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Zwischen Seelsorge und Paragrafen Oft gütliche Schlichtung möglich

Zwischen Seelsorge und Paragrafen

Seit Januar 2010 leitet Thomas Schlagowski die Erfassungsstelle Energieunrecht in Hamburg. In der Energiedepesche berichtet er über seine ersten Erfahrungen.

2176 Thomas Schlagowski

Thomas Schlagowski

(25. Juni 2010) Energieversorger können ihre Kunden nicht mehr ungestraft mit rechtswidrigen Sperrandrohungen oder Lieferstopps drangsalieren, die in der Branche allgemein respektierten Grundsätzen widersprechen: Es ist unsere Aufgabe, entsprechende Versorgungsunternehmen in einer breiten Öffentlichkeit „an den Pranger" zu stellen. Keiner soll glauben, bei Missbrauch ungeschoren davon zu kommen. Allein in den vergangenen drei Monaten haben sich wieder mehrere Dutzend Betroffene an die Erfassungsstelle Energieunrecht gewandt.

Gütliches Vier-Augen-Gespräch

In vielen Fällen wirken wir darauf hin, dass Kunden und Unternehmen gemeinsam gütliche Lösungen finden. Dies ist besonders wichtig in völlig verfahrenen Fällen, die sich manchmal schon über längere Zeit teilweise grotesk aufgeschaukelt haben. Dabei bedarf es oft eines von außen angestoßenen klaren Schnitts, um endlich „die Kuh vom Eis" zu bekommen. In solchen Fällen haben wir angekündigt, kooperative Unternehmen als positive Beispiele für praktizierte Kundenfreundlichkeit zu nennen.

Kontaktdetails:

Erfassungsstelle Energieunrecht im Bund der Energieverbraucher e. V.
Thomas Schlagowski, Neuer Korbmachersand 11, 21129 Hamburg
Sprechstunde: Mo. 9-13 Uhr
Tel. 040-7429700 (in Notfällen: 0163-7429700)

Auf der anderen Seite finden sich auch Vorgänge, in denen wir den betroffenen Kunden nur raten können, die eigenen Unterlagen sorgfältig zu ordnen und einen persönlichen Beratungstermin in einem der Kundencenter zu vereinbaren. Dort sollten sie gut vorbereitet und ganz entspannt von Mensch zu Mensch die Angelegenheit in einem wirklich gütlichen Sinne regeln.

Das Ziel: Faire Zusammenarbeit mit Versorgern

Unserer Erfahrung nach kann ein Gespräch unter vier Augen wahre Wunder wirken - vorausgesetzt, beide Seiten sind auch bereit zu Zugeständnissen. Gerade Unternehmen mit einem professionellen Kundenmanagement werden gesprächsbereite Kunden auf keinen Fall unnötig vor den Kopf stoßen.

Verbraucher-Seelsorge

In diesem Sinne leisten wir teilweise schon fast eine „seelsorgerische" Arbeit auch im Sinne der Versorger, um Dinge nicht unnötig weiter eskalieren zu lassen. Unser Ziel ist es, fair mit den Versorgern zusammenzuarbeiten: Wann immer möglich, gilt es, die Dinge einvernehmlich zu klären. Auf der anderen Seite dürfen diejenigen, die glauben, sie könnten rechtswidrige Versorgungssperren als Waffen missbrauchen, nicht auf unsere Schonung rechnen.

Drohung zurückgenommen

In einem knappen Drittel aller berichteten Fälle nahmen die Versorger ihre Sperrandrohungen sogar zurück, ohne dass eine besondere Intervention nötig war. In einem Fall gab es sogar eine Entschuldigung von oberster Stelle. Bei etwa der Hälfte dieser Fälle handelte sich bei den betroffenen Kunden übrigens um Verbraucher, die den Billigkeitseinwand nach §315 BGB erhoben hatten („Protestkunden"). In diesen Fällen genügte schon der bloße Hinweis auf diesen „Schutzparagrafen" und die Versorger nahmen ihre Sperrandrohung sofort zurück. Das galt auch für betroffene Kunden, die entweder hochbetagt oder (schwer)behindert waren, denn diese Fakten schienen dem Unternehmen jeweils nicht bekannt gewesen zu sein.

Hartnäckige Härtefälle

Fünf Vorgänge haben sich inzwischen zu etwas umfangreicheren Akten entwickelt. In einem, zugegeben sehr verflixten Fall sitzt der Kunde schon seit dem Winter 09/10 ohne Gas da - im Übrigen der einzige Fall, in dem der Versorger die Sperre bereits durchgeführt hatte, bevor sich der Betroffene an uns wandte. In drei Fällen erwarten wir in Kürze die Stellungnahmen der Unternehmen.

Ein Versorger fiel jedoch deutlich negativ auf: Uns liegen bereits zwei Fälle eines Unternehmens aus Hessen vor, dessen Kunden sich auf den Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB berufen hatten. Dennoch drohte der Versorger damit, die Gasversorgung einzustellen. In einem Fall glaubte man, eine 76-jährige Gaspreis-Rebellin, die zudem noch zwei Schwerbehinderte (Ehemann und Sohn) zu versorgen hat, mit einer Sperre ängstigen zu müssen. Als wir uns einschalteten, versuchte man zunächst, uns in leicht herablassendem Ton abzuwimmeln. Selbstverständlich lassen wir nicht locker. Und wir werden das betroffene Unternehmen künftig mit geschärfter Aufmerksamkeit betrachten, wie die Verantwortlichen dieses Unternehmens ihre Vorgehensweise rechtfertigen werden.

Leider können wir noch keine Namen nennen, da keiner der genannten Fälle bislang abgeschlossen ist. Mehr Details veröffentlichen wir im nächsten Report.

So schalten Sie die Erfassungsstelle Energieunrecht ein:

Alle Betroffenen können angedrohte oder tatsächliche Versorgungssperren der Dokumentationsstelle mitteilen: Entweder bequem online oder den Fragebogen anfordern beim Bund der Energieverbraucher, Frankfurter Str. 1, 53572 Unkel. Eine Mitgliedschaft im Verein ist dafür nicht erforderlich.

letzte Änderung: 08.12.2023