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2.000 Watt für jeden

Mit einem Drittel Energie auskommen ohne Komfortverlust: In der Schweiz wird dies unter der Bezeichnung 2.000-Watt-Gesellschaft diskutiert und umgesetzt.

(01. April 2010) Während in Deutschland und der Schweiz der Gesamtenergieverbrauch pro Kopf und Jahr bei etwa 50.000 Kilowattstunden liegt, werden weltweit je Erdenbürger nur gut 17.000 Kilowattstunden, also ein Drittel, verbraucht. Tatsächlich wäre es möglich, auch unseren Energiebedarf auf diesen Mittelwert zu senken, und zwar, ohne dabei auf wesentliche Annehmlichkeiten zu verzichten.

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Möglich machen es ein effizienterer Energieeinsatz und erneuerbare Energien innerhalb von nur 50 Jahren. Die Primärenergie würde dabei vier- bis fünfmal effizienter als heute eingesetzt. Die Vision stammt bereits aus dem Jahr 1998.

Das Bundesamt für Energie der Schweiz brachte sie unter dem Namen 2.000-Watt-Gesellschaft in Umlauf. Sie geht auf eine Idee des deutschen Energiewissenschaftlers Professor Eberhard Jochem zurück. Jochem ist Träger des Bundesverdienstkreuzes und seit 20 Jahren Mitglied im Bund der Energieverbraucher. Am 30. November 2008 haben die Bürger der Stadt Zürich in einer Volksabstimmung eine Änderung der Gemeindeordnung beschlossen, welche die Umsetzung der 2.000-Watt-Gesellschaft zum Ziel hat.

Leistung und Energie

Bei allen Betrachtungen des Energieverbrauchs ist die sorgfältige Unterscheidung zwischen Leistung und Energie sehr wichtig. Deshalb ist die Bezeichnung 2.000 Watt etwas unglücklich gewählt, denn Watt bezeichnet die Einheit einer Leistung. Im 2.000-Watt-Konzept geht es aber nicht um die Verminderung der Leistung, sondern des Energieverbrauchs mit der Einheit Kilowattstunde. Man kann Watt in Wattstunden umrechnen, indem man mit der Zahl der Stunden eines Jahres (24 h x 365 = 8.760 h) multipliziert. Die 2.000-Watt-Vision sollte also nur als Markenzeichen für das Ziel verstanden werden, den Energieverbrauch auf ein Drittel des heutigen Werts zu reduzieren. Sie hat nichts mit der Leistungseinheit Watt zu tun, die in diesem Zusammenhang falsch wäre.

Weitere Informationen:

Ein Tag in der 2000-Watt-Gesellschaft

Mein LED-Wecker klingelt. Ein gewöhnlicher Tag beginnt. Das erste Energieeinsparpotenzial finde ich auf dem Frühstückstisch: gesunde saisonale Früchte und ein leckerer Joghurt aus der Region sowie selbstgebackenes Brot. Kurzes und intensives Lüften tauscht die abgestandene durch frische Luft aus.

Und während der anschließenden erfrischenden Dusche rinnen dank moderner Brause trotz angenehmem Strahl nur zwölf Liter Wasser pro Minute durch die Brause. Die Solaranlage auf dem Dach sorgt dafür, dass das Warmwasser ohne Ressourcenverschwendung produziert wird.

Für meinen kurzen Arbeitsweg nutze ich den Halbstundentakt der S-Bahn in die Stadt. ÖPNV statt Auto, ein Komfortverlust? Im Gegenteil: Zeitung lesen oder sich mit Bekannten unterhalten statt zwei Mal täglich im Stau stehen - das spart Zeit und Ärger.

Wohn- und Lebensqualität A++

Wieder zu Hause, genieße ich meine Freizeit und erledige einige Hausarbeiten. Diese halten sich dank einer maximalen Wohnfläche von 50 Quadratmetern pro Person zum Glück in Grenzen. Es ist ein heißer Tag. Dennoch bleibt es im Minergie-P-Haus angenehm kühl - ohne dabei Energie für eine Klimaanlage zu verschwenden.

Dank guter Isolierung zieht es nicht mehr in den Zimmern. Und die ungesund trockene Luft im Winter ist aufgrund fehlender Heizkörper auch passé. Die Zusatzkosten für den Minergiestandard liegen bei lediglich sechs Prozent (für Minergie-P sind es 15 Prozent) und sind im Normalfall nach sieben Jahren amortisiert. Dazu ist meine Stromrechnung drei Mal tiefer als eine herkömmliche, da ich nur die effizientesten Geräte in meinem Haushalt habe.

Graue Energie

Beim Konsum von verschiedensten Gütern versuche ich mich etwas einzuschränken. So bestelle ich zum Beispiel Zeitschriften, die ich gar nicht erst lese, wieder ab. Damit verschwende ich keine unnötige graue Energie. Später steige ich auf das Fahrrad, um mich mit einem Freund zu treffen. Dabei genieße ich die laue Sommernacht und habe auch gleich meine Portion Tagesfitness abbekommen.

Besser und tiefer Schlafen

Am Abend sehe ich mir am LCE-Fernsehen einen Film an und höre danach noch etwas Musik. Vor dem ins Bett gehen trete ich auf den Kippschalter, um die elektronischen Geräte vollständig abzuschalten. Die roten Standby-Leuchten und die elektromagnetische Strahlung würden meinen Schlaf stören. Ich schließe die Augen und freue mich auf einen weiteren Tag in der 2000-Watt-Gesellschaft.

Mit freundlicher Genehmigung aus: Energie&Umwelt, 3/2009

letzte Änderung: 13.07.2010