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Preiserhöhungen legal?


Unterlassungsklagen des vzbv gegen zwei Fernwärmeanbieter

(21. August 2024) Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat zwei Unterlassungsklagen gegen die Fernwärmeanbieter Stadtwerke Neubrandenburg GmbH und Avacon Natur GmbH eingereicht. Nach Ansicht des vzbv hatten beide Anbieter ihre Preise teils drastisch angehoben und dabei unzulässige Preisklauseln verwendet. Wenn die Unterlassungsklagen des vzbv erfolgreich sind, können daraus Rückforderungsansprüche für betroffene Kunden folgen.

Der vzbv prüft parallel eine Sammelklage gegen beide Anbieter. Mit einem erfolgreichen Ergebnis können Verbraucher hohe Beträge zurückverlangen. Die Versorger können dann für den gesamten Zeitraum höchstens zu den 2021 geltenden Preisen abrechnen und müssen die darüber hinausgehenden Beträge erstatten.

Verbraucher, die von den Preissteigerungen der Avacon Natur oder den Neubrandenburger Stadtwerken seit 2021 betroffen sind, können sich unter www.sammelklagen.de melden. 

Weiteres dazu auf: Fernwärmepreise:: vzbv verklagt Avacon und Stadtwerke Neubrandenburg

Was tun gegen überhöhte Fernwärmepreise?

Wesentliche Grundsätze des modernen Energierechts gelten für Fernwärmekunden nicht, zum Beispiel die Versorgungspflicht sowie die Möglichkeit zur Anrufung der Schlichtungsstelle Energie.

Die rechtlichen Möglichkeiten, gegen überhöhte Fernwärmepreise vorzugehen, haben sich aufgrund neuerer Rechtsprechung deutlich verbessert.

  • Wenn ein Verbraucher eine FW-Rechnung erhält, kann er nicht erkennen, ob die verwendete Preisformel gültig ist, also den Vorgaben der AVBFernW entspricht. Anhaltspunkte bieten die zahlreichen Urteile des BGH  dazu. Ist die Preisformel gültig und wurde sie richtig verwendet, dann muss der Verbraucher den verlangten Preis zahlen.    
  • Entspricht die Preisformel nicht den Vorgaben der AVBFernW, dann schuldet der Verbraucher den verlangten Preis nicht. Wenn der Verbraucher hier den verlangten Preis nicht zahlt, dann darf der Versorger den Fernwärmeanschluss nicht sperren, weil der Verbraucher ja das objektiv Geschuldete gezahlt hat - siehe "3 Jahres-Regel". Dem steht § 30 AVBFernw entgegen, der das Recht auf Zahlungsverweigerung auf offensichtliche Fehler beschränkt. „Nach der Rechtsprechung des Senats sind daher Einwendungen des Kunden, die sich nicht auf bloße Abrechnungs- und Rechenfehler beziehen, sondern die vertraglichen Grundlagen für die Art und den Umfang seiner Leistungspflicht betreffen, vom Anwendungsbereich des § 30 AVBFernwärmeV oder gleich lautender Bestimmungen ausgenommen“ So der BGH
  • An die Gültigkeit der Preisanpassungsklauseln sind hohe Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu stellen. Die Klauseln müssen an die Kosten des Versorgers und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt anknüpfen. Die meisten Klauseln halten einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.
  • Ob eine konkrete Preisformel gültig ist oder nicht und damit der Rechnungsbetrag zu Recht verlangt wird, darüber sind Verbraucher und Versorger unterschiedlicher Ansicht. Entschieden wird der Streit letztlich durch Gerichte. Der Verbraucher, der nicht der verlangten Rechnungsbetrag bezahlt, riskiert einen Rechtsstreit mit seinem Versorger, dessen Ausgang von vielen Faktoren abhängt und sich nicht vorhersagen lässt. 
  • Wenn der Verbraucher zu Unrecht die Gültigkeit der Preisformel gerügt und die Begleichung eine damit begründete Rechnung verweigert hat, dann muss er nachzahlen und auch die Kosten eines ev geführten Rechtsstreits tragen.
  • Rückforderungen gegenüber Fernwärmeversorgern zum Beispiel wegen ungültiger Preisklauseln können nur drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden, nachdem sie vom Verbraucher beanstandet worden sind. Wenn einem zu Unrecht verlangten Preis vom Verbraucher nicht widersprochen wird, dann gilt dieser drei Jahre später als einvernehmlich vereinbart und der Verbraucher muss diesen fiktiv vereinbarten Preis auch bezahlen: Die sog. "3-Jahres-Regel". Beispiel: Ein Verbraucher widerspricht der Jahresrechnung für 2021, die er 2022 erhalten hat. Widerspricht er dieser Rechnung und den früheren Preiserhöhungen, dann wirkt das drei Jahre zurück, also auch für die Abrechnungsjahre 2020, 2029 und 2018. Maßgeblich ist dann der Preis, der außerhalb der 3-Jahres-Regel unbeanstandet geblieben ist, also der Preis für 2027.
  • Verbraucher sollten allen Preiserhöhungen und auch sämtlichen früheren schriftlich widersprechen. Ein Risiko ist damit nicht verbunden. Der Widerspruch muss nicht begründet werden. 
  • Darüber hinaus sollte beim Verdacht überhöhter Fernwärmepreise stets auch die Landeskartellbehörde eingeschaltet und um Überprüfung bitten.
  • Hilft das alles nichts, dann sollten sich die Betroffenen zusammentun und gemeinsam den Kampf aufnehmen. Beispiele für Protestgruppen hier. Wie langwierig, aber auch erfolgreich das sein kann, zeigt das Beispiel Lübeck (siehe Bürgerprotest: Beispiel Lübeck).
  • 620 Rohre
Rechtliche Situation von Fernwärmekunden
  • Das Energiewirtschaftsgesetz gilt für Fernwärme nicht. Rechtsgrundlage für die Fernwärmeversorgung ist allein die veraltete AVBFernwärmeV aus dem Jahr 1980.
  • Fernwärmekunden können sich nicht an die Schlichtungsstelle Energie wenden.
  • Bei Fernwärme wird nicht zwischen Grundversorgung und Sondervertragskunde unterschieden.
  • Die Möglichkeit der kartellrechtlichen Preiskontrolle ist nach § 29 GBW ist für Fernwärmeunternehmen gegeben. 
  • Für Fernwärmekunden ist entscheidend, ob sie unmittelbar Vertragspartner des Fernwärmeversorgers sind oder die Fernwärmekosten des Hauses durch den Vermieter auf die Mieter verteilt werden. In letzterem Fall gelten die Regeln des Mietrechts und der Heizkostenverordnung.
  • An die Gültigkeit der Preisanpassungsklauseln sind hohe Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu stellen. Die Klauseln müssen an die Kosten des Versorgers und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt anknüpfen. Die meisten Klauseln halten einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.
  • Das Berufen auf die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel rechtfertigt eine Rechnungskürzung um den Erhöhungsbetrag.
  • Fernwärmeverträge laufen höchstens zehn Jahre, sofern nicht individuell eine längere Laufzeit vereinbart wurde. Sie verlängern sich automatisch um fünf weitere Jahre, wenn sie nicht neun Monate vor Ablauf gekündigt werden.
  • Unzulässig ist es, wenn einer Gruppe von Fernwärmeabnehmern, zum Beispiel solchen ohne Anschlusszwang, besondere Rabatte eingeräumt werden.
  • Fernwärmeunternehmen haben regelmäßig eine marktbeherrschende Stellung in ihrem Versorgungsbereich und unterliegen daher direkt der Aufsicht der Kartellbehörden.
  • Die Anschlussleistung des Versorgers kann vermindert werden, wenn der Verbraucher erneuerbare Energien nutzt.
  • Die Fernwärmeversorger dürfen die Preisanpassungsklauseln nicht einseitig ändern.
Blickpunkt: Fernwärme

In der Diskussion um gerechte Energiepreise führte die Fernwärme bisher eher ein Schattendasein.

Blickpunkt: Fernwärme

In der Diskussion um gerechte Energiepreise führte die Fernwärme bisher eher ein Schattendasein. Dies hängt damit zusammen, dass der Anteil von Fernwärme am Gesamtenergiemarkt nicht besonders groß ist. Aber auch die Rechtsprechung war in der Vergangenheit eher unübersichtlich und uneinheitlich, so dass kaum allgemeingültige Ratschläge erteilt werden konnten.
Von Leonora Holling

(29. Juni 2014) Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. April 2011 (Az. VIII ZR 273/09) gibt es für Verbraucher zumindest eine gewisse Sicherheit, welche Entgelte von Fernwärmeversorgungsunternehmen überhaupt gefordert werden können.

198 620 1318 1700 2165 Holling

Leonora Holling | Buchautorin, Mitglied im Vorstand des Bundes der Energieverbraucher und hundertfach erfolgreiche Verbraucheranwältin.

Fernwärmeverträge sind Sonderverträge. Eine Änderung der Preise, insbesondere eine Preisanhebung, erfordert eine ausdrückliche und wirksame Vereinbarung im Sondervertrag selbst. Anders als bei sonstigen Energiesonderverträgen bemisst sich die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel bei der Fernwärme nicht nach den §§ 305 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass sich die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel bei Fernwärme ausschließlich nach § 24 Abs. 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) bemisst. In § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV wird auf die „Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme“, die „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“ sowie auf die „Vollständigkeit“ bzw. „allgemein verständliche Form“ der Berechnungsfaktoren abstellt. Solche allgemeinen Vertragsbedingungen müssen zudem ausdrücklich durch die Parteien, also auch den Verbraucher, vereinbart werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Januar 2014, Az. VIII ZR 111/13). Die Rechtsprechung zu Sonderverträgen bei Strom und Gas ist nicht heranzuziehen.

Was darf in der Preisklausel stehen?

Sieht man sich die einzelnen Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV an, so gilt für das „Kostenelement“, dass in der Preisformel der für die Fernwärmeerzeugung tatsächlich eingesetzte Brennstoff auftauchen muss. Wird ein Fernwärmeheizwerk statt mit Gas mit einem anderen Brennstoff betrieben, gehören Preise der Gasbeschaffung nicht in die Formel. Lohnkosten können grundsätzlich in die Formel aufgenommen werden, jedoch orientiert an der Lohnentwicklung in der Energiebranche. Investitionskosten des Fernwärmeunternehmens dürfen einfließen.

Der „Wärmemarkt“

Als weiteren Faktor nennt der § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV die „Verhältnisse auf dem Wärmemarkt“. Was das konkret bedeutet, ist in der Rechtsprechung besonders umstritten und auch durch den Bundesgerichtshof noch nicht endgültig geklärt. Viele Fernwärmeunternehmen benutzen den sogenannten HEL-Index, also eine Orientierung an der Ölpreisbindung, um den Wärmemarkt zu definieren. Es gibt jedoch deutliche Hinweise, dass dieser Index als zu wenig repräsentativ für den Wärmemarkt eingestuft werden könnte und eine Gesamtbetrachtung aller am Wärmemarkt beteiligter Brennstoffe erforderlich ist.

Transparenz

Weniger Schwierigkeiten bereitet die Einordnung „Transparenz“ für den Endverbraucher. Hier gilt im Wesentlichen das, was durch die Rechtsprechung zu § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei Strom und Gas als transparent angesehen wurde. Kann der Verbraucher anhand der Klausel selbst, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Drittquellen, die Preissteigerungen berechnen,  sei die Klausel wirksam (Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2011, Az. VIII ZR 66/09).

Keine einseitigen Änderungen

Eine einseitige Änderung von Preisanpassungsklauseln in bestehenden Fernwärmeverträgen über § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV (so noch Landgericht Nürnberg-Fürth im Urteil vom 22. Mai 2013, Az. 3 O 4143/12) ist jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15. Januar 2014 (Az. VIII ZR 111/13) nicht möglich. Soweit der Verbraucher zum Ergebnis gelangt, dass die Preisänderungsklausel in seinem Vertrag unwirksam ist, darf er gemäß § 30 AVBFernwärmeV das Entgelt kürzen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. November 2012, Az. VIII ZR 17/12). Hat der Verbraucher hingegen den unzulässig erhöhten Preis in der Vergangenheit gezahlt, stellt sich die Frage etwaiger Rückforderungen. Es dürfte diesbezüglich die für den Gassonderbereich entwickelte Rechtsprechung heranzuziehen sein. Urteile dazu sind nicht bekannt. 

Resümee

Soweit in der Vergangenheit Fernwärmesonderverträge Gegenstand gerichtlicher Prüfungen waren, sind die dort verwendeten Preisänderungsklauseln überwiegend als unwirksam eingestuft worden. Für den Verbraucher bleibt jedoch ein Wehmutstropfen: Die Kündigung eines Fernwärmesondervertrages ist trotz Monopolstellung sowie Anschluss- und Benutzungszwang seitens des Energieversorgungsunternehmens zulässig. Dann wird die Wärme zu einem Preis geliefert, den der Versorger nach billigem Ermessen bestimmt. Über dessen Höhe lässt sich dann trefflich streiten, - außerhalb und im Gerichtssaal.

Klarheit für Fernwärme-Kunden

Zwei neue Urteile des Bundesgerichtshofs schaffen endlich Rechtssicherheit und garantieren mehr Verbraucherschutz für Fernwärmekunden

Klarheit für Fernwärme-Kunden

Zwei neue Urteile des Bundesgerichtshofs schaffen endlich Rechtssicherheit und garantieren mehr Verbraucherschutz für Fernwärmekunden: Gleich zweimal erklärten Deutschlands höchste Richter am 6. April 2011 Preiserhöhungsklauseln für nichtig und räumten den Verbrauchern das Recht ein, Rechnungen zu kürzen. Vermutlich betrifft dies auch Millionen andere Fernwärme-Verträge.

(2. Juni 2011) Das Energiewirtschaftsgesetz von 2005 gilt für Strom- und Gaskunden, aber nicht für Fernwärmekunden. Die alte AVBFernwärmeV, hier kurz AVF genannt, gilt nach wie vor mit geringfügigen Änderungen. Nach dieser Vorschrift berechtigen Rechnungsfehler nur dann zum Zahlungsaufschub, wenn diese Fehler auf den ersten Blick klar erkennbar sind (§ 30 AVF).

620 Fernwärme-Leitungen

Bislang: Zurückbehaltungsrecht bestritten

Die Fernwärmeunternehmen haben sich in der Vergangenheit darauf berufen, dass sowohl der Unbilligkeitseinwand als auch Zweifel an der Gültigkeit der Preiserhöhungsklausel die Kunden nicht dazu berechtigt, ihre Zahlungen zu kürzen. Zunächst müsse der Verbraucher die Rechnung begleichen und könne sich später in einem Rückforderungsprozess sein Geld zurückholen.

BGH: Nicht allein Interessen der Versorgungsunternehmen berücksichtigen!

Doch diese Auffassung lässt sich nicht mit dem besonderen Schutzbedürfnis eines Fernwärmekunden vereinbaren (BGH-Urteil Lübeck, Urteilsziffer 20). „Bei einer solchen eingeschränkten Sichtweise wird der mit der Verordnung bezweckte Schutz des Kunden vor unangemessenen Preisanpassungen nicht erreicht. Diese Vorschrift rechtfertigt es nicht, dem Wärmekunden die Möglichkeit abzuschneiden, bereits im Abrechnungsprozess die vertraglichen Grundlagen der Leistungspflicht zu klären" (Urteilsziffer 16).

Deshalb kann der Verbraucher durchaus sowohl die Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung bestreiten als auch die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Preiserhöhung. „Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Preisanpassungsklausel dient – ebenso wie die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB – dazu, privatautonomer Gestaltungsmacht bestimmte Grenzen zu setzen und zu klären, welcher Preis tatsächlich geschuldet wird", heißt es dazu in Urteilsziffer 19.

Tarif- oder Sondervertragskunden?

Für den Preisprotest von Strom- und Gaskunden kommt es wesentlich darauf an, ob es sich um einen Tarif- oder Sondervertrag handelt. Eine solche Unterscheidung gibt es bei Fernwärmekunden nicht, sofern es sich nicht um Industriekunden handelt „Eine Differenzierung zwischen Tarifabnehmer- und Sonderkundenverträgen soll dabei nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht erfolgen, weil es im Gegensatz zum Strom- und Gasssektor bei der Fernwärme keine gesetzlichen Unterschiede über unterschiedliche Tarifgestaltungen gibt" (Urteilsziffer 24). Bei sämtlichen Verträgen, in denen vorformulierte allgemeine Versorgungsbedingungen verwendet werden, gelten die Regelungen der AVF.

Transparenzerfordernis

Zwar gelten für Fernwärmekunden die Transparenzbedingungen des § 307 BGB nicht, sondern der § 24 Abs 3 AVF. „Damit schreibt diese Regelung ein Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit vor, das mindestens dem Niveau der vom Bundesgerichtshof im Rahmen einer Inhaltskontrolle von § 307 BGB...geforderten Transparenz von Preisanpassungsklauseln entspricht. ... Das Transparenzgebot nach § 307 BGB verlangt, dass der Kunde den Umfang der auf ihn zukommenden Preissteigerungen aus der Formulierung der Klausel erkennen und die Berechtigung einer vom Klauselverwender vorgenommenen Erhöhung an der zu Preisänderungen ermächtigenden Klausel selbst messen kann. ... § 24 AVF bleibt hinter diesen Vorgaben nicht zurück." (Urteilsziffer 33).

Folgende Anforderungen gelten für Preisgleitklauseln:

  • Allgemeinverständlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Vorhersehbarkeit und Überprüfbarkeit aller Bestandteile durch den Verbraucher wie oben dargestellt – daran fehlte es im Fall Stadtwerke Lübeck.
  • Die Preiserhöhung muss an zwei unterschiedliche Bemessungsfaktoren anknüpfen: An die Kosten des Versorgers und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (BGH Urteil Zerbst, Urteilsziffer 34). Es muss mindestens ein Indikator in der Preisformel enthalten sein, der an die tatsächliche Entwicklung der Kosten des überwiegend eingesetzten Brennstoffs anknüpft. Daran mangelte es bei den Stadtwerken Zerbst.
  • Preise müssen nicht spiegelbildlich zur Kostenstruktur ausgestaltet sein. Nach dem Grundsatz der Kostenorientierung müssen die Preise oder ihre Bestandteile die kostenmäßigen Zusammenhänge jedoch hinreichend erkennen lassen (Urteilsziffer 38).
  • Die Verwendung des Heizölpreises stellt an sich keinen Verstoß gegen die Kriterien dar. Es kommt darauf an, dass die oben genannten Kriterien im Übrigen erfüllt sind.
Preisänderungsklauseln

§ 24, Abs. 3 AVF „Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, daß sie sowohl die Kosten-entwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen".

Konsequenzen für Fernwärmekunden

Jeder Fernwärmekunde sollte prüfen, ob die Preisklausel in seinem Vertrag gültig ist. Waren die Preiserhöhungen der Vergangenheit nichtig, sollte er künftig nur den ursprünglich vereinbarten Preis bezahlen und die bislang zu viel bezahlten Beträge zurückfordern (siehe Langer Atem zahlt sich aus).

Dies gilt auch für Kunden, die bislang ihre Rechnungen nicht beanstandet haben. Der Prozesskostenfonds des Vereins gilt ab sofort auch für Fernwärme zu den bisher geltenden Regeln.

Die Fernwärmeversorger sollten künftig nur noch Preise in Rechnung stellen, die den Kriterien des Bundesgerichtshofs entsprechen. Zu viel eingenommene Beträge müssen sie nach § 812 BGB schnell und unbürokratisch erstatten.

Die Aktenzeichen der  BGH-Urteile:
  • Stadtwerke Zerbst: Az VIII ZR 273/09
  • Stadtwerke Lübeck: Az VIII ZR 66/09
Vorsicht bei Kürzungen!

Fernwärmeverträge enthalten in der Regel eine Preisgleitklausel.

Vorsicht bei Kürzungen!

(22. September 2007) Fernwärmeverträge enthalten in der Regel eine Preisgleitklausel. Wenn nach dieser Formel der Preis automatisch rechnerisch bestimmt wird und kein Ermessensspielraum für den Versorger besteht ("kann angepasst werden.."), dann hat der Versorger dabei kein Recht zur einseitigen Preisbestimmung, so der Bundesgerichtshof.

Deshalb kommt in diesen Fällen der § 315 BGB nicht zur Anwendung. Der Versorger muss sich dann aber auch an diese Formel halten und die Preise entsprechend berechnen.

Allerdings muss die Preisgleitklausel den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, z.B. müssen alle darin verwendeten Größen nachprüfbar sein und allgemein veröffentlicht sein. Bei der Prüfung der Gültigkeit einer Preisgleitklausel muß aber auch die entsprechende Verordnung für Fernwärme in die Prüfung einbezogen werden.

Es ist auch zu prüfen, ob der Bezugsvertrag für Fernwärme überhaupt wirksam abgeschlossen wurde, ob also zum Beispiel der Versorger ein vom Verbraucher unterschriebenes Vertragsexemplar vorlegen kann. Ist der Vertrag nicht wirksam abgeschlossen worden, so gilt der allgemeine Tarif, der einseitig vom Versorger festgelegt ist und damit der Billigkeitskontrolle unterliegt.

Alle Verbraucher, die Fernwärmepreise gekürzt haben, sollten unbedingt noch einmal kritisch noch obigen Kriterien prüfen, ob sie ihre Kürzung aufrecht erhalten können und andernfalls rasch den geforderten Betrag entrichten.

Sind Verbraucher Preiserhöhungen wehrlos ausgesetzt?

Fernwärmeversorgungsunternehmen können grundsätzlich ihre Preise anheben. Haben sie deshalb aber einen Freibrief für Preiserhöhungen?

Sind Verbraucher Preiserhöhungen wehrlos ausgesetzt?

Fernwärmeversorgungsunternehmen können grundsätzlich ihre Preise anheben. Haben sie deshalb aber einen Freibrief für Preiserhöhungen? Im folgenden Artikel soll geklärt werden, inwieweit Preiserhöhungen der Versorgungsunternehmen erlaubt sind und wie sich Verbraucher dagegen wehren können.

(17. Dezember 2003) In den letzten Monaten werden einige Fernwärmenutzer bemerkt haben, dass die Fernwärmepreise erneut erhöht wurden. Fernwärmeversorgungsunternehmen sind grundsätzlich in der Preisgestaltung frei. Es gibt nämlich keine Preisaufsicht über Fernwärme. Nur bei willkürlicher Preisgestaltung kann die Kartellbehörde eingeschaltet werden. Ob die Kartellbehörde jedoch tatsächlich ein Verfahren gegen das Fernwärmeversorgungsunternehmen einleitet, steht in deren Ermessen. Bei manchen Verbrauchern sind die Bezugskosten in den letzten zwei Jahren sogar um 300 % gestiegen. Das ist beispielsweise bei Frau Riemann aus Lübeck der Fall.

Preisänderungsklauseln

Wie ist es überhaupt möglich, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen einseitig die Preise bestimmen können? Es ist nicht wie in "typisch" zivilrechtlichen Verträgen, in denen ein bestimmter Preis festgelegt wird. Vielmehr wird in Fernwärmelieferverträgen nur der Ausgangspreis bestimmt. Weitere Preisgestaltungen werden anhand sogenannter Preisänderungsklauseln in die Hand der Versorgungsunternehmen gelegt. Nach den Preisänderungsklauseln haben Versorgungsunternehmen die Möglichkeit, Preise ohne vorherige Kündigung während der Dauer langfristiger Versorgungsverträge anzupassen. Solche Klauseln dürfenjedoch nicht beliebig ausgestaltet werden. Vorschriften dazu sind der Verordnung über Allgemeine Bedingungen über die Versorgung mit Fernwärme (sogenannte AVBFernwärmeV ) zu entnehmen.

Notwendiger Inhalt einer Preisänderungsklausel

In einer Preisänderungsklausel müssen die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme sowie die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt berücksichtigt werden (§ 24 Abs. 3 S. 1 AVB FernwärmeV). Dazu gehören zum einen feste Kosten wie zum Beispiel die Kosten der Fernwärmeversorgungsanlagen (Transportleistungen, Heizkraftwerk, Übergabestationen, Heizwerk, Verteilungsleitungen). Zum anderen fallen bewegliche Kosten wie beispielsweise Brennstoff- und Bezugskosten darunter, die von der jeweils vom Verbraucher abgenommenen Fernwärmemenge abhängig sind. Weiterhin muss eine Preisänderungsklausel die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen.

Unter dem Wärmemarkt ist die Gesamtheit der geschäftlichen Verhältnisse zu verstehen, die dem Wärmemarkt sein besonderes Gepräge geben. Dazu gehören nach der Rechtsprechung austauschbare Energieträger wie Öl, Gas und Strom. Ausschlaggebend ist der Marktpreis der Energieträger. Liegt keinespürbare Überschreitung des Marktpreises vor, so ist auch der Wärmemarktangemessen berücksichtigt worden.

Bei der Preisfestsetzung ist es den Versorgungsunternehmen erlaubt, angemessene Gewinne miteinzurechnen. Die Grundsätze der Kostenminimierung sind jedoch auszuschöpfen, d.h. es muss nach gängiger juristischer Auffassung eine rationelle Betriebsführung erfolgen.Außerdem muss die Preisänderungsklausel allgemein verständlich ausgestaltet sein (§ 24 Abs. 3 S. 2 AVBFernwärmeV). Branchenübliche Preisänderungsklauseln sind jedoch verhältnismäßig kompliziert. Sie sind jedoch nicht zu kritisieren, weil eine wesentliche Vereinfachung schwer möglich ist.

Verfahren der Preisänderung

Checkliste: Änderung der Preisgleitklausel bzw Änderung aufgrund einer Preisgleitklausel

Verfahren der Preisänderung

Meist kommt es insbesondere in denjenigen Gebieten zu Preiserhöhungen, die mit einem erheblichen Einwohnerschwund zu kämpfen haben. Immer höhere Instandhaltungs- und Betriebskosten der Versorgungsunternehmen stehen dann nämlich einer immer geringer werdenden Zahl von Abnehmern gegenüber. Besonders akut könnte die Lage in den kommenden Monaten und Jahren deshalb in den neuen Bundesländern werden. Dennoch sind den Versorgungsunternehmen bei der Erhöhung der Fernwärmepreise Grenzen gesetzt.

(11. Januar 2003)

Änderung der Preisgleitklausel

Eine im Vertrag festgelegte Preisänderungsklausel kann vom Versorgungsunternehmen nicht einfach umgestaltet werden. Das entspricht nämlich einer Vertragsänderung, die nur gültig ist, wenn zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Deshalb ist die Zustimmung des Verbrauchers notwendig.

Preiserhöhung aufgrund einer bestehenden Preisgleitklausel

Nimmt das Versorgungsunternehmen dagegen eine Preiserhöhung anhand der Preisänderungsklausel vor, ist keine Zustimmung des Verbrauchers erforderlich.

Zu prüfen ist aber zunächst, ob die Preisgleitklausel insgesamt gültig ist. Eine Preisgleitklausel, die z.B. gegen § 307 BGB verstößt, ist unzulässig und nichtig. Weitere Infos dazu Preisanpassungsklauseln meist nichtig

Beachtet werden muss jedoch, dass der prozentuale Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors gesondert ausgewiesen wird (§ 24 Abs. 3 S. 3 AVBFernwärmeV). Außerdem sind die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze zu beachten. Danach darf die Preiserhöhung nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) vestoßen. Wann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, bestimmt das Gesetz nicht.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb in einer Entscheidung über die Erhöhung von Strompreisen festgestellt, wann ein Verstoß gegen die guten Sitten beispielsweise gegeben ist. Das ist der Fall, wenn eine erhebliche Abweichung (13,4 %) des Preises gleichwertiger Energieversorgungsunternehmen in vergleichbaren Versorgungsgebieten vorliegt. Ungewiss ist aber, inwieweit Gerichte in der Entscheidungsfindung zur Problematik der Erhöhung vonFernwärmepreisen diese Entscheidung berücksichtigen werden. Die Gerichte werden jedoch höchstwahrscheinlich Preisvergleiche mit anderen Versorgungsunternehmen vornehmen müssen. Wichtig ist dabei, dass es sich um ähnlich strukturierte Unternehmen handelt, die in vergleichbaren Versorgungsgebieten tätig werden. Sind erhebliche Preisunterschiede feststellbar, könnte dies für einen Verstoß gegen die guten Sitten sprechen.

Entsprechen Preiserhöhung der Billigkeit?

Wie können sich die Verbraucher im konkreten Fall gegen die Preiserhöhung wehren? Hierbei kommt § 315 BGB ins Spiel. Diese Vorschrift ist eine spezielle Schutzklausel für den verhandlungsschwächeren Vertragspartner. Im Energiebereich ist das regelmäßig der Verbraucher.

Nach § 315 BGB muß das Versorgungsunternehmen die Preise nach billigem Ermessen bestimmen, wenn nichts anderes vereinbart wurde und die Preise einseitig bestimmt werden. Eine Preiserhöhung ist dem Verbraucher gegenüber nur dann verbindlich, wenn sie tatsächlich nach billigem Ermessen bestimmt wurde (§ 315 Abs. 3 S. 1 BGB).

Jedoch ist eine Billigkeitskontrolle eines Fernwärmeversorgungsunternehmens nach § 315 BGB ausgeschlossen, wenn die Berechnungsfaktoren für eine Preisänderung vertraglich so bestimmt sind, dass bei der Berechnung des geänderten Preises kein Ermessensspielraum besteht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2006, BGH NJW 2007, 210).

620_Box Fernwärme: Es muss unterschieden werden zwischen

Checkliste bei Preiserhöhung durch Fernwärmeunternehmen:
  1. Ändert das Versorgungsunternehmen die Preisänderungsklausel? Folge: Zustimmung notwendig!
  2. Erfolgt die Preisänderung anhand der Preisänderungsklausel? Folge:
    1. Enthält die Preisänderungsklausel alle wichtigen Bestandteile, ist sie allgemein verständlich und berücksichtigt Grundsätze der Kostenminimierung? Wenn nein: unwirksam.
    2. Ist die Erhöhung wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten, eines gesetzlichen Verbotes oder wegen Willkür unwirksam?
    3. Keine gesonderte Ausweisung des prozentualen Anteils des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors und deshalb unwirksam? Widerspruch gegen die unwirksame Preiserhöhung sollte so schnell wie möglich dem Fernwärmeunternehmen gegenüber schriftlich geltend gemacht werden. Nur die unstrittigen Preise zahlen!

letzte Änderung: 21.08.2024