125 Martin Jensen. Foto: obs/Peter Jensen GmbH/Angerer, Krafft
Jahresverwirrzahl Hält eine Wärmepumpe, was sie verspricht? Selbst unter Fachleuten herrscht darüber häufig Unsicherheit.

Jahresverwirrzahl

Hält eine Wärmepumpe, was sie verspricht? Selbst unter Fachleuten herrscht darüber häufig Unsicherheit: Ab welcher Jahresarbeitszahl arbeiten Elektro-Wärmepumpen in Deutschland -„besser" oder „energieeffizienter" als konventionelle Heizkessel? Das Problem: Je nach Standpunkt und Interessenslage variieren die Mindest-Jahresarbeitszahlen erheblich.

(13. September 2010) Unter der Jahresarbeitszahl JAZ einer Wärmepumpe versteht man das Verhältnis von jährlich erzeugter Wärme am Ausgang zum notwendigen Betriebsstrom für die Pumpe. Es gibt verschiedene Methoden, die JAZ zu ermitteln: Für die Werte der günstigeren Erzeuger-Jahresarbeitszahl EJAZ wird der Wärmegewinn direkt hinter der Wärmepumpe gemessen sowie der Strom für die Wärmepumpe selbst und für die Erschließung der Kaltquellen Luft, Grundwasser oder Erdreich.

Neutrale Tabelle hilft bei Bewertung

Die für die Energieeffizienz und den Klimaschutz maßgebliche System-Jahresarbeitszahl SJAZ berücksichtigt zusätzlich die folgenden Verlustquellen: Heizungspuffer- und Warmwasserspeicher, Abtauenergie des Lamellenverdampfers bei Luft-Wärmepumpen, Notheizstab und Speicher-Ladepumpen. Die SJAZ bilanziert also die Nutzenergien des Wärmepumpensystems.

Umstritten ist die Höhe der Jahresarbeitszahl, die mindestens erforderlich ist, um Elektro-Wärmepumpen als energieeffizient bezeichnen zu können. Je nach Interessenlage schwankt diese Zahl zwischen den Werten zwei und vier. Das hängt mit der Art der Stromerzeugung zusammen (hohe thermische Verluste) und dem Brennstoffmix (hoher Kohleanteil). Außerdem spielt der Bezug zu einem konventionellen Heizkessel eine Rolle. Dabei handelt es sich häufig um eine Erdgas-Brennwert-Therme. Doch nicht genug, dass die ermittelten Werte schwanken. Unterschiedliche Interessenvertreter nennen zudem verschiedene Werte, ab denen eine Wärmepumpe als energieeffizient gilt -(siehe Kasten).

Unterschiedliche Interessenvertreter nennen verschiedene Werte, ab denen eine Wärmepumpe als energieeffizient gilt:

  • JAZ = 2,0 Teile der Hersteller und Energieversorger; Quelle: BWP Bundesverband Wärmepumpen (Hersteller): 2,0; E-Werk Mittelbaden in Lahr (Schwarzwald): 2,2
  • JAZ = 3,0 Mindest-Forderung in einer Wärmepumpen-Fibel für „Energieeffizienz“ Quelle: dena Deutsche Energie-Agentur (Berlin) und RWE Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk (Esssen)
  • JAZ = 3,5 Mindest-Forderung in einer Wärmepumpen-Fibel für „Nennenswerte Energieeffizienz“; Quelle wie zuvor
  • JAZ = 4,0 Umwelt- und Klimaschützer (falls Elektro-Wärmepumpen überhaupt eingesetzt werden sollen); Quelle: EWS Ökostromanbieter E-Werk Schönau (Schwarzwald) und Umwelt und Klimaschutzverbände

Die geforderten Mindest-Jahresarbeitszahlen für Elektro-Wärmepumpen schwanken also um einen Faktor zwei. Eine JAZ von etwa zwei ist freilich dem Lobbyismus geschuldet: Die Hersteller wollen Wärmepumpen und die Energieversorger Strom verkaufen. De facto handelt es sich bei solch niedrigen Jahresarbeitszahlen um eine verkappte Stromheizung und eine offensichtliche Verschwendung von kostbarer Primärenergie. Es bleibt die Frage, wie die Europäische Union und die Bundesregierung die ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen wollen, bis zum Jahre 2020 30 Prozent des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid einzusparen?

Realistischer sind da schon die geforderten Mindest-Jahresarbeitszahlen in der oben erwähnten Wärmepumpen-Fibel für „energieeffiziente" und „nennenswert energieeffiziente" Wärmepumpen in Höhe von 3,0 beziehungsweise 3,5. Es sind dann aber immerhin noch 33 beziehungsweise 29 Prozent des hochwertigen und teuren Stroms erforderlich, um ein Haus mit Wärme für die Heizung und das Brauchwasser zu versorgen. Umwelt- und Klimaschützer kritisieren deshalb die Forderung von dena und RWE als zu schwach.

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Die Ergebnisse der Phase 2 „Innovative Wärmepumpensysteme“ sind seit Kurzem verfügbar. Die Ergebnisse lauten „Selters bis Sekt“, will sagen: Alles drin, von einer Arbeitszahl zwischen eins und zwei (fast Stromheizung) bis fünf (ausgezeichnet). Offenbar ist ein Teil der Innovationen doch nicht so erfolgreich wie erwartet.

Deren Forderung liegt bei einer Jahresarbeitszahl von mehr als vier, das heißt: Es sind nur noch 25 Prozent Strom erforderlich, um zusammen mit 75 Prozent Umweltwärme (Grundwasser und Erdreich) den Wärmebedarf von Häusern zu decken. Eine so hohe Jahresarbeitszahl erreichen Luft-Wärmepumpen in der Praxis jedoch nicht.

Um der großen Unsicherheit unter Fachleuten und Laien bei der Beurteilung der Energieeffizienz von Elektro-Wärmepumpen zu begegnen, hat die Lokale Agenda 21 - Gruppe Energie Lahr im Schwarzwald eine Klassifizierung und Bewertung von Jahresarbeitszahlen erstellt, die keine Marketing-Interessen, sondern den Beitrag zum Klimaschutz berücksichtigt.

Die Tabelle versucht, die Interessen der Hersteller und Energieversorger auf der einen Seite und die der Umwelt- und Klimaschützer auf der anderen Seite zu berücksichtigen. Es ist abzusehen, dass es von beiden Seiten Kritik geben wird.

Diese Bewertungen liegen den ersten Berichten der Phase 2 „Innovative Wärmepumpensysteme" des „Feldtests Wärmepumpen" zugrunde. Sie gelten nur für den deutschen Strommix. In Ländern wie Österreich und der Schweiz mit hohem Anteil an Wasserkraft und für die Schweiz Kernenergie verändert sich die Beurteilungstabelle erheblich.

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Dr. Falk Auer
Lokale Agenda 21 - Gruppe Energie, Lahr (Schwarzwald)
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letzte Änderung: 12.09.2023