ED 04/12 Eine Welt ohne Öl (S.30-31)

News zur europäischen Energiepolitik

EU-Taxonomie

Atomkraft ist nicht grün!

EU-Taxonomie: Atomkraft ist nicht grün! 

Von Dierk Jensen

(14. Juli 2023) Die Ära der Atomkraft endete in Deutschland bekanntlich Mitte April. Während es für viele Anti-Atomkraft-Bewegte und sicherlich auch für die meisten Pioniere der erneuerbaren Energie ein Zeitpunkt innerer Genugtuung war, söderte der bayerische Ministerpräsident weiter: Medial inszeniert verlangte er den Weiterbetrieb der letzten AKW. Mit dieser Haltung findet Söder nicht nur hierzulande Claqueure, sondern auch in vielen Ländern Europas. Setzen doch Frankreich, Finnland, Ungarn und andere Staaten nach wie vor auf Atomkraft als eine vermeintlich klimafreundliche Energie.

Und zwar mit expliziter Rückendeckung der EU. Denn Anfang 2022 brachte die Europäische Kommission die sogenannte EU-Taxonomie auf den Weg, die verschiedene Energieerzeugungsformen nach strengen Nachhaltigkeitskriterien versucht einzuordnen. Diese Taxonomie wurde im Juni letzten Jahres vom Europäischen Parlament mehrheitlich verabschiedet. Der Negativ-Clou dabei: Sowohl Gas als auch Atomenergie wurden als grün klassifiziert! Ein heftiger Schlag für diejenigen, die jahrzehntelang für eine Abkehr von fossilen und atomaren Energien hin zu Erneuerbaren gerungen haben. 

  ED 02/2023 EU-Taxonomie: Atomkraft ist nicht grün! (S. 7)  

Durch die EU-Taxonomie wird der Ausstieg aus der Atomenergie untergraben.

Zu Beginn des Jahres ist diese Taxonomie nun in Kraft getreten. Seither werden entsprechende Nachhaltigkeitslabel für verschiedene Erzeugungsformen vergeben. Gegen dieses Greenwashing, das so ziemlich alles konterkariert, was die Erneuerbare-Energien-Branche in Jahrzehnten auf den Weg gebracht hat, hat nun die Umweltorganisation Greenpeace Mitte April beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klage eingereicht. Die Absicht von Greenpeace ist klar umrissen: „Klimaschädliche Gaskraftwerke und riskante Atommeiler dürfen nicht als nachhaltige Investitionen deklariert werden.“ 

Marie Kuhn, Finanzexpertin bei Greenpeace, befürchtet, dass das europäische Finanzwesen, das „Nervensystem der Wirtschaft“, mithilfe der Taxonomie das Geld von kleinen als auch großen Anlegern mit dem grün gewaschenen Label direkt in den Schlund der Atom- und Gasindustrie lenkt. „Das französische Energieunternehmen EDF nutzt das Taxonomie-Label schon jetzt fleißig, um grünes Geld für seine atomaren Projekte und Investitionen einzuwerben.“ Für Kuhn zeigt sich allein an diesem Beispiel, dass die So-als-ob-Taxonomie eine enorme Steuerungswirkung hat und damit den Absichten eines nachhaltigen, risikofreien und klimafreundlichen Umbaus der Wirtschaft diametral entgegenläuft.

Taxonomie

EU beschließt Etikettenschwindel

Taxonomie: EU beschließt Etikettenschwindel

Von Louis-F. Stahl

(30. Mai 2022) Die Europäische Kommission hat am 2. Februar 2022 mit dem Rechtsakt C/2022/0631 die sogenannte „EU-Taxonomie“ geändert. Die Taxonomie definiert, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Von einer solchen Einstufung ist die Gewährung von Fördermitteln abhängig, aber auch, ob Unternehmen sich aus als ökologisch vermarkteten Finanzinstrumenten wie beispielsweise sogenannten ESG-Fonds finanzieren können.

Mit der beschlossenen Änderung werden künftig Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als „grünes“ Investment anerkannt. Erarbeitet wurde der Entwurf für die Aktualisierung der EU-Taxonomie durch eine aus 57 ExpertInnen bestehende Arbeitsgruppe namens „Plattform für nachhaltige Finanzen“. Die ExpertInnen hatten zahlreiche sinnvolle Regelungen angeregt – eine Anerkennung von Atom und Gas als „grüne“ Technologien war nicht darunter. Die EU-Kommission unter dem Vorsitz Ursula von der Leyens habe die von den Wissenschaftlern erarbeiteten Regelungen ins Gegenteil verdreht, beschwert sich Professor Andreas Hoepner, einer der an der Entwurfserstellung beteiligten Experten. In der Taxonomie sei genau „null Prozent von der Empfehlung der wissenschaftlichen Expertengruppe enthalten“, so Hoepner und findet noch deutlichere Worte: „Das ist so, als würde man Pommes als Salat bezeichnen!“

Die Anerkennung von Atomkraft als grüne Technologie geht auf eine Forderung von Frankreich zurück. Die Anerkennung von Gaskraftwerken als ökologisch nachhaltig wurde unter anderem von Deutschland unterstützt. Gleichwohl sich Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) in den Medien als harter Kritiker der Einstufung von Atomkraft und Gas als „grüne“ Technologien gerierte, hat die Bundesregierung, der er angehört, in Brüssel für den Rechtsakt gestimmt. Österreich und Luxemburg haben angekündigt, beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die EU-­Taxonomie einzureichen. 

Energiecharta-Vertrag unwirksam

Von Leonora Holling und Louis-F. Stahl

(26. November 2021) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte am 2. September 2021 den Energiecharta-Vertrag („Energy Charter Treaty“, kurz ECT) aus dem Jahr 1994 für unwirksam (Az. C-741/19). Damit entzog der EuGH über 50 anhängigen ECT-Verfahren die rechtliche Grundlage.

1777  SymbolbildJustizia EU-Recht / Foto: U. J. Alexander / stock.adobe.com

Der Vertrag sollte den Schutz von Investitionen regeln und war Grundlage von Entschädigungsklagen des Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland im Zuge des Atomausstiegs sowie wegen Umweltauflagen für Kohlekraftwerke. RWE verklagt derzeit die Niederlande aufgrund des dort beschlossenen Kohleausstiegs auf einen Schadenersatz in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. Die ECT-Verfahren finden jedoch zumeist nicht vor ordentlichen und öffentlich tagenden Gerichten, sondern vor nichtstaatlichen und geheim tagenden privaten Schiedsgerichten statt. Die Mitglieder dieser Schiedsgerichte werden dabei in der Regel von den Parteien bestimmt, es muss sich nicht einmal um Juristen handeln. Im Ergebnis ergehen dort keine Urteile gegen die betroffenen Staaten, sondern Schiedssprüche, die der Veröffentlichung entzogen sind und nur zwischen den Parteien wirken. Ob sich diese „Schiedsgerichte“ an die Entscheidung des EuGH halten, bleibt daher abzuwarten und wird möglicherweise auch nicht öffentlich bekannt.

Europäischer Gerichtshof

Deutschlands schmutzige Luft

Europäischer Gerichtshof: Deutschlands schmutzige Luft

Von Louis-F. Stahl

(20. August 2021) Nicht nur die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verklagt den Staat erfolgreich wegen zu hoher Schadstoffwerte. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) musste sich jetzt, nicht mit einem Fahrverbot in einer Straße oder einem unzulänglichen Luftreinhalteplan einer einzelnen Stadt befassen, sondern mit systematischen Rechtsversäumnissen der Bundesrepublik Deutschland.

1777  Rauch aus dem Schornstein / Foto: wb77 / stock.adobe.com

Geklagt hatte gegen Deutschland die EU-Kommission, da Deutschland die EU-Luftreinhalterichtlinie aus dem Jahr 2008 bisher nicht erfüllt. Der EuGH stellte fest, dass in 26 von 89 untersuchten Gebieten in Deutschland aufgrund dieses Versäumnisses die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) „systematisch und anhaltend“ überschritten wurden. Vor dem EuGH hatte Deutschland interessanterweise vorgebracht, die Grenzwertüberschreitungen seien lediglich darauf zurückzuführen, dass die EU mit der Fahrzugnorm „Euro 5“ keine ausreichend hohen Emissionsgrenzwerte geschaffen habe. Diese Argumentation wies das Gericht zurück und stellte fest, dass Deutschland mit der Untätigkeit gegen unionsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat (Az. C-635/18). Direkte Konsequenzen lassen sich aus dem Vertragsverletzungsverfahren nicht ableiten. Sollte Deutschland das Problem jedoch nicht abstellen, drohen Strafzahlungen.

EU: Rückenwind für Prosumer

Eine Änderung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien könnte einen Durchbruch für die Bürgerenergie bringen.

Rückenwind für Prosumer

Von Aribert Peters

(5. November 2018) Eine Änderung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien könnte einen Durchbruch für die Bürgerenergie bringen. Der sogenannte „Trilog“, ein Verhandlungsverfahren zwischen Mitgliedsländern, EU-Kommission und EU-Parlament, konnte sich nach langen und zähen Verhandlungen am 13., 14. und 27. Juni 2018 auf einen Kompromiss einigen.

1777 Zeichnung Producer + Consumer = Prosumer

Die Direktive ist einer von acht Richtlinienvorschlägen im Clean-Energy-Paket der EU. Die neue Direktive 10308/18 (bdev.de/ee-richtline-pdf) muss bis zum 30. Juni 2021 durch die EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Folgende Punkte sind besonders wichtig:

  • Für 2030 wird insgesamt ein Ziel von 32 Prozent erneuerbarer Energien vereinbart.
  • Die Betreiber kleiner Erzeugungsanlagen bis 30 kW (Prosumer) sollen von allen Steuern und Abgaben – auch auf die Eigenstromnutzung – befreit werden. Die Richtlinie sieht jedoch vor, dass Staaten unter bestimmten Voraussetzungen davon abweichen können.
  • Fernwärmekunden dürfen Bezugsverträge bei nicht effizienter Versorgung aufkündigen.
  • Die Hersteller von Kraftstoffen werden verpflichtet, bis 2030 ein Ziel von 14 Prozent an erneuerbaren Energien im Transportbereich zu erreichen. Dabei wird ein neuer Deckel von 7 Prozentpunkten für Biokraftstoffe eingezogen.
  • Bis 2030 sollen 40 Prozent aller Heizungen und Klimaanlagen mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Verbraucherschutz ungenügend

Abhängigkeit der Bundesnetzagentur

Abhängigkeit der Bundesnetzagentur

Von Louis-F. Stahl

(25. Oktober 2018) Die EU-Kommission bemängelt seit Jahren die unzureichende Unabhängigkeit und Kompetenz der deutschen Bundesnetzagentur. Die Regulierungsbehörde ist organisatorisch dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt und könne daher keine vom Willen der Bundesregierung unabhängigen Entscheidungen im Sinne der Verbraucher treffen, so die EU-Kommission.

1777  Foto: Bundesnetzagentur

Insbesondere könne die Bundesnetzagentur durch Eingriffe seitens der Bundesregierung keine ausreichende „Kontrolle von Tarifen und anderen Vertragsbedingungen für den Netzzugang sowie von Ausgleichsleistungen“ sicherstellen.

Die EU-Kommission sieht darin eine unzureichende Umsetzung der sich aus der europäischen Stromrichtlinie 2009/72/EG sowie der Erdgasrichtlinie 2009/73/EG ergebenden Verbraucherschutzvorschriften. Wie die EU-Kommission am 19. Juli 2018 mitteilte, hat sie aus diesem Grund gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Klage gegen die Bundesregierung beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.

Hinkley Point C

EuGH billigt AKW-Subventionen

Hinkley Point C: EuGH billigt AKW-Subventionen

Von Louis-F. Stahl

(16. Oktober 2018) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 12. Juli 2018 eine Klage von Österreich und Luxemburg gegen die Gewährung staatlicher Beihilfen für das Atomkraftwerk Hinkley Point C abgewiesen (Az. T356/15, Dok. 62015TJ0356).

Mit dem Bau der zwei umstrittenen Reaktoren vom Typ „European Pressurized Water Reactor“ (kurz EPR) an der englischen Südwestküste wurde im März 2017 begonnen.

1777 Bau eines neuen Kernkraftwerks / Foto: mulderphoto / shutterstock.com

Es handelt sich dabei um das dritte EPR-Bauvorhaben. Die Fertigstellung der anderen beiden EPR-Baustellen im finnischen Olkiluoto und dem französischen Flamanville war ursprünglich für 2009 beziehungsweise 2012 geplant. Beide Bauvorhaben konnten wegen eklatanter Planungs- und Baumängel jedoch bisher nicht fertiggestellt werden und haben das veranschlagte Budget von jeweils etwa 3,3 Milliarden Euro mit Kosten von aktuell rund 8,5 Mrd. Euro in Finnland und ca. 10,9 Mrd. Euro in Frankreich bei weitem überschritten. Damit der Bau von zwei weiteren EPR-Reaktoren angesichts dieses Risikos überhaupt begonnen werden konnte, hatte die britische Regierung dem künftigen AKW-Betreiber eine staatliche Förderung von umgerechnet rund 10,9 Cent/kWh für jede erzeugte Kilowattstunde plus Inflationsausgleich über 35 Jahre zugesagt. Schätzungen taxieren die Gesamtsumme dieser Beihilfe auf 70 bis 110 Mrd. Euro.

Österreich und Luxemburg hatten vor dem EuGH gegen die Genehmigung dieser Förderung durch die EU-Kommission mit dem Argument geklagt: Die Förderung der Atomenergie sei im Gegensatz zur Förderung erneuerbarer Energien kein gemeinsames Interesse der EU-Staaten. Der EuGH stellt in seinem Urteil fest, dass eine staatliche Beihilfe stets im öffentlichen Interesse erfolgen muss, nicht aber im Interesse der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten. Unabhängig davon sei eine Beihilfe im Bereich der Kernenergie im Hinblick auf den Euratom-Vertrag unionsrechtlich gedeckt (siehe Misere der Atomenergie). Der EuGH urteilte zudem, dass jeder Mitgliedstaat, unabhängig von den Euratom-Verträgen, das Recht habe, zwischen der Förderung verschiedener Energiequellen frei zu wählen.

Die deutsche Bundestagsabgeordnete Nina Scheer leitet daraus ab, dass auf Grundlage des Urteils auch die Deutschland von der EU-Kommission auferlegten Hürden im Bereich der Förderung erneuerbarer Energien unrechtmäßig seien und das Urteil folglich nicht nur negativ gesehen werden muss.

Paukenschlag aus Brüssel

Wieder einmal hat sich die EU-Kommission im Energiebereich viel vorgenommen und Vorschläge für umfangreiche Neuregelungen zur Diskussion gestellt.

Paukenschlag aus Brüssel

Wieder einmal hat sich die EU-Kommission im Energiebereich viel vorgenommen und Vorschläge für umfangreiche Neuregelungen zur Diskussion gestellt. Auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis diese Vorschläge umgesetzt werden und in Deutschland Rechtskraft erlangen, es wäre falsch, diese Vorschläge nicht bereits jetzt ernst zu nehmen.

(17. März 2017) Erinnern wir uns: Es war 1992, als die ersten Richtlinienvorschläge für eine Liberalisierung der Energiemärkte vorgelegt wurden, die dann 1995 beschlossen wurden. Der große Paukenschlag folgte in Deutschland im Jahr 1997, als mit einem Schlag der Wettbewerb vorgeschrieben wurde, ohne dass irgendjemand wusste, wie das funktionieren könnte.

Doch zurück zur Gegenwart: Das sogenannte Winterpaket wurde am 30. November 2016 verkündet und umfasst über 1.000 Seiten. Das Paket trägt den Titel: „Saubere Energie für alle Europäer“.

Die umfangreichen Vorschläge sehen teilweise radikale Änderungen vor: Die Förderung der Erneuerbaren wird auf Ausschreibungen umgestellt, Erneuerbare und KWK-Strom haben zudem bei der Netzeinspeisung keinen Vorrang mehr, aber lokale Erzeugergemeinschaften sollten gestärkt werden.

Wir zitieren im Folgenden aus den verschiedenen Mitteilungen der Kommission zum Winterpaket die drei Hauptziele:

  • Energieeffizienz als oberste Priorität behandeln.
  • Weltweite Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energien erreichen.
  • Bereitstellung eines fairen Angebotsfür die Verbraucher.

1777 Bild 1 EU Brüssel

Was schlägt die Kommission zugunsten der europäischen Bürger vor?

Die Verbraucher stehen im Mittelpunkt der Energieunion. Energie ist ein unerlässliches Gut und für eine umfassende Teilhabe an der modernen Gesellschaft unbedingt notwendig.

Die Umstellung auf umweltfreundliche Energie muss für die betroffenen Sektoren, Regionen oder schutzbedürftigen Teile der Gesellschaft fair gestaltet werden. Die EU-Kommission will die Verbraucher bei dieser Umstellung unterstützen.

Alle Verbraucher in der EU werden das Recht haben, Strom zu erzeugen, entweder für den eigenen Verbrauch oder um ihn zu speichern, mit anderen zu teilen oder an den Markt zu verkaufen. Diese Änderungen werden Haushalten und Unternehmen eine verstärkte Teilnahme am Energiesystem, eine bessere Steuerung ihres Energieverbrauchs und die Reaktion auf Preissignale ermöglichen.

Die Kommission wird die Einführung intelligenter Zähler beschleunigen und den Zugang zu Verträgen mit dynamischer Preisgestaltung gewährleisten, die für die Einbeziehung der Verbraucher in den Markt unerlässlich sind.

Mit dem Einverständnis der Verbraucher werden die Marktteilnehmer Zugang zu nützlichen Verbraucherdaten haben, die es ihnen ermöglichen werden, den Verbrauchern maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Ein besser regulierter und diskriminierungsfreier Zugang zu Verbraucherdaten wird den Verbrauchern durch eine Intensivierung des Wettbewerbs zugutekommen.

Welche Änderungen kommen auf die Verbraucher zu?

Alltagsvorgänge wie Abrechnung, Versorgerwechsel und neue Vertragsabschlüsse bei Umzügen werden sich für die Verbraucher einfacher, zügiger und präziser erledigen lassen, da digitale Verbraucherinformationen nun besser verwaltet werden.

Die Verbraucher werden mithilfe zertifizierter Online-Preisvergleichsinstrumente zuverlässige und klare Informationen über die besten Angebote auf dem Markt erhalten können und so eine fundierte Wahl treffen können.

Ferner werden Verbraucher oder Verbrauchergemeinschaften Strom erzeugen, speichern oder verkaufen können. So können sie die sinkenden Preise bei Solar-Dachanlagen und anderen kleinen Erzeugungseinheiten zur Eindämmung ihrer Energiekosten nutzen. Jeder Verbraucher kann auf diese Weise von der Energieunion profitieren.

1777 Bild 2 EU Brüssel

Wird die Energiearmut angegangen?

Die Energiearmut, die auf geringe Einkommen und nicht energieeffiziente Wohnungen zurückzuführen ist, ist in der gesamten EU eine große Herausforderung. 2014 entfielen fast neun Prozent der Gesamtausgaben der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen in der EU auf Energie.

Das Paket der EU-Kommission enthält ein neues Konzept für den Schutz besonders schutzbedürftiger Verbraucher, wozu auch die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Senkung der Energiekosten der Verbraucher durch die Förderung von Investitionen in die Energieeffizienz gehört.

Im Rahmen des Governance-Systems der Energieunion werden die Mitgliedstaaten darüber hinaus verpflichtet, Energiearmut zu überwachen und über dieses Problem Bericht zu erstatten. Zudem wird die Kommission den Austausch über empfehlenswerte Verfahren in diesem Bereich unterstützen. Dies geschieht im Einklang mit den Bemühungen um eine Stärkung der Verbraucherstellung und einen besseren Verbraucherschutz. In diesem Zusammenhang sieht die Kommission ferner bestimmte verfahrenstechnische Schutzmechanismen vor, die greifen sollen, bevor die Energieversorgung eines Verbrauchers eingestellt werden darf. Darüber hinaus richtet die Kommission eine Beobachtungsstelle zur Energiearmut ein, um genauere Daten zu diesem Problem und seinen möglichen Lösungen erheben zu können und die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen zur Bekämpfung der Energiearmut zu unterstützen.

Was ist das „Governance-System“?

Die Ziele der Energieunion können nur durch kohärente und koordinierte legislative und nicht legislative Maßnahmen auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene erreicht werden. Damit sie ihre Ziele durch gemeinsame Anstrengungen erreichen kann, muss die Energieunion über ein solides Governance-System verfügen. Dieses wird Effizienz, Kohärenz, Komplementarität und genügend ehrgeizige Strategien und Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen ausgehend von der EU über die nationale Ebene gewährleisten.

Im Oktober 2014 kam der Europäische Rat im Zusammenhang mit dem Rahmen für 2030 überein, dass „ein zuverlässiges und transparentes Governance-System ohne unnötigen Verwaltungsaufwand zu entwickeln ist, das dazu beiträgt, dass die EU ihre energiepolitischen Ziele erreicht.“

Auf dieser Grundlage wird in dem Vorschlag für eine Verordnung über das Governance—System der Energieunion die erforderliche gesetzliche Grundlage für dieses System gelegt. Die Verordnung wird durch nicht legislative Maßnahmen und Initiativen ergänzt. Solche unterstützenden Maßnahmen können unter anderem Folgendes umfassen: Bemühungen, die umfassende Beteiligung von Mitgliedstaaten, Verbrauchern, Herstellern und Interessenträgern generell am Governance-Prozess sicherzustellen; Kapazitätsaufbau in den nationalen Verwaltungen; finanzielle Förderung zur Mobilisierung privater Investitionen.

Für die Verbraucher und die Zivilgesellschaft beinhalten mehr Transparenz und bessere Rechtsetzung zusätzliche Möglichkeiten zur Beteiligung an der Ausarbeitung der nationalen Energie- und Klimaschutzpläne.

Europäische Energieverbraucherrechte

Die EU-Kommission hat eine neue Broschüre veröffentlicht, in der die Rechte der Energieverbraucher dargestellt werden.

Europäische Energieverbraucherrechte

Die EU-Kommission hat eine neue Broschüre veröffentlicht, in der die Rechte der Energieverbraucher dargestellt werden. Die Broschüre ist in verständlicher Sprache formuliert und wendet sich an alle Energieverbraucher.

(5. Oktober 2015) Die in der Broschüre aufgeführten Rechte ergeben sich einerseits aus den allgemeinen in der EU geltenden Verbraucherrechten. Darüber hinaus gibt es für Energieverbraucher eine Reihe von besonderen Rechten, die in den Energierichtlinien ­fixiert sind. Alle diese Rechte müssen durch die nationale Gesetzgebung klar festgelegt werden und den EU-Rechtsvorschriften entsprechen.

1777 Broschüre Energieverbraucherrechte

Diese Rechte sollen Energieverbrauchern „zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis verhelfen und dazu beitragen, dass Verbraucher ihren Energieverbrauch nachvollziehen und steuern können“, so die Broschüre. Die Broschüre kann heruntergeladen oder kostenlos bestellt werden. Darüber hinaus hat die Kommission für weitere Fragen eine europaweit gebührenfreie Telefonnummer geschaltet: 0 800 67 89 10 11.

Der Bund der Energieverbraucher begrüßt es, dass sich die Kommission in besonderer Weise den Rechten der EU-Bürger als Energieverbraucher widmet und dafür klare Festlegungen getroffen hat.

Folgende zehn Rechte haben alle EU-Bürger als Energieverbraucher:

  • Das Recht auf Anschluss der Wohnung an das örtliche Stromnetz und die Versorgung mit Strom.
  • Das Recht auf eine freie Wahl eines Strom- und Gasversorger aus der EU.
  • Das Recht auf einfachen und schnellen Wechsel des Strom- oder Gasversorgers ohne Gebühren.
  • Das Recht auf klare Informationen zum Energievertrag vor dem Vertragsabschluss und eine Vorabinformation über Vertrags- oder Preisänderungen mit der Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen.
  • Das Recht auf Zugang zu genauen Informationen über den Strom- und Gasverbrauch, damit Sie ihren Verbrauch steuern können.
  • Das Recht der Information über die Vorteile der Nutzung von erneuerbaren Energien und einen effizienten Energieverbrauch.
  • Das Recht auf einen angemessenen Schutz, wenn Sie nach den nationalen Vorschriften zu den „schutzbedürftigen Verbrauchern“ gehören. Genaueres muss in den nationalen Vorschriften definiert werden.
  • Das Recht auf eine Beschwerde beim Energieversorger und auf eine außergerichtliche Streitbeilegungsmöglichkeit, falls der Versorger der Beschwerde nicht abhilft.
  • Das Recht, Information über die Energieeffizienz einer Immobilie, die gekauft oder gemietet werden soll, zu erhalten.
  • Das Recht auf Informationen über eine nationale Kontaktstelle für Energieverbraucher, bei der weitere Informationen über die Rechte von Energieverbrauchern verfügbar sind.

Diese Aufstellung enthält aus Platzgründen nicht alle Details, die in der Broschüre aufgeführt sind. Gerade weil eine Reihe dieser Rechte nicht in deutsches Recht übernommen worden sind, ist diese Broschüre von großer Bedeutung für Verbraucher. Denn es handelt sich um übergeordnetes Recht, auf das Energieverbraucher einen Anspruch haben.

Energieverbraucher begrüßen Energie-Sommerpaket der EU: „Richtig, aber nicht ausreichend“

„Die EU hat 1997 Strom- und Gasmärkte für den Wettbewerb geöffnet. Die Strompreise für Verbraucher sind seitdem weder gesunken, noch gerechter geworden. Das hat auch die EU lange erkannt. Die heute verkündeten Maßnahmen sind richtig, aber nicht ausreichend“

Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Energieverbraucher begrüßen Energie-Sommerpaket der EU: „Richtig, aber nicht ausreichend“

(15. Juli 2015) Der Bund der Energieverbraucher hat das Energie-Sommerpaket der EU-Kommission begrüßt. „Die EU hat 1997 Strom- und Gasmärkte für den Wettbewerb geöffnet. Die Strompreise für Verbraucher sind seitdem weder gesunken, noch gerechter geworden. Das hat auch die EU lange erkannt. Die heute verkündeten Maßnahmen sind richtig, aber nicht ausreichend“, äußerte der Vereinsvorsitzende Dr. Aribert Peters. Erfreulich sei die Stärkung der Rechte der Energieverbraucher und auch der Einsatz für besonders benachteiligte Verbraucher. Auch den lange überfälligen neuen Ansatz zur Verbrauchskennzeichnung begrüßt der Verbraucherverband.

Leider wird der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht konsequent verwirklicht. So ist es kein Zufall, dass ausgerechnet am heutigen Tag zehn Stromhändler eine Klage gegen EU-Milliardensubventionen für das Atomkraftwerk Hinkley Point beim EuGH eingereicht haben.

Ein kurzer Rückblick zeigt, welchen Einfluss die EU in den vergangenen 20 Jahren auf die Energieversorgung genommen hat.

Es zeigt sich, dass die EU den Energieverbrauchern besonderen Schutz angedeihen lässt  und auch wichtige Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz ergreift. Schritte zu einer längerfristigen Sicherung der Energieversorgung lässt die Kommission vermissen.

Die gesamte wettbewerbliche Öffnung der Strom- und Gasmärkte geht auf den Einfluss der EU zurück. Ausgangspunkt war ein Richtlinienentwurf der EU aus dem Jahr 1992, der eine komplette Entkopplung von Energietransport und Energieverkauf vorsah, das sogenannte Unbundling. Denn ein freier Wettbewerb setzt voraus, dass die bisherigen Netzbetreiber sich komplett aus dem Energieverkauf zurückziehen und damit im Wettbewerb der Energieverkäufer keine eigenen Interessen verfolgen und der Netzzugang deshalb diskriminierungsfrei ermöglicht – man stelle sich vor, BMW könnte die Autobahngebühren festlegen.

Die 1997 beschlossene erste Energierichtlinie wurde auf Druck Deutschlands soweit aufgeweicht, dass nicht einmal eine staatliche Aufsicht über die Netzentgelte vorgeschrieben wurde. Deutschland erließ 1998 ein neues Energiewirtschaftsgesetz, ohne jedoch die Details des Netzzugangs zu regeln. Die Versorger regelten die Netzentgelte im Einvernehmen  mit den Industrieverbänden, den sogenannten Verbändevereinbarungen. Das Energiewirtschaftsgesetz 2002 legitimierte das nachträglich als gültige Regelung. Naturschutzbund und Bund der Energieverbraucher e.V. beschwerten sich in Brüssel über überhöhte Netzentgelte und verzerrten Wettbewerb.

Die „Beschleunigungsrichtlinie“ der EU aus dem Jahr 2002 schaffte das Schlupfloch für Deutschland ab. Deutschland wurde zur staatlichen Regulierung der Netzentgelte gezwungen, das Schlaraffenland war zu Ende. Die Richtlinie enthielt auch einen Anhang mit Rechten der Energieverbraucher. In Deutschland wurde die Richtlinie mit einem Jahr Verspätung durch das Energiewirtschaftsgesetz 2005 umgesetzt, durch das auch die Bundesnetzagentur entstand. In der Folge sanken die Netzentgelte erst einmal deutlich. Und der Wettbewerb auf dem Gasmarkt wurde durch die Bundesnetzagentur schrittweise erzwungen, wenngleich deutlich langsamer als von Brüssel  vorgeschrieben.

Den EU-Wettbewerbshütern ging die Entflechtung von Netz und Vertrieb schnell und nicht weit genug. Deshalb wurde ein sogenanntes „drittes Richtlinienpaket“ in Brüssel am 13. Juli 2009 beschlossen und war von den Mitgliedsstaaten bis 3. März 2011 umzusetzen. Wieder hatte Deutschland die vollständige Entflechtung von Netzen und Vertrieb verhindert, den alle anderen EU-Staaten für notwendig hielten: für Netze mit weniger als 100.000 Kunden genügt eine getrennte Rechnungslegung – die allerdings in Deutschland nie entsprechend den Regeln ordnungsgemäßer Buchführung umgesetzt wurde. „Die zwangsweise Eigentumsentflechtung wurde abgewendet“, jubelte die Bundesregierung. Die Richtlinie stärkte die Verbraucherrechte (Anbieterwechsel innerhalb von drei Wochen  zwingend, unabhängige Schlichtungsstelle, Definition und besondere Rechte für schutzbedürftige Verbraucher, Transparenz von Energierechnungen, smart Metering). Zum Zeitpunkt des Richtlinienerlasses lief noch ein Verfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik, weil noch nicht einmal die Kundenschutzregeln des zweiten Richtlinienpakets umgesetzt waren. 2011 beschwerte sich der Verein in Brüssel über die ausbleibende Umsetzung des Dritten Richtlinienpakets in Deutschland.

Durch die Liberalisierung sind die Energiepreise für Haushaltskunden und Mittelstand weder niedriger, noch gerechter geworden. Im Gegenteil. Die Vorteile der Energiemärkte haben einseitig die Großfirmen genutzt und für etliche Jahre auch die Energiekonzerne.

Das steht ganz im Gegensatz zur politischen Programmatik der EU-Kommission: Noch im Juni 2015 bekamen wir es schriftlich vom Energiekommissar Dominique Ristori: „Verbraucher stehen im Zentrum der EU-Energiepolitik. Das haben die Energieminister aller 28 Mitgliedsstaaten unterstrichen“.

Für schutzbedürftige Verbraucher bringt die dritte Richtlinie viel: Obwohl Deutschland keine schutzbedürftigen Verbraucher definiert hat, gerät Deutschland hier spürbar unter Druck. Ein gerade erschienener Report der Kommission über Energiearmut und schutzbedürftige Verbraucher zeigt kein gutes Bild für Deutschland im EU-Vergleich.

Die 2011 entstandene Schlichtungsstelle Energie ist ein Ergebnis des dritten Richtlinienpakets, sie wäre ohne diese Vorgaben nie entstanden, auch wenn die Verbraucherseite hier nur zu 25 % beteiligt ist.

Die Rechte der Energieverbraucher sind durch die EU-Aktivitäten wesentlich gestärkt worden. Bereits in der Richtlinie von 2003 waren Verbraucherrechte fixiert, die 2009 noch deutlich verstärkt wurden. 2007 begann die Kommission eine Diskussion über eine „Charta der Rechte der Energieverbraucher“. Diese Charta wurde nie erlassen, die Forderungen aber fanden teilweise Eingang in die Richtlinie von 2009.

Dennoch war in ganz Europa und nicht nur in Deutschland zu beobachten, dass die Haushaltskunden bei der Liberalisierung leer ausgegangen waren. Das wurde auch thematisiert: In Berichten der Kommission seit dem Jahr 2004, auf dem jährlichen  London Bürgerforum Energie, bei den Verbraucherorganisationen und Regulierungsbehörden.

Der Zusammenschluss der Europäischen Regulierungsbehörden (CEER und ACER) hat sich unter der Leitung von Baron Sir John Frederick Mogg sehr für die Verbraucherrechte engagiert. Derzeit wird an einer Vision gearbeitet unter der Bezeichnung:  „Brücke  ins Jahr 2025, eine Vision für Europäische Energieverbraucher“. Man will durch eine ganze Reihe von Maßnahmen die Haushaltskunden am Nutzen des Energiebinnenmarkts beteiligen.

Eine deutlich schärfere Gangart gegenüber den Energieversorgern schlägt die europäische Wettbewerbsbehörde an. Wegen vermuteter Marktmissbräuche durchsuchte die EU-Wettbewerbsbehörde im Mai 2006 die Geschäftsräume von E.on. In einem Lagerraum wurde ein Siegel aufgebrochen. E.on musste ein Bußgeld von 38 Mio. Euro zahlen, bestätigte am Ende der EuGH. Selbst die verbliebenen Unterlagen waren offenbar so brisant, dass E.on sich im Jahr 2009  zur Veräußerung seines Stromnetzes an die niederländische TenneT entschloss, um ein Kartellverfahren der Kommission abzuwenden.

Auch Missbräuchen beim Stromgroßhandel ist die Kommission auf der Spur und erzwang durch eine Richtlinie (REMIT) ein Mindestmaß an Transparenz und staatlicher Kontrolle.

Bei der Energiewende und den erneuerbaren Energien spielte die EU eher eine zurückhaltende und bremsende Rolle. Das mag mit dem Einfluss von England und Frankreich in der Kommission zusammenhängen,  zwei Länder, die zivil wie militärisch bis über beide Ohren noch im Atomzeitalter stehen. Die 1957 gegründete Euratom-Gemeinschaft zur Förderung der Atomenergie ist selbst heute immer noch Bestandteil der EU-Kommission. Der frühere Energiekommissar Oettinger ließ keine Gelegenheit aus, über das deutsche EEG herzuziehen. Das war weder ein Zufall, noch blieb es ohne Folgen. Und die von der Kommission genehmigten Subventionen für das neue britische Atomkraftwerk Hinkley Point von über 100 Milliarden Euro sprechen eine deutliche Sprache, Subventionen zu Lasten der Bürger Europas, die von verheerendem Einfluss auf die Marktsituation der Erneuerbaren sind. Gegen die Entscheidung der Kommission hat heute ein Zusammenschluss von zehn Energieversorgern Klage beim EuGH eingereicht. Entsprechend kontraproduktiv sind die Brüsseler Vorgaben für den Ausbau Erneuerbarer wie zum Beispiel die Ausschreibungspflicht.

Die EEG-Umlage stieg in Deutschland ab dem Jahr 2010 in schwindelnde Höhen. Entgegen den Tatsachen wurde das dem gleichzeitig stattfindenden Boom der Erneuerbaren angelastet. Neben der Zwangsvermarktung des EEG-Stroms über die Börse blähten auch die EEG-Befreiungen der stromintensiven Industrie die Umlage auf. Der Bund der Energieverbraucher e.V. sah darin eine unzulässige Beihilfe für die befreiten Betriebe und brachte im Jahr 2011 dagegen eine Beschwerde bei der Kommission vor. Diese eröffnete tatsächlich am 18. 12. 2013 ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland. Wieder zeigte sich, dass auch die EU von der Industrie und den ihr untertänigen Regierungen wie ein Selbstbedienungsladen missbraucht wird. Der stillschweigende Deal: die Atomindustrie bekam Hinkley Point genehmigt und die deutsche Chemieindustrie ihre EEG-Befreiungen. Dazu wurden die Beihilferichtlinien in einer Nacht- und Nebel-Aktion geändert und aufgeweicht.

Auch der auf EU-Ebene organisierte Emissionshandel (European Union Emissions Trading System EU ETS) aus dem Jahr 2003 kann nur als Flop bezeichnet werden. 95 Prozent der Industrieemissionen erhalten kostenlose Zuteilungen. Deshalb liegen die Preise für die Zertifikate sehr niedrig und das theoretisch überzeugende Modell bleibt praktisch wirkungslos.

Verbraucher können sich dennoch über die EU freuen. Denn die Verbraucherschutzrichtlinien der EU schützen Verbraucher besser, als es die deutschen Gesetze tun. So verbieten die Klauselrichtlinie aus dem Jahr 1993 Verbraucher unangemessen benachteiligende Klauseln. In Verbindung mit den verbraucherschützenden Energierichtlinien führte das zu erstaunlichen Ergebnissen. Der EuGH urteilte, dass die gesetzlichen Regelungen für Preiserhöhungen in Deutschland den Erfordernissen des europäischen Verbraucherschutzes nicht genügen und damit begründete Preiserhöhungen nichtig sind. Den Verbrauchern wurde explizit ein Rückforderungsanspruch zugestanden, soweit solche Preiserhöhungen bereits bezahlt worden waren. Ein guter Tag für deutsche Verbraucher!

Positiv sind auch die EU-Regelungen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Die EU-Effizienzrichtlinie wurde über Jahre von Deutschland torpediert und auch nach der Verabschiedung einer verwässerten Fassung nicht umgesetzt. Die Ökodesign-Richtlinie ist Grundlage für eine Fülle weiterer Regelungen, die zu mehr Effizienz zwingen. Dazu gehört auch die Gebäuderichtlinie und die Energiekennzeichnung von Elektrogeräten. Gerade die Energiekennzeichnung verwirrt die meisten Verbraucher und bietet die notwendige Orientierung bisher eben gerade nicht. Es ist richtig, das Verfahren grundsätzlich zu ändern. An diesem Beispiel wird deutlich, wie die komplexen und langwierigen Entscheidungswege einer so großen multinationalen Organisation sinnvolle Lösungen erschweren, aber nicht unmöglich machen. Das Glühlampenverbot muss als mutige Aktion der Kommission als sinnvoll begrüßt werden. In die gleiche richtige Richtung geht das Verbot von Standby bei Kaffeemaschinen, das Verbot stromfressender Staubsauger usw.  

Auch die Abschaffung des Schornsteinfegermonopols verdanken wir der EU, ebenso wie neue Bestimmungen für die Eichung von Messgeräten.

Für die Sicherheit der Energieversorgung hat sich die EU noch keine Lorbeeren verdient. Die Importabhängigkeit der EU ist von 43 % im Jahr 1995 auf 53% im Jahr 2012 gestiegen. Für die mit naturwissenschaftlicher Sicherheit absehbaren Verknappungen fossiler Energien hat die EU keine Strategien entwickelt oder auf den Weg gebracht. Die europaweite Öffnung der Energiemärkte ist genau die falsche Strategie, um mit Krisen und Verknappungen umzugehen. Hierfür wären Strategien regionaler oder nationaler Energieautonomie sinnvoll, genau das Gegenteil der bisher verfolgten EU-Strategie. Die Bemühungen um Erhöhung der Effizienz sind zwar richtig, aber ohne ernsthaften  Ausstieg aus der Atomkraft und den Fossilen Energien wird daraus keine nachhaltige Energiestrategie für Europa. Eine solche Strategie wird von den Atom- und Kohlestaaten innerhalb der EU verhindert. Solange der Einigungszwang eine sinnvolle und konsistente Energiestrategie für Europa verhindert, sind national verfolgte Energiewendestrategien die bessere Lösung.

Energiewende europaweit sichtbar

Interaktive Online-Karte über die Nutzung erneuerbarer Energien

Energiewende europaweit sichtbar

(6. Oktober 2014) Um Praxisbeispiele für die Nutzung erneuerbarer Energien in der Nähe jedes Einzelnen sichtbar zu machen, hat ein Netzwerk von Organisationen, Regionen, Kommunen und Unternehmen mit Unterstützung der EU und unter der Koordination des Vereins repowermap.eu aus Liechtenstein eine europäische Landkarte zur Energiewende erstellt.

Die interaktive Online-Karte unter www.repowermap.org soll dazu anregen, die entsprechenden Technologien ebenfalls zu nutzen. Über 40.000 Praxisbeispiele sind bereits zu sehen, jeder kann mitmachen und sein Beispiel auf der Karte eintragen. Mehr als 170 Aktive machen die Karte über ihre Webseiten bekannt – große Umwelt- und Klimaschutzorganisationen ebenso wie europäische und nationale EE-Verbände, das Klima-Bündnis, Landkreise und Fachbetriebe.

Effizienter Druck aus Brüssel

EU-Kommission eröffnet Vertragsverletzungsverfahren

Effizienter Druck aus Brüssel

(28. August 2014) Weil Deutschland so wie die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer die Frist zur nationalen Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie im Juni verstreichen hat lassen, eröffnete die EU-Kommission nun ein Vertragsverletzungsverfahren. Die Bundesrepublik hat jetzt zwei Monate Zeit, um zu reagieren.

Gemäß der Effizienzrichtlinie müssen die Staaten entweder ihre Energielieferanten verpflichten, bei den Kunden 1,5% Energie pro Jahr einzusparen oder mit anderen Maßnahmen eine gleich große Energieeinsparung erreichen.

EU-Paket kommt

Energieinfrastruktur

Energieinfrastruktur: EU-Paket kommt

(4. April 2013) Das EU-Parlament hat das Energie-Infrastrukturpaket angenommen. Das werde dringend gebrauchter Infrastruktur einen großen Schub geben, so EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Statt zwölf Jahre oder länger auf eine Genehmigung zu warten, würden Entwickler von wichtigen grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekten wie Pipelines oder Stromnetzen nun innerhalb von vier Jahren eine Entscheidung haben.

In den nächsten zehn Jahren werden 200 Mrd Euro für den Bau von Gasfernleitungen und Stromnetzen benötigt. Die neuen Gesetze sollen helfen, grenzüberschreitende Projekte von strategischer Bedeutung für den EU-Energiemarkt auf den Weg zu bringen.

Die Kommission schlägt vor, eine Reihe von Projekten von "gemeinsamem Interesse" auszuwählen, die zur Erreichung der Klima- und Energieziele wichtig sind. Für sie gilt ein erleichtertes, schnelleres und transparenteres Genehmigungsverfahren: Jeder Mitgliedstaat benennt eine einzige zuständige Behörde als Anlaufstelle für das gesamte Genehmigungsverfahren, das höchstens drei Jahre dauert.

Die Projekte können EU-Mittel erhalten – Zuschüsse, projektbezogene Anleihen oder Sicherheiten. Im Zeitraum 2014 bis 2020 sind über die "Fazilität Connecting Europe" 9,1 Mrd Euro für die Energieinfrastruktur vorgesehen.

Dies ist das erste Mal, dass die EU den Bau umfangreicher Energieinfrastruktur aus ihrem ordentlichen Haushalt mitfinanziert. Das vorgeschlagene Verfahren wird die Verwaltungskosten für ein Projekt in ganz Europa um durchschnittlich 30% für die Projektträger und 45% für die Behörden senken.

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letzte Änderung: 14.07.2023