Die Fossilwirtschaft geht nicht kampflos unter. Nicht mehr der Klimawandel wird nunmehr geleugnet, sondern unsere Fähigkeit, mit ihm fertigzuwerden. Doch Veränderungen sind möglich. Wenn wir die Hoffnung bewahren und unsere Verletzlichkeit wahrnehmen.

Hoffnung ist überwundene Verzweiflung

Die Fossilwirtschaft geht nicht kampflos unter. Nicht mehr der Klimawandel wird nunmehr geleugnet, sondern unsere Fähigkeit, mit ihm fertigzuwerden. Doch Veränderungen sind möglich. Wenn wir die Hoffnung bewahren und unsere Verletzlichkeit wahrnehmen.
Ein Kommentar von Aribert Peters.

(26. März 2024) Die US-Forscherin und Harvard-Professorin Naomi Oreskes schreibt: „Alles, was wir wissen, steht im Widerspruch zu praktisch allem, was wir tun. Der Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung als Ganzem und Extremwetterereignissen ist erwiesen, Ereignissen, die Menschen töten, ihre Häuser zerstören und ganze Gemeinden überfluten. Und trotzdem wird immer mehr Öl, mehr Gas, mehr Kohle gefördert. … Man könnte mit Amitav Ghosh von einer ‚großen Umnachtung‘ sprechen. In vielen Teilen der Welt gibt es einen echten politischen Willen zu handeln. Und die nötige Technologie ist weitgehend vorhanden, anders als es vielleicht vor 20 Jahren der Fall war. Dies ist also eine wirklich existenzielle Bedrohung für die Öl- und Gasindustrie. Diese Branche wird alles tun, um sich zu schützen. Sie wird nicht kampflos untergehen und uns notfalls alle mit in den Abgrund reißen.“ 

Die Fossilfirmen machen jeden Tag weltweit einen Gewinn von einer Milliarde Dollar. Und sie beeinflussen gravierend das Meinungsbild in Deutschland. Der Springer-Konzern gehört zu 36 % der US-Beteiligungsgesellschaft KKR, die mit Öl- und Gashandel hierzulande Milliardengewinne macht. Erinnern wir uns an die mediale Hasskampagne gegen das neue Heizungsgesetz, das entsprechend dem Koalitionsvertrag Heizen mit Gas beenden wollte. Der Gasbranche wären 33 Milliarden Euro Gewinn jährlich verloren gegangen.

Lokale Lösungen

„Zunächst ist es tieftraurig, wie viel unbegründete Hoffnung wir in diese internationalen COP-Verhandlungen gesetzt haben (COP: Conference of the Parties, jährlich stattfindende Weltklimakonferenz; d. Red.). Aber den Traum von der großen Lösung aufzugeben, kann doch auch befreiend sein: Wenn wir uns mehr auf das Lokale, das Regionale und das Nationalstaatliche konzentrieren, können wir etwas bewirken“, sagt Oreskes. Ein Beispiel dazu ist die Energiewende in Uruguay

Die neue Leugnung

Christiana Figueres, die Architektin des Pariser Klimaschutzabkommens, führt in ihrem Podcast Outrage & Optimism aus: „Die alte Klimaleugnung besagte, dass es keinen Klimawandel gibt. Nun, das ist kläglich gescheitert, denn es gibt inzwischen einfach zu viele Beweise. Aber die neue Leugnung ist noch beängstigender. Sie räumt den Klimawandel zwar ein, leugnet aber, dass wir etwas dagegen tun können.“ Nach einer Analyse des Guardian stieg die Zustimmung zur neuen Klimaleugnung auf YouTube von früher 35 auf nun 70 %. Die Botschaft lautet nun: „Wir können nichts tun. Wir haben nicht die Kapazität. Wir haben nicht die Mittel. Wir haben nicht die Technologie.“ 
„Warum sind wir darauf reingefallen?“, fragt Christina Figueres und beklagt: „Es handelt sich um koordinierte Kampagnen über Jahrzehnte hinweg, finanziert von nicht demokratischen Regierungen und einigen sehr verantwortungslosen Akteuren aus dem privaten Sektor.“ Oder mit den Worten von US-Senator Bernie Sanders: „Denn sie wollen das Gegenwärtige erhalten, das so unglaublich vorteilhaft ist für das eine Prozent der Reichen.“ Er warnt: „Glaube ihnen nicht. Eine Änderung ist möglich.“

„Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe“

Die französische Philosophin Corine Pelluchon schreibt: „Was wir benötigen, ist nicht Optimismus, sondern Hoffnung. … Hoffnung setzt voraus, dass wir uns mit unserer eigenen Fehlbarkeit und Verletzlichkeit auseinandersetzen und auch das Böse zur Kenntnis nehmen.“ („Die Durchquerung des Unmöglichen. Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe“, Literatur ED 01/2024 Seite 39)

Und weiter führt sie aus: „Die Klimadepression, die die Psyche überflutet, rührt daher, dass man die Gefahr vorausahnt und nicht versteht, warum es weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene einen Aufschrei gibt. … Der Zweifel am Wert einer Zivilisation, die zu einer solchen Katastrophe führt, erschüttert all unsere Gewissheiten. Dieser Zweifel zwingt uns auch dazu, unsere Werte grundlegend neu zu definieren, um zu formulieren, was uns wichtig ist. … Die Bewusstwerdung, dass ein Kollaps möglich ist, bedeutet, das Unmögliche zu durchqueren, da wir mit dem Abgrund konfrontiert sind und gezwungen werden, die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft zu akzeptieren.“

Überwundene Verzweiflung

„Zu verzweifeln ist leicht, Verzweiflung ist eine Versuchung“, mahnt Corine Pelluchon, fährt dann aber fort: „Nur eine Energie, die stärker ist als die Verzweiflung, kann sie auslöschen. … Die Hoffnung liefert die Energie, um ein neues Zeitalter hervorzubringen. … Hoffnung ist überwundene Verzweiflung. Hoffnung bringt sich auf demütige und zugleich entschlossene Weise zum Ausdruck. Sie ist weit entfernt von jeglicher hochtrabenden Rede, mit der wir unsere Gewissheit über die Lösungen für die enormen Herausforderungen unserer Zeit zur Schau stellen. Hoffnung erfordert das Aushalten des Negativen und das Erkennen der extremen Ungewissheit, in der wir uns befinden.“ 
Wir können auf so viele Beispiele zurückblicken, in denen es hieß, dass eine Veränderung nicht möglich sei. Und sie kam dennoch. „Alles erscheint unmöglich, bis es vollbracht ist“, sagt Nelson Mandela.

letzte Änderung: 24.01.2024