, dass 80 Prozent der Netzkosten im Verteilnetz anfallen.

Während die öffentlichen Diskussionen von den überregionalen Übertragungsnetzen dominiert werden, liegen die wahren Kostentreiber auf der örtlichen Ebene von Verteilnetzen. Genau auf dieser Ebene können dezentrale Speicher das Netz stabilisieren und einen Netzausbau überflüssig machen.

Der Solarförderverein Aachen will die Einspeiseleistung von PV-Anlagen auf 30 Prozent ihrer Leistung begrenzen und den Rest wirtschaftlich vorteilhaft in eigene Stromspeicher einspeisen. Der Speicher kann das Verteilnetz stabilisieren. Und die Verteilnetze können dreimal mehr PV-Anlagen aufnehmen, ohne dass das Netz ausgebaut werden müsste.

Energiewende spart der Industrie 29 Milliarden Euro

Ohne die erneuerbaren Energien hätten die Strombörsenpreise 2011 bis 2013 neun statt vier Cent betragen. Die Mehrkosten hätten sich auf 29 Milliarden Euro summiert. Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Studie von Prof. Jürgen Karl von der Universität Erlangen. Profitiert haben von dieser Ersparnis die Industriebetriebe durch gesunkene Strompreise.

Energiewende-Bilanz durchwachsen

Trotz positiver Tendenzen würden viele Ziele der Energiewende nicht erreicht.

Energiewende-Bilanz durchwachsen

(1. April 2015) Trotz positiver Tendenzen würden viele Ziele der Energiewende nicht erreicht, so die Düsseldorfer Unternehmensberatung McKinsey im "Energiewende-Index". Es gebe Verbesserungen bei Stromverbrauch und Offshore-Wind, der CO2-Ausstoß sowie die Haushalts- und Industriestrompreise seien aber immer noch über Plan. Der halbjährliche "Energiewende-Index" verzeichne erstmals eine positive Entwicklung.

Von den 15 untersuchten Indikatoren haben sich in der zweiten Jahreshälfte 2014 elf besser entwickelt als in den sechs Monaten zuvor. Vor sechs Monaten ließen neun der Indikatoren kein Erreichen der Energiewendeziele 2020 erwarten, im aktuellen Index tun dies nur noch sieben. Dazu gehören die CO2-Emissionen, die 2014 um 3,3% auf 920 Mio t sanken, der Zielwert für 2020 von 739 Mio t liegt aber in weiter Ferne. Auch die EEG-Umlage sank zu Jahresbeginn 2015 von 6,24 auf 6,17 Cent je kWh. Das Ziel von 3,5 Cent je kWh ist aber weit weg. Die Kosten für Netzeingriffe sanken auf 1,40 Euro je MWh fluktuierende Erneuerbare, das liegt deutlich höher als der angestrebte Wert von 1,00 Euro. Beim Offshore-Wind waren Ende Januar wegen verspäteter Netzanschlüsse sieben Parks nicht am Netz.

Die Haushaltsstrompreise waren Ende 2014 bei 29,87 Cent je kWh konstant, stiegen aber im EU-Vergleich um 0,5% leicht an. Deutlich verschlechtert hat sich der Industriestrompreis, der im ersten Halbjahr 2014 um 3,6% auf 11,58 Cent je kWh stieg, während die Preise im EU-Durchschnitt bei 9,46 Cent je kWh konstant blieben. Damit vergrößert sich die Abweichung vom EU-Durchschnitt auf 22%. Auch beim Primärenergieverbrauch hapert es: Legt man 1,6% Wirtschaftswachstum pro Jahr bis 2020 zugrunde, müsste sich die Energieproduktivität von nun 1,4% auf 4,3% pro Jahr verbessern, um das 2020er Ziel zu erreichen.

Bei sieben der 15 untersuchten Indikatoren scheinen die Ziele erreichbar: 2014 sank der Stromverbrauch um 4%, die Wirtschaftsleistung stieg um 1,4%. Mit 576 TWh Stromverbrauch liegt Deutschland unter dem Zwischenziel für 2014 von 584 TWh. Beim PV-Ausbau wurden 2014 rund 1,8 GW neu installiert und die vorgesehenen 2,5 GW aber nicht erreicht. Insgesamt waren Ende 2014 rund 37,5 GW PV am Netz. Der Indikator für den Ausfall der Stromversorgung hat sich verbessert, die geplanten 17 Minuten sind klar erreicht.

Die gesicherte Reservemarge liegt mit 12,9% höher als mit 6,8% im Vorjahr. Beim Ausbau der Transportnetze bewegt sich der Indikator mit 438 km im realistischen Bereich. In den stromintensiven Industrien waren Mitte 2014 mit knapp 1,6 Mio Personen 0,7% mehr beschäftigt als Ende 2013. Die Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien blieben mit 371.400 gleich. Anpassungsbedarf gibt es laut McKinsey beim Offshore-Wind: Hier waren am Jahresende Anlagen mit 1,05 GW am Netz, das 2020-Ziel liegt aber bei 6,5 GW.

Erneuerbare mildern Strompreis

Neue Studie der Universität Erlangen-Nürnberg auf Basis von EEX-Daten

Erneuerbare mildern Strompreis

(13. Februar 2015) Allgemein gelten die erneuerbaren Energien als Strompreistreiber, eine neue Studie der Universität Erlangen-Nürnberg auf Basis von EEX-Daten kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Strom wäre hierzulande für Haushalte auch ohne die Energiewende so teuer wie heute und für Unternehmen sogar erheblich teurer, so das Fazit.

Der Grund dafür sei der Rückgang der nuklearen und konventionellen Stromerzeugung durch den Atomausstieg. Das geringere Angebot habe zu deutlich höheren Börsenpreisen geführt, der Ausbau erneuerbarer Energien habe erheblich preismindernd gewirkt. Stromverbraucher hätten allein 2013 trotz der Mehrkosten durch die EEG-Umlage 11,2 Mrd Euro eingespart, weil viel Ökostrom eingespeist wurde, so die Studie. Zudem hätten die regenerativen Energien die Versorgungssicherheit erhöht: Ohne Windkraft und PV wäre 2013 mit der maximal zur Verfügung stehenden konventionellen und nuklearen Erzeugungskapazität über 269 Stunden die Nachfrage nicht gedeckt gewesen.

Wenn keine weiteren konventionellen Kraftwerke vom Netz genommen werden, ließen sich die Strombezugskosten für die Letztverbraucher bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien gemäß des Ausbaukorridors bis 2020 konstant halten, prognostizieren die Wissenschaftler. Mit der Abschaltung der letzten sechs KKW bis 2022 sei dann aber in nur zwei Jahren mit Strompreissteigerungen von bis zu 7 Cent je kWh zu rechnen.

Erneuerbare kostengünstiger

Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace Energy

Erneuerbare kostengünstiger

(21. Januar 2015) Würden alle versteckten Kosten im Strompreis berücksichtigt, verursachten konventionelle Energieträger wie Kohle und Atom 2015 eine finanzielle Mehrbelastung von 11 Cent pro kWh, so die Studie "Was Strom wirklich kostet", die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace Energy erstellt hat.

Fazit: Nicht die erneuerbaren Energien sind die Preistreiber, vielmehr ersetzen sie Energieträger mit weitaus höheren Folgekosten. Müssten Energieversorger die Zusatzkosten der Stromerzeugung in ihre Kalkulation aufnehmen, seien erneuerbare Energien größtenteils schon heute wettbewerbsfähig, heißt es. Während pro Jahr knapp 20 Mrd Euro per EEG in den Ausbau erneuerbarer Energien fließen, beliefen sich die versteckten Zusatzkosten für konventionelle Energieträger 2014 und 2015 auf je rund 40 Mrd Euro. Darin enthalten seien sowohl staatliche Subventionen und finanzielle Vergünstigungen als auch externe Kosten für Umweltschäden oder die Endlagerung von Atommüll, so die Studie.

Erneuerbare Energien seien unterm Strich auch deutlich kostengünstiger als Kohle und Atom, folgert Greenpeace Energy. Weil die hohen Kosten von Kohle und Atom aber nur indirekt über Steuern und Abgaben bezahlt würden, könne sie der Verbraucher nicht auf der Stromrechnung erkennen. In Wahrheit sei die "Konventionelle-Energien-Umlage" doppelt so hoch wie die EEG-Umlage. Und während die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in den letzten Jahren immer günstiger geworden sei, könnten sich konventionelle Kraftwerke kaum noch refinanzieren.

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letzte Änderung: 18.04.2023